JudikaturDSB

K121.597/0008-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HEILEGGER, Mag. HUTTERER, Dr. KÖNIG, Mag. MAITZ-STRASSNIG und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 30. Juli 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Udo R*** (Beschwerdeführer) aus Ä***, vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft X*** aus **** Y***, vom 8. Februar 2010 gegen die Bezirkshauptmannschaft Ä*** als Sicherheitsbehörde erster Instanz (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Verwendung erkennungsdienstlicher Daten (Lichtbilder) zur Identitätsüberprüfung am 18. Jänner 2010 wird entschieden:

- Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt, dass die Übermittlung erkennungsdienstlicher Daten durch Vorhalt von Lichtbildern des Beschwerdeführers an Hanna R*** und Ignaz S*** am 18. Jänner 2010 den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.

Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2, 6 Abs. 1 Z 1 und 2, 7 Abs. 1 und 2 Z 1 und 31 Abs. 2 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, sowie §§ 16 Abs. 2 Z 4, 29 Abs. 1 und 2 Z 3, 35 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 und 3, 51 Abs. 1 und 2, 64 Abs. 5, 65 Abs. 1, 71 Abs. 3 Z 2 und Abs. 5 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF.

B e g r ü n d u n g

A. Vorbringen der Parteien

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner am 11. Februar 2010 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass ein Beamter der Polizeiinspektion (PI) Ä*** am 18. Jänner 2010 Hanna R***, die Mutter des Beschwerdeführers, und Ignaz S***, deren Lebensgefährten, am Arbeitsplatz bzw. in deren Wohnung aufgesucht und unter Vorhalt von erkennbar von einer erkennungsdienstlichen Behandlung (aus der „Verbrecherkartei“) stammenden Lichtbildern zur Identifizierung des Beschwerdeführers aufgefordert habe. Da die Daten des Beschwerdeführers bereits von dessen kriminalpolizeilicher Beschuldigtenvernehmung am 28. Dezember 2009 (wegen des Verdachts von Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz) bekannt gewesen seien, habe diese Amtshandlung erkennbar nur dem Zweck gedient, die angesprochenen Personen über das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren zu informieren. Dadurch erachte er sich in seinem Recht auf Geheimhaltung als verletzt.

Die Beschwerdegegnerin hielt dem in ihrer Stellungnahme vom 3. März 2010 unter Vorlage von Aktenkopien aus dem kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren und der erkennungsdienstlichen (ED) Behandlung entgegen, der Beschwerdeführer habe sich anlässlich seiner Einvernahme und ED-Behandlung nicht entsprechend ausweisen können, daher sei eine gemäß § 65 Abs. 6 SPG zulässige und gebotene Identitätsfeststellung unter Heranziehung von Identitätszeugen durchgeführt worden. Diese (Mutter, Lebensgefährte der Mutter) hätten den Beschwerdeführer an Hand der ED-Lichtbilder erkannt, diese Datenübermittlung könne sich auf die Ermächtigung gemäß § 71 Abs. 3 Z 2 SPG stützen.

Erst in seiner Replik darauf vom 26. März 2010 bestritt der Beschwerdeführer erstmals die Rechtmäßigkeit der ED-Behandlung an sich. Auf Grund der näheren Umstände der Anlasstat hätte kein Schluss auf einen Präventionsbedarf durch Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten gezogen werden können, die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 SPG hätten daher nicht vorgelegen. Daher hätte auch keine Identitätsfeststellung erfolgen dürfen. Weiters sei er anlässlich seiner Einvernahme und der ED-Behandlung am 28. Dezember 2009 nie zur Ausweisleistung aufgefordert worden. Seine Identität sei schon auf Grund der Tatsache, dass er der Ladung Folge geleistet habe, nicht zweifelhaft gewesen. Überdies hätte die Beschwerdegegnerin ihn vor Heranziehung von Identitätszeugen selbst zur Mitwirkung an der Identitätsfeststellung (durch Ausweisleistung) auffordern müssen. Und zuletzt sei das Vorgehen unverhältnismäßig und überschießend dahingehend gewesen, dass zwei Identitätszeugen herangezogen wurden. Da Ignaz S*** den Beschwerdeführer bereits an Hand der Lichtbilder erkannt habe, sei das Vorzeigen der Bilder gegenüber der Mutter des Beschwerdeführers nicht notwendig und unverhältnismäßig gewesen. Die Beschwerde werde daher aufrecht erhalten.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers und seiner unmissverständlichen, den Gegenstand der Sache abgrenzenden Antragstellung vom 8. Februar 2010, das Vorgehen der Beschwerdegegnerin bei der Identitätsfeststellung („Einschreiten…am 18.01.2010 gegenüber Ignaz S***….und gegenüber der Mutter…Hanna R***“) für rechtswidrig zu erklären, ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, dem Ignaz S*** und der Hanna R*** am 18. Jänner 2010 anlässlich einer am 28. Dezember 2009 durchgeführten ED-Behandlung ermittelte Bilddaten (Lichtbilder) des Beschwerdeführers vorzuhalten.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Die PI V*** führte im Zuständigkeitsbereich der Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde zu **/0000/**** ein kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts von Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz – SMG (§ 27 Abs. 1 SMG, Erwerb, Besitz und Konsum von Codidoltabletten und Erwerb, Besitz, Konsum und Weitergabe von Cannabis; Erwerb, Besitz und Konsum nicht näher quantifiziert, Verdachtsmenge betreffend die Weitergabe maximal 0,75 Gramm, kein Verdacht der entgeltlichen Weitergabe). Am 28. Dezember 2009 wurde der Beschwerdeführer nach Aufforderung zum Erscheinen auf der PI V*** von 10:19 bis 11:05 Uhr als Beschuldigter einvernommen. Am selben Tag um 11:36 Uhr wurde der Beschwerdeführer, der einer entsprechenden mündlichen Aufforderung Folge leistete, auf dem Bezirkspolizeikommando Ä*** erkennungsdienstlich behandelt. Die Behandlung umfasste die Abnahme der Abdrücke aller zehn Finger und der Handflächen sowie die Anfertigung dreier digitaler Lichtbilder (Frontaufnahme, Profil, Halbprofil). Im Kontrolldatenblatt der ED-Behandlung wurde ausdrücklich das Fehlen von Legitimationsdokumenten und das Erfordernis einer Identitätsfeststellung vermerkt. Neben der oben dargestellten Verdachtslage war der Sicherheitsbehörde (Beschwerdegegnerin) über den Beschwerdeführer nichts aktenkundig Nachteiliges bekannt; eine von ihm selbst erwähnte Verurteilung, glaublich im Jahre 1998, scheint in den der Datenschutzkommission vorgelegten Aktenkopien nicht auf. Es gab nachweislich auch keine KPA-Vormerkung.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der von der Beschwerdegegnerin als Beilage zu ihrer Stellungnahme vom 3. März 2010, Zl. ****-000-****.00, vorgelegten Aktenkopien (Zl. **/0000/**** der PI V***), insbesondere den vorgelegten EKIS-Ausdrucken.

Die zentrale Clearingstelle für Personenfeststellung Inland bei der Bundespolizeidirektion Wien forderte die PI Ä*** am 8. Jänner 2010 nach Überprüfung der entsprechenden ED-Daten unter Übersendung eines entsprechenden Formblatts per E-Mail auf, eine Identitätsfeststellung durch „Lichtbildvorlage an den Erkennungszeugen“ vorzunehmen. Dies erfolgte am 18. Jänner 2010 dadurch, dass die erkennungsdienstlichen Lichtbilder zuerst an der Wohnadresse der Mutter des Beschwerdeführers dem Ignaz S***, Lebensgefährte der Hanna R***, der Mutter des Beschwerdeführers, und anschließend der Hanna R*** selbst an deren Arbeitsplatz vorgehalten wurden, und die Mutter auf dem entsprechenden Formular als Erkennungszeugin, die die Identität des Beschwerdeführers bestätigt hatte, angeführt wurde.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der von der Beschwerdegegnerin als Beilage zu ihrer Stellungnahme vom 3. März 2010, Zl. ****-000-1154.01, vorgelegten Aktenkopien, insbesondere den vorgelegtem Formblatt zur Lichtbildvorlage an den Erkennungszeugen, Zl. 0 ***0000/00 (der zentralen Clearingstelle bei der BPD Wien), samt Begleitschreiben (E-Mail).

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:

„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

§ 6 Abs. 1 und 2 DSG 2000 samt Überschrift lautet:

„Grundsätze

§ 6. (1) Daten dürfen nur

(2) Der Auftraggeber trägt bei jeder seiner Datenanwendungen die Verantwortung für die Einhaltung der in Abs. 1 genannten Grundsätze; dies gilt auch dann, wenn er für die Datenanwendung Dienstleister heranzieht.“

§ 7 Abs. 1 und 3 DSG 2000 samt Überschrift lautet:

„Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§ 7. (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) ...

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, dass die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und dass die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“

§ 16 Abs. 2 SPG idF BGBl. I Nr. 100/2005 lautet unter der Überschrift „Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;

Gefahrenerforschung“:

„§ 16. (1) [...]

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.“

§ 29 SPG idF BGBl. I Nr. 85/2000 samt Überschrift lautet:

„Verhältnismäßigkeit

§ 29. (1) Erweist sich ein Eingriff in Rechte von Menschen als erforderlich (§ 28a Abs. 3), so darf er dennoch nur geschehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlaß und zum angestrebten Erfolg wahrt.

(2) Insbesondere haben die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

§ 35 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 und 3 SPG lautet samt Überschrift

„Identitätsfeststellung

§ 35. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt,

1. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er stehe im Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff Auskunft erteilen;

[…]

(2) Die Feststellung der Identität ist das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Sie hat mit der vom Anlaß gebotenen Verläßlichkeit zu erfolgen.

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben Menschen, deren Identität festgestellt werden soll, hievon in Kenntnis zu setzen. Jeder Betroffene ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden.“

§ 51 SPG samt Überschrift lautet:

„Allgemeines

§ 51. (1) Die Sicherheitsbehörden haben beim Verwenden (Verarbeiten und Übermitteln) personenbezogener Daten die Verhältnismäßigkeit (§ 29) zu beachten. Beim Verwenden sensibler und strafrechtlich relevanter Daten haben sie angemessene Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu treffen.

(2) Sofern nicht ausdrücklich Anderes angeordnet wird, finden auf das Verwenden personenbezogener Daten die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, Anwendung.“

§ 64 SPG lautet samt Hauptstücks- und Paragraphenüberschrift

„Erkennungsdienst

Begriffsbestimmungen

§ 64. (1) Erkennungsdienst ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie das weitere Verarbeiten und Übermitteln dieser Daten.

(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind technische Verfahren zur Feststellung von Merkmalen eines Menschen, die seine Wiedererkennung ermöglichen, wie insbesondere die Abnahme von Papillarlinienabdrücken, die Vornahme von Mundhöhlenabstrichen, die Herstellung von Abbildungen, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale, die Vornahme von Messungen oder die Erhebung von Stimm- oder Schriftproben.

(3) Erkennungsdienstliche Behandlung ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen, an dem der Betroffene mitzuwirken hat.

(4) Erkennungsdienstliche Daten sind personenbezogene Daten, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt worden sind.

(5) Personsfeststellung ist eine abgesicherte und plausible Zuordnung erkennungsdienstlicher Daten zu Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort und Namen der Eltern eines Menschen.“

§ 65 Abs.1, 5 und 6 SPG idF BGBl. I Nr. 114/2007 samt Überschrift lautet:

„„Erkennungsdienstliche Behandlung

§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.

[…]

(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des § 75 Abs. 1 letzter Satz ist der Betroffene über die Verarbeitung seiner Daten in einer den Umständen entsprechenden Weise in Kenntnis zu setzen.

(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Namen der Eltern, Ausstellungsbehörde, Ausstellungsdatum und Nummer mitgeführter Dokumente, allfällige Hinweise über die Gefährlichkeit beim Einschreiten einschließlich sensibler Daten, soweit deren Verwendung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen anderer notwendig ist und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.“

§ 71 SPG lautet samt Überschrift:

„Übermittlung erkennungsdienstlicher

Daten

§ 71. (1) Erkennungsdienstliche Daten, die gemäß den §§ 65 Abs. 1, 65a, 66 Abs. 1 oder 68 Abs. 3 oder 4 ermittelt wurden, dürfen Behörden für Zwecke der Sicherheitspolizei, der Strafrechtspflege und in anderen Aufgabenbereichen der Sicherheitsverwaltung, soweit dies für Zwecke der Wiedererkennung erforderlich ist, übermittelt werden.

(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 104/2002)

(3) Außer in den Fällen des Abs. 1 dürfen erkennungsdienstliche Daten, die gemäß § 65 Abs. 1 oder 3 oder gemäß § 66 Abs. 1 ermittelt wurden, nur unter folgenden Voraussetzungen übermittelt werden:

1. an Medienunternehmen zum Zwecke der Veröffentlichung

a. […]

2. an Personen, die als Identitätszeugen in Betracht kommen;

3. bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 an Tatzeugen, sofern anzunehmen ist, sie würden anhand der Daten zur Identifikation des Täters beitragen.

(4) Die Veröffentlichung erkennungsdienstlicher Daten durch die Behörde selbst ist unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Z 1 zulässig.

(5) Die Übermittlung erkennungsdienstlicher Daten, nach den Abs. 3 und 4 darf nur in dem Umfang geschehen, als dies zur Erreichung des angestrebten Zieles notwendig ist und zu dem dadurch bewirkten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Betroffenen nicht außer Verhältnis steht.“

§ 90 SPG idF BGBl. I Nr. 104/2002 lautet unter der Überschrift „Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über den Datenschutz“:

„§ 90. Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“

§ 27 Abs. 1 bis 5 SMG idF BGBl. I Nr. 110/2007 lautet unter der Überschrift „Unerlaubter Umgang mit Suchtgiften“:

„§ 27. (1) Wer vorschriftswidrig

ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Wer jedoch die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer eine Straftat nach Abs. 1 Z 1 oder 2 gewerbsmäßig begeht.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer

(5) Wer jedoch an Suchtmittel gewöhnt ist und eine Straftat nach Abs. 3 oder Abs. 4 Z 2 vorwiegend deshalb begeht, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, ist nur mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Der Beschwerde kommt in Summe aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Das in der Stellungnahme vom 26. März 2010, wenn auch erst nachträglich, gemachte Vorbringen, bereits die Verarbeitung der entsprechenden Daten hätte nicht erfolgen dürfen, ist zutreffend.

Eine der Voraussetzungen für die Durchführung der in Rede stehenden erkennungsdienstlichen Behandlungen ist nach § 65 Abs. 1 SPG, dass ein Mensch „im Verdacht“ steht, einen gefährlichen Angriff im Sinne des § 16 Abs. 2 SPG begangen zu haben. Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen – wie weit sie auch vom (vermuteten) eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen – gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen (vgl. VwGH vom 19. Mai 1993, 92/09/0238).

Im Beschwerdefall bestand im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grund eines Geständnisses der dringende Verdacht, dass der Beschwerdeführer für den eigenen Gebrauch Suchtmittel (Codidoltabletten, Cannabis) erworben und konsumiert sowie eine geringe Menge Cannabis (maximal 0,75 Gramm) an Jörg Kogler kostenlos weitergegeben hatte.

Der Beschwerdeführer war damit der Weitergabe der verbotenen Substanzen und eines gefährlichen Angriffs nach § 16 Abs. 2 Z 4 SPG verdächtig.

Zu den weiteren Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Behandlung „wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint“ ist Folgendes auszuführen:

Vor der SPG-Novelle, BGBl. I Nr. 114/2007, lautete § 65 Abs. 1 und 5 SPG wie folgt:

„§ 65 (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.

(2) ...(4)

(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des Abs. 1 ist der Betroffene außerdem darauf hinzuweisen, dass die erkennungsdienstliche Behandlung deshalb erfolgte, um der Begehung gefährlicher Angriffe durch sein Wissen um die Möglichkeit seiner Wiedererkennung entgegenzuwirken.“

Zu dieser Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf seine vor der SPG-Novelle 2002 im Erkenntnis vom 16. Juli 2003, 2002/01/0592, dargelegte Rechtsansicht folgendes ausgeführt:

„Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs 1 SPG in der Fassung der SPG-Novelle 2002 ist es erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen wird. Dabei hat sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl 2002/01/0320). Im Rahmen dieser so anzustellenden Überlegungen wird es - wie der neue Wortlaut des § 65 Abs 1 SPG ausdrücklich klarstellt - immer auch auf die Art des Deliktes, dessen der Betroffene verdächtig ist, ankommen. Dass (auch) die aktuelle Textierung des § 65 SPG eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbietet, steht insoweit mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle 2002 (1138 BlgNR 21. GP 33) im Einklang, als dort neben der Art des begangenen Delikts die konkreten Umstände bei der Tatbegehung als Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe als Parameter genannt werden.“

Durch die am 1. Jänner 2008 in Kraft getretene SPG-Novelle, BGBl. I Nr. 114/2007, erfuhren § 65 Abs. 1 und 5 SPG insofern eine Änderung, als diese gesetzlichen Bestimmungen nunmehr wie unter D.1. zitiert lauten.

Die Erläuternden Bemerkungen zu diesen geänderten Normtexten (vgl. GP XXIII RV 272) lauten wie folgt:

„Zu Z 17 und 18 (§ 65 Abs. 1 und 5):

Mit der Änderung des § 65 Abs. 1 durch die SPG Novelle 2002 (vgl. die entsprechenden EB zur RV, 1138 BlgNR, XXI.GP) sollte erreicht werden, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung bei Verdacht einer Einzelstraftat nicht nur dann zulässig ist, wenn beim Betroffenen konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr oder der Gefahr der Begehung anderer gefährlicher Angriffe bestehen, sondern auch wenn eine für bestimmte Deliktsbereiche typische (statistische) Rückfallsgefahr vorliegt. Die Art des begangenen Delikts oder konkrete Umstände bei der Tatbegehung sollten Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe darstellen. Zu dieser Fassung des § 65 Abs.1 hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen (etwa VwGH vom 16. Juli 2003, 2002/01/0592 oder VwGH vom 7. Oktober 2003, 2003/01/0191) festgehalten, dass die aktuelle Textierung des § 65 - insbesondere auch wegen des unverändert gebliebenen § 65 Abs. 5 letzter Satz - eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbiete. Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 sei es immer erforderlich, eine konkrete fallbezogene Prognose zu treffen, bei der sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer „Vorbeugung“ durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen habe. Im Rahmen dieser Überlegungen komme es „auch“ auf die Art des Delikts an. § 65 Abs. 5 zweiter Satz bezweckt, dass dem Betroffenen der vorbeugende Charakter der erkennungsdienstlichen Behandlung (entsprechend der sicherheitspolizeilichen Aufgabenstellung des § 22 Abs. 2) nochmals vor Augen geführt werden soll. Da dieser Satz für die Frage, ob die Maßnahme zur Vorbeugung künftiger gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint, keinen Mehrwert bringt, kann er gestrichen werden. Darüber hinaus soll durch die Neufassung von § 65 Abs. 1 klargestellt werden, dass – abgesehen von der Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Verbindung – konkrete Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung oder Begehung anderer gefährlicher Angriffe entweder in der Person des Betroffenen selbst oder in der Art oder Ausführung der Tat liegen können. Es genügt im zweiten Fall eine abstrakte Form von Wahrscheinlichkeit, die an der verwirklichten Tat anknüpft und den Schluss rechtfertigt, dass die Tat nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Einzelfall bleiben wird.“

Aus diesen Darlegungen ist klar ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine von ihm gewollte Rechtslage (arg.: „sollte erreicht werden“) nicht entsprechend in einen Normtext gegossen hat, wodurch es zu der von ihm nicht intendierten Rechtsauslegung gekommen ist. Dazu kommt, dass nunmehr in den Erläuternden Bemerkungen zu § 65 Abs. 1 SPG von einem

„Entweder ... oder“ die Rede ist und ausdrücklich davon die

Sprache ist, dass „im zweiten Fall (Anm.: Art der Tat, vermutlich aber auch Ausführung der Tat mitgemeint) eine abstrakte Form von Wahrscheinlichkeit, die an der verwirklichten Tat anknüpft und den Schluss rechtfertigt, dass die Tat nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Einzelfall bleiben wird“, genüge.

Weiterhin sind aber – soweit nicht ein Tätigwerden im Rahmen einer kriminellen Verbindung gegeben ist – insofern weitere Überlegungen notwendig, als § 65 Abs. 1 SPG die erkennungsdienstliche Behandlung nur dann zulässt, wenn dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint. Diese Erforderlichkeit kann sich – wie bereits oben aus den Erläuternden Bemerkungen abgeleitet – entweder aus der Persönlichkeit des erkennungsdienstlich zu Behandelnden oder aber aus der Art oder Ausführung der Tat ergeben, wobei diese einzelnen Tatbestandsmerkmale miteinander insofern verbunden sein können, als doch vielfach aus der Art oder der Ausführung der Tat auf die Persönlichkeit des Täters geschlossen werden kann.

Weiters kommt im vorliegenden Fall der Beantwortung der Frage, ob nicht aus bestimmten anderen Gründen die gesetzten erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den in § 51 SPG normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen haben könnten, entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Unter diesen Aspekten können die gegen den Beschwerdeführer gesetzten erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht als gerechtfertigt erscheinen.

So ist ausgehend von den konkreten Tatumständen zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer der Verdachtslage im relevanten Zeitpunkt nach Codidoltabletten (nach Angaben des Beschwerdeführers besteht diesbezüglich und hinsichtlich Alkohol eine Suchterkrankung) und Cannabis nur konsumiert und – ohne Erwerbsabsicht, kostenlos – eine geringe Menge Cannabis weitergegeben hat. Diese Art der Tatbegehung, die keinen über eine vage Vermutung hinausgehenden Schluss auf einen „Suchtmittelhandel“ mit Dritten zulässt, vermag im Zusammenhang mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot des § 51 SPG die gesetzten erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht zu rechtfertigen. Weder aus der Persönlichkeit noch aus der Tat war im relevanten Zeitpunkt ein klarer Schluss darauf möglich, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellte, der durch präventive sicherheitspolizeiliche Maßnahmen entgegenzuwirken war. Denn bei einem solchen deliktischen Verhalten, das keinen objektiv vernünftigen Schluss auf ein „Mehr als das“ zulässt, stehen erkennungsdienstliche Maßnahmen und deren Speicherung in keinem Verhältnis zum Anlass und zum angestrebten Erfolg.

Da die Übermittlung von Daten gemäß § 7 Abs. 1 und 2 Z 1 DSG 2000 die rechtmäßige Verarbeitung der Daten voraussetzt, war der Vorhalt der Lichtbilder aus dem Grund unzulässig, dass die erkennungsdienstlichen Daten gar nicht verarbeitet hätten werden dürfen.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.

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