K121.588/0010-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie der Schriftführerin Mag. HAJICEK in ihrer Sitzung vom 9. Juni 2010 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Theodor I*** (Beschwerdeführer) aus M***kirchen, vertreten durch Dr. Roger L*** aus A*** als Privatbevollmächtigten, vom 20. Dezember 2009 gegen die Bezirkshauptmannschaft A***-Land (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Ermittlung von Einkommensdaten in einem Sozialhilfeverfahren wird entschieden:
- Die Beschwerde wird a b g e w i e s e n.
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm §§ 5 Abs. 1 und 33 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes (Stmk SHG), LGBl. Nr. 29/1998 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner am 22. Dezember 2009 bei der Datenschutzkommission eingegangenen Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin in einem Sozialhilfeverfahren betreffend Kostenübernahme für die Unterbringung und Pflege der Ehegattin des Beschwerdeführers in einem Seniorenheim dessen Einkommenshöhe (Pensionshöhe) bei der pensionsauszahlenden Stelle ermittelt habe. Diese habe darauf in ihrem Bescheid vom 14. Dezember 2009 festgesetzt, dass der Beschwerdeführer als unterhaltspflichtiger Ehegatte aufgrund seiner Einkommenshöhe Euro 719,20 zu den Kosten beitragen müsse. Die Beschwerdegegnerin habe sich bei ihren Ermittlungen zu Unrecht auf § 33 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes (Stmk SHG) gestützt, welche Bestimmung auf Grund des Entfalls der Ersatzpflicht gemäß § 28 Abs. 2 Stmk SHG keinen Anwendungsbereich mehr habe. Der Beschwerdeführer beantragte (sinngemäß) die Feststellung, dass die Vorgehensweise (Einkommensermittlung) der Beschwerdegegnerin in das Geheimhaltungsrecht des Beschwerdeführers eingreife.
Die Beschwerdegegnerin hielt dem in ihrer Stellungnahme vom 18. Jänner 2010 entgegen, dass zur Feststellung der tatsächlich vom Sozialhilfeverband zu tragenden Kosten des Aufenthalts der Monika I*** in der Seniorenresidenz U*** deren Unterhaltsansprüche gegen den Beschwerdeführer zu ermitteln und von den Sozialhilfeleistungen in Abzug zu bringen seien. Die Anfrage bei der pensionsauszahlenden Stelle (E-Mail an die E** mit der Aufforderung, einen Einkommensnachweis für den Beschwerdeführer zu übermitteln) sei daher zu Recht und durch § 33 Stmk SHG gedeckt erfolgt.
Der Beschwerdeführer replizierte darauf mit Stellungnahme vom 29. April 2010, aus der Aufhebung des § 28 Abs. 2 Stmk SHG ergebe sich klar, dass der Ehegatte nicht mehr als Ersatzpflichtiger für Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen werden könne, sein Einkommen daher zur Leistungsfestsetzung irrelevant sei. Überdies habe die Beschwerdegegnerin den Datenschutz und die Amtsverschwiegenheit dadurch verletzt, dass sie den betreffenden Bescheid auch dem Träger der „Seniorenresidenz U***“ zugestellt habe.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, für Zwecke der bescheidmäßigen Festsetzung von Sozialhilfeleistungen an die Ehegattin Monika I*** das Einkommen (Pensionshöhe) des Beschwerdeführers zu ermitteln.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Frau Monika I***, die Ehegattin des Beschwerdeführers, lebte vom 27. Oktober bis zum 30. November 2009 in der „Seniorenresidenz U***“ in A*** (Trägerin: B** Ges.m.b.H.). Hierfür wurden ihr am 1. Dezember 2009 Wohn- und Pflegegebühren in Höhe von Euro 3.694,10 in Rechnung gestellt. Monika I*** beantragte daraufhin am 3. Dezember 2009 (einen grundlegenden Antrag vom April dieses Jahres präzisierend) „Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Übernahme der Pflegeheimkosten“ gemäß dem Stmk SHG bei der Beschwerdegegnerin. Diese fragte im Zuge des Ermittlungsverfahrens per E-Mail bei den E** (E** Gehalts- und Pensionsservice Ges.m.b.H. als auszahlender Stelle für Empfänger eines gesetzlichen Ruhe- oder Versorgungsbezuges ehemaliger „E**-Beamter“) an und erhielt einen Nachweis über die Höhe des Ruhebezuges des Beschwerdeführers übermittelt. Am 14. Dezember 2009 erließ die Beschwerdegegnerin zu GZ: 8.** 234*-2 eine Bescheid, in dem sie dem Antrag der Monika I*** stattgab und „die durch Ersatz- und Beitragsleistungen nicht gedeckten Kosten“ der Unterbringung in der „Seniorenresidenz U***“ namens des Sozialhilfeverbands übernahm. Aus der Zustellverfügung dieses Bescheids geht hervor, dass der Beschwerdeführer aufgefordert sei, den aus dem Unterhaltsanspruch seiner Ehegattin resultierenden Anteil an den Kosten in Höhe von Euro 719,20 direkt an die „Seniorenresidenz U***“ zu überweisen.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den von ihm vorgelegten Urkundenkopien, insbesondere dem zitierten Bescheid und den dazu gestellten Anträgen (Schriftsatz vom 3. Dezember 2009, Beilage zur Beschwerde vom 20. Dezember 2009).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 7 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Zulässigkeit der Verwendung von Daten
§ 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.
(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn
(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“
§ 8 Abs. 1 Z 1 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei
Verwendung nicht-sensibler Daten
§ 8 . (1) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn
1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht“
„ § 5
Einsatz der eigenen Mittel
(1) Hilfe ist nur so weit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.
(2) Das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers dürfen so weit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Sozialhilfe unvereinbar ist. Besondere soziale Härten für den Hilfeempfänger und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen sind auszuschließen.
(3) Zum verwertbaren Vermögen gehören nicht jene Sachen, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung allgemein anerkannter kultureller Bedürfnisse dienen.
(4) Hat der Hilfeempfänger Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder zumutbar ist, kann im Zuerkennungsbescheid oder in einem getrennten Verfahren die Sicherstellung des Ersatzanspruches verfügt werden.
(5) Ansprüche gemäß § 947 ABGB bleiben außer Betracht.“
§ 33 Stmk SHG lautet samt Überschrift:
„ § 33
Auskunftspflicht
Die Bundes und Landesbehörden sowie die Träger der Sozialversicherung haben den Sozialhilfeträgern Amtshilfe (Artikel 22 B VG) zu leisten und über alle das Versicherungs und Beschäftigungsverhältnis des Hilfsbedürftigen und der zu seinem Unterhalt verpflichteten Personen betreffenden Tatsachen Auskunft zu erteilen.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
Der Beschwerdeführer übersieht, dass der steiermärkische Landesgesetzgeber zwar die Ersatzpflicht unterhaltspflichtiger Angehöriger für erhaltene Sozialhilfeleistungen gemäß § 28 Abs. 2 Stmk SHG aufgehoben hat, gemäß § 5 Abs. 1 Stmk SHG bei der Bemessung von zukünftigen Leistungen jedoch das Einkommen des Antragstellers sehr wohl zu berücksichtigen ist, wozu von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen ist, der alle Einkünfte des Hilfe Suchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen (Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, Seite 408 mwN; E 5.7.1949, 942 ff/49, VwSlg 930 A/1949, VwGH E 26.9.1997, 97/08/0101 uam).
Für die Frage, bis zu welchem Betrag der Sozialhilfeverband A***-Land die Kosten des Aufenthalts und der Pflege der Monika I*** in der „Seniorenresidenz U***“ tragen muss, sind daher deren Unterhaltsansprüche gegen den Beschwerdeführer und damit dessen Einkommen sehr wohl denkmöglich von Relevanz.
Dem Beschwerdeführer ist daher nicht beizupflichten, wenn er ausführt, § 33 Stmk SHG sei gleichsam nur durch eine Unachtsamkeit des Gesetzgebers nicht gemeinsam mit § 28 Abs. 2 Stmk SHG aufgehoben worden und habe keinen zulässigen Anwendungsbereich mehr (womit der Beschwerdeführer praktisch die materielle Derogation dieser Gesetzesbestimmung geltend macht).
Im Übrigen können nähere Erwägungen zu Fragen des Leistungsrechts gemäß Stmk SHG unterbleiben, da in der Frage der Zulässigkeit der Ermittlung von Daten durch Behörden in Vollzug des Gesetzes als Maßstab für eine Beurteilung der Zulässigkeit der Datenermittlung in solchen Verfahren auf das Übermaßverbot als Ausdruck des in § 1 Abs. 2 und § 7 Abs. 3 DSG 2000 normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verweisen ist: Wenn es denkmöglich ist, dass die von einer in der Sache zuständigen Behörde ermittelten Daten nach Art und Inhalt für die Feststellung des relevanten Sachverhalts geeignet sind, ist die Zulässigkeit der Ermittlung aus datenschutzrechtlicher Sicht gegeben (vgl. für viele den Bescheid der DSK vom 29. November 2005, GZ K121.046/0016- DSK/2005, RIS, ZVR 2006/115).
Die Beschwerdegegnerin als zuständige Behörde konnte sich daher bei der Ermittlung von verfahrensrelevanten Daten zum Einkommen des Beschwerdeführers (Pensionshöhe) auf die Ermächtigung gemäß § 33 Stmk SHG berufen. Grund zur Annahme, dass dies unter Verletzung des Übermaßverbotes geschehen sei, gibt es nach dem festgestellten Sachverhalt keinen. Die Beschwerdegegnerin hat daher gemäß § 1 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 DSG 2000 das Geheimhaltungsrecht nicht verletzt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.