[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. HEISSENBERGER, Dr. KOTSCHY, Mag. HUTTERER und Mag. HEILEGGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 18. November 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde der U**** (Beschwerdeführerin) aus Wien vom 21. Jänner 2009 gegen die Pensionsversicherungsanstalt (Beschwerdegegnerin, im Folgenden auch kurz: PVA) in 1021 Wien wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Übermittlung von Gesundheitsdaten an das Bezirksgericht D**** wird entschieden:
- Der B e s c h w e r d e wird s t a t t g e g e b e n und f e s t g e s t e l l t, dass die Beschwerdegegnerin dadurch, dass sie am 13. August 2008 mit Schreiben an das Bezirksgericht D**** das die Beschwerdeführerin betreffende sensible Datum „Diagnose „Schizophrenie, Residualzustand, wobei im Vordergrund eine deutliche Antriebsstörung sowie eine depressive Verstimmung bestehen“ zusammen mit dem Datum, dass die Beschwerdeführerin aus diesem Grund „seit [Datumsangabe anonymisiert] eine Invaliditätspension“ von der PVA bezieht, übermittelte, die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten R e c h t auf G e h e i m h a l t u n g personenbezogener Daten verletzt hat.
Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2, 9 Z 8, 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm §§ 13 Abs. 1 und 16 Abs. 1 des Außerstreitgesetzes (AußstrG), BGBl. I Nr. 111/2003 idgF, § 33b Abs. 2 Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. N1. 110/1993 idgF, und §§ 273 Abs. 1 und 2 und 278 Abs. 1 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB).
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Die Beschwerdeführerin behauptete in ihrer vom 21. Jänner 2009 datierenden und am 26. Jänner 2009 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin am 13. August 2008 in einem Schreiben an das Bezirksgericht D****, in dem ihre Enthebung als für Frau O**** bestellte Sachwalterin beantragt wurde, dem Gericht eine sie betreffende psychiatrische Diagnose („Schizophrenie, Residualzustand“) mitgeteilt habe, die Jahre zuvor in einem Ermittlungsverfahren betreffend Gewährung einer Invaliditätspension erhoben worden sei. Damit seien unrechtmäßig sensible Daten aus dem Sozialversicherungsakt der Beschwerdeführerin übermittelt worden.
Die Beschwerdegegnerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 23. Februar 2009 (samt ergänzender Urkundenvorlage vom 25. Februar 2009) vor, es habe sich bei dem betreffenden Schreiben, dessen Inhalt und Übermittlung außer Streit gestellt werde, um ein betont „ausnahmsweises Vorgehen“ gehandelt. Die Beschwerdeführerin habe Frau O**** in einem Verfahren wegen Erhöhung des Pflegegeldes nach dem Bundespflegegeldgesetz vor der Beschwerdegegnerin vertreten. Dies als vom Bezirksgericht D**** bestellte Sachwalterin mit den Wirkungskreisen „Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und privaten Institutionen und gegenüber privaten Vertragspartnern“ sowie „Einkommens- und Vermögensverwaltung“. Anlässlich eines Termins in der Wohnung der Besachwalteten, die zwecks Feststellung des Pflegebedarfs im Auftrag der Beschwerdegegnerin vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A**** untersucht werden sollte, sei am 22. Mai 2008 beim Sachverständigen der Eindruck entstanden, die Beschwerdeführerin als Sachwalterin sei „selbst psychisch krank“, was er auch im über Frau O**** erstellten Gutachten zum Ausdruck gebracht habe. Die Beschwerdegegnerin habe es, da auch der Verdacht im Raum gestanden sei, die Beschwerdeführerin würde das ausgezahlte Pflegegeld nicht zum Wohle der Besachwalteten verwenden, daher im lebenswichtigen Interesse der Frau O**** für geboten gehalten, die Amtsenthebung der Beschwerdeführerin als Sachwalterin bei Gericht zu beantragen und für diesen Zweck aktenkundige Daten zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin an das Gericht, dessen sämtliche Mitarbeiter zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit verpflichtet seien, zu übermitteln (gelindestes Mittel).
Die Beschwerdeführerin replizierte darauf in ihrer Stellungnahme vom 20. August 2009, der Inhalt ihres Pensionsaktes sei absolut geschützt, sie halte es für ungesetzlich, selbst auf Aufforderung Teile des Inhalts ohne ihre Zustimmung zu übermitteln. Sie beziehe seit 1998 eine reguläre Alterspension auf Grund erworbener Versicherungszeiten, die aber missverständlicher Weise (ihr sei von der PVA telefonisch mitgeteilt worden, diese werde nur „auf Antrag“ umgewandelt) weiterhin unter „Invaliditätspension“ laufe. Sie selbst leide nicht mehr unter einer psychischen Erkrankung. Wie der Sachverständige Dr. A**** zu den Aussagen zu ihrer Person gekommen sei, könne sie nicht nachvollziehen, da dieser den Auftrag gehabt habe, ihre Klientin, Frau O****, zu begutachten; die entsprechenden Aussagen des Dr. A**** im Gutachten betrachte sie als Amtsmissbrauch.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, die Beschwerdeführerin betreffende sensible Daten (psychiatrische Diagnose aus dem Jahr 1995) aus den von ihr geführten Pensionsversicherungsakten zwecks Bescheinigung eines Enthebungsantrags (Abberufung der Beschwerdeführerin als für Frau O**** bestellte Sachwalterin) dem Bezirksgericht D**** zu übermitteln.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Die Beschwerdeführerin wurde mit Beschlüssen des Bezirksgerichts D**** vom 18. Februar 2002, [Geschäftszahl anonymisiert], und vom 19. März 2002, [Geschäftszahl anonymisiert], zur Sachwalterin für Frau O**** mit den Wirkungskreisen „Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und privaten Institutionen und gegenüber privaten Vertragspartnern“ sowie „Einkommens- und Vermögensverwaltung“ bestellt.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den zitierten Gerichtsbeschlüssen, in Kopie vorgelegt von der Beschwerdegegnerin als Beilagen zur Stellungnahme vom 23. Februar 2009, [Geschäftszahl anonymisiert].
Am 25. April 2008 beantragte die Beschwerdeführerin namens ihrer Klientin O**** bei der Beschwerdegegnerin die Erhöhung des Pflegegeldes nach dem Bundespflegegeldgesetz. Bescheinigt wurde der erhöhte Pflegebedarf der psychisch kranken Antragstellerin O**** dabei durch eine vorgelegte fachärztliche Stellungnahme von Dr. I****, Facharzt für Psychiatrie, vom Sozialpsychiatrischen Ambulatorium D**** der Psychosozialen Dienste Wien, vom 10. April 2008.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den zitierten Urkunden, in Kopie vorgelegt von der Beschwerdegegnerin als Beilagen zur Stellungnahme vom 23. Februar 2009, [Geschäftszahl anonymisiert].
Die Beschwerdegegnerin bestellte Dr. A****, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, zum fachärztlichen Sachverständigen und beauftragte ihn mit der Erstellung eines Gutachtens zum Gesundheitszustand der Frau O**** im Hinblick auf deren Pflegebedarf. Dieser untersuchte Frau O**** am 22. Mai 2008 in Anwesenheit der Beschwerdeführerin in der Wohnung der Frau O****. Im anschließend erstellten schriftlichen Gutachten für die Beschwerdegegnerin vom selben Tag führte Dr. A**** (auf Seite 3 unter Punkt „11. Ärztliche Beurteilung a) Objektive Beschreibung der Funktionseinschränkungen“ aus (PGW = Pflegegeldwerberin, Unterstreichungen im Original):
„Wie im Vorgutachten bereits erwähnt, ist die Sachwalterin der PGW selbst psychisch krank . Erstens konnte sie die vereinbarte Zeit nicht einhalten, obwohl ich mit ihr einen Termin zwischen 10.30 und 11 Uhr vereinbart habe. Sie hat mir am Telefon versichert, dass sie bereits um 10 Uhr anwesend sein wird und auf mich wartet. Ich war bereits um 10.20 anwesend und sie war nicht da. Erst nach einem erneuten Anruf bei ihr, war sie
20 Minuten später da. Zweitens war sie sehr nervös, unruhig und aufgebracht, weil die PGW nicht gleich die Wohnungstür geöffnet hat. Die PGW erwähnte, dass sie nicht um Pflegegelderhöhung angesucht hat und die PF-Stufe 2 nicht notwendig wäre. Drittens diskutierte sie mit der PGW ziemlich lautstark.
Sie war motorisch unruhig, sie zappelte und trappelte. Der Rededrang war sprunghaft. Ich denke, die Wohnung ist weiterhin verwahrlost, obwohl in dem Beschluss vom 20.05.2008 vom Bezirksgericht D**** die Sachwalterin beauftragt wurde, die Wohnung von Gerümpel und Unrat, auch gegen den Willen der Betroffenen, entrümpeln zu lassen. Die PGW ist im Gegensatz zur Sachwalterin sauber bekleidet. Ich vermute, dass die Sachwalterin das Pflegegeld nicht korrekt verwendet .“
Diese Ausführungen bilden im Original den Großteil des Unterpunktes a) („Objektive Beschreibung der Funktionseinschränkungen“, 14 von 17 1/2 Zeilen) im Gutachten des Dr. A**** über Frau O****.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf der zitierten Urkunde, in Kopie vorgelegt von der Beschwerdegegnerin als Beilagen zur ergänzenden Stellungnahme vom 25. Februar 2009, [Geschäftszahl anonymisiert].
Am 13. August 2008 richtete die Beschwerdegegnerin (Sachbearbeiter: Dr. Zr.) ein Schreiben an das Bezirksgericht D**** zur dg. [Geschäftszahl anonymisiert], in dem förmlich beantragt wird, die Beschwerdeführerin mangels erforderlicher Eignung als Sachwalterin der O**** des Amtes zu entheben und einen anderen Sachwalter zu bestellen. Begründend wird dazu, nach sinngemäßer Wiedergabe der Ausführungen im oben zitierten Gutachten von Dr. A****, auf dessen fachliche Meinung die Beschwerdegegnerin sich beruft, ausgeführt:
„Das Verhalten der Sachwalterin ist wohl auch im Lichte dessen zu sehen, dass sie selbst mit der Diagnose „Schizophrenie, Residualzustand“, wobei im Vordergrund eine deutliche Antriebsstörung sowie eine depressive Verstimmung bestehen, seit 01.12.1995 eine Invaliditätspension von unserer Anstalt bezieht.“
Die in Rede stehenden Gesundheitsdaten der Beschwerdeführerin sind in dem bei der Beschwerdegegnerin geführten Pensionsakt nur in Papierform aufgezeichnet.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der zitierten Urkunde, in Kopie vorgelegt von der Beschwerdeführerin als Beilage zur Beschwerde vom 21. Jänner 2009. Die Echtheit ist seitens der Beschwerdegegnerin unbestritten. Hinsichtlich der technischen Form der Aufzeichnung wurde der zuständige Sachbearbeiter eigens befragt und hat sich hiezu entsprechend geäußert, wobei an seinem Vorbringen kein Grund zu zweifeln besteht.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„Grundrecht auf Datenschutz
§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
Die §§ 13 Abs. 1 und 2 und 16 Abs. 1 und 2 AußStrG lauten samt Überschriften:
„Verfahrensführung
§ 13. (1) Das Gericht hat von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen und dieses so zu gestalten, dass eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands und eine möglichst kurze Verfahrensdauer gewährleistet sind. Die Parteien haben das Gericht dabei zu unterstützen.
(2) Verfahren, die einen Pflegebefohlenen betreffen, sind so zu führen, dass dessen Wohl bestmöglich gewahrt wird.“
„Sammlung der Entscheidungsgrundlagen
§ 16. (1) Das Gericht hat von Amts wegen dafür zu sorgen, dass alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen aufgeklärt werden, und sämtliche Hinweise auf solche Tatsachen entsprechend zu berücksichtigen.
(2) Die Parteien haben vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichtes maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen beziehungsweise anzubieten und alle darauf gerichteten Fragen des Gerichtes zu beantworten.“
Die §§ 273 Abs. 1 und 2, 274 Abs. 1 und 278 Abs. 1 ABGB lauten samt Über- bzw. Randschriften:
„Bestellung
§ 273. (1) Bei der Auswahl des Sachwalters oder Kurators ist auf die Art der Angelegenheiten, die für die zu vertretende Person (den Pflegebefohlenen) zu besorgen sind, zu achten.
(2) Mit der Sachwalterschaft oder Kuratel dürfen nicht betraut werden
1 nicht eigenberechtigte Personen;
2 Personen, von denen, besonders auch wegen einer
strafgerichtlichen Verurteilung, eine dem Wohl des Pflegebefohlenen förderliche Ausübung der Sachwalterschaft oder Kuratel nicht zu erwarten ist.“
„§ 274. (1) Derjenige, den das Gericht zum Sachwalter (Kurator) bestellen will, hat alle Umstände, die ihn dafür ungeeignet erscheinen lassen, dem Gericht mitzuteilen. Unterlässt er diese Mitteilung schuldhaft, so haftet er für alle dem Pflegebefohlenen daraus entstehenden Nachteile.“
„Änderung und Beendigung
§ 278. (1) Das Gericht hat die Sachwalterschaft (Kuratel) auf Antrag oder von Amts wegen einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter (Kurator) stirbt, nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amtes nicht zugemutet werden kann, einer der Umstände des § 273 Abs. 2 eintritt oder bekannt wird oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert.“
§ 33 Abs. 2 BPGG lautet:
„Information und Kontrolle
(2) Die Entscheidungsträger sind berechtigt, die zweckgemäße Verwendung des Pflegegeldes zu kontrollieren; die im Abs. 1 genannten Personen haben die dazu erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Wenn Hinweise auf eine drohende Unterversorgung vorliegen, ist auch der Zutritt zu den Wohnräumen des Pflegebedürftigen zu gewähren.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Die Beschwerdegegnerin hat in einer Sachwalterschaftssache Gesundheitsdaten der Beschwerdeführerin, die in einem 1995 angelegten Pensionsakt enthalten sind, aus eigener Initiative an das zuständige Pflegschaftsgericht weitergegeben. Diese Gesundheitsdaten waren 1995 anlässlich eines bei der Beschwerdegegnerin durchgeführten Pensionierungsverfahrens über die Beschwerdeführerin erhoben und im Pensionsakt der Beschwerdeführerin aufgezeichnet worden. Der Akt ist bei der Beschwerdegegnerin nicht automationsunterstützt gespeichert, sondern nur in Papierform vorhanden.
Während der einfachgesetzliche Teil des Datenschutzgesetzes 2000 in Umsetzung der RL 95/46EG die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten in elektronischer oder in manuellstrukturierter Form regelt, ist die Verwendung von personenbezogenen Daten, die weder automationsunterstützt noch in Dateiform verarbeitet werden, in Österreich allein vom Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 erfasst.
Nach § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 ist die Verwendung – und damit auch die Weitergabe als ein Spezialfall der Verwendung – von personenbezogenen Daten, die weder allgemein verfügbar noch indirekt personenbezogen sind, unzulässig, sofern nicht einer der Ausnahmegründe des § 1 Abs. 2 vorliegt. Diese Ausnahmegründe sind die Zustimmung des Betroffenen oder die Notwendigkeit der Datenverwendung im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen. Für die Berufung auf „überwiegende berechtigte Interessen eines anderen“ besteht für Behörden allerdings ein Gesetzesvorbehalt (siehe dazu weiter unten).
Daran, dass weder die Zustimmung der betroffenen Beschwerdeführerin vorlag noch die Weitergabe ihrer Daten in ihrem lebenswichtigen Interesse lag, besteht kein Zweifel. Zu prüfen wäre somit zunächst, ob die Datenverwendung zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen notwendig war und dafür eine entsprechende gesetzliche Grundlage iS des § 1 Abs 2 besteht.
Die Beschwerdegegnerin hat ins Treffen geführt, dass im Zusammenhang mit dem Gutachten eines von ihr mit der Untersuchung einer besachwalteten Pflegegeldbezieherin betrauten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie der Eindruck entstanden sei, dass das Wohl der Besachwalteten die Weitergabe von Daten über die Eignung ihrer Sachwalterin an das zuständige Gericht erforderlich mache. Die Beschwerdegegnerin beruft sich somit auf „überwiegende berechtigte Interessen eines anderen“ (- nämlich der Besachwalteten -) als Rechtsgrund der Datenweitergabe.
Wie bereits oben ausgeführt, setzt die Berufung einer Behörde auf diesen Tatbestand die Existenz einer – einfachgesetzlichen – Rechtsnorm voraus, die die geplante Datenverwendung ihrer Art nach für zulässig erklärt. Eine solche einfachgesetzliche Rechtsnorm könnte allenfalls in der Bestimmung des § 33b Abs 2 BPGG über die Verpflichtung zur Kontrolle der zweckgemäßen Verwendung des Pflegegeldes, aber vor allem wohl auch in § 9 Z 8 DSG 2000 gesehen werden, wenn Mängel des Sachwalters lebensbedrohende Konsequenzen für den Besachwalteten zur Folge haben (können): § 9 Z 8 leg.cit. sieht vor, dass schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei der Verwendung von sensiblen Daten dann nicht verletzt werden, wenn „die Verwendung der Daten zur Wahrung lebenswichtiger Interessen eines anderen notwendig ist“ .Diese Bestimmung könnte auch zur Ausfüllung des Gesetzesvorbehalts für behördliches Handeln (§ 1 Abs. 2 DSG 2000) geeignet sein (vgl §§ 8 Abs. 3 und 9 DSG 2000, die hinsichtlich einiger besonders wichtiger und häufiger Fälle klarstellen sollen, wann „überwiegende berechtigte Interessen“ an einer Datenverwendung vorliegen – soweit sensible Daten betroffen sind, haben die Regelungen des § 9 abschließenden Charakter).
Auch wenn man nun aber davon ausginge, dass § 9 Z 8 DSG 2000 eine für Behörden ausreichende gesetzliche Ermächtigung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen einer besachwalteten Pflegegeldbezieherin darstellt, muss die von der Beschwerdegegnerin gewählte Vorgangsweise jedoch schon aus folgenden anderen Gründen auf datenschutzrechtliche Bedenken stoßen:
Nach § 1 Abs. 2 DSG 2000 muss selbst bei Datenverwendungen, die prinzipiell zulässig wären, noch ein weiteres Kriterium erfüllt sein, damit die Zulässigkeit der Datenverwendung insgesamt bejaht werden kann: Die Datenverwendung muss nämlich in ihrer konkreten Ausprägung „ das gelindeste (Eingriffs )Mittel“ zur Erreichung des definierten Ziels darstellen. Dieses Erfordernis ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt: Selbst wenn man einräumt, dass die Beschwerdegegnerin zur Überprüfung der sachgerechten Verwendung von Pflegegeldern befugt ist und wenn man davon ausgeht, dass nicht-sachgerechte Verwendung des Pflegegeldes grundsätzlich geeignet ist, die lebenswichtigen Interessen der Besachwalteten zu berühren, hätte die Beschwerdegegnerin doch nur solche Sachverhaltselemente dem Gericht mitteilen dürfen, die den Verdacht einer aktuell nicht ordentlichen Verwendung des Pflegegeldes betreffen. Daraus kann eine Zuständigkeit zur Übermittlung des Ergebnisses von umfangreichen – sogar mehr als 10 Jahre alte Pensionsversicherungsakten einschließenden – Ermittlungen über die Persönlichkeit der Sachwalterin nicht abgeleitet werden. Die Beurteilung der Eignung eines Sachwalters ist Aufgabe des Pflegschaftsgerichtes – andere Behörden dürfen dem Gericht im lebenswichtigen Interesse (§ 9 Z 8 DSG 2000) des Besachwalteten zwar Hinweise auf mögliche aktuelle Mängel eines Sachwalters geben, die sich in seiner aktuellen Aufgabenwahrnehmung manifestieren, nicht aber Gesundheitsdaten aus 10 Jahre zurückliegenden (vgl auch § 6 Abs 1 Z 4 DSG), zu anderen Zwecken in einem behördlichen Verfahren ermittelten Akten.
Die Heranziehung und Übermittlung iSd § 4 Z 12 DSG 2000 von Daten aus dem Pensionsakt der Beschwerdeführerin muss daher als überschießend gewertet werden Der Beschwerde, die sich ausdrücklich nur auf die Übermittlung von alten Gesundheitsdaten aus dem Pensionsakt bezogen hat, war daher spruchgemäß stattzugeben.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden