JudikaturDSB

K121.546/0020-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HEILEGGER, Mag. HUTTERER, Dr. KÖNIG, Mag. MAITZ-STRASSNIG und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 30. Juli 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde der Clara W*** (Beschwerdeführerin) aus Wien vom 23. Juli 2009 gegen die Sprengelwahlbehörde für den Wahlsprengel **, 20. Wiener Gemeindebezirk (Beschwerdegegnerin), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge a) Verarbeitung (Erfassung) ihrer Nummer im Wählerverzeichnis der Wahlen zum Europäischen Parlament am 7. Juni 2009 als das Wahlrecht ausgeübt habende Wählerin durch die Beisitzerin Erika E*** und b) Übermittlung der entsprechenden, die Daten der Beschwerdeführerin enthaltenden Liste an die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ), wird entschieden:

Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 2/2008 sowie § 31 Abs. 2 und 7 DSG 2000 idgF, jeweils in Verbindung mit §§ 4, 47 und 55 der Europawahlordnung (EuWO), BGBl. Nr. 201/1996 idF BGBl. I Nr. 11/2009.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien

Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer am 28. Juli 2009 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass Mitglieder der Beschwerdegegnerin während der Wahlen zum Europäischen Parlament am 7. Juni 2009 das Führen sogenannter „doppelter WählerInnenlisten“ durch einzelnen Mitglieder gestattet habe. Sie habe in diesem Wahlsprengel ihre Stimme abgegeben, sei daher Betroffene, und habe entsprechende Beobachtungen (als Wahlzeugin, nominiert von der wahlwerbenden Partei „Die Grünen“) gemacht. Die entsprechenden Listen würden regelmäßig an die lokale Organisation der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) übermittelt und dazu verwendet, noch vor Wahlschluss bestimmte Personen, die nicht in den Listen aufscheinen, zur Stimmabgabe „zu ermutigen“. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin handle es sich um die Verwendung sensibler Daten (Wahlrechtsgebrauch als Kundgabe der politischen Meinung) durch Amtsorgane, die unter der Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit stünden. Eine gesetzliche

Ermächtigung dafür bestehe jedoch nicht, die von der Stadt Wien ins Treffen geführte Bestimmung des § 61 Abs. 2 NRWO (bei Europawahlen sinngemäß anzuwenden) lege nur Wahlzeugen keine entsprechende Pflicht auf. Die Beschwerdeführerin erachte sich dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung als verletzt. Sie stellte den Antrag, die Datenschutzkommission „möge feststellen, dass die BF (Anmerkung: Beschwerdeführerin) dadurch, dass Informationen über die Stimmabgabe der in diesem Sprengel wahlberechtigten BürgerInnen an die SPÖ übermittelt wurden, in ihrem Grundrecht auf Datenschutz verletzt wurde.“

Die Beschwerdegegnerin bestritt das Vorbringen in ihrer Stellungnahme vom 28. September 2009 dahingehend, dass zwar durch von der SPÖ nominierte Beisitzerinnen für Zwecke des statistischen Eigenbedarfs Listen über die Wahlbeteiligung geführt, diese aber nicht an Dritte weitergegeben worden seien. Alle Wahlleiter samt Stellvertretern der Sprengelwahlbehörden seien in der am 5. Juni 2009 gegebenen „Instruktion“ des Magistrats der Stadt Wien informiert worden, dass die Weitergabe nicht zulässig sei, dieses Verbot sei auch allen Beisitzerinnen und Beisitzern mitgeteilt worden. Die Beschwerdegegnerin legte eine Kopie der Niederschrift über den Wahlakt im Wahlsprengel *** vom 7. Juni 2009 vor, in der auch ein Vermerk enthalten sei, aus dem die Diskussion über diese Frage hervorgehe.

Nach (erstem) Parteiengehör zu Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens brachte die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 21. Oktober 2009 zum Sachverhalt vor, die Behauptung betreffend die Nichtweitergabe der Listen sei völlig unglaubwürdig, da das entsprechende SPÖ-Formular, das bei Wahlen laut ihrer Beobachtung seit Jahren verwendet werde, den Vermerk „abgeliefert um___Uhr“ enthalte. Sie legte dazu, wie schon mit der Beschwerde, ein Lichtbild eines solchen Formulars vor. Rechtlich führte sie aus, dass schon die Erhebung statistischer Daten für den „Eigenbedarf“, nämlich der Nummer einer Wählerin oder eines Wählers im Wählerverzeichnis, einen Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten bilde.

In ihrer Stellungnahme nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens vom 12. Juli 2010, bekräftigte die Beschwerdeführerin , Beweisergebnisse (Aussagen von Beteiligten), wonach die Listen nicht weitergegeben worden seien, seien nicht glaubwürdig. Die Listenführung, also allein die Aufzeichnung der Wählerverzeichnisnummern der Wählerinnen und Wähler, stelle eine Datenverwendung im Sinne des § 4 Z 8 DSG 2000 dar, durch die sie, mangels gesetzlicher Grundlage, in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden sei. Sie beantragte, unter Modifizierung ihres ursprünglichen Antrags, eine entsprechende Feststellung der Datenschutzkommission.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin am 7. Juni 2009 durch das ihr zuzurechnende a) Ermitteln und Verarbeiten der Nummer im Wählerverzeichnis der am 7. Juni 2009 bei der Europawahl im Wahlsprengel *** in 1200 Wien wahlberechtigten Personen durch Eintragung in eine Liste der Wählerinnen und Wähler und b) durch die Übermittlung dieser Daten an die SPÖ in ihrem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Am 7. Juni 2009 fanden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt.

Die Beschwerdeführerin war, als in diesem Wahlsprengel Wahlberechtigte von der wahlwerbenden Partei „Die Grünen“ nominiert, als Wahlzeugin im Wahlsprengel *** im 20. Wiener Gemeindebezirk im Wahllokal in der ***straße *2 während des Wahlaktes anwesend. Sie hat in diesem Wahlsprengel vor der Sprengelwahlbehörde (Beschwerdegegnerin) auch ihr Wahlrecht ausgeübt.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen und durch Urkundenkopien (Niederschrift der Sprengelwahlbehörde *** für die Europawahl am 7. Juni 2009, Beilage zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 28. September 2009) teilweise (Funktion als Wahlzeugin) bestätigten Vorbringen der Beschwerdeführerin.

Die Sprengelwahlbehörde *** setzte sich an diesem Tag wie folgt zusammen:

Wahlleiterin: Franziska D***

Stellvertreterin: Gerda O***

BeisitzerInnen: Erika E*** (SPÖ)

Theo L*** (SPÖ)

Josefine N*** (Freiheitliche

Partei Österreichs – FPÖ)

ErsatzbeisitzerInnen: Henriette E*** (SPÖ)

Doris E*** (SPÖ)

Berthold P*** (FPÖ)

Die Klammerausdrücke geben die wahlwerbende Partei an, welche die (Ersatz )Beisitzerin bzw. den (Ersatz )Beisitzer jeweils nominiert hat.

Beweiswürdigung : wie zuletzt (Niederschrift der Sprengelwahlbehörde *** für die Europawahl am 7. Juni 2009, Beilage zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 28. September 2009).

Die Beisitzerin Erika E*** führte während des Wahlaktes eine Liste, in die sie die Wählerinnen und Wähler, die ihre Stimme abgegeben hatten, mit ihrer Nummer im Wählerverzeichnis des Wahlsprengels, die von einem Mitglied der Wahlbehörde aus Anlass der Identitätsüberprüfung jeweils laut vorgelesen wird, eingetragen hat. Sie verwendete dazu ein Formular der SPÖ, das eine laufende Auflistung der Wählerverzeichnisnummern mit den Zusatzdaten „Sektion“ und „Sprengel“ sowie dem Vermerk

„abgeliefert um______Uhr“ und einer laufenden Nummer (der

Liste) vorsieht.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf die niederschriftlichen Aussagen der Beteiligten Doris E*** und Henriette E*** (vom 21. Juni 2010 zu GZ: K121.546/0013-DSK/2010) sowie die Aussage der Beschwerdeführerin als Partei (vom 7. Jänner 2010 zu GZ: K121.546/0002-DSK/2010). Beide Beteiligten, Schwester und Tochter der Erika E***, sagten übereinstimmend aus, die Listenführung beobachtet zu haben. Die übrigen als Beteiligten befragten Mitglieder der Beschwerdegegnerin (Franziska D***, Josefine N***) konnten dies zwar durch eigene Beobachtung nicht explizit bestätigen, machten aber auch keine gegenteiligen Angaben. Die Beschwerdegegnerin hat das Führen von derartigen Listen im Übrigen auch nicht bestritten (Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 28. September 2009, diese wurde u.a von Erika E*** mitgefertigt), behauptet jedoch dessen Rechtmäßigkeit. Die Feststellungen zu Form und Inhalt der Liste stützen sich auf die von der Beschwerdeführerin als Beilage zur Beschwerde sowie als Beilage zur Stellungnahme OZ 0007/2010 neuerlich vorgelegte Fotografie, die von den Beteiligten, die die Listenführung beobachtet haben, als Abbildung des verwendeten Formulars identifiziert wurde.

Die Beschwerdeführerin protestierte als Wahlzeugin gegen die Listenführung durch Erika E***, worauf der Wahlakt unterbrochen, das Wahllokal kurzzeitig geschlossen und rechtliche Beratung durch Vertreter des Magistrats der Stadt Wien eingeholt wurde. Die Beschwerdegegnerin kam dadurch zu der Auffassung, dass die Listenführung durch Beisitzerinnen oder Beisitzer erlaubt, eine Übermittlung der Daten jedoch unzulässig ist. Ein entsprechender Vermerk wurde in die Niederschrift über den Wahlakt aufgenommen.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf die niederschriftlichen Aussagen der Beteiligten Josefine N*** und Franziska D*** (vom 21. Juni 2010 zu GZ: K121.546/0013-DSK/2010). Frau D*** konnte als Wahlleiterin weiters angeben, dass die Mitglieder der Wahlbehörde durch Vertreter des Magistrats am 5. Juni 2009 („Instruktion“) bzw. anlässlich der Angelobung vor dem Wahlakt über die Rechtsauffassung des Magistrats betreffend Unzulässigkeit der Listenübermittlung an wahlwerbende Parteien informiert wurden. Das Weitere ergibt sich aus der zitierten Niederschrift (Niederschrift der Sprengelwahlbehörde *** für die Europawahl am 7. Juni 2009, Beilage zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 28. September 2009).

Eine Übermittlung der Daten dieser Liste aus dem Kreis der Mitglieder der Beschwerdegegnerin an Dritte, insbesondere Vertreter der SPÖ, konnte nicht erwiesen werden. Die Listen wurden nach Wahlschluss vielmehr zerrissen und vernichtet.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich, insbesondere was die Vernichtung der Datenträger (Listen) angeht, auf die niederschriftliche Aussage der Beteiligten Henriette E*** (vom 21. Juni 2010 zu GZ: K121.546/0013- DSK/2010). Keine der Parteien und Beteiligten – einschließlich der Beschwerdeführerin – machte eine Aussage, aus der sich eine tatsächlich stattgefundene Übermittlung der Daten an Außenstehende ableiten lässt. Die Beschwerdeführerin selbst (Niederschrift vom 7. Jänner 2010 zu GZ: K121.546/0002- DSK/2010) gab an, nichts Derartiges beobachtet zu haben, jedoch aus Vorfällen bei einer früheren Wahl (Nationalratswahl 2008) darauf schließen zu können, dass solche Übermittlungen „üblicherweise“ erfolgen. Das Geschehen bei der Nationalratswahl 2008 war jedoch nicht Gegenstand dieser Beschwerdesache. Es ist denkbar, dass solche Übermittlungen bei früheren Wahlen vorgekommen sind (dies würde auch die Gestaltung des Formulars erklären), jedoch u.a. im Hinblick darauf, dass ihre Zulässigkeit von den übergeordneten Wiener Wahlbehörden bzw. vom Magistrat der Stadt Wien als für unzulässig erachtet worden sind, nunmehr unterlassen wurden. Insgesamt bringen die vorliegenden Beweisergebnisse über das Geschehen am 7. Juni 2009 die Datenschutzkommission zu dem Schluss, dass die Listen nicht übermittelt, sondern zerrissen wurden.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1, 2 und 5 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

Grundrecht auf Datenschutz

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) […] (4)

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“

§ 4 Z 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

Definitionen

§ 4 . Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

§ 7 DSG 2000 lautet samt Überschrift

Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§ 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“

§ 8 Abs. 1 bis 3 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung nicht-sensibler Daten

§ 8 . (1) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

(2) Bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten oder von nur indirekt personenbezogenen Daten gelten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt. Das Recht, gegen die Verwendung zulässigerweise veröffentlichter Daten gemäß § 28 Widerspruch zu erheben, bleibt unberührt.

(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde des Abs. 1 Z 4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten

§ 4 EuWO lautet samt Überschrift:

Wahlbehörden

§ 4 . Für die Leitung und Durchführung der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments sind die Sprengelwahlbehörden, Gemeindewahlbehörden, Bezirkswahlbehörden, Landeswahlbehörden und die Bundeswahlbehörde zuständig, die nach der NRWO jeweils im Amt sind.“

§ 47 EuWO lautet samt Überschrift:

Wahlzeugen

§ 47 . (1) Zu jeder örtlichen Wahlbehörde und in jede besondere Wahlbehörde können von jeder Partei, deren Wahlvorschlag veröffentlicht wurde, zwei wahlberechtigte Wahlzeugen entsendet werden. Die Wahlzeugen sind der Bezirkswahlbehörde spätestens am zehnten Tag vor dem Wahltag durch den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Partei oder einer von diesem bevollmächtigten Person schriftlich namhaft zu machen; jeder Wahlzeuge erhält vom Gemeindewahlleiter, in Wien vom Leiter der Bezirkswahlbehörde, einen Eintrittschein, der ihn zum Eintritt in das Wahllokal ermächtigt und beim Betreten des Wahllokals der Wahlbehörde vorzuweisen ist.

(2) Die Wahlzeugen haben lediglich als Vertrauensleute der wahlwerbenden Parteien zu fungieren; ein weiterer Einfluß auf den Gang der Wahlhandlung steht ihnen nicht zu. Den Wahlzeugen ist keine Verpflichtung zur Verschwiegenheit über ihnen aus ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen auferlegt.“

§ 55 EuWO lautet samt Überschrift

Vermerke im Abstimmungsverzeichnis und im Wählerverzeichnis durch die Wahlbehörde

§ 55 . (1) Der Name des Wählers, der seine Stimme abgibt, wird von einem Beisitzer in das Abstimmungsverzeichnis unter fortlaufender Zahl und unter Beisetzung der

fortlaufenden Zahl des Wählerverzeichnisses eingetragen. Gleichzeitig wird sein Name von einem zweiten Beisitzer im Wählerverzeichnis abgestrichen.

(2) Die fortlaufende Zahl des Abstimmungsverzeichnisses wird von dem zweiten Beisitzer in der Rubrik „Abgegebene Stimme” des Wählerverzeichnisses an entsprechender Stelle (männliche, weibliche Wahlberechtigte) vermerkt.“

§ 2 Abs. 1 und 2 der Nationalrats-Wahlordnung 1992 (NRWO), BGBl. Nr. 471/1992 idF BGBl. I Nr. 28/2007 lautet samt Überschrift:

Landeswahlkreise, Stimmbezirke

§ 2 . (1) Das Bundesgebiet wird für Zwecke der Wahl in neun Landeswahlkreise eingeteilt; hierbei bildet jedes Bundesland einen Landeswahlkreis. Der Landeswahlkreis führt die Bezeichnung des Bundeslandes und erhält eine Nummer, die sich nach der alphabetischen Reihenfolge der Bundesländer richtet.

(2) Die Stimmabgabe erfolgt, unbeschadet der Bestimmungen über die Stimmabgabe mittels Wahlkarte, vor der örtlichen Wahlbehörde. Örtliche Wahlbehörden sind die Gemeindewahlbehörden und Sprengelwahlbehörden.“

§ 16 NRWO sieht folgendes vor:

- Konstituierung der Wahlbehörden, Angelobung der Beisitzer und Ersatzbeisitzer

§ 16. (1) Spätestens am einundzwanzigsten Tag nach dem Stichtag haben die von ihrem Vorsitzenden einzuberufenden Wahlbehörden ihre konstituierende Sitzung abzuhalten.

(2) In dieser Sitzung haben die Beisitzer und Ersatzbeisitzer vor Antritt ihres Amtes ihre strenge Unparteilichkeit und gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber dem Vorsitzenden mit Handschlag zu geloben. Das gleiche Gelöbnis haben auch Beisitzer und Ersatzbeisitzer abzulegen, die nach der konstituierenden Sitzung in die Wahlbehörde berufen werden...

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Die Beschwerde ist teilweise berechtigt.

Hinsichtlich der Datenübermittlung an die SPÖ konnte im Ermittlungsverfahren kein entsprechender Sachverhalt erwiesen und festgestellt werden. Ein Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung in Folge Übermittlung von Daten ist daher nicht gegeben.

Diesbezüglich war die Beschwerde daher abzuweisen.

Hinsichtlich der Datenverarbeitung (Listenführung) ist die Beschwerde jedoch berechtigt.

Eine nach mehreren Suchkriterien (Wahlakt, Wahlsprengel, nach Stimmabgabe chronologisch fortlaufende Nummern der Wählerinnen und Wähler) geordnete Liste ist eine manuelle Datei (vgl. etwa die Erwägungen des VwGH im Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/06/0086). Diese Liste wurde hier nicht in Wahrnehmung der nach § 55 EuWO bestehenden Verpflichtung, sondern separat geführt.

Das datenschutzrechtlich relevante Handeln eines Mitglieds einer Sprengelwahlbehörde (Beisitzerin) bei Ausübung des Amtes und mit Wissen und Billigung der Behördenleiterin – nach dem erfolgten Protest der Beschwerdeführerin – ist der Behörde zuzurechnen. Die der Beschwerdegegnerin zuzurechnende Billigung des Verhaltens der Beisitzerin geht auch aus dem entsprechenden Vermerk in der Niederschrift über den Wahlakt hervor und konnte daher als Sachverhaltselement festgestellt werden.

Eine gesetzliche Ermächtigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 DSG 2000 besteht nicht. Eine Funktion im Rahmen der Aufgaben der Sprengelwahlbehörde ist nicht ersichtlich. Es fehlt also an einem ausgewiesenen Zweck, der die Erstellung dieser Datei rechtfertigen könnte.

Darüber hinaus ist zu bemerken, dass aus § 47 Abs. 2 EuWO der (Umkehr )Schluss zu ziehen ist, dass die Beisitzerinnen und Beisitzer als Mitglieder der Wahlbehörden – im ausdrücklichen Gegensatz zu den Wahlzeuginnen und Wahlzeugen – an die Amtsverschwiegenheit gebunden sind. Dies ist damit zu begründen, dass sie, wiewohl von den

wahlwerbenden Parteien nominiert, als Mitglieder der Wahlbehörde strengste Unparteilichkeit zu wahren haben und keine Tätigkeit ausüben dürfen, die als im Interesse einer der sich zur Wahl stellenden Parteien gelegen verstanden werden kann. Die Datenschutzkommission hält dabei dem von einzelnen Beteiligten ins Spiel gebrachten Zweck der internen Statistik (etwa zur Kontrolle, ob die Zahl der registrierten, das Wahlrecht ausübenden Wählerinnen und Wähler der Zahl der abgegebenen Stimmzettel entspricht, Richtigkeit der Eintragungen gemäß § 55 EuWO) entgegen, dass dazu schon eine anonyme „Stricherlliste“ ausreichen würde. Für diesen Zweck ist daher kein Grund dafür ersichtlich, Daten von Wählerinnen und Wählern personenbezogen (identifizierbar an Hand des der Beschwerdegegnerin wie auch den wahlwerbenden Parteien vorliegenden Wählerverzeichnisses) zu verarbeiten.

Ein weiterer rechtfertigender Tatbestand im Sinne von § 8 Abs. 1 Z 4 iVm Abs. 3 Z 1 DSG 2000 ist nicht ersichtlich, da die in Beschwerde gezogene Listenführung nicht im Interesse der Beschwerdegegnerin und ihrer behördlichen Aufgaben gelegen war. Den politischen Parteien (einschließlich der Wahlparteien) kommt zwar gemäß der Verfassungsbestimmung Art. 1 § 1 Abs. 2 Parteiengesetz die Aufgabe zu, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, dies umfasst jedoch keine Ermächtigung an die zur Unparteilichkeit verpflichtete (§ 16 NRWO) Wahlbehörden, personenbezogene Daten für eine mögliche Übermittlung an wahlwerbende Parteien und deren Parteiorganisationen zu verarbeiten.

Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin dadurch, dass sie die Erfassung der Daten der Beschwerdeführerin als Wählerin in einer von einem ihrer Mitglieder geführten – gesetzlich nicht vorgesehenen – Liste geduldet hat, in ihrem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat. Diese Rechtsverletzung war daher gemäß § 31 Abs. 7 DSG 2000 spruchgemäß festzustellen.

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