JudikaturDSB

K202.092/0003-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. STAUDIGL, Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. HEILEGGER und Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ sowie der Schriftführerin Mag. KIMM in ihrer Sitzung vom 24. Februar 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag der Mag. Y*** (Antragsstellerin) vom 17. November 2009 auf Genehmigung der Verwendung von Daten aus den Datenbeständen der A*** Gebietskrankenkasse wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF (DSG 2000), entschieden:

A.) I. Dem Antrag wird Folge gegeben und der Antragsstellerin die Genehmigung erteilt, aus den Datenbeständen der A*** Gebietskrankenkasse

sämtlicher Mitarbeiter der X*** Versicherung AG in den Jahren 1939 bis 1945 zu ermitteln und diese Daten für Zwecke ihrer Dissertation zu dem Thema „Die X*** Versicherung von 1850 bis 1945“ an der Universität B*** zu verwenden.

II. Die Genehmigung ist an die Erfüllung der folgenden Bedingungen bzw. Auflagen geknüpft:

1. Die Ermittlung und die Verwendung der Daten erfolgt ausschließlich durch die Antragsstellerin selbst.

2. Personenbezogene Daten werden aus den eingesehenen Daten nur im absolut unerlässlichen Ausmaß von der Antragsstellerin für Zwecke ihrer Disseration aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen werden gelöscht, sobald diese für Zwecke der Ausarbeitung der Dissertation nicht mehr benötigt werden.

3. Der Zugang zu ihren Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten ist durch die Antragsstellerin in geeigneter Weise entsprechend § 14 Abs. 2 Z. 5 und 6 DSG 2000 abzusichern, z.B. durch Verschluss (bei Aufzeichnungen auf Papier) oder durch Passwort (bei elektronischen Aufzeichnungen).

4. Die Dissertation selbst darf keine personenbezogenen Daten der Mitarbeiter der *** in den Jahren 1939 bis 1945 enthalten.

B.) Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl I Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl I Nr. 10/2004 (AVG), iVm §§ 1, 3 Abs 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24/1983 i. d.F. BGBl II Nr. 460/2002 (BVwabgV), hat die Antragstellerin eine Verwaltungsabgabe in Höhe von

Euro 6,50

zu entrichten.

B e g r ü n d u n g

Die Antragsstellerin begehrt die Genehmigung von Daten aus den Datenbeständen der A*** Gebietskrankenkasse für ihre im Fachbereich „Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ der Universität B*** betreute im Spruch genannten Dissertationsarbeit.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Die Antragsstellerin beabsichtigt in ihrer Dissertation die Unternehmensgeschichte der X*** Versicherung von 1850 bis 1945, insbesondere in der NS-Zeit, herauszuarbeiten. Darin will sie u.a. die unterschiedliche wirtschaftliche Stellung von Frauen im Vergleich zu Männern sowie den Einfluss der jeweiligen Religionszugehörigkeit/politischen Gesinnung und der jeweiligen Herkunft auf eine Anstellung bzw. eine Position im Unternehmen während des zweiten Weltkrieges durchleuchten. Aus diesem Grund benötigt sie von der A*** Gebietskrankenkasse Angaben über den Namen, das Geburtsdatum, die Herkunft/den Wohnort, den Verdienst, die Position in der X*** Versicherung, das Eintrittsdatum, den Ausbildungsstand sowie die Religionszugehörigkeit bzw. die politische Gesinnung sämtlicher Mitarbeiter der X*** Versicherung ab dem Jahr 1939 bis 1945.

Die A*** Gebietskrankenkasse verfügt über diese von der Antragsstellerin begehrten Daten und ist auch bereit, der Antragsstellerin diese Daten für die Zwecke ihrer Dissertation zur Verfügung zu stellen. Das von der Antragsstellerin gewählte Dissertationsthema ist bislang wissenschaftlich nicht aufgearbeitet worden. Die X*** Versicherung hat der Antragsstellerin die Zustimmung zur Verwendung ihrer Mitarbeiterdaten für Zwecke der Dissertation erteilt. Im Rahmen ihrer Dissertation wird die Antragsstellerin vom Vorstand des Instituts *** betreut.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem schlüssigen Vorbringen der Antragsstellerin im Antrag vom 17. November 2009 bzw. dessen auftragsgemäßer Verbesserung mit Schreiben vom 15. Dezember 2009, einem angeschlossenen E-Mail der A*** Gebietskrankenkasse vom 9. November 2009, einem angeschlossenen Schreiben des Betreuers der Dissertation der Antragsstellerin vom 10. Dezember 2009 sowie einem angeschlossenen Schreiben der X*** Versicherung vom 11. November 2009.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:

„Wissenschaftliche Forschung und Statistik

§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die

1. öffentlich zugänglich sind oder

2. er für andere Untersuchungen oder auch andere Zwecke zulässigerweise ermittelt hat oder

3. für ihn nur indirekt personenbezogen sind.

Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 3 verwendet werden.

(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur

1. gemäß besonderen gesetzlichen Vorschriften oder

2. mit Zustimmung des Betroffenen oder

3. mit Genehmigung der Datenschutzkommission gemäß Abs. 3 verwendet werden.

(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn

Sollen sensible Daten ermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muß gewährleistet sein, daß die Daten beim Auftraggeber der Untersuchung nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verläßlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.

(3a) Einem Antrag nach Abs. 3 ist jedenfalls eine vom Verfügungsberechtigten über die Datenbestände, aus denen die Daten ermittelt werden sollen, oder einem sonst darüber Verfügungsberechtigten unterfertigte Erklärung anzuschließen, dass er dem Auftraggeber die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt. Anstelle dieser Erklärung kann auch ein diese Erklärung ersetzender Exekutionstitel (§ 367 der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896) vorgelegt werden.

(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.

(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich zunächst, dass weder hinsichtlich der Daten, deren Verwendung die Antragsstellerin beabsichtigt, die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 DSG 2000 erfüllt sind, noch dass ein Fall des § 46 Abs. 2 Z 1 oder 2 leg. cit. vorliegt. Somit kommt eine Verwendung dieser Daten nur mit Genehmigung der Datenschutzkommission nach § 46 Abs. 2 Z. 3 iVm § 46 Abs. 3 und Abs. 3 a DSG 2000 in Betracht. Eine solche Genehmigung der Datenschutzkommission ist im vorliegenden Fall nach § 46 Abs. 3 und 3a DSG 2000 aber nur dann zulässig, wenn

Wie sich dazu aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, sind der Antragsstellerin die im Zeitraum von 1938 bis 1945 bei der X*** Versicherung beschäftigten Mitarbeiter nicht bekannt. Die Einholung der Zustimmung der für die Antragsstellerin noch unbekannten betroffenen Mitarbeiter für die Einsichtnahme in die Datenbestände der A*** Gebietskrankenkasse ist daher schon aus diesem Grund unmöglich (vgl. dazu u.a. den Bescheid der Datenschutzkommission vom 18. Jänner 2008, Zl. K202.060/0005- DSK/2007; abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes unter www.ris.bka.gv.at). Die X*** Versicherung hat der in Rede stehenden Verwendung ihrer Mitarbeiterdaten wiederum mit Schreiben vom 11. November 2009 zugestimmt. Da aber die Einholung der Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter – wie dargestellt – unmöglich ist, sind die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 im gegenständlichen Fall dennoch als erfüllt anzusehen.

Da die Antragsstellerin im vorliegenden Fall auch sensible Daten der Betroffenen verwendet (Religionszugehörigkeit bzw. politische Gesinnung), ist im Sinne des § 46 Abs. 3 2. Satz DSG 2000 ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung erforderlich. Wie festgestellt wurde, ist das Dissertationsthema bislang wissenschaftlich nicht aufgearbeitet worden und würde die Dissertation insofern einen wertvollen Beitrag für die Wissenschaft liefern. Davon abgesehen geht die Datenschutzkommission in Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Untersuchung der NS-Zeit regelmäßig von einem wichtigen öffentlichen Interesse aus, weil die Erforschung und objektive Aufarbeitung der NS-Vergangenheit dem Ansehen Österreichs in der Welt nützlich sein wird (siehe dazu u.a. den bereits zitierten Bescheid vom 18. Jänner 2008).

Auch in Bezug auf die fachliche Eignung der Antragsstellerin bestehen keine Zweifel, weil nach der Rechtsprechung der Datenschutzkommission bereits das Verfassen einer universitär betreuten und insofern überprüften Dissertation die fachliche Eignung der Antragsstellerin in sich birgt (siehe dazu den Bescheid der Datenschutzkommission vom 14. September 2007, Zl. K202.052/0007–DSK/2007).

Da dem Antrag auch eine Erklärung der A*** Gebietskrankenkasse, wonach sie der Antragsstellerin die Datenbestände für die Untersuchung im Falle einer Genehmigung durch die Datenschutzkommission zur Verfügung stellen würde, angeschlossen war, war die beantragte Bewilligung zu erteilen.

Die erteilten Auflagen dienen einerseits der Datenvermeidung, indem die Löschung des Personenbezugs zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgetragen wird, zum anderen der Datensicherheit bei der Verwendung der Daten, u.a. durch Beschränkung der zulässigerweise Einblick zu gewährenden Personen.

Auf die sich aus § 46 Abs. 5 DSG 2000 ergebende Pflicht, den Personenbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist, wird an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen.

Die Verwaltungsabgabe war gemäß § 78 Abs. 1 AVG iVm §§ 46 Abs. 3, 53 Abs. 1 DSG 2000 vorzuschreiben. Demnach ist für Anträge nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 keine Befreiung von Verwaltungsabgaben normiert.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

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