K121.539/0008-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. STAUDIGL, Mag. HUTTERER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. ZIMMER und Mag. MAITZ-STRASSNIG sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 27. November 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Ernst R*** (Beschwerdeführer) aus V***, vertreten durch die Ä*** Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, vom 10.Juni 2009 gegen die Bezirkshauptmannschaft H*** (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten vom 18. Juni 2008 bis zum 28. April 2009 wird entschieden:
Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch die Verarbeitung (Ermittlung und Speicherung) erkennungsdienstlicher Daten (Lichtbilder und Fingerabdrücke) aus Anlass des Vorfalls vom 14. Juni 2008 in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden vom 18. Juni 2008 bis zum 18. Mai 2009 in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.
Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2 sowie 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, iVm §§ 16 Abs. 2, 65 Abs. 1 und 90 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner vom 10. Juni 2009 datierenden und am 15. Juni 2009 bei der Datenschutzkommission eingegangenen, auf § 90 SPG und § 31 Abs. 2 DSG 2000 gestützten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass er am 18. Juni 2008 im Zuge eines kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts eines Körperverletzungsdelikts (Jugendstraftat) einer erkennungsdienstlichen Behandlung (kurz: ED-Behandlung, hier: Abnahme der Fingerabdrücke, Anfertigung von Lichtbildern) unterzogen worden sei. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 65 Abs. 1 SPG (Jugendstraftat, keine einschlägigen Vorstrafen oder Vormerkungen, keine negative Prognose und daher auch kein Präventionsbedarf) sei die Datenermittlung durch ED-Behandlung unzulässig gewesen. Zwar habe die Sicherheitsdirektion A*** die Datenlöschung bereits auf seinen Antrag hin mit Bescheid vom 23. April 2009, Zl. I- 223-544/08, angeordnet, er trete aber der Ansicht dieser Behörde, die Datenermittlung sei ursprünglich zulässig gewesen, ausdrücklich entgegen.
Die Beschwerdegegnerin brachte mit Stellungnahme vom 3. Juli 2009 vor, der Beschwerdeführer sei der (einfachen) Körperverletzung verdächtig gewesen, weil er nach dem Ergebnis der kriminalpolizeilichen Ermittlungen dem Charly X*** am 14. Juni 2008 grundlos Schläge ins Gesicht versetzt habe. Die handelnden Beamten seien angesichts der Tatausführung (grundloses, brutales Zuschlagen mit der Faust ins Gesicht) von einer Wiederholungsgefahr und von Präventionsbedarf ausgegangen. Es sei nämlich vor der Anlasstat im Tatortbereich schon wiederholt zu Tätlichkeiten zwischen Jugendgruppen gekommen, an denen der Beschwerdeführer, der in diesem Bereich wiederholt bei Kontrollen angetroffen wurde, beteiligt gewesen sein könnte. Richtig sei jedoch auch, dass die Staatsanwaltschaft B*** die erstattete Strafanzeige am 17. September 2008 gemäß § 6 JGG zurückgelegt habe. Jedoch sei der Beschwerdeführer bereits am 13. Oktober 2008 bei einem gemeinschaftlich verübten Diebstahl betreten und zur Anzeige gebracht worden. Unter einem legte die Beschwerdegegnerin Kopien und Ausdrucke aus den Ermittlungsakten zur GZ:
**/****/20**-*** der Polizeiinspektion (PI) V*** vor.
Der Beschwerdeführer replizierte darauf in seiner Äußerung vom 29. Juli 2009. Den ermittelnden Beamten sei im Zeitpunkt der ED-Behandlung lediglich bekannt gewesen, dass der Beschwerdeführer Charly X*** durch einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht leicht verletzt habe. Für ein besonders brutales Vorgehen seien keine Ermittlungsergebnisse vorgelegen, das Tatopfer sei überhaupt nie als Zeuge befragt worden. Den Akten der PI V*** sei auch nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer mit irgendwelchen früheren Vorfällen im Bereich des Tatortes in Zusammenhang gebracht werden könne. Der Beschwerdeführer sei unbescholten gewesen und habe sich in der Beschuldigteneinvernahme einsichtig und reumütig gezeigt. Eine spätere Straftat – diese sei im Übrigen diversionell erledigt worden – könne nicht nachträglich zur Grundlage einer im Zeitpunkt der ED-Behandlung zu treffenden Prognoseentscheidung gemacht werden und sei daher irrelevant. Die Beschwerde werde daher aufrecht gehalten.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, erkennungsdienstliche Daten des Beschwerdeführers zu ermitteln und vom 18. Juni 2008 bis zum 18. Mai 2009 zu speichern.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der im fraglichen Zeitpunkt noch jugendliche, am 26. Dezember 1992 geborene Beschwerdeführer griff zusammen mit seinem Kollegen Eduard L*** am Abend des 14. Juni 2008 gegen 22:15 Uhr Charly X*** und Adalbert C*** auf dem Parkplatz des McDonalds-Restaurant in V***, ***straße 00, nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung tätlich an, wobei der Beschwerdeführer dem Charly X*** jedenfalls mit der flachen Hand ins Gesicht schlug und ihn dadurch leicht am Körper verletzte (leichte Verletzung in Form einer Schwellung im Bereich des linken Unterkiefers, leichte Gesundheitsstörung). Der Verdächtige L*** wurde bei einer Polizeikontrolle am selben Abend gegen 23:00 auf dem Parkplatz des P****-Kinos an Hand der von den Angegriffenen gegebenen Beschreibung und von den Zeugen identifiziert und gab den Namen des Beschwerdeführers als Zweittäter bekannt. Der Beschwerdeführer wurde am 18. Juni 2008 von 16:54 bis 17:10 Uhr in Anwesenheit seiner Mutter als Vertrauensperson auf der PI V*** als Beschuldigter wegen Verdachts der Körperverletzung (§ 83 StGB) einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, einem von mehreren Burschen, die er und Eduard L*** schon einige Zeit beobachtet hätten, nach einem kurzen Dialog aber „ohne eigentlich ein weiteres Gespräch zu führen“, mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben. Es täte ihm dies leid, und er werde sich bei dem Opfer entschuldigen.
Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt unbescholten und in keiner Weise polizeilich vorgemerkt (Strafregister und EKIS-KPA negativ).
Der Beschwerdeführer wurde im Anschluss an seine Beschuldigteneinvernahme beim Bezirkspolizeikommando H*** erkennungsdienstlich behandelt, ohne dass unmittelbare Befehls- oder Zwangsgewalt angedroht oder ausgeübt wurde. Die ED-Behandlung umfasste die Abnahme der Abdrücke der zehn Finger und der Handflächen sowie die Anfertigung von Lichtbildern (Profil, en face, Halbprofil). Die entsprechenden Daten wurden im Auftrag der Beschwerdegegnerin in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (EKIS - Erkennungsdienstliche Evidenz) verarbeitet (EDV-Zl. **,0**000*).
Der Beschwerdeführer wurde gemeinsam mit Eduard L*** mit Abschluss-Bericht vom 21. August 2008, GZ: **/0000/20**-***, wegen Verdachts der (einfachen) Körperverletzung bei der Staatsanwaltschaft B*** zur Anzeige gebracht. Diese Anzeige gegen den Beschwerdeführer wurde von der Staatsanwaltschaft B*** (Bezirksanwalt) am 17. September 2008 zu AZ: 00 *** 00**/*** aus dem Grunde des § 6 Abs. 1 JGG zurückgelegt, da anzunehmen sei, dass das Gericht das Verfahren einstellen oder bei einem Schuldspruch keine Strafe verhängen werde.
Die Sicherheitsdirektion A*** gab mit Bescheid vom 23. April 2009, Zl. **/00**/**, einem Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung erkennungsdienstlicher Daten statt. Am 18. Mai 2009 wurde dem Beschwerdeführer der Vollzug der Löschung der Daten zur beschwerdegegenständlichen ED-Behandlung mitgeteilt. Wegen einer weiteren Anlasstat waren jedoch am 25. Juni 2009 weiterhin erkennungsdienstliche Daten des Beschwerdeführers (neuerliche ED-Behandlung vom 9. Februar 2009) gespeichert.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den von der Beschwerdegegnerin vorgelegten und in der Sachverhaltsfeststellung zitierten Aktenkopien, Beilagen zur Stellungnahme vom 3. Juli 2009, Zl. BH**-000- ****.0*. Nicht festgestellt werden konnte das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, dass der Beschwerdeführer bereits an früheren Vorfällen (Tätlichkeiten unter Jugendlichen) beteiligt war. Jedenfalls sind keine Informationen darüber aus den Ermittlungsakten der PI V*** ersichtlich, sodass davon auszugehen war, dass dieses Wissen, so es an anderer Stelle aktenkundig war, jedenfalls den ermittelnden Polizeibeamten im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht zur Verfügung stand. Ein besonders brutales oder rücksichtsloses Vorgehen bei der Tat war ebenfalls nicht feststellbar. Im Zeitpunkt der ED-Behandlung lagen nur die Aussagen der beiden Beschuldigten vor, die nur von einem „Schlag“ bzw. „Schlag mit der flachen Hand“ sprechen. Der ärztliche Ambulanzbericht des LKH V*** vom 17. Juni 2008 betreffend den Verletzten Charly X*** konstatiert ebenfalls nur eine leichte Verletzung. Die Feststellungen zur Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten, zum Löschungsverfahren vor der Sicherheitsdirektion und zu den im Zeitpunkt der beschwerdegegenständlichen ED-Behandlung vorhandenen Informationen über den Beschwerdeführer beruhen auf der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 3. Juli 2009, Zl. BH**-000-****.0*, und den als Beilagen zu dieser vorgelegten Kopie des Bescheids der SD A*** vom 23. April 2009, Zl. I-***-000/0*, der EKIS-Personenanfrage vom 25. Juni 2009 sowie dem KPA-Speicherauszug vom selben Tag (EDV-Zl. 000,***.00*, weist nur Eintragungen hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Anlasstat und einer späteren Anzeige auf).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„Grundrecht auf Datenschutz
§1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 16 Abs. 2 SPG lautet samt Überschrift:
„Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;
Gefahrenerforschung
§16. (1) […]
(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand
nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder
1. nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder
2. nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, oder
3. nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997,
handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.“
§ 65 Abs. 1 SPG idF BGBl. I Nr. 114/2007 lautet samt Überschrift:
„Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.“
§ 90 SPG lautete samt Überschrift:
„Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über
den Datenschutz
§ 90. Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“
§ 83 StGB lautet samt Überschrift
„Körperverletzung
§ 83. (1) Wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer einen anderen am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt oder an der Gesundheit schädigt.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
a) zur Zuständigkeitsfrage
Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018) wurde ermittelt, ob gegen den Beschwerdeführer anlässlich der Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt oder ihm die Ausübung solcher zumindest angedroht worden ist. Diesbezüglich liegen weder ein Vorbringen des Beschwerdeführers noch Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vor. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission, über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, ist daher gemäß § 90 SPG gegeben.
b) in der Sache selbst wegen Geheimhaltung
Im Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, fasst der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung von § 65 Abs. 1 SPG folgendermaßen zusammen:
„Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 SPG in der Fassung der SPG-Novelle 2002 ist es erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen wird. Dabei hat sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl 2002/01/0320). Im Rahmen dieser so anzustellenden Überlegungen wird es - wie der neue Wortlaut des § 65 Abs. 1 SPG ausdrücklich klarstellt - immer auch auf die Art des Deliktes, dessen der Betroffene verdächtig ist, ankommen. Dass (auch) die aktuelle Textierung des § 65 SPG eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbietet, steht insoweit mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle 2002 (1138 BlgNR 21. GP 33) im Einklang, als dort neben der Art des begangenen Delikts die konkreten Umstände bei der Tatbegehung als Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe als Parameter genannt werden.“
Wie aus der Betonung des Begriffs der „Prognose“ in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu folgern ist (vgl. etwa VwSlg 14879 A/1998, wo auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbildes einer gerichtlich strafbaren Handlung abgestellt ist, für den die Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zu beurteilen ist), muss vom Stand des Sachverhalts und vom zur Verfügung stehenden Wissen über den Beschwerdeführer im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgegangen werden, um die Voraussetzungen für diese faktische Amtshandlung zu beurteilen. Weiters kommt es auf die sich in der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes manifestierende Gefährlichkeit der betreffenden Person an, während weitere Voraussetzungen der gerichtlichen Strafbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (VwSlg 14879 A/1998).
Auch angesichts der geringfügigen Änderung in der Textierung von § 65 Abs. 1 SPG (Ersatz der Wortfolge „sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung“ durch „sonst wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen“) durch BGBl. I Nr. 114/2007 seit 1. Jänner 2008 ist jedenfalls grundsätzlich weiterhin eine Prognoseentscheidung geboten, die darauf abzustellen hat, ob das Mittel der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Prävention weiterer gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.
Bei richtiger Würdigung der im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer hätte die Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde bzw. hätten die in Vollziehung des SPG als ihre Organe handelnden Beamten der Bundespolizei nicht davon ausgehen dürfen, dass eine solche Prognose zulässig und geboten war.
Zwar zählt auch die einfache Körperverletzung – auch als nach dem JGG zu beurteilende Jugendstraftat – zu den „gefährlichen Angriffen“, es fehlen aber konkrete Ermittlungsergebnisse, auf die die Beschwerdegegnerin die sich aus den in § 65 Abs. 1 SPG ergebenden Merkmale eines besonderen Präventionsbedarfs hätte stützen können. Weder liegen für den Zeitpunkt der ED-Behandlung aktenkundige Hinweise auf eine besonders brutale, also im sicherheitspolizeilichen Sinne „gefährliche“ Tatausführung vor, noch waren konkrete Hinweise auf eine besondere, etwa in der Persönlichkeit angelegte Gefährlichkeit des Beschwerdeführers oder eine wahrscheinlich gegebene Wiederholungsgefahr auffindbar. Aus der Sicht des unbeteiligten Beobachters musste sich die Tat als „Rauferei“ unter Jugendlichen darstellen, aus der kein besonderer Präventionsbedarf abzuleiten war. Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, kann auf spätere Fälle gefährlicher Angriffe rückwirkend keine Prognoseentscheidung gestützt werden.
Auf dieser Grundlage war eine konkrete, fallbezogene Prognoseentscheidung, der Beschwerdeführer müsse durch die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten von weiteren gefährlichen Angriffen abgehalten werden, nicht zu treffen. Die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten war somit unzulässig, und der Beschwerdeführer wurde durch sie spruchgemäß in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt.