JudikaturDSB

K121.598/0006-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HEILEGGER, Mag. HUTTERER, Dr. KÖNIG, Mag. MAITZ-STRASSNIG und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 30. Juli 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde der Alexa R*** (Beschwerdeführerin) aus L*** vom 3. Februar 2010 gegen den Magistrat der Stadt Wien (Beschwerdegegner) als datenschutzrechtlicher Auftraggeber für das städtische Unternehmen Stadt Wien – Wiener Wohnen wegen Verletzung in den Rechten auf Geheimhaltung und Löschung personenbezogener Daten in Folge Übermittlung von Daten zu Mietzinsrückstand an den D**-Gläubigerverband (D**) sowie Nichtreaktion auf ein Löschungsbegehren wird entschieden:

- Die Beschwerde wird a b g e w i e s e n.

Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1, 2 und 3 Abs. 2, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 Z 4, 27 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4, 28 Abs. 1 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF iVm § 118 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194/1994 idgF.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien

Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer mit 3. Februar 2010 datierten und am 12. Februar 2010 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde eine Verletzung in den Rechten auf 1. Geheimhaltung und 2. Löschung dadurch, dass der Beschwerdegegner zu 1. Daten betreffend Mietzinsrückstände zwecks Inkasso an den D** übermittelt und zu 2. ihrem Löschungsbegehren bzw. Widerspruch vom 7. Dezember 2009 nicht entsprochen habe.

Der Beschwerdegegner brachte mit Stellungnahme vom 4. März 2010 vor, die Verwaltung von Gemeindewohnungen und die damit verbundene Abwicklung von Mietzinszahlungen falle in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung der Stadt Wien. Derartige Forderungen seien privatrechtlicher Natur und dürften nicht, wie dies die Beschwerdeführerin tue, mit der Einbringung von Landesabgaben oder anderen hoheitlich vorzuschreibenden Leistungen gleichgesetzt werden. Die Beauftragung und Bevollmächtigung des D** zur Erbringung von Inkassodiensten und die damit verbundene Überlassung von Daten sei auf Grund der Privatautonomie der Beschwerdegegnerin in diesem Bereich daher zulässig. Es bestehe ein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Datenverwendung. Es würden nur für Zwecke der Forderungseinbringung tatsächlich notwendige Daten weitergegeben: Name, Geschlecht, Geburtsdatum, Zustelladressen (einschließlich früherer Adressen und jenen der Mietobjekte) sowie die Daten des Zahlungsverkehrs. Da die Forderungen der Stadt Wien nach wie vor nicht beglichen seien, bestehe auch kein Grund, die Löschung dieser Daten zu veranlassen. Die Beschwerdeführerin sei auf ihr Schreiben vom 7. Dezember 2009 hin von Wiener Wohnen am 21. Dezember 2009 über die Rechtslage informiert worden, am 3. März 2010 sei das Löschungsbegehren durch die MA 26 nochmals ausdrücklich und mit ausführlicher Begründung abgelehnt worden.

Die Beschwerdeführerin hat zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens keine weitere Stellungnahme abgegeben.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdegegner berechtigt war, Daten betreffend die Beschwerdeführerin und deren Mietzinsrückstände inkassohalber an den D** weiterzugeben, und ob er weiters berechtigt war, ein darauf bezogenes Löschungsbegehren (einen darauf bezogenen Widerspruch) abzulehnen.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerin war früher Mieterin der Stadt Wien (zwei Objekte, unternehmerisch genutzt), die von „Wiener Wohnen“ verwaltet werden. Aus der Zeit dieses Mietverhältnisses bestehen Mietzinsrückstände, für die eine bis heute nicht vollständig erfüllte ratenweise Abzahlung vereinbart worden ist. Das städtische Unternehmen „Wiener Wohnen“ steht in einem Vertragsverhältnis zum D**- Gläubigerverband, der mit dem Inkasso ausständiger Mietzinsforderungen beauftragt ist. Für diesen Zweck wurden Name, Geschlecht, Geburtsdatum, Zustelladressen (einschließlich früherer Adressen und jenen der Mietobjekte) sowie die Daten des Zahlungsverkehrs betreffend die Beschwerdeführerin an den D** weitergegeben.

Am 7. Dezember 2009 wandte sich die Beschwerdeführerin brieflich an Wiener Wohnen, erklärte in dem Schreiben ihren Unmut gegen das Inkasso durch den D** und brachte vor, dass die „Eintreibung rückständiger Gemeindeabgaben (auch Mieten)“ durch private Unternehmen unzulässig sei. Dies verletze die Amtsverschwiegenheit und den Datenschutz. Sie sprach aus, „die Weitergabe von Daten, welche mich betreffen, an private Eintreibungs- bzw. Inkassobüros (u.a. Rechtsanwälte, D**- Gläubigerverband, etc.)“ zu untersagen und forderte gleichzeitig die Löschung bereits weitergegebener Daten. Wiener Wohnen antwortete darauf mit einem Schreiben vom 7. Dezember 2009, in dem ausgeführt wurde, der Beschwerdegegner handle hier im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung und sei daher berechtigt, dem D** für Inkassozwecke Vollmacht zu erteilen. Die Beschwerdeführerin werde aufgefordert, auch zukünftige Raten an den D** als Bevollmächtigten zu überweisen.

Mit Schreiben der Magistratsabteilung ** vom 3. März 2010, demnach nach Beschwerdeerhebung, wurde diese Rechtsansicht wiederholt und überdies das Löschungs- bzw. Unterlassungsbegehren ausdrücklich mit der näher ausgeführten Begründung abgelehnt, dass die Daten für Inkassozwecke weiterhin beim D** zu verwenden wären.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den sachverhaltsmäßig praktisch unstrittigen Vorbringen der Parteien, der Beschwerde vom 3. Februar 2010 (samt Beilage Kopie Schreiben der Beschwerdeführerin an Wiener Wohnen vom 7. Dezember 2009) sowie der Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 4. März 2010, MA ** – ***/2010 (samt Beilagen Schreiben Wiener Wohnen an die Beschwerdeführerin vom 21. Dezember 2009, ** – */*00*/**** – DR, und Schreiben der MA ** an die Beschwerdeführerin vom 3. März 2010, MA ** – ***/2010).

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Grundrecht auf Datenschutz

§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen

(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs. 3 sind nur unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig.

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“

§§ 7 und 8 Abs. 1, 2 und 3 DSG 2000 lauten samt Überschrift:

„Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§ 7. (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.

Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung nicht-sensibler Daten

§ 8. (1) Gemäß § 1 Abs. 1 bestehende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

(2) Bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten oder von nur indirekt personenbezogenen Daten gelten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt. Das Recht, gegen die Verwendung solcher Daten gemäß § 28 Widerspruch zu erheben, bleibt unberührt.

(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde des Abs. 1 Z 4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten

§ 27 Abs. 1 bis 4 DSG 2000 lautet

„Recht auf Richtigstellung oder

Löschung

§ 27. (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar

Der Pflicht zur Richtigstellung nach Z 1 unterliegen nur solche Daten, deren Richtigkeit für den Zweck der Datenanwendung von Bedeutung ist. Die Unvollständigkeit verwendeter Daten bewirkt nur dann einen Berichtigungsanspruch, wenn sich aus der Unvollständigkeit im Hinblick auf den Zweck der Datenanwendung die Unrichtigkeit der Gesamtinformation ergibt. Sobald Daten für den Zweck der Datenanwendung nicht mehr benötigt werden, gelten sie als unzulässig verarbeitete Daten und sind zu löschen, es sei denn, daß ihre Archivierung rechtlich zulässig ist und daß der Zugang zu diesen Daten besonders geschützt ist. Die Weiterverwendung von Daten für einen anderen Zweck ist nur zulässig, wenn eine Übermittlung der Daten für diesen Zweck zulässig ist; die Zulässigkeit der Weiterverwendung für wissenschaftliche oder statistische Zwecke ergibt sich aus den §§ 46 und 47.

(2) Der Beweis der Richtigkeit der Daten obliegt - sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist - dem Auftraggeber, soweit die Daten nicht ausschließlich auf Grund von Angaben des Betroffenen ermittelt wurden.

(3) Eine Richtigstellung oder Löschung von Daten ist ausgeschlossen, soweit der Dokumentationszweck einer Datenanwendung nachträgliche Änderungen nicht zuläßt. Die erforderlichen Richtigstellungen sind diesfalls durch entsprechende zusätzliche Anmerkungen zu bewirken.

(4) Innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Antrags auf Richtigstellung oder Löschung ist dem Antrag zu entsprechen und dem Betroffenen davon Mitteilung zu machen oder schriftlich zu begründen, warum die verlangte Löschung oder Richtigstellung nicht vorgenommen wird.“

§ 118 GewO 1994 lautet samt Überschrift:

„Inkassoinstitute

§ 118. (1) Einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Inkassoinstitute (§ 94 Z 36) bedarf es für die Einziehung fremder Forderungen.

(2) Die Gewerbetreibenden, die zur Ausübung des Gewerbes der Inkassoinstitute berechtigt sind, sind nicht berechtigt, Forderungen gerichtlich einzutreiben oder sich Forderungen abtreten zu lassen, auch wenn die Abtretung nur zu Zwecken der Einziehung erfolgen sollte.

(3) Die Gewerbetreibenden, die zur Ausübung des Gewerbes der Inkassoinstitute berechtigt sind, sind zur Einziehung einer fremden Forderung, die dem Ersatz eines Schadens ohne Beziehung auf einen Vertrag (§ 1295 ABGB) dient, nur berechtigt, wenn diese Forderung unbestritten ist.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Im Gegensatz zur Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, die im Übrigen dem Vorbringen des Beschwerdegegners nichts mehr erwidert hat, handelt es sich bei der Verwaltung der städtischen Wohnhäuser (Vermietung, Verrechnung und Einbringung des Mietzinses, etc.) um keinen Akt der Hoheitsverwaltung, insbesondere der Einbringung von öffentlichen Abgaben. Es handelt sich um Privatwirtschaftsverwaltung einer Gebietskörperschaft gemäß Art. 17 B-VG, da dieselben Handlungsweisen jedem Privaten bei seiner Erwerbstätigkeit oder Vermögensverwaltung offen stehen.

Unbestritten schuldet die Beschwerdeführerin der Unternehmung der Stadt Wien „Wiener Wohnen“ Mietzinszahlungen. Die Unternehmung der Stadt Wien „Wiener Wohnen“ als für dieses Aufgabengebiet (Wohnhausverwaltung) zuständige Einheit des Magistrats der Stadt Wien hat nun die Entscheidung getroffen, den D** als Inkassoinstitut heranzuziehen.

Diese Entscheidung, die im Rahmen der Privatautonomie der Stadt Wien getroffen wurde, hat jedenfalls überwiegende berechtigte Interessen des Beschwerdegegners auf ihrer Seite. Das berechtigte Interesse des Auftraggebers, sich jedes Mittels zu bedienen, das gesetzmäßig – die Gesetzmäßigkeit der Tätigkeit eines Inkassoinstituts ergibt sich daraus, dass es sich um eine in der Gewerbeordnung vorgesehene, daher legale unternehmerische Dienstleistung handelt – zur Durchsetzung von Forderungen Privaten in die Hand gegeben ist, überwiegt das berechtigte Interesse der Beschwerdeführerin an der Unterlassung der Datenverwendung für Inkassozwecke.

Zu beachten ist, dass es sich bei der „Weitergabe“ von Daten eines Schuldners an ein Inkassoinstitut regelmäßig um eine Übermittlung handelt (vgl. Bescheid der Datenschutzkommission vom 20. Oktober 2006, K121.155/0015-DSK/2006, RIS).

Die Beschwerdeführerin hat nun einer solchen Datenverwendung widersprochen. Der Beschwerdegegner hat diesem Widerspruch nicht entsprochen und dies in zwei verschiedenen Schreiben auch rechtlich begründet.

Insbesondere da die Einbringung der Mietzinsforderung noch im Gange ist, die Datenverwendung daher in jedem Fall einen durch überwiegendes berechtigtes Interesse des hier belangten Auftraggebers gedeckten Zweck erfüllt, stellt weder die Datenübermittlung im festgestellten Umfang an ein Inkassoinstitut einen Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung noch die Nichtbeachtung des Widerspruchs einen Eingriff in das Recht auf Löschung dar.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

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