K202.086/0007-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Dr. BLAHA, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 14. April 2010 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
I. Die Datenschutzkommission erteilt Universitätsdozent Dr.med. Jürgen-Erwin H*** (Medizinische Universität L***, Universitätsklinik für ***) über dessen Antrag gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 133/2009, vom 30. September 2009 (bei der Datenschutzkommission eingelangt am 1. Oktober 2009) hin die Genehmigung für Zwecke einer medizinisch-wissenschaftlichen Untersuchung zum Thema "Art, Häufigkeit und Schwere von Verletzungen und Kälteschäden nach Gletscherspaltenstürzen" sensible personenbezogene Daten lebender Personen aus den Datenanwendungen folgender Auftraggeber
zu ermitteln und im Umfang des diesem Bescheid als integraler Bestandteil (Beilage./A) angeschlossenen Datenblattes (Version 1.7.2009) zu verarbeiten.
II. Die Genehmigung ist an die Erfüllung der folgenden Bedingungen bzw. Auflagen geknüpft:
III. Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl I Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl I Nr. 10/2004 (AVG), iVm §§ 1, 3 Abs 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24/1983 i. d.F. BGBl II Nr. 460/2002 (BVwabgV), hat der Antragsteller eine Verwaltungsabgabe in Höhe von
Euro 6,50
zu entrichten.
B e g r ü n d u n g
Der Antragsteller begehrt die Genehmigung der Datenermittlung aus den Datenbeständen von Rettungsorganisationen und einer Universitätsklinik für Zwecke der genannten Untersuchung.
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt :
Der Antragssteller ist Universitätsdozent für ***medizin an der Medizinischen Universität L***, Berg- und Flugrettungsarzt sowie bescheinigter Experte auf dem Gebiet der präklinischen und innerklinischen Notfallmedizin (Oberarzt an der Universitätsklinik, zahlreiche Fachpublikationen). Er beabsichtigt, in Zusammenarbeit mit drei unter seiner Leitung arbeitenden Ärztekollegen eine medizinisch-wissenschaftliche Untersuchung zum Thema „Art, Häufigkeit und Schwere von Verletzungen und Kälteschäden nach Gletscherspaltenstürzen“ durchzuführen. Die dafür notwendigen Datenerhebungen (12- jähriger Zeitraum, retrospektive Auswertung) zu untersuchungsgegenständlichen Schi- und Bergunfällen sollen aus den Aufzeichnungen (Dateien) bzw. Datenanwendungen des Österreichischen Bergrettungsdienstes, Landesstelle G***, des W***-Flugrettungs- und Bergungsdiensts sowie der Universitätsklinik L*** vorgenommen und auf dem standardisierten Datenblatt Beilage./A zur wissenschaftlichstatistischen Auswertung erfasst werden. Alle drei Organisationen haben als Verfügungsbefugte über die auszuwertenden Personendaten in schriftlichen Erklärungen ihr Einverständnis mit der angestrebten Datenverwendung zum Ausdruck gebracht. Aus der wissenschaftlichen Arbeit des Antragstellers und seiner Kollegen sind wertvolle Erkenntnisse über den rettungstechnischen und medizinischen Verlauf der Versorgung entsprechender Unfallopfer zu erwarten, aus denen sich wertvolle und in Einzelfällen möglicherweise lebensrettende Erkenntnisse zur Ausrüstung und zum Verhalten von Alpinsportlern und Rettungskräften ergeben könnten. Eine mit der geplanten vergleichbare detaillierte wissenschaftliche Untersuchung liegt bis dato nicht vor.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem schlüssigen und glaubwürdigen Vorbringen des Antragsstellers im Antrag vom 30. September 2009 bzw. dessen auftragsgemäßer Ergänzung im Schreiben vom 10. Februar 2010, jeweils samt Beilagen. Es liegen weiters vor die Erklärungen des Österreichischen Bergrettungsdienstes, Landesstelle G*** (undatiert), des W***-Flugrettungs- und Bergungsdiensts vom 8. Februar 2010 sowie der Universitätsklinik L*** vom 22. März 2010.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:
„ Wissenschaftliche Forschung und Statistik
§ 46 . (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die
Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 3 verwendet werden.
(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur
(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn
Sollen sensible Daten ermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muß gewährleistet sein, daß die Daten beim Auftraggeber der Untersuchung nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verläßlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.
(3a) Einem Antrag nach Abs. 3 ist jedenfalls eine vom Verfügungsberechtigten über die Datenbestände, aus denen die Daten ermittelt werden sollen, oder einem sonst darüber Verfügungsberechtigten unterfertigte Erklärung anzuschließen, dass er dem Auftraggeber die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt. Anstelle dieser Erklärung kann auch ein diese Erklärung ersetzender Exekutionstitel (§ 367 der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896) vorgelegt werden.
(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.
(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich zunächst, dass weder hinsichtlich der Daten, deren Verwendung der Antragssteller beabsichtigt, die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 DSG 2000 erfüllt sind, noch dass ein Fall des § 46 Abs. 2 Z. 1 oder 2 leg. cit. vorliegt. Somit kommt eine Verwendung dieser Daten nur mit Genehmigung der Datenschutzkommission nach § 46 Abs. 2 Z. 3 iVm § 46 Abs. 3 und Abs. 3 a DSG 2000 in Betracht. Eine solche Genehmigung der Datenschutzkommission ist im vorliegenden Fall nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 aber nur dann zulässig, wenn
Wie sich dazu aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, sind dem Antragssteller Namen der überlebenden Unfallopfer nicht bekannt bzw. müssen erst durch (personenbezogene) Einsichtnahme in die entsprechenden Aufzeichnungen (Krankengeschichten, Einsatzprotokolle) unter den Gegenstand der Untersuchung fallende Unfälle und Unfallopfer festgestellt werden. Da keine persönliche Befragung (überlebender) Unfallopfer vorgesehen ist, wäre eine Feststellung der aktuellen Zustelladressen der Betroffenen – die überdies erst nach Kenntnisnahme bestimmter medizinischer Daten durch den Antragsteller und dessen Mitarbeiter (Einsichtnahme) überhaupt möglich wäre – ein untunlicher und im Sinne des Gesetzes unverhältnismäßiger Aufwand. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Z. 1 DSG 2000 sind im gegenständlichen Fall damit erfüllt.
Da der Antragssteller im vorliegenden Fall auch sensible Daten der Betroffenen verwendet (Gesundheitsdaten), ist im Sinne des § 46 Abs. 3 2. Satz DSG 2000 ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung erforderlich. Wie festgestellt wurde, ist das Untersuchungsthema bislang wissenschaftlich nicht oder kaum bearbeitet worden und würde die Untersuchung insofern einen wertvollen Beitrag für die Wissenschaft liefern. Überdies wurde festgestellt, dass aus den Ergebnissen der Untersuchung möglicherweise lebensrettende Erkenntnisse für das Rettungswesen und die Notfallmedizin abgeleitet werden können. Damit ist ein wichtiges öffentliches Interesse im Sinne der oben zitierten Bestimmung gegeben.
Auch in Bezug auf die fachliche Eignung des Antragsstellers bestehen keine Zweifel.
Da dem Antrag auch Erklärungen der beteiligten „Verfügungsberechtigten“ im Sinne des § 46 Abs 3a DSG 2000, wonach sie dem Antragssteller die Datenbestände für die Untersuchung im Falle einer Genehmigung durch die Datenschutzkommission zur Verfügung stellen würden, angeschlossen waren, war die beantragte Genehmigung zu erteilen.
Die erteilten Auflagen dienen einerseits der Datenvermeidung, indem die Löschung des Personenbezugs zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgetragen wird, zum anderen der Datensicherheit bei der Verwendung der Daten, u.a. durch Beschränkung der zulässigerweise Einblick zu gewährenden Personen.
Auf die sich aus § 46 Abs. 5 DSG 2000 ergebende Pflicht, den Personenbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist, wird an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen.
Die Verwaltungsabgabe war gemäß § 78 Abs. 1 AVG iVm §§ 46 Abs. 3, 53 Abs. 1 DSG 2000 vorzuschreiben. Demnach ist für Anträge nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 keine Befreiung von Verwaltungsabgaben normiert.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.