JudikaturDSB

K120.939/0003-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Mag. HUTTERER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. HEILEGGER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 20. Jänner 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Herbert Q*** (Beschwerdeführer) aus E***, vertreten durch die A*** O*** Rechtsanwaltspartnerschaft in H***, vom 27. Jänner 2004 gegen die Bezirkshauptmannschaft E*** (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten in Folge Abnahme eines Mundhöhlenabstrichs zur Gewinnung einer DNA-Probe im Zuge einer erkennungsdienstlichen Behandlung am 28. November 2003 wird entschieden:

Rechtsgrundlagen : § 1 Abs. 1 und 2, und 8 Abs. 4, des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 2/2008, und § 31 Abs. 2 und 7 DSG 2000 idgF iVm §§ 65 Abs. 1, 67 Abs. 1, 74 Abs. 1, 76 Abs. 6 und 7 und 90 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl I Nr. 104/2002, sowie § 74 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr 51/1991 idgF.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner vom 27. Jänner 2004 datierenden und am 29. Jänner 2004 bei der Datenschutzkommission eingegangenen Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass er am 28. November 2003 während einer „Anhaltung“ in den Räumlichkeiten der Stadtpolizei E*** erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Dabei seien von ihm Lichtbilder angefertigt sowie seine Fingerabdrücke und ein Mundhöhlenabstrich (MHA) zwecks Gewinnung eines DNA-Profiles abgenommen worden. Die Voraussetzung für letzteres (MHA, Ermittlung des DNA-Profiles) seien jedoch nicht vorgelegen. Der Beschwerdeführer beantragte, die Ermittlung dieser Daten für rechtswidrig zu erklären und die Vernichtung der rechtswidrig erlangten Information anzuordnen sowie ihm Kostenersatz zuzusprechen.

In seiner Stellungnahme zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens vom 14. März 2005 wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, er habe sich „in Anhaltung“ der Stadtpolizei befunden und der erkennungsdienstlichen Behandlung (ED-Behandlung) nicht freiwillig zugestimmt, worauf die Datenschutzkommission die Sache zuständigkeitshalber (§ 90 SPG) an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg weiterleitete. Auf Grund der daraufhin vom Beschwerdeführer beantragten bescheidmäßigen Zuständigkeitsentscheidung wurde die Beschwerde mit Bescheid der Datenschutzkommission vom 30. Juni 2005, GZ: K120.939/0015-DSK/2005, zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer während einer sicherheitsbehördlichen Anhaltung jedenfalls der Befehlsgewalt der Behörde unterworfen und daher der Ausnahmetatbestand nach § 90 SPG (Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten durch Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt) gegeben gewesen sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war erfolgreich; mit Erkenntnis vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0035-9, wurde der zuletzt zitierte Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Im fortgesetzten Ermittlungsverfahren brachte die Beschwerdegegnerin wiederum vor, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der ED-Behandlung begründet verdächtigt worden, die Straftat nach § 28 Abs. 2 SMG (Weitergabe von Suchtgift – Cannabiskraut – in großer Menge) begangen zu haben. Der Beschwerdeführer sei deswegen auch – unbestrittenermaßen – vom Landesgericht Feldkirch rechtskräftig verurteilt worden. Sie verwies auf die der Datenschutzkommission bereits aus dem ersten Rechtsgang vorliegenden Aktenkopien des kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens und des entsprechenden Urteils und legte aktuelle Ausdrucke der betreffend den Beschwerdeführer in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden verarbeiteten Daten vor.

Der Beschwerdeführer hat sich nach neuerlichem Parteiengehör zu den Ergebnissen des fortgesetzten Ermittlungsverfahrens nicht mehr geäußert.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, am 28. November 2003 das DNA-Profil des Beschwerdeführers (aufgrund Mundhöhlenabstrichs) zu verarbeiten.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer wurde am 28. November 2003 unter dem Verdacht, im Zeitraum Oktober 2002 bis Oktober 2003 mindestens 1,1 Kilogramm Cannabiskraut von einer insgesamt im selben Zeitraum erworbenen Gesamtmenge vom 1,5 Kilogramm an nicht näher bekannte Abnehmer, teilweise entgeltlich, weitergegeben zu haben. Er wurde als – damaliger –Jugendlicher (geboren am 30. November 1986) an diesem Tag um 12:15 Uhr nach Aufforderung durch Beamte der Stadtpolizei E*** (Gemeindewachkörper gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 SPG) in den Amtsräumen dieses Wachkörpers als Verdächtiger niederschriftlich einvernommen und legte ein volles Geständnis ab. Der Verdacht gründete sich vor allem auf die niederschriftlichen Aussagen des Jean V*** und des Carl L***, die am 20. November 2003 als Verdächtige befragt wurden und den Beschwerdeführer als einen Abnehmer des von ihnen in Verkehr gesetzten Cannabiskrauts bezeichnet hatten, wobei die Menge von insgesamt 1,5 Kilogramm in Portionen von 50 bis 100 Gramm jeweils von L*** an den Beschwerdeführer verkauft worden sein soll, während V*** den Kontakt zum Lieferanten Waldemar R***, der größere Suchgiftmengen beschaffen konnte, hergestellt hatte. Der Beschwerdeführer wurde wegen des Verdachts, das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 SMG begangen zu haben, am 2. März 2004 bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch zur Anzeige gebracht.

Der Beschwerdeführer wurde im Anschluss an diese Einvernahme auf dem Gendarmerieposten E*** durch Beamte des koordinierten Kriminaldienstes beim Bezirksgendarmeriekommando (BGK) um 16:00 Uhr erkennungsdienstlich behandelt. Die ED-Behandlung umfasste auch die Abnahme eines Mundhöhlenabstrichs (MHA, DNA-Barcode Nr. 456*32**). Der Beschwerdeführer selbst war im Zeitpunkt seiner ED-Behandlung unbescholten und nicht einschlägig vorgemerkt.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen hinsichtlich des gegen den Beschwerdeführer bestandenen Verdachts auf der Strafanzeige und den Niederschriften über die Einvernahme des Beschwerdeführers, des Jean V*** und des Carl L***, jeweils Gzl: 2*45-8**3-03 der Stadtpolizei E***, vorgelegt in Kopie als Beilagen zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 27. Mai 2004, Zl. III-**65.**/2004. Die näheren Umstände sowie die Daten der ED-Behandlung (Zeitpunkt) wurden den als Beilagen zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 16. September 2009, Zl.: BH***-III- **65.**, vorgelegten Erhebungsblättern und Datenausdrucken entnommen.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000, BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 2/2008, lautet samt Überschrift:

„Grundrecht auf Datenschutz

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

§ 8 Abs. 4 DSG 2000, BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 2/2008, lautet samt Überschrift:

Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung nichtsensibler Daten

§ 8 . (1) [...]

(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

§ 31 Abs. 2 und 7 DSG 2000 idgF lauten samt Überschrift:

Beschwerde an die Datenschutzkommission

§ 31 . (2) Die Datenschutzkommission erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.

[…]

(7) Soweit sich eine Beschwerde nach Abs. 1 oder 2 als berechtigt erweist, ist ihr Folge zu geben und die Rechtsverletzung festzustellen. Ist eine festgestellte Verletzung im Recht auf Auskunft (Abs. 1) einem Auftraggeber des privaten Bereichs zuzurechnen, so ist diesem auf Antrag zusätzlich die – allenfalls erneute – Reaktion auf das Auskunftsbegehren nach § 26 Abs. 4, 5 oder 10 in jenem Umfang aufzutragen, der erforderlich ist, um die festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen. Soweit sich die Beschwerde als nicht berechtigt erweist, ist sie abzuweisen.

[…]“

Die §§ 65 und 67 SPG in der am 28. November 2003 geltenden Fassung gemäß BGBl. I Nr. 104/2002 lauteten samt Überschriften:

Erkennungsdienstliche Behandlung

§ 65 . (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.

(2) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines bestimmten gefährlichen Angriffes Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn diese nicht im Verdacht stehen, den gefährlichen Angriff begangen zu haben, aber Gelegenheit hatten, Spuren zu hinterlassen, soweit dies zur Auswertung vorhandener Spuren notwendig ist.

(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, deren Identität gemäß § 35 Abs. 1 Z 3 festgestellt werden muß und die über ihre Identität keine ausreichenden Aussagen machen wollen oder können, sofern eine Anknüpfung an andere Umstände nicht möglich ist oder unverhältnismäßig wäre.

(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.

(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des Abs. 1 ist der Betroffene außerdem darauf hinzuweisen, daß die erkennungsdienstliche Behandlung deshalb erfolgte, um der Begehung gefährlicher Angriffe durch sein Wissen um die Möglichkeit seiner Wiedererkennung entgegenzuwirken.

(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Namen der Eltern und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.

[…]

DNA-Untersuchungen

§ 67 . (1) Die DNA eines Menschen darf im Rahmen seiner erkennungsdienstlichen Behandlung ermittelt werden, wenn der Betroffene in Verdacht steht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, und wenn in Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden kann, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden. Eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 65 Abs. 2 darf auch in Bezug auf die DNA von Menschen erfolgen, soweit dies zur Auswertung vorhandener DNA-Spuren erforderlich ist.

(1a) Eine erkennungsdienstliche Maßnahme in Bezug auf Abgängige (§ 65a) und an Leichen (§ 66) darf auch die Ermittlung der DNA umfassen.

(2) Genetische Information, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt wurde, darf ausschließlich für Zwecke des Erkennungsdienstes ausgewertet werden. Die molekulargenetische Untersuchung hat durch einen Dienstleister zu erfolgen, dem zwar das gesamte Untersuchungsmaterial auszufolgen, nicht aber erkennungsdienstliche Identitätsdaten des Betroffenen zu übermitteln sind.

(3) Die Sicherheitsbehörden haben vertraglich dafür vorzusorgen, daß der Dienstleister nur jene Bereiche in der DNA untersucht, die der Wiedererkennung dienen, sowie dafür, daß er das Untersuchungsmaterial vernichtet, wenn die Sicherheitsbehörde zur Löschung der erkennungsdienstlichen Daten verpflichtet ist.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

a) Zuständigkeit der Datenschutzkommission für die ED-Behandlung

Zur Frage der Zuständigkeit wird auf das Erkenntnis des VwGH vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0035-9, verwiesen.

b) Voraussetzungen der ED-Behandlung und der DNA-Verwendung

b) a) erkennungsdienstliche Behandlung allgemein

Im Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, fasst der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung von § 65 Abs 1 SPG folgendermaßen zusammen:

„Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs 1 SPG in der Fassung der SPG-Novelle 2002 ist es erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen wird. Dabei hat sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl 2002/01/0320). Im Rahmen dieser so anzustellenden Überlegungen wird es - wie der neue Wortlaut des § 65 Abs 1 SPG ausdrücklich klarstellt - immer auch auf die Art des Deliktes, dessen der Betroffene verdächtig ist, ankommen. Dass (auch) die aktuelle Textierung des § 65 SPG eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbietet, steht insoweit mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle 2002 (1138 BlgNR 21. GP 33) im Einklang, als dort neben der Art des begangenen Delikts die konkreten Umstände bei der Tatbegehung als Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe als Parameter genannt werden.“

Wie aus der Betonung des Begriffs der „Prognose“ und des Zeitpunktes in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu folgern ist (vgl. etwa VwSlg 14879 A/1998, wo auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbildes einer gerichtlich strafbaren Handlung abgestellt ist, für den die Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zu beurteilen ist), muss vom Stand des Sachverhalts und vom zur Verfügung stehenden Wissen über den Beschwerdeführer im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgegangen werden, um die Voraussetzungen für diese faktische Amtshandlung zu beurteilen. Weiters kommt es auf die sich in der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes manifestierende Gefährlichkeit der betreffenden Person an, während weitere Voraussetzungen der gerichtlichen Strafbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (VwSlg 14879 A/1998).

Im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung bestand gegen den Beschwerdeführer der dringende Verdacht der mehrfachen, über einen längeren Zeitraum (von Frühjahr/Sommer 2001 bis Oktober 2003) erfolgten Begehung des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG (in Verkehr setzen eines Suchtmittels in großer Menge). Die Dringlichkeit des Verdachts ergab sich dabei aus dem vom Beschwerdeführer vor den Beamten der Stadtpolizei E*** abgelegten Geständnis sowie aus den Beschwerdeführer belastenden Aussagen weiterer Tatverdächtiger (V*** und L***).

Aus den Tatsachen a) des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung und b) des Umstandes, dass der Beschwerdeführer in seiner Aussage angegeben hatte, regelmäßig Cannabisprodukte konsumiert und dieses Suchtmittel von Oktober 2002 bis Oktober 2003 mehrfach und in großer Menge weitergegeben zu haben, war zu folgern, dass der Beschwerdeführer als Verdächtiger gewohnheitsmäßig und unter wiederholter Missachtung der Gesetze gegen den Suchtmittelgebrauch gehandelt habe. Dies rechtfertigt die Prognose, der Beschwerdeführer sei als „gefährlich“ in dem Sinne anzusehen, dass er wiederum gefährliche Angriffe im Sinne des § 16 Abs. 2 SPG begehen würde, wenn nicht durch sicherheitspolizeiliche Präventivmaßnahmen wie die Verarbeitung seiner erkennungsdienstlichen Daten die Risikoschwelle für die Betretung bei einer strafbaren Handlung gegen das SMG spürbar hinaufgesetzt würde. Bei Suchtmitteldelikten wird die von einer Tat ausgehende Gefahr insbesondere danach bemessen, ob der Täter eine große Menge (gemäß der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Anlage I zur Suchtgift-Grenzmengenverordnung, BGBl. II Nr. 377/1997 idF BGBl. II Nr. 145/2001, war dies für den reinen Cannabiswirkstoff THC eine Menge von 20 Gramm) des Stoffes in Verkehr gesetzt hat (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des OGH vom 26. November 1998, 15 Os 177/98). Bei Verwirklichung eines Tatbildes gemäß § 28 SMG, das auf den Begriff der „großen Menge“ abstellt, ist daher von einer bedeutenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auszugehen (laut VwGH im Erkenntnis Zl. 2005/06/0018 handelt es sich dabei um „als besonders gravierend zu bewertende Verstöße gegen das SMG“), wenn nicht im Einzelfall ausnahmsweise besondere Umstände eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, wofür im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte zu erkennen sind. Die Sicherheitsbehörde bzw. die für sie handelnden Stadtpolizei- und Gendarmeriebeamten haben daher zu Recht angenommen, dass die erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG zur Wiedererkennung des Beschwerdeführers und damit zu seiner Identifizierung im Fall eines neuerlichen gefährlichen Angriffs – aber auch zum Ausschluss eines Verdachts gegen den Beschwerdeführer bei ungeklärten einschlägigen Straftaten – sowie zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Beschwerdeführers erforderlich erschien.

Daraus folgt, dass die auf § 65 Abs. 1 und 6 SPG gestützte Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten des Beschwerdeführers grundsätzlich gesetzmäßig, und somit durch § 8 Abs. 4 Z 1 DSG 2000 gerechtfertigt war.

b) b) DNA-Untersuchung

Der Beschwerdeführer richtet seine Beschwerde auch nicht allgemein gegen die ED-Behandlung, sondern nur gegen den Spezialfall der Verarbeitung von DNA-Daten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Ermittlung molekulargenetischer erkennungsdienstlicher Daten knüpft die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 67 Abs. 1 SPG, die sich gegenüber jener des § 65 Abs. 1 SPG als lex specialis erweist und sich von Letzterer im Hinblick auf die besondere Sensibilität der derart gewonnenen Informationen sowie auf Art und Umfang der Verpflichtung des Betroffenen zur Mitwirkung durch zusätzliche Tatbestandselemente unterscheidet, an zwei Voraussetzungen an: Einerseits muss der Betroffene in Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, andererseits muss im Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden können, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden (Erkenntnis des VwGH vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0098 unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 12. November 2002, Zl. 2001/01/0058, mwH.).

Die Frage, ob der Beschwerdeführer im Verdacht stand, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, kann klar bejaht werden; dazu wird auf die Ausführungen unter b) a) verwiesen. Gleiches gilt für die Frage, ob im Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden konnte, er werde weitere gefährliche Angriffe begehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis Zl. 2005/06/0018 zur Frage des Löschungsrechts wie folgt erwogen:

„Die Behörde hat sich bei der Begründung der Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zu Recht zum einen im Einklang mit der nunmehrigen gesetzlichen Regelung in § 65 Abs. 1 SPG und der dazu ergangenen Judikatur auf die besondere Eigenart von Suchtgiftdelikten und den sich daraus ergebenden besonderen Problemen bei ihrer Verfolgung bezogen. [...] Ohne die Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Betroffenen in Form der Erstellung von Lichtbildern, der Abnahme von Fingerabdrücken und eines Mundhöhlenabstriches wäre seine Wiedererkennbarkeit bei neuerlicher Tatbegehung fraglich, andererseits ist gerade die leichte Wiedererkennbarkeit auf Grund einer DNA-Ermittlung geeignet, den Beschwerdeführer von weiteren Tatbegehungen abzuschrecken und somit vorbeugend zu wirken. Dazu kam, dass es sich bei den strafbaren Handlungen gemäß § 28 Abs. 2 SMG (anders als im Fall des Erkenntnisses vom 16. Juli 2003, Zl. 2002/01/0592) um als besonders gravierend zu bewertende Verstöße gegen das SMG handelt. Gerade die langen Tatzeiträume der strafbaren Handlungen machen auch die Schwierigkeit für die Sicherheitsbehörden deutlich, den Betroffenen bei der Begehung von Suchtmitteldelikten aufzugreifen.“

Dem nicht näher substanziierten Vorbringen des Beschwerdeführers, der die gesetzlichen Voraussetzungen der DNA-Untersuchung ganz allgemein in Zweifel zieht, ist daher zu entgegnen, dass gemäß § 67 Abs. 1 SPG die Annahme, der Beschwerdeführer, der im Sinne des oben zitierten VwGH-Erkenntnisses unter dem Verdacht stand, „als besonders gravierend zu bewertende Verstöße gegen das SMG“ begangen zu haben, werde bei weiteren gefährlichen Angriffen Spuren (etwa auf Verpackungseinheiten wie Beuteln oder Kuverts) hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden, durchaus nachvollziehbar ist. Somit war die auf § 67 Abs. 1 SPG gestützte Ermittlung von DNA-Daten des Beschwerdeführers durch Abnahme eines Mundhöhlenabstrichs und die Verarbeitung dieser Daten gemäß § 65 Abs. 6 SPG im Lichte des § 8 Abs. 4 Z 1 DSG 2000 zulässig; dieses Vorgehen stellte daher keine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten dar.

Die Beschwerde war daher im Hauptpunkt spruchgemäß abzuweisen.

c) keine Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Anordnung der Löschung von Daten oder der Vernichtung von Proben

Gemäß § 31 Abs. 7 DSG 2000 idF BGBl. I Nr. 135/2009 hat sich die Datenschutzkommission in Beschwerdeverfahren nach § 31 Abs. 2 DSG 2000 gegenüber Auftraggebern des öffentlichen Bereichs auf die Feststellung von Rechtsverletzungen zu beschränken, die die Handlungspflichten gemäß § 40 Abs. 4 DSG 2000 auslösen. Der Antrag auf „Vernichtung der rechtswidrig erlangten Information“, über den überdies gemäß § 76 Abs. 6 SPG die Sicherheitsdirektion zu entscheiden hätte, war daher wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurückzuweisen.

d) kein Anspruch auf Kostenersatz im Verfahren vor der Datenschutzkommission

Anders als im (Maßnahmebeschwerde )Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten, für das § 74 Abs. 2 iVm § 79a AVG eine besondere Anspruchsgrundlage bildet, gilt im Verfahren vor der Datenschutzkommission § 74 Abs. 1 AVG, wonach jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten hat. Der gestellte Antrag auf Zuspruch von „Kostenersatz“ war daher, unabhängig vom Obsiegen oder Nicht-Obsiegen des Beschwerdeführers, als von vornherein unzulässig zurückzuweisen.

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