JudikaturDSB

K121.617/0009-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Mag. HUTTERER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie der Schriftführerin Mag. HAJICEK in ihrer Sitzung vom 09. Juni 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Norbert N*** (Beschwerdeführer), vertreten durch seine Eltern Dipl. Ing. Neidhart N*** und Nora N***-G*** in H***, diese vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft X***-Y*** in L***, vom 26. März 2010 gegen die Bezirkshauptmannschaft H*** (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird wie folgt entschieden:

1. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch die Verarbeitung des DNA-Probenmaterials nach DNA-Untersuchung vom 2. Februar 2010 bis zum heutigen Tage in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Rechtsgrundlagen : § 1 Abs. 1 und Abs. 2 und § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) idgF, §§ 16, 65, 67, 70 und 90 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) BGBl. Nr. 566/1991 idgF

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien

1. Mit Beschwerde vom 26. März 2010 (ha eingelangt am 1. April 2010), brachte der Beschwerdeführer vor, er fühle sich dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt, dass er Anfang Februar 2010 von der PI H*** erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Er hätte mit Schulkollegen in einem Zeitraum von sechs Wochen in einem bestimmten Supermarkt bei ca. zehn Angriffen Kaugummis und andere Süßigkeiten gestohlen, bei einer Gelegenheit auch einige Flaschen Alkohol. Vier der Beteiligten wären zum Zeitpunkt der Straftat unmündig gewesen, der Beschwerdeführer und seine Mitschüler seien bei der Polizei geständig gewesen. In Folge seiner Vernehmung bei der Polizei sei die Duldung zur Erstellung von Fotos, Fingerabdrücken und der Abnahme eines Mundhöhlenabstrichs (MHA) zur Gewinnung von DNA-Probenmaterial abverlangt worden.

Der bestehende Sachverhalt habe die Sicherheitsbehörden nicht dazu berechtigt, die erkennungsdienstliche Behandlung durchzuführen. Insbesondere habe keine „kriminelle Verbindung“ vorgelegen. Hier handle es sich um ein alters- und entwicklungsbedingtes Fehlverhalten. Die 13jährigen hätten zweifellos die Grenzen des Erlaubten überschritten, doch würden aus Erfahrung heranwachsende Schüler, von Autoritäten mit ihren Taten konfrontiert, in den meisten Fällen die Sinnhaftigkeit der Verbotsnormen einsehen und sich künftig daran halten. Das reumütige Geständnis des Beschwerdeführers sei ein klares Indiz in diese Richtung.

Da die Voraussetzungen zur Duldung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht vorgelegen seien, sei der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten verletzt worden. Die Datenschutzkommission möge daher die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung wie auch die Verarbeitung der erkennungsdienstlichen Daten seither bis zum Entscheidungszeitpunkt für rechtswidrig erklären und die Verletzung im Recht auf Geheimhaltung feststellen.

2. Die Beschwerdegegnerin nahm in Ihrem Schreiben vom 26. April 2010 zu den Vorwürfen Stellung und legte eine Sachverhaltsdarstellung des BPK H*** vor. Im Wesentlichen führte sie aus, im Beschwerdefall habe zum Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung festgestanden, dass der Beschwerdeführer begründet verdächtigt worden sei, über einen längeren Zeitraum bei mehreren Tatangriffen Vermögenswerte aus einem Supermarkt in H*** entwendet zu haben. Er war damit eines gefährlichen Angriffs nach § 16 Abs. 2 Z 1 SPG verdächtig.

Am 29. Jänner 2010 sei er auf frischer Tat ertappt worden und in Anwesenheit seines Vaters wegen Verdachtes des gewerbsmäßigen Diebstahls in der Dienststelle der Polizeiinspektion H*** am 2. Februar 2010 förmlich befragt worden. Der Beschwerdeführer wäre geständig gewesen, innerhalb von cirka sechs Wochen insgesamt 13 Ladendiebstähle mit seinen Schulkollegen verübt zu haben. Unmittelbar nach der Befragung wurde der Beschwerdeführer erkennungsdienstlich behandelt und erhielt darüber ein Informationsblatt.

Nach dem Ermittlungsstand hätte der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum in einem bestimmten Supermarkt Ladendiebstähle verübt. Schließlich wäre er am 29. Jänner 2010, beim Versuch einige Flaschen Alkohol zu entwenden, auf frischer Tat ertappt worden. Die Unmündigen seien gemeinsam vorgegangen. Diese Gründe würden eine erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG rechtfertigen, da das Verhalten des Beschwerdeführers kein Einzelfall gewesen wäre und das Abstellen des Verhaltens nicht erkennbar gewesen wäre. Es sei davon ausgegangen worden, dass vom Beschwerdeführer (weiterhin) eine Gefahr auf vermögenswerte Rechtsgüter anderer ausginge. Die Beschwerde sei daher abzuweisen.

3. Im Parteiengehör zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 10. Mai 2010 brachte der Beschwerdeführer vor, für die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung oder Begehung anderer gefährlicher Angriffe lägen weder in der Person des Beschwerdeführers noch in der Art oder Ausführung der Tat konkrete Anhaltspunkte vor. Er sei lediglich „Mitläufer“ und nicht Initiator der Ladendiebstähle gewesen. Es sei nicht zu erwarten, dass er weitere Diebstähle begehen werde. Es wäre die Gruppendynamik Grund zur Verleitung der Diebstähle gewesen. Der Beschwerdeführer legte außerdem das Protokoll seiner Beschuldigtenvernehmung vom 2. Februar 2010 vor.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, am 2. Februar 2010 erkennungsdienstliche Daten des Beschwerdeführers gemäß § 65 SPG bzw. § 67 SPG zu verarbeiten.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

In einem Zeitraum von cirka sechs Wochen (vom 14. Dezember 2009 bis 29. Jänner 2010) verübte der Beschwerdeführer mit zwei bis vier weiteren Mitschülern (alle zur Tatzeit unmündig) 13 Ladendiebstähle in einem bestimmten Supermarkt. Die gestohlenen Gegenstände waren meist Kaugummis, aber auch andere Süßigkeiten und alkoholische Getränke. Diese wurden selbst verbraucht sowie an andere Mitschüler weiterverkauft. Es wurde gemeinsam von den Schülern vorgegangen.

Am 29. Jänner 2010 ertappte man den Beschwerdeführer auf frischer Tat mit Kaugummis, alkoholischen Getränke und einem X-Box-Spiel in seinem Rucksack, um diese gemeinsam mit seinen Mitschülern aus dem Supermarkt zu entwenden.

Am 2. Februar 2010 wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Vaters auf der Dienststelle der PI H*** zu den ihm vorgeworfenen Ladendiebstählen befragt. Unmittelbar nach der Befragung wurde er, ebenfalls in Anwesenheit seines Vaters, von zwei Beamten des Bezirkspolizeikommandos H*** erkennungsdienstlich behandelt. Es wurden Fotos vom Beschwerdeführer gemacht, Fingerabdrücke abgenommen und die Abnahme eines Mundhöhlenabstrichs (MHA) zur Gewinnung von DNA-Probenmaterial vorgenommen. Im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung erhielt der Beschwerdeführer auch das Informationsblatt für erkennungsdienstlich behandelte Personen ausgefolgt. Nach Abschluss der Gesamterhebungen wurden insgesamt fünf Beschuldigte, darunter der Beschwerdeführer, wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 StGB bei der StA Feldkirch angezeigt.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2010 samt Beilagen und sind insofern unbestritten.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die hier wesentlichen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF lauten auszugweise:

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden. …“

§ 31 . ….

(2) Die Datenschutzkommission erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet. …..“

Die wesentlichen Bestimmungen des Sicherheitpolizeigesetzes (SPG) BGBl. Nr. 566/1991 idgF samt Überschrift lauten:

Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;

Gefahrenerforschung

§ 16 (1) Eine allgemeine Gefahr besteht

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach

den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder

…….

(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

(4) Gefahrenerforschung ist die Feststellung einer Gefahrenquelle und des für die Abwehr einer Gefahr sonst maßgeblichen Sachverhaltes.“

Erkennungsdienstliche Behandlung

§ 65 (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.

(2) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines bestimmten gefährlichen Angriffes Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn diese nicht im Verdacht stehen, den gefährlichen Angriff begangen zu haben, aber Gelegenheit hatten, Spuren zu hinterlassen, soweit dies zur Auswertung vorhandener Spuren notwendig ist.

….

(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.

(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des § 75 Abs. 1 letzter Satz ist der Betroffene über die Verarbeitung seiner Daten in einer den Umständen entsprechenden Weise in Kenntnis zu setzen.

(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Namen der Eltern, Ausstellungsbehörde, Ausstellungsdatum und Nummer mitgeführter Dokumente, allfällige Hinweise über die Gefährlichkeit beim Einschreiten einschließlich sensibler Daten, soweit deren Verwendung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen anderer notwendig ist und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.“

DNA-Untersuchungen

§ 67 (1) Die DNA eines Menschen darf im Rahmen seiner erkennungsdienstlichen Behandlung ermittelt werden, wenn der Betroffene in Verdacht steht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, und wenn in Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden kann, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden. Eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 65 Abs. 2 darf auch in Bezug auf die DNA von Menschen erfolgen, soweit dies zur Auswertung vorhandener DNA-Spuren erforderlich ist.

(1a) Eine erkennungsdienstliche Maßnahme in Bezug auf Abgängige (§ 65a) und an Leichen (§ 66) darf auch die Ermittlung der DNA umfassen.

(2) Genetische Information, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt wurde, darf ausschließlich für Zwecke des Erkennungsdienstes ausgewertet werden. Die molekulargenetische Untersuchung hat durch einen Dienstleister zu erfolgen, dem zwar das gesamte Untersuchungsmaterial auszufolgen, nicht aber erkennungsdienstliche Identitätsdaten des Betroffenen zu übermitteln sind.

(3) Die Sicherheitsbehörden haben vertraglich dafür vorzusorgen, daß der Dienstleister nur jene Bereiche in der DNA untersucht, die der Wiedererkennung dienen, sowie dafür, daß er das Untersuchungsmaterial vernichtet, wenn die Sicherheitsbehörde zur Löschung der erkennungsdienstlichen Daten verpflichtet ist.“

Erkennungsdienstliche Evidenzen

§ 70 (1) Jede Sicherheitsbehörde hat erkennungsdienstliche Daten, die sie im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung oder anders als gemäß § 68 Abs. 1 durch eine erkennungsdienstliche Maßnahme ermittelt hat, so lange zu verarbeiten, bis sie zu löschen sind.

(2) Darüber hinaus kann der Bundesminister für Inneres für Zwecke der regionalen oder überregionalen Zusammenfassung spezieller Daten Sicherheitsbehörden mit Verordnung ermächtigen, der Art nach bestimmte erkennungsdienstliche Daten zu verarbeiten, die im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 sowie einer Maßnahme gemäß § 66 Abs. 1 von ihnen selbst oder von anderen Behörden ermittelt wurden.

(3) Jede Sicherheitsbehörde ist ermächtigt, erkennungsdienstliche Daten, die sie verarbeitet hat, zu aktualisieren, wenn sie aktuellere Daten rechtmäßig ermittelt hat. Personenbezogene Daten, die eine Sicherheitsbehörde rechtmäßig ermittelt hat, dürfen im Erkennungsdienst verwendet werden, als wären sie nach den Bestimmungen dieses Hauptstückes ermittelt worden, wenn deren Ermittlung als erkennungsdienstliche Daten zu dem Zeitpunkt zulässig wäre, in dem die Daten verwendet werden sollen.

(4) Die Sicherheitsbehörden dürfen erkennungsdienstliche Daten, die sie von ihren Organen gemäß § 65 Abs. 2 und § 67 Abs. 1 letzter Satz ermittelt haben, samt erkennungsdienstlichen Identitätsdaten (§ 65 Abs. 6) in einer gesondert geführten Evidenz verarbeiten, wenn diese durch ihre berufliche Tätigkeit regelmäßig Gelegenheit haben, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines gefährlichen Angriffes solche Spuren zu hinterlassen. Eine Verwendung dieser Daten zu anderen Zwecken als jenen der Ermittlung ist unzulässig.“

Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über den Datenschutz

§ 90 . Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

a. zur Zulässigkeit :

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018) wurde ermittelt, ob gegen den Beschwerdeführer anlässlich der Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt oder ihm die Ausübung solcher zumindest angedroht worden ist. Diesbezüglich liegt kein Vorbringen und kein in diese Richtung deutendes Ermittlungsergebnis vor. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission, über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, ist daher gemäß § 90 SPG gegeben.

b. zur Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung iSd § 65 SPG

Im Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, fasst der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung von § 65 Abs. 1 SPG folgendermaßen zusammen:

„Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 SPG in der Fassung der SPG-Novelle 2002 ist es erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen wird. Dabei hat sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl 2002/01/0320). Im Rahmen dieser so anzustellenden Überlegungen wird es - wie der neue Wortlaut des § 65 Abs. 1 SPG ausdrücklich klarstellt - immer auch auf die Art des Deliktes, dessen der Betroffene verdächtig ist, ankommen. Dass (auch) die aktuelle Textierung des § 65 SPG eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbietet, steht insoweit mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle 2002 (1138 BlgNR 21. GP 33) im Einklang, als dort neben der Art des begangenen Delikts die konkreten Umstände bei der Tatbegehung als Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe als Parameter genannt werden.“

Wie aus der Betonung der Notwendigkeit einer einzellfallbezogenen Prognose in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu folgern ist, muss bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung geprüft werden, ob in jenem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über die Vornahme oder Nicht-Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung zu treffen war, eine Gesamtbeurteilung des bekannten Sachverhalts und der Persönlichkeit des Verdächtigen zum Schluss führen musste, dass der Verdächtigte wahrscheinlich weitere gefährliche Angriffe begeben werde, weshalb eine erkennungsdienstliche Behandlung wegen ihres der Vorbeugung dienenden Effekts erforderlich sei. Weiters kommt es auf die sich in der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes manifestierende Gefährlichkeit der betreffenden Person an, während weitere Voraussetzungen der gerichtlichen Strafbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (VwSlg 14879 A/1998).

Im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung bestand gegen den Beschwerdeführer der dringende Verdacht der mehrfachen, vom 14. Dezember 2009 bis 29. Jänner 2010 erfolgten Begehung des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 131 StGB). Der Beschwerdeführer hat innerhalb von ca. sechs Wochen gemeinsam mit seinen Mitschülern Ladendiebstähle begangen, wobei die Unmündigen durchschnittlich zwei Mal in der Woche losgezogen sind, um fremde Sachen zu entwenden. Die Unmündigen sind bewusst vorgegangen und haben sich laut Aussagen des Beschwerdeführers im Polizeiprotokoll Geschäfte ausgesucht, in denen ein Diebstahl eher unentdeckt bliebe. Sie verkauften die gestohlenen Dinge in der Schule weiter oder verbrauchten oder verwendeten diese selbst zuerst wurde nur in einem bestimmten Lebensmittelgeschäft im Wohnort des Beschwerdeführers gestohlen und nachher auch in einem Elektronikgeschäft in einem anderen Ort.

Es genügt eine abstrakte Wahrscheinlichkeit, die an der verwirklichten Tat anknüpft und den Schluss rechtfertigt, dass die Tat nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Einzelfall bleiben wird. Die Beschwerdegegnerin ging aufgrund der Beschuldigtenvernehmung vom 2. Februar 2010 konsequenterweise davon aus, dass vom Beschwerdeführer weiterhin Gefahr auf vermögenswerte Rechtsgüter anderer ausgeht. Dies rechtfertigt die Prognose, der Beschwerdeführer sei als „gefährlich“ in dem Sinne anzusehen, dass er wiederum gefährliche Angriffe im Sinne des § 16 Abs. 2 SPG begehen werde, wenn nicht durch sicherheitspolizeiliche Präventivmaßnahmen wie die Verarbeitung seiner erkennungsdienstlichen Daten die Risikoschwelle für die Betretung bei einer strafbaren Handlung spürbar hinaufgesetzt würde. Die Sicherheitsbehörde bzw. die für sie handelnden Polizeibeamten haben daher zu Recht angenommen, dass die erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG zur Wiedererkennung des Beschwerdeführers und damit zu seiner Identifizierung im Fall eines neuerlichen gefährlichen Angriffs – aber auch zum Ausschluss eines Verdachts gegen den Beschwerdeführer bei ungeklärten einschlägigen Straftaten – sowie zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Beschwerdeführers erforderlich sei.

Daraus folgt, dass die auf § 65 Abs. 1 und 6 SPG gestützte Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten des Beschwerdeführers, nämlich die Abnahme der Finger- und Handflächenabdrücke und die Anfertigung von Lichtbildern sowie die Speicherung dieser Daten, gesetzmäßig, und somit durch § 8 Abs. 4 Z 1 DSG 2000 gerechtfertigt war. Eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten konnte daher nicht festgestellt werden.

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass damit keinerlei Aussage über die strafrechtliche Schuld oder die Zulässigkeit der dauerhaften Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten des Beschwerdeführers (dazu besteht das besondere Löschungsverfahren nach § 74 SPG) getroffen wurde. Lediglich die Rechtmäßigkeit der vorläufigen, während des laufenden Ermittlungsverfahrens vor Ort zu treffenden Prognoseentscheidung der ermittelnden Beamten der Kriminal- bzw. Sicherheitspolizei wurde ex post einer Bewertung auf deren Rechtmäßigkeit unterzogen.

c. zur Zulässigkeit der DNA-Untersuchung iSd § 67 SPG

Gemäß § 67 Abs. 1 SPG darf die DNA eines Menschen im Rahmen seiner erkennungsdienstlichen Behandlung ermittelt werden, wenn der Betroffene in Verdacht steht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, und wenn im Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden kann, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden.

Das Gesetz fordert auch im Fall der Verwendung von DNA-Daten nur die abstrakte Eignung des Mittels, nicht aber dessen erwiesene kriminalpolitische Effektivität über den Einzelfall hinaus (vgl dazu den Bescheid der Datenschutzkommission vom 20. Juli 2007, GZ: K120.925/0014-DSK/2007, RIS). Die Annahme, dass der Beschwerdeführer im Fall neuerlicher Delinquenz etwa an Hand seines Lichtbilds oder seiner Fingerabdrücke auf Verpackungsmaterial als Weitergeber oder Besitzer gestohlener Waren identifiziert werden könnte, ist jedenfalls plausibel und zulässig (vgl. dazu etwa VwGH Erkenntnis vom 19. September 2006, VwSlg 17006 A/2006), nicht jedoch, dass die durch den Mundhöhlenabstrich gewonnenen biometrischen Daten für diesen Zweck erforderlich wären (anders etwa bei Suchtgilftdelikten, vgl. den Bescheid der Datenschutzkommission vom 24. Juli 2009, GZ: K121.500/0008-DSK/2009, RIS).

Die Verwendung von DNA-Daten war daher auch aus der Sicht zum Zeitpunkt der Vornahme der DNA-Untersuchung nicht gerechtfertigt, weshalb der Beschwerdeführer insoweit in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt wurde.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

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