JudikaturDSB

K202.088/0003-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. HUTTERER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 12. Mai 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag der Medizinischen Universität N***, Institut für Ö***, Abt. für ***medizin, vom 6. Oktober 2010 auf Genehmigung der Übermittlung (wörtlich: „Datenaktualisierung“) der Adressdaten einer Reihe von namentlich bekannten Probanden einer früheren Studie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), wird entschieden:

Rechtsgrundlagen : § 47 Abs. 4 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 18 Abs. 1 des Meldegesetzes 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992 idgF.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Partei und festgestellter Sachverhalt

Das Institut für Ö***, Abt. für ***medizin, stellte namens der Antragstellerin am 6. Oktober 2009 den Antrag (irrtümlich bezeichnet als solcher nach „§ 36 (1) Z 3“), für Zwecke einer im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft durchzuführenden wissenschaftlichen Untersuchung die Datenermittlung bzw. Datenaktualisierung (an Hand einer vorzulegenden Liste) im fünfjährigen Intervall der Daten der Teilnehmer einer 1979 publizierten Studie zu Spätfolgen der Berufstätigkeit bei Asbestarbeitern der T***-Werke zu genehmigen, nämlich

Begründend führte die Antragstellerin, offenbar in der Annahme, es handle sich um einen Antrag nach § 46 Abs. 3 DSG 2000, aus, die individuelle Zustimmung der Betroffenen zur Verwendung ihrer Daten sei nicht einholbar, da das vorliegende Adressmaterial veraltet sei. Ein öffentliches Interesse an der durchzuführenden Studie sei gegeben (wissenschaftliche Erkenntnisse zur Lebenserwartung und Krebssterblichkeit nach Asbestexposition), die Antragstellerin und ihr Fachpersonal seien fachlich in der Lage, diese Studie durchzuführen.

B. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

§ 47 DSG 2000 lautet idgF samt Überschrift:

Zurverfügungstellung von Adressen zur Benachrichtigung und Befragung von Betroffenen

§ 47 . (1) Soweit gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, bedarf die Übermittlung von Adreßdaten eines bestimmten Kreises von Betroffenen zum Zweck ihrer Benachrichtigung oder Befragung der Zustimmung der Betroffenen.

(2) Wenn allerdings angesichts der Auswahlkriterien für den Betroffenenkreis und des Gegenstands der Benachrichtigung oder Befragung eine Beeinträchtigung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen unwahrscheinlich ist, bedarf es keiner Zustimmung, wenn

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor und würde die Einholung der Zustimmung der Betroffenen gemäß Abs. 1 einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, ist die Übermittlung der Adreßdaten mit Genehmigung der Datenschutzkommission gemäß Abs. 4 zulässig, falls die Übermittlung an Dritte

erfolgen soll.

(4) Die Datenschutzkommission hat auf Antrag eines Auftraggebers, der Adressdaten verarbeitet, die Genehmigung zur Übermittlung zu erteilen, wenn der Antragsteller das Vorliegen der in Abs. 3 genannten Voraussetzungen glaubhaft macht und überwiegende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen der Übermittlung nicht entgegenstehen. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten als Auswahlkriterium, notwendig ist.

(5) Die übermittelten Adreßdaten dürfen ausschließlich für den genehmigten Zweck verwendet werden und sind zu löschen, sobald sie für die Benachrichtigung oder Befragung nicht mehr benötigt werden.

(6) In jenen Fällen, in welchen es gemäß den vorstehenden Bestimmungen zulässig ist, Namen und Adresse von Personen, die einem bestimmten Betroffenenkreis angehören, zu übermitteln, dürfen auch die zum Zweck der Auswahl der zu übermittelnden Adreßdaten notwendigen Verarbeitungen vorgenommen werden.“

§ 18 Abs. 1 MeldeG lautet samt Überschrift:

Meldeauskunft

§ 18 . (1) Die Meldebehörde hat auf Verlangen gegen Nachweis der Identität Auskunft zu erteilen, ob und zutreffendenfalls wo innerhalb des Bundesgebietes ein eindeutig bestimmbarer Mensch angemeldet ist. Scheint der gesuchte Mensch nicht als angemeldet auf oder besteht in Bezug auf ihn eine Auskunftssperre, so hat die Auskunft der Meldebehörde zu lauten: “Es liegen über den/die Gesuchte(n) keine Daten für eine Meldeauskunft vor.” Können die Angaben dessen, der das Verlangen gestellt hat, nicht nur einem Gemeldeten zugeordnet werden, hat die Auskunft der Meldebehörde zu lauten: “Auf Grund der Angaben zur Identität ist der Gesuchte nicht eindeutig bestimmbar; es kann keine Auskunft erteilt werden.” Für die Zuständigkeit zur Erteilung einer Auskunft ist der Wohnsitz (Sitz) oder Aufenthalt (§ 3 Z 3 AVG) dessen maßgeblich, der das Verlangen stellt.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Der Antrag ist unzulässig bzw. die Datenschutzkommission zur Entscheidung unzuständig.

Der vorliegende Antrag ist nicht auf die Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik, sondern auf die Übermittlung (Aktualisierung) der Adressdaten (in eventu: des Sterbejahres) eines bereits bekannten und genau bestimmten Betroffenenkreises (Probanden einer 1979 publizierten Studie) gerichtet, der für Zwecke einer neuerlichen (Folge )Studie kontaktiert werden soll. Daher fällt er nicht unter § 46, sondern allenfalls unter § 47 DSG 2000.

Was die Daten verstorbener Personen, etwa das Sterbejahr, anbelangt, so genießen Verstorbene kein Recht auf Datenschutz (vgl. den Bescheid der Datenschutzkommission vom 12. September 2003, GZ K202.028/006-DSK/2003, RIS). Eine Datenverwendung, die sich auf Verstorbene bezieht, kann daher von der Datenschutzkommission weder nach § 46 noch nach § 47 DSG 2000 genehmigt werden.

Was die Daten noch lebender Probanden der Studie von 1979 betrifft, so handelt es sich, anders als in § 47 Abs. 1 DSG 2000 vorausgesetzt (arg „Adreßdaten eines bestimmten Kreises von Betroffenen“) nicht um einen „Kreis“ von Betroffenen, der nach Merkmalen (etwa: Alter, Wohngegend, Einkommensklasse, Bildungsgrad) bestimmt wird, dessen Einzelpersonen aber erst nach der durchzuführenden Auswahl feststehen, sondern um eine Liste bereits bekannter Betroffener, deren Wohnadressen nunmehr überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden sollen.

Damit liegt aber kein Fall des § 47 DSG 2000 vor, sondern wird materiell die Durchführung einer Kette von Meldeauskünften gemäß § 18 Abs. 1 MeldeG beantragt. Über Meldeauskünfte kann jedoch nicht die Datenschutzkommission, sondern haben die Meldebehörden zu entscheiden, so diese nicht online im Wege einer ZMR-Abfrage nach § 16a Abs. 5 MeldeG durchgeführt werden können.

Dazu kommt, dass ein Antrag gemäß § 47 Abs. 4 DSG 2000 nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur von einem „Auftraggeber, der Adreßdaten verarbeitet“ gestellt werden kann, ein möglicher Datenempfänger daher gar nicht zur Antragstellung im Sinne der zitierten Bestimmung aktiv legitimiert ist.

Der Antrag war daher spruchgemäß als unzulässig bzw. wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurückzuweisen.

Eine Aufforderung zur Gebührenentrichtung entfällt im Hinblick auf § 2 Z 3 Gebührengesetz 1957.

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