K121.526/0028-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Mag. HUTTERER, Mag. HEILEGGER, Dr. HEISSENBERGER und Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 18. November 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde 1. der Gerda B*** (Erstbeschwerdeführerin), 2. des Norbert B*** (Zweitbeschwerdeführer) und 3. des Dr. Alfons B***-H*** (Drittbeschwerdeführer), alle aus M***, alle vertreten durch Dr. L*** Partner, Rechtsanwälte in **** O***, vom 27. April 2009 gegen das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Bildungswesens (BIFIE, Beschwerdegegner), vertreten durch A*** B*** Rechtsanwälte in **** N***, wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Teilnahme des Zweitbeschwerdeführers an der für ihn verpflichtenden Baseline-Testung 2009 am Bundesgymnasium J***straße in M*** am 22. April 2009 wird entschieden:
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 1 und 2, 4 Z 1, 7 Abs. 1, 9 Z 2, 31 Abs. 2 und 46 Abs. 1 Z 3 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 2 Abs. 2 und 6 Abs. 1 des BIFIE-Gesetzes 2008, BGBl. I Nr. 25/2008 und § 17 des Schulunterrichtsgesetzes (SchuG), BGBl. Nr. 472/1986 idgF.
B e g r ü n d u n g
A. Vorbringen der Parteien
Die drei Beschwerdeführer behaupten in ihrer mit 27. April 2009 datierten und am 29. April 2009 bei der Datenschutzkommission eingegangenen Beschwerde, die auftragsgemäß mit Schriftsatz vom 8. Mai 2009 verbessert wurde, eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung. Dies dadurch, dass beim Zweitbeschwerdeführer, Norbert B***, dem Sohn der beiden anderen Beschwerdeführer, im Zuge eines so genannten „Baseline-Tests“ zur Feststellung der Bildungsstandards an österreichischen Schulen im Auftrag des Beschwerdegegners am Bundesgymnasium J***straße in M*** Daten, teilweise sensibler Natur, zum Privat- und Familienleben (Wohnverhältnisse, Verhältnis der Eltern zur Religion, soziale Integration des Schülers/der Familie, Beruf der Eltern) erhoben worden seien, die gleichzeitig auch Daten der Erstbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers seien. Eine gesetzliche Ermächtigung zur Erhebung derartiger Daten sehe § 17 Abs. 1a des Schulunterrichtsgesetzes nicht vor, sodass es an einer gesetzlichen Ermächtigung fehle. Mangels Zustimmung (die wegen einer erfolgten Täuschung der Schüler überdies unwirksam wäre) sei die Datenerhebung unrechtmäßig erfolgt. Die Datenerhebung sei nicht anonymisiert vonstatten gegangen, da erstens die Schüler ihre entsprechende Katalognummer und ihr Geburtsdatum angeben hätten müssen und zweitens der Beschwerdegegner berechtigt sei, Daten aus der Gesamtevidenz der Schüler heranzuziehen, sowie verpflichtet sei, die Schüler über die Testergebnisse zu informieren. Die Beschwerdeführer beantragten, die erfolgte Verletzung im Recht auf Geheimhaltung festzustellen.
Der Beschwerdegegner , von der Datenschutzkommission zur Stellungnahme aufgefordert, brachte am 13. Juli 2009 unter Verweis auf das amtswegige Kontrollverfahren Zl. K213.031 vor, dass er den Sachverhalt betreffend Baseline-Testung mit der Datenschutzkommission ohnehin bereits schriftlich und mündlich erörtert habe und sich im Übrigen nicht in der Lage sehe, auf jede einzelne Beschwerde eines Elternteils betreffend diese Tests einzugehen, da dies einen „Verwaltungsexzess“ darstelle, der mit normalen Ressourcen nicht zu bewältigen sei. Vorgelegt wurde die Kopie einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (im Folgenden kurz: BMUKK), in dem zu einer Aufsichtsbeschwerde des Drittbeschwerdeführers gegen den Beschwerdegegner Stellung genommen wird, und eine Stellungnahme des Beschwerdegegners an die Staatsanwaltschaft M*** im Ermittlungsverfahren AZ: 1* BAZ 5**/09h (Strafanzeige der Beschwerdeführer gegen die Leitung des Beschwerdegegners wegen des Verdachts der Täuschung, § 108 StGB) vom 22. Juni 2009.
In weiterer Folge brachte der Beschwerdegegner am 15. Juli 2009 vor, dass die Fragebögen der Tests an dem vom Zweitbeschwerdeführer besuchten Bundesgymnasium, wie alle Ergebnisse dieser Testreihe überhaupt, auf Weisung des Landesschulrats für Oberösterreich nicht dem Beschwerdegegner übermittelt, sondern physisch vernichtet worden seien. Beim Beschwerdegegner hätten daher zum Beschwerdefall überhaupt keine Daten vorgelegen und es existierten auch keine Fragebögen, die als Beweismittel vorgelegt werden könnten.
Mit einer weiteren Stellungnahme vom 17. Juli 2009 verweigerte der Beschwerdegegner die mit Verfügung vom 15. Juli 2009, GZ: K121.526/0006-DSK/2009, aufgetragene Vorlage von Beweismitteln (Musterfragebögen der Baseline-Testung vom 22. April 2009, Bundesgymnasium J***straße): Die entsprechenden Fragebögen setzten sich aus verschiedenen Modulen zusammen, die per Rotation zur Verwendung in den Tests verteilt worden wären. Die an einer bestimmten Schule zu einem bestimmten Termin verwendete Kombination sei daher nicht mehr rekonstruierbar, was insbesondere auch für die vom Zweitbeschwerdeführer beantwortete Fragenkombination zutreffe. Weiters legte der Beschwerdegegner das Schreiben des Amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates für Oberösterreich betreffend Vernichtung der Schülerfragebögen vom 5. Mai 2009, Tgb:/**, vor, sowie das notarielle Protokoll vom 12. Juni 2009 betreffend die Vernichtung der Fragebögen aus anderen Bundesländern.
Mit einer weiteren Stellungnahme brachte der Beschwerdegegner , diesmal anwaltlich vertreten, am 17. August 2009 vor, keiner der Beschwerdeführer sei durch eine Datenverwendung durch den Beschwerdegegner in seinem Recht auf Datenschutz verletzt worden: Da die Datenerhebung gar nicht beendet worden sei, sei eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Geheimhaltung auszuschließen. Die vorgenommene, aber dann abgebrochene Datenerhebung sei für Zwecke einer wissenschaftlichen Untersuchung ohne Ziel eines personenbezogenen Ergebnisses erfolgt und wäre daher, selbst im Fall des – nicht erfolgten – Abschlusses, gemäß § 46 Abs. 1 DSG 2000 rechtmäßig gewesen. Überdies sei dem Beschwerdegegner gemäß § 6 Abs. 1 BIFIE-Gesetz 2008 die Überprüfung gesetzlich verordneter Bildungsstandards (VO des BMUKK vom 2. Jänner 2009) übertragen, sodass auch eine gesetzliche Grundlage und Ermächtigung für die beabsichtigte Datenverwendung bestehe. Die entsprechend diesen Bestimmungen durchzuführende Baseline-Erhebung bzw. –Testung solle Aufschlüsse über den Erfolg des Unterrichts und das Entwicklungspotenzial des österreichischen Schulwesens liefern, nicht jedoch Daten über einzelne Schüler. Es sei lediglich gesetzlich vorgesehen, dem einzelnen Schüler – und nur diesem – das Ergebnis der fachbezogenen Tests offenzulegen. Daher lägen für den Beschwerdegegner jedenfalls nur Daten in indirekt personenbezogener Form vor, was, auch für sensible Daten, durch die Eingriffsermächtigung gemäß § 9 Z 2 DSG 2000 gedeckt sei. Die Zuordnung der Fragebögen – und damit der Testergebnisse - zu einem bestimmten Schüler sei nur mit Hilfe eines Zahlencodes möglich, der nur dem Schüler bekannt sei. Der Beschwerdegegner verfüge über kein rechtlich zulässiges Mittel, diese Zuordnung vorzunehmen. Der Beschwerdegegner legte weiters – neu - einen Auszug aus einem Musterfragebogen der Baseline-Tests und die dazu gehörigen Informationsblätter für Schüler und Eltern vor.
Am 1. September 2009 übermittelte der Beschwerdegegner weiters in Kopie die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft M*** vom 14. August 2009, 1* BAZ 1**6/09-v, über die Einstellung des Strafverfahrens wegen Verdachts der Täuschung gegen den Direktor des Beschwerdegegners (diese Urkunde wurde von den Anwälten des Beschwerdegegners mit Schriftsatz vom 10. September 2009 nochmals vorgelegt).
Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens haben die Streitparteien nach abschließendem Parteiengehör keine Stellungnahmen mehr abgegeben.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführer ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdegegner die Beschwerdeführer durch die am 22. April 2009 durchgeführte Datenerhebung für Zwecke der so genannten Baseline-Testung am Bundesgymnasium J***straße in M*** in ihren Rechten auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
1) Der Zweitbeschwerdeführer, Norbert B***, besucht als Schüler das Bundesgymnasium J***straße in M***, Oberösterreich. Erstbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführer sind die Eltern des Zweitbeschwerdeführers.
2) Am 22. April 2009 fand am Bundesgymnasium J***straße der erste Teil der Baseline-Testung statt, durch die der Beschwerdegegner in Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags eine wissenschaftliche Erhebung des Wissenstandes und des Bildungsniveaus an österreichischen Schulen durchführt. Bei der gewählten Testmethode wurde den Schülern eingangs der Testphase, also am bezeichneten Tag, vor den eigentlichen Wissensfragen ein umfangreicher Fragenkatalog zur Erhebung ihrer sozialen, schulischen und familiären Situation vorgelegt. Dieser umfasste mehrere Dutzend Fragen, unter anderem die folgende Fragen (mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten):
Jeder Schüler war, worauf auch in je einem Informationsblatt für Schüler und Eltern hingewiesen wurde, zur Teilnahme an der Baseline-Testung verpflichtet.
3) Der Name des ausfüllenden Schülers scheint auf dem Fragebogen nirgends auf. Jeder einzelne Schülerfragebogen war jedoch mit einer zehnstelligen Kennnummer versehen, die einen Rückschluss auf die Schule (erste sechs Stellen), die Klasse oder Lerngruppe (siebte und achte Stelle) und die (Katalog)Nummer des Schülers innerhalb der Klasse (neunte und zehnte Stelle) ermöglichte.
Nur die Schule verfügte über eine Entsprechungstabelle zwischen den zehnstelligen Kennnummern und den zugehörigen Namen ihrer Schüler. Diese Entsprechungstabelle war von der Einsicht durch den Beschwerdegegner ausgeschlossen. Weiters war vom Schüler auf dem Deckblatt seines Fragebogens sein Geburtsdatum und Geschlecht einzutragen. Diese Kennzeichnung sollte es ermöglichen, später dem Schüler - und nur diesem – das Ergebnis der Testung im Internet zugänglich zu machen.
4) Nach Ausfüllung des Fragebogens war dieser in einem Kuvert sofort zu versiegeln und damit hinsichtlich seines Inhalts für das Lehr- und Schulpersonal unzugänglich zu machen. Die versiegelten Kuverts sollten dem Beschwerdegegner übermittelt werden.
Auch der Zweitbeschwerdeführer hatte am 22. April 2009 einen mit einer zehnstelligen Kennnummer sowie seinem Geburtsdatum und seinem Geschlecht gekennzeichneten Fragebogen ausgefüllt und abgegeben.
Nach Protesten aus Elternkreisen und kritischer Medienberichterstattung ordnete der Landesschulrat für Oberösterreich an, dass die Fragebögen an den oberösterreichischen Schulen zu verbleiben hätten. Diese wurden daher nicht an den Beschwerdegegner übermittelt und wurden, ebenfalls auf Weisung des Landesschulrats, in weiterer Folge vernichtet.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf folgenden Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens: Die beispielsweise aufgezählten Fragen entstammen einem von den Beschwerdeführer vorgelegten Gedächtnisprotokoll. Ihr Inhalt konnte insoweit nicht präzise verifiziert werden, als der Beschwerdegegner die tatsächliche Unmöglichkeit der Rekonstruktion des vom Zweitbeschwerdeführer auszufüllenden Fragenkatalogs geltend machte sowie sich aus verschiedensten Gründen weigerte, den gesamten Fragenkatalog – der in verschiedene Module eingeteilt ist, aus denen die Fragen des konkret verwendeten Materials zusammengestellt wurden -, der Datenschutzkommission vorzulegen. Da der Inhalt einiger dem Gedächtnisprotokoll entstammender Fragen vom Zeugen Oskar T***, Leiter des Zentrums für Datenmanagement und Statistik beim Beschwerdegegner, in seiner niederschriftlichen Aussage vom 30. September 2009, GZ: K121.526/0025-DSK/2009 (Seiten 1 und 2), auf Vorhalt für „durchaus möglich“ und „relativ plausibel“ befunden wurde, und der Zeuge weiters bestätigt hat, dass ein umfangreicher Fragenkatalog dieser Art Teil der ursprünglich geplanten Baseline-Testung 2009 an den Schulen war, konnten die Angaben der Beschwerdeführer in diesem Punkt als wahr gewertet werden. Die Angaben der Beschwerdeführer zur Teilnahme an der Baseline-Testung in der angegebenen Schule zum angegebenen Zeitpunkt sind beidseitig unbestritten und glaubwürdig. Die Feststellungen zum Datenumfang der Erhebung (abgesehen von materiellen Testfragen sozialen oder fachlichen Inhalts) stützen sich auf die als Beilage./1 zur Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 17. August 2009 vorgelegte Deckblattseite („Baseline-Testung 2009 Schülerfragebogen, Form B“) sowie, zur Bedeutung der Kennnummer, auf die oben bereits zitierte Aussage des Zeugen T*** (Seite 2). Die Feststellungen zum Verbleib der ausgefüllten Fragebögen der oberösterreichischen Schulen stützen sich auf das glaubwürdige Vorbringen des Beschwerdegegners in Verbindung mit dem als Beilage./4 zur Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 17. August 2009 vorgelegte Schreiben des amtsführenden Präsidenten des Landesschulrats für Oberösterreich vom 5. Mai 2009, in dem dem Direktor des Beschwerdegegners die den Schulen erteilte Weisung zur Vernichtung der Schülerfragebögen notifiziert wurde.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„Grundrecht auf Datenschutz
§1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 4 Z 1, 9 und 10 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„Definitionen
§ 4 . Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
[…]
§ 7 Abs. 1 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„Zulässigkeit der Verwendung von Daten
§ 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.“
§ 8 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei
Verwendung nichtsensibler Daten
§ 8 . (1) Gemäß § 1 Abs. 1 bestehende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn
(2) Bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten oder von nur indirekt personenbezogenen Daten gelten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt. Das Recht, gegen die Verwendung solcher Daten gemäß § 28 Widerspruch zu erheben, bleibt unberührt.“
§ 9 Z 1 bis 6 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei
Verwendung sensibler Daten
§ 9 . Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen werden bei der Verwendung sensibler Daten ausschließlich dann nicht verletzt, wenn
§ 46 Abs. 1 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„Wissenschaftliche Forschung und Statistik
§ 46 . (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die
Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 3 verwendet werden.“
§ 17 Abs. 1a SchUG lautet:
„ § 17 . (1) [...]
(1a) Der zuständige Bundesminister hat für einzelne Schulstufen der in § 1 genannten Schularten (Formen, Fachrichtungen) Bildungsstandards zu verordnen, wenn dies für die Entwicklung und Evaluation des österreichischen Schulwesens notwendig ist. Bildungsstandards sind konkret formulierte Lernergebnisse, die sich gemäß dem Lehrplan der jeweiligen Schulart (Form, Fachrichtung) auf einzelne Pflichtgegenstände oder auf mehrere in fachlichem Zusammenhang stehende Pflichtgegenstände beziehen. Die individuellen Lernergebnisse zeigen das Ausmaß des Erreichens grundlegender, nachhaltig erworbener Kompetenzen auf. Der Lehrer hat bei der Planung und Gestaltung seiner Unterrichtsarbeit die Kompetenzen und die darauf bezogenen Bildungsstandards zu berücksichtigen sowie die Leistungen der Schüler in diesen Bereichen zu beobachten, zu fördern und bestmöglich zu sichern. Die Verordnung hat über die Festlegung von Schularten, Schulstufen und Pflichtgegenständen hinaus insbesondere die Ziele der nachhaltigen Ergebnisorientierung in der Planung und Durchführung von Unterricht, der bestmöglichen Diagnostik und individuellen Förderung durch konkrete Vergleichsmaßstäbe und der Unterstützung der Qualitätsentwicklung in der Schule sicher zu stellen. Es ist vorzusehen, dass die Ergebnisse von Standardüberprüfungen so auszuwerten und rückzumelden sind, dass sie für die langfristige systematische Qualitätsentwicklung in den Schulen nutzbringend verwertet werden können.“
§§ 3 und 4 der Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur über Bildungsstandards im Schulwesen, BGBl. II Nr. 1/2009, lauten samt Überschrift:
„Funktionen der Bildungsstandards
§ 3 . (1) Bildungsstandards sollen Aufschlüsse über den Erfolg des Unterrichts und über Entwicklungspotentiale des österreichischen Schulwesens liefern. Darüber hinaus sollen sie
(2) Zum Zweck der nachhaltigen Ergebnisorientierung in der Planung und Durchführung von Unterricht haben die Lehrerinnen und Lehrer den systematischen Aufbau der zu vermittelnden Kompetenzen und die auf diese bezogenen Bildungsstandards bei der Planung und Gestaltung ihrer Unterrichtsarbeit zu berücksichtigen (Orientierungsfunktion gemäß Abs. 1 Z 1).
(3) Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler sind in allen Schulstufen unter Zugrundelegung der Bildungsstandards für die
4. bzw. für die 8. Schulstufe besonders zu beobachten und zu analysieren. Auf der Basis des diagnostischen Vergleiches von zu erlangenden und individuell erworbenen Kompetenzen ist eine bestmögliche individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler sicher zu stellen (Förderungsfunktion gemäß Abs. 1 Z 2).
(4) Durch periodische Standardüberprüfungen sind die von den Schülerinnen und Schülern bis zur 4. bzw. zur 8. Schulstufe erworbenen Kompetenzen objektiv festzustellen und mit den angestrebten Lernergebnissen zu vergleichen.
Standardüberprüfungen sind auf Anordnung der Schulbehörden für die 8. Schulstufe ab dem Schuljahr 2011/12 und für die 4. Schulstufe ab dem Schuljahr 2012/13 durchzuführen und deren Auswertungen sind den Schulen rückzumelden. Die Auswertungen der Standardüberprüfung und deren Rückmeldungen haben so zu erfolgen, dass sie für Zwecke der Qualitätsentwicklung an den Schulen herangezogen werden können. Maßnahmen der Qualitätsentwicklung sind zu dokumentieren und periodisch zu evaluieren (Evaluationsfunktion gemäß Abs. 1 Z 3).
Standardüberprüfungen
§ 4 . (1) An öffentlichen und mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen der in § 1 genannten Schularten sind hinsichtlich der in § 1 Z 1 und 2 genannten Pflichtgegenstände und Schulstufen im Abstand von drei Jahren Standardüberprüfungen durchzuführen.
(2) Bei den Standardüberprüfungen ist durch validierte Aufgabenstellungen der Grad der Kompetenzerreichung durch die Schülerinnen und Schüler zu messen. Die gestellten Aufgaben müssen sich aus den Bildungsstandards ableiten lassen. Sie sind so zu wählen, dass die individuellen Testergebnisse, nachdem sie zu den Bildungsstandards in Relation gesetzt wurden, Aufschluss über den nachhaltigen Erwerb von Kompetenzen ermöglichen.
(3) Als Verfahren der Standardüberprüfung kommen
in Betracht.
(4) Die Auswertungen der Standardüberprüfungen haben so zu erfolgen, dass auf deren Basis Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung bundesweit, landesweit und schulbezogen erfolgen können. Die individuellen Ergebnisse der Standardüberprüfung dürfen nicht auf eine bestimmte Schülerin oder auf einen bestimmten Schüler zurückgeführt werden können, außer durch diese oder diesen selbst.
(5) Die Bestimmungen über die Leistungsfeststellungen und - beurteilungen bleiben von dieser Verordnung unberührt.“
§ 2, 6 und 7 BIFIE-G lauten samt Überschriften:
„Aufgaben
§ 2 . (1) Das Aufgaben- und Tätigkeitsfeld des BIFIE bezieht sich auf den gesamten Bereich des Schulwesens im Sinne der Art. 14 und 14a Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930, mit Ausnahme der Kindergärten und Horte sowie der Universitäten und Fachhochschulen.
(2) Als Kernaufgaben des BIFIE sind nach Maßgabe näherer Konkretisierungen in den Dreijahresplänen wahrzunehmen:
(3) Das zuständige Regierungsmitglied ist ermächtigt, das BIFIE mit der Abwicklung von Aufträgen (zB von Projekten, Erhebungen oder anderen Vorhaben) im Namen und auf Rechnung des Bundes zu betrauen.
[...]
Zusammenarbeit mit Schulen und der Schulverwaltung
§ 6 . (1) Forschungsprojekte zur Qualitätssicherung im Schulwesen (zB Überprüfungen der Bildungsstandards, nationale und internationale Surveys oder Assessments) und andere vom zuständigen Regierungsmitglied im Rahmen der Jahrespläne genehmigte Erhebungen des BIFIE werden in dessen direktem Auftrag durchgeführt. Bei Erhebungen an Schulen untersteht das BIFIE den Anordnungen des zuständigen Regierungsmitgliedes.
(2) Die Mitwirkung von Schülern und Schülerinnen an Maßnahmen im Sinne des Abs. 1 ist für diese verpflichtend und befreit zur Teilnahme am Unterricht im unbedingt erforderlichen Ausmaß. Wenn der Mitwirkung von Schülern und Schülerinnen wichtige schulische Interessen entgegenstehen, hat der Schulleiter oder die Schulleiterin das Einvernehmen mit dem BIFIE herzustellen.
Daten, Datenschutz
§ 7 . Das BIFIE ist berechtigt, bei seinen Untersuchungen Daten aus den gemäß dem Bildungsdokumentationsgesetz, BGBl. I Nr. 12/2002, eingerichteten Gesamtevidenzen der Schüler und Schülerinnen sowie der Studierenden zu verwenden und vorhandene Auswertungen aus diesen Evidenzen zu nutzen.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen :
a) Die Beschwerde wurde sowohl für den getesteten Schüler (Zweitbeschwerdeführer) durch seinen gesetzlichen Vertreter als auch durch beide Eltern (Erstbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführer) des getesteten Schülers erhoben. Tatsächlich enthielt der Fragebogen einige Fragen, mit welchen ausdrücklich Daten über die Eltern des getesteten Kindes ermitteln sollten (z.B. „Sind deine Eltern religiös?“); daneben gibt es im Fragebogen auch Fragen, deren Beantwortung sowohl Daten des getesteten Schülers als auch seiner Eltern liefert (z.B. „Was ist deine Muttersprache?“ oder „Wirst du von deinen Eltern geschlagen?“). An der Betroffeneneigenschaft der Erstbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers - neben der des Zweitbeschwerdeführers– kann somit nicht gezweifelt werden.
b) Die Beschwerdeführer gründen ihre Beschwerde wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung darauf, dass personenbezogene Daten – teils auch sensibler Natur – in Überschreitung des gesetzlichen Auftrags zur Bildungsstanderhebung gemäß § 17a des Schulunterrichtsgesetzes, also ohne ausreichende Rechtsgrundlage erhoben wurden.
Der Beschwerdegegner hat demgegenüber ins Treffen geführt, dass das Verfahren der Baseline-Testung so ausgelegt gewesen sei, dass ausschließlich indirekt personenbezogene Daten für Zwecke einer wissenschaftlichen Untersuchung ermittelt worden wären, sodass sich die Zulässigkeit dieser Datenverwendung schon aus § 46 Abs. 1 DSG 2000 ergebe.
Dem Beschwerdegegner ist zuzustimmen, dass § 46 Abs. 1 Z 3 DSG 2000 im vorliegenden Fall eine taugliche Rechtsgrundlage für die Ermittlung der beschwerdegegenständlichen – und teils sensiblen - Daten bieten könnte, dies jedoch nur unter Voraussetzung, dass tatsächlich „indirekt personenbezogene Daten“ verwendet wurden. Zu beurteilen ist daher vor allem, ob die Art und Weise der beschwerdegegenständlichen Datenermittlung als Ermittlung „indirekt personenbezogener Daten“ iSd § 4 Z 1 DSG 2000 zu werten ist.
c) Zum Begriff der „indirekt personenbezogenen Daten“ ist Folgendes auszuführen:
„Indirekt personenbezogene Daten“ liegen gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 nur dann vor, wenn „der Personenbezug der Daten derart
ist, dass der Auftraggeber .... die Identität des Betroffenen
mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann“. Vorausgesetzt ist bei dieser Definition – ebenso wie bei der in Art. 2 (a) der RL 95/46/EG gegebenen Definition des Begriffs der „personenbezogenen Daten“ – dass der Effekt der „Bestimmtheit der Identität einer Person“ regelmäßig erst dann gegeben ist, wenn der Name der Person (- allenfalls gemeinsam mit weiteren Identifizierungsmerkmalen wie Geburtsdatum, Geschlecht, Staatbürgerschaft etc) bekannt ist – ohne Vorliegen des Namens des Betroffenen kann im Regelfall nicht von einem „identifizierten“/“bestimmten“ Betroffenen gesprochen werden, sondern allenfalls nur von einer „bestimmbaren“ Person. (Nur in Ausnahmefällen kann ein anderes Identifikationskriterium als der Name eines Betroffenen zur seiner „Bestimmtheit“ iSd Art. 2 (a) der RL führen, wenn er nämlich eine einzigartige Position/Stellung einnimmt, - wie z. B. „der (dzt.) König von Spanien“ oder „der (dzt.) Bürgermeister der Gemeinde XY“ - und der Name des Amtsinhabers entweder allgemein oder zumindest in dem Kreis, in dem die Information über ihn verwendet wird, bekannt ist.)
Die Art der (bloßen) „Bestimmbarkeit“ (- im Gegensatz zur „Bestimmtheit“ - ) einer Identität, die für das Vorliegen von „indirekt personenbezogenen Daten“ definitionsgemäß verlangt wird, ist nun dergestalt, dass mit Hilfe der in einem konkreten Fall vorhandenen Identifikatoren der Verwender der Daten „die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann“. Es genügt hiebei nicht, dass der Datenverwender die Identität der Betroffenen – z.B. aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen - nicht bestimmen darf , sondern es ist vielmehr notwendig, dass er sie auch tatsächlich nicht bestimmen kann , ohne rechtlich verpönte Mittel anzuwenden, wie etwa Einbruch, Diebstahl, Zwang oder Bestechung, um den Re-Identifikationsschlüssel zu erlangen. Definitionselement der „indirekt personenbezogenen Daten“ ist somit eine Verwendungssituation, in der für den Verwender (Auftraggeber) die Identifizierung der Betroffenen - abgesehen vom Einsatz rechtswidriger, insbesondere strafrechtswidriger Mittel – tatsächlich (faktisch) nicht möglich ist. Dies steht auch im Einklang mit der in EG 26 zur RL 95/46 enthaltenen Interpretation des Art. 2 (a), wonach die Grenze der „Bestimmbarkeit/Identifizierbarkeit“ eines Betroffenen dort anzunehmen ist, wo nur mehr ein „unvernünftiger“, d.h. der einem rational handelnden und durchschnittlich rechtstreuen Individuum nicht mehr zusinnbare Aufwand – wie etwa ein Einbruch beim Schlüsselverwalter – eine Identifikation herbeiführen könnte.
Dass die Definition des § 4 Z 1 DSG 2000 im Sinne des Erfordernisses einer ausreichenden faktischen (technisch-organisatorischen) Absicherung der Daten gegen die Möglichkeit mißbräuchlicher Re-Identifikation verstanden werden muss, wird auch aus dem Zweck der Schaffung des Begriffs der „indirekt personenbezogenen Daten“ klar: Die Verwendung „indirekt personenbezogener Daten“ ist im DSG 2000 vielfach privilegiert (vgl. die §§ 8 Abs. 2, 9 Z. 2, 12 Abs. 3 Z 2, 17 Abs. 2 Z 3 usw.) – dies ist nur dadurch gerechtfertigt, dass ein datenschutzrechtliches Risiko für die Betroffenen dadurch weitestgehend ausgeschaltet ist, dass missbräuchliche Re-Identifikation für den Verwender angesichts der konkret angewendeten Pseudonymisierungsmethode praktisch – d. h. mit „vernünftigen“ Mitteln bzw. vertretbarem Aufwand - nicht möglich ist.
d) Aus dem Sachverhalt ist nun zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner Daten ermittelt hat, deren Personenbezug wie folgt gestaltet war:
aa) Der Personenbezug wurde nicht durch die Namen der getesteten Schüler, sondern zunächst durch eine zehnstellige, für jeden Getesteten eigens vergebene Kennnummer hergestellt:
Jeder Fragebogen war mit dieser Kennnummer ausgestattet.
Mithilfe dieser Kennnummer war der Beschwerdegegner entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag zunächst in der Lage, die Baseline-Testergebnisse den einzelnen Schulen und innerhalb derselben den einzelnen Lehrern – in Form der Zuordnung von Ergebnissen zu Fächern und genau bestimmten Klassen bzw. Lerngruppen - zur Qualitätsentwicklung des erteilten Unterrichts im Verhältnis zu den geltenden Bildungsstandards zur Verfügung zu stellen (vgl. hiezu auch § 17 Abs. 1a, insbes. letzter Satz, des SchUG und §§ 3 und 4 der VO über Bildungsstandards im Schulwesen, BGBl. II Nr. 1/2009).
bb) Über diesen Zweck der Baseline-Testung hinaus, hat sich der Beschwerdegegner hinsichtlich der Auswertung der Tests jedoch zusätzlich auf die Existenz des Auftrags berufen, dass die einzelnen gestesteten Schüler Zugang zum Ergebnis des von ihnen abgelieferten Tests haben sollen. Tatsächlich enthält § 4 Abs. 4 letzter Satz der ob. cit. VO über Bildungsstandards folgende Bestimmung: „Die individuellen Ergebnisse der Standardüberprüfung dürfen nicht auf eine bestimmte Schülerin oder auf einen bestimmten Schüler zurückgeführt werden können, außer durch diese oder diesen selbst .“ Diese Vorgabe für den Testauftrag wurde im beschwerdegegenständlichen Fall in folgender Weise umgesetzt:
Zum einen enthält die bereits erwähnte zehnstellige Kennnummer jedes Testbogens in den beiden letzten Stellen die Katalognummer, die dem getesteten Schüler innerhalb seiner Klasse dauernd zugeordnet ist.
Zum anderen bestand darüber hinaus die Verpflichtung für die getesteten Schüler, zusätzlich ihr Geburtsdatum und Geschlecht auf dem Fragebogen anzugeben.
Bei den Beschwerdeführern ist angesichts der – verpflichtenden - Verwendung dieser identifzierenden Elemente der Eindruck entstanden, dass die gewählte Form der Darstellung des Personenbezugs nicht dazu geeignet sei, die „Anonymität“ der Betroffenen durch entsprechend sichere Pseudonymisierung der Identität des Zweitbeschwerdeführers zu gewährleisten; sie bestreiten die Behauptung des Beschwerdegegners, dass bei der Baseline-Testung nur „indirekt personenbezogene Daten“ ermittelt worden seien.
e) Nicht zutreffend ist zunächst das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Argument, dass dem Beschwerdegegner eine Identifikation der Getesteten schon aufgrund des ihm rechtlich zustehenden Zugriffs auf die Gesamtevidenz der SchülerInnen nach dem Bildungsdokumentationsgesetz (§ 7 BIFIE-Gesetz) möglich wäre. Da § 7 BIFIE-Gesetz nur den Zugriff auf die Gesamt evidenz der Schüler und Schülerinnen einräumt und in diesen gemäß § 5 Abs. 2 Bildungsdokumentationsgesetz die Schüler-Daten nur indirekt personenbezogen gespeichert sein dürfen, kann die Identität der Getesteten durch Zugriff auf diese Gesamtevidenz nicht in Erfahrung gebracht werden.
f) Die behauptete Verletzung im Recht auf Geheimhaltung ist jedoch aus anderen Gründen gegeben:
Durch die ersten 8 Stellen der zehnstelligen Kennnummer des Fragebogens ist die Zugehörigkeit eines Getesteten zu einer bestimmten Schule und innerhalb derselben zu einer bestimmten Klasse bzw. Lerngruppe für den Beschwerdegegner erkennbar und eindeutig festgelegt. Zur weiteren Individualisierung innerhalb der eindeutig bestimmten Gruppe wurden jeweils die Katalognummer des betroffenen Schülers und sein Geburtsdatum und Geschlecht erfasst. Diese drei Identifikationsmerkmale würden bei einer Befragung der Gruppenmitglieder (Schulklasse, Lerngruppe) mit hoher Wahrscheinlichkeit zur eindeutigen Identifikation der jeweils Betroffenen führen, da die Gruppe maximal 30 Personen umfasst, die durch das Merkmal „Geschlecht“ regelmäßig wesentlich verkleinert – im Durchschnittsfall halbiert – wird, wobei das Geburtsdatum im Klassenverband vielfach bekannt ist und die Katalognummer, die regelmäßig die Stellung des Namens im Alphabet widerspiegelt, in Zweifelsfällen zusätzlich zur Identifikation beiträgt.
Vor diesem Hintergrund kann nicht vom Ermitteln bloß indirekt personenbezogener Daten ausgegangen werden: Die Möglichkeit der missbräuchlichen Identifikation von Betroffenen mithilfe der ermittelten Identifikationskriterien ist keineswegs faktisch unmöglich, vielmehr würde es einem Organ des Beschwerdegegners in Mißbrauchsabsicht ohne großen Aufwand möglich sein, z.B. durch eine bloße Befragung von Schülern oder anderen schulinternen oder - nahen Personen, mit Hilfe der ermittelten Identifikatoren die Namen von Betroffenen in Erfahrung zu bringen – die Befragung von Personen über ihr Wissen ist kein an sich „rechtlich unzulässiges Mittel“, sodass eine solche Vorgangsweise weder als besonders aufwändig noch auch als gänzlich unwahrscheinlich abgetan werden kann. Wenn aber die Identifikation anhand der vorhandenen Identifikationskriterien nicht praktisch unmöglich ist, liegen keine „indirekt personenbezogene Daten“ vor.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die gewählte Vorgangsweise nicht geeignet war, Daten in nur indirekt personenbezogener Form zu ermitteln. § 46 Abs. Z 3 DSG 2000 kann daher als Rechtsgrundlage für ihre Verwendung nicht herangezogen werden. Angesichts des Umstands, dass die beschwerdegegenständlichen Daten großteils sensibel iSd § 4 Z 2 DSG 2000 sind und daher nur im Rahmen der in § 9 DSG 2000 genannten Zwecke verwendet werden dürfen, fehlt es aber damit überhaupt an einer tauglichen Rechtsgrundlage für die vorliegende Form der Baseline-Testung, zumindest soweit sie sich auf das soziale Umfeld der Getesteten bezieht, die eigentlicher Gegenstand der Beschwerde war.
Der vom Beschwerdegegner ins Treffen geführte Umstand, dass er schon deshalb die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Geheimhaltung nicht verletzt haben konnte, weil ihm die in den oberösterr. Schulen verteilten Fragebögen letztlich nicht zugekommen seien, ist hingegen nicht entscheidend: Da gemäß § 4 Z 8 - 10 DSG 2000 bereits „das Ermitteln von Daten“ als „Verwenden von Daten“ zu gelten hat, wird die Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung, das mit dem Recht auf (ausschließlich) rechtmäßige Datenverwendung gleichbedeutend ist, auch bereits durch die rechtswidrige Ermittlung von personenbezogenen Daten verwirklicht (so z.B. auch K121.009/0005-DSK/2009 v 18.9.2009 oder K121.064/0007-DSK/2005 v 16.12.2005 ).
Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.
Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdegegner (BIFIE) erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ( VwGH ) hat dieser mit Beschluss vom 17. Februar 2010, Zl. 2009/17/0283-5, als unzulässig zurückgewiesen.
aus den Entscheidungsgründen des VwGH :
Nach kurzer Wiedergabe des Verfahrensgangs führt der VwGH aus:
„Die dagegen vom Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erweist sich als unzulässig.
Das beschwerdeführende Bundesinstitut ist gemäß § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens, BGBI. I Nr. 25/2008, eine juristische Person des öffentlichen Rechts zur Erfüllung der im § 2 genannten Aufgaben im öffentlichen Interesse. Das BIFIE kann für sich Rechte und Pflichten begründen; für diese trifft den Bund keine Haftung.
Die Aufgaben des BIFIE werden in § 2 leg. cit. wie folgt näher umschrieben:
“(1) Das Aufgaben- und Tätigkeitsfeld des BIFIE bezieht sich auf den gesamten Bereich des Schulwesens im Sinne der Art. 14 und 14a Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930, mit Ausnahme der Kindergärten und Horte sowie der Universitäten und Fachhochschulen.
(2) Als Kernaufgaben des BIFIE sind nach Maßgabe näherer Konkretisierungen in den drei Jahresplänen wahrzunehmen:
(3) Das zuständige Regierungsmitglied ist ermächtigt, das BIFIE mit der Abwicklung von Aufträgen (z.B. von Projekten, Erhebungen oder anderen Vorhaben) im Namen und auf Rechnung des Bundes zu betrauen.“
Die Zusammenarbeit mit den Schulen und der Schulverwaltung regelt näher § 6 leg. cit.:
“(1) Forschungsprojekte zur Qualitätssicherung im Schulwesen
... und andere vom zuständigen Regierungsmitglied im Rahmen
der Jahrespläne genehmigte Erhebungen des BIFIE werden in dessen direkten Auftrag durchgeführt. Bei Erhebungen an Schulen untersteht das BIFIE den Anordnungen des zuständigen Regierungsmitgliedes.
(2) Die Mitwirkung von Schülern und Schülerinnen an Maßnahmen im Sinne des Abs. 1 ist für diese verpflichtend und befreit zur Teilnahme am Unterricht im unbedingt erforderlichen Ausmaß. Wenn der Mitwirkung von Schülern und Schülerinnen wichtige schulische Interessen entgegenstehen, hat der Schulleiter oder die Schulleiterin das Einvernehmen mit dem BIFIE herzustellen.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 28. November 2006, Zl. 2006/06/0068 = VwSlg. 17.069 A, auf dessen Begründung hier gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen werden kann, dargelegt, dass seine Anrufung durch § 40 Abs. 2 DSG für die in Vollziehung der Gesetze handelnden Auftraggeber des öffentlichen Bereichs ausgeschlossen ist, soweit nicht die Fälle des § 13 Abs. 3 oder § 20 Abs. 6 DSG vorliegen oder durch Gesetz ausdrücklich ein Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof eingeräumt wurde.
Die genannten Fälle des Datenschutzgesetzes liegen im Beschwerdefall unstrittig nicht vor. Auch ist nicht ersichtlich, dass ein Gesetz der beschwerdeführenden Körperschaft öffentlichen Rechtes, die sich sowohl im Verfahren vor der belangten Behörde wie auch vor dem Verwaltungsgerichtshof auf ein Vorgehen in Vollzug des § 2 BIFIE-Gesetz 2008 beruft, ein Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof gegen Bescheide der Datenschutzkommission einräumen würde.
Soweit die beschwerdeführende Partei in ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 14. Jänner 2010 vorbringt, sie habe im Beschwerdefall in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages gehandelt, sei jedoch “primär als wissenschaftliche Institution und nicht als ‘belangte Behörde‘ einzustufen“, so genügt der Hinweis, dass das Datenschutzgesetz eine derartige Unterscheidung nicht vornimmt und auch “wissenschaftliche Institutionen“ in Vollziehung der ihnen durch Gesetz übertragenen Aufgaben gegen den durch das Datenschutzgesetz gewährleisteten Geheimnisschutz - ebenso wie “belangte Behörden“ - verstoßen können. Auch soweit sich die beschwerdeführende Partei in diesem Zusammenhang auf die Regierungsvorlage zum DSG 2000 (1613 Blg NR XX. GP, 51) beruft, kann ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen: Zwar trifft es zu, dass den erwähnten Materialien die Ansicht zu entnehmen ist, es sei sachgerecht, auch den in Vollziehung der Gesetze tätigen Auftraggebern des öffentlichen Bereichs Parteistellung und, daran anknüpfend das Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof in jenen Konstellationen einzuräumen, in welchen im Datenschutzgesetz bei Auftraggebern des öffentlichen Bereichs die Eigenschaft als “belangte Behörde“ nicht im Vordergrund stehe, wie in Registrierungsverfahren und im Genehmigungsverfahren im internationalen Datenverkehr. Der zitierten Belegstelle ist jedoch weiter zu entnehmen, dass das Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof auf diese Fälle eingeschränkt werden sollte, was die erwähnte Judikatur (vgl. den bereits erwähnten Beschluss vom 28. November 2006, Zl. 2006/06/0068) allein auf die Fälle der § 13 Abs. 3 oder 20 Abs. 6 Datenschutzgesetz 2000 bezogen hat (vgl. etwa auch den hg. Beschluss vom 21. Jänner 2010, Zl. 2009/17/0059).
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung des § 40 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 durch die DSG-Novelle 2010, BGB1. 1 Nr. 133/2009, ausdrücklich die Grundsätze der Rechtsprechung betreffend die Parteistellung der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs übernehmen wollte (vgl. RV 472 Blg XXIV. GP, 15 mit dem Hinweis auf den mehrfach erwähnten Beschluss vom 28. November 2006, Zl. 2006/06/0068) und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für Auftraggeber des öffentlichen Bereichs als Beschwerdegegner im Verfahren nach § 31 DSG ausschloss, es sei denn, es sei durch besondere gesetzliche Regelung die Möglichkeit einer Amtsbeschwerde vorgesehen (wozu in den bereits zitierten Materialien aaO auf § 91 Abs. 1 Z. 2 SPG verwiesen wird).
Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurück zu weisen.“