JudikaturDSB

K121.057/0008-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
18. November 2009

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Mag. HUTTERER, Mag. HEILEGGER, Dr. HEISSENBERGER und Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 18. November 2009 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde 1. des Udo S*** und 2. der Hanna R***, beide in Lochau (Beschwerdeführer), vertreten durch A*** Rechtsanwaltspartnerschaft in C***, vom 23. Oktober 2003 gegen die Bezirkshauptmannschaft C*** (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird entschieden:

- Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und f e s tg e s t e l l t, dass die Beschwerdegegnerin beide Beschwerdeführer durch die Verarbeitung (Ermittlung durch Herstellung, das heißt Fotografieren) je eines Lichtbilds am 23. September 2003 in ihren Rechten auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.

Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2 sowie 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idgF, iVm §§ 16 Abs. 2, 65 Abs. 1 und 90 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr 566/1991 idgF.

B e g r ü n d u n g

A. Vorbringen der Parteien #

Die Beschwerdeführer behaupten in ihrer mit 23. Oktober 2003 datierten, ursprünglich am 5. November 2003 beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (kurz: UVS Vorarlberg) eingebrachten und von diesem am 23. März 2004 gemäß § 6 Abs. 1 AVG teilweise (4. Punkt der ursprünglichen Beschwerde) an die Datenschutzkommission weitergeleiteten Beschwerde (ursprüngliche Grundzahl der Datenschutzkommission: K120.952) eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass von den Beschwerdeführern anlässlich einer Amtshandlung wegen Verdachts von Delikten wider das SMG (Anlegen einer „Hanfplantage“ im C***erwald, Besitz und Konsum von Suchtgift) auf dem (damaligen) Gendarmerieposten M*** Lichtbilder angefertigt wurden.

Nach einem Zwischenstreit um die Zuständigkeit der Datenschutzkommission nach § 90 SPG, der durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 2009, Zl. 2005/06/0271-6, im Sinn gegebener Zuständigkeit der Datenschutzkommission entschieden wurde, ist nunmehr in der Sache selbst zu entscheiden.

Die Beschwerdeführer brachten in ihrer Beschwerde vom 23. Oktober 2003 (an den UVS Vorarlberg) vor, am 23. September 2003 im Zuge einer Einvernahme (Beschuldigtenvernehmung) wegen des Verdachts des Besitzes und der Erzeugung von Suchtgift (Anlegung einer Cannabispflanzung in Y*** im C***erwald) für erkennungsdienstliche Zwecke fotografiert worden zu sein, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen seien.

Die Beschwerdegegnerin brachte mit Stellungnahme vom 4. Mai 2004 (durch das damalige Bezirksgendarmeriekommando) vor, die Beschwerdeführer seien nicht im Zuge einer erkennungsdienstlichen Behandlung, sondern für Zwecke der Persons- bzw. Identitätsfeststellung fotografiert worden. Die entsprechenden Lichtbilder seien nicht für Zwecke der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden verarbeitet, sondern dem Ermittlungsakt GZ ****/0000**-Za des Gendarmeriepostens M*** angeschlossen worden. Weiters vorgelegt wurden auf Ersuchen der Datenschutzkommission Kopien der Ermittlungsakten GZlen ****/0000** (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und ****0000/**** (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin) des Gendarmeriepostens M*** sowie Ausdrucke (Negativabfragen) aus der erkennungsdienstlichen Evidenz im Rahmen der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden.

Die Beschwerdeführer brachten nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens in ihrer Stellungnahme vom 17. Mai 2005 in der Sache vor, es gebe keine andere Rechtsgrundlage für die Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten (Fotografieren, Lichtbilderanfertigung) als § 65 Abs. 1 SPG. Ob und warum die durch das Fotografieren ermittelten Daten bisher nicht automationsunterstützt verarbeitet (gespeichert) wurden, entziehe sich der Kenntnis der Beschwerdeführer.

Die Beschwerdegegnerin brachte, von der Datenschutzkommission nach der oben zitierten Zuständigkeitsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs um ergänzende Stellungnahme ersucht, am 7. Juni 2009 vor, die genaue Entstehungsgeschichte der Lichtbilder sei nicht dokumentiert, es gebe im Akt jedenfalls aber solche und es wären Kopien davon mit der entsprechenden Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft G*** übermittelt worden. Eine Speicherung dieser Daten sei auch weiterhin nicht erfolgt.

Die Beschwerdeführer replizierten darauf nach ergänzendem Parteiengehör, es stünde auf Grund der vorliegenden Aktenteile fest, dass während der Ermittlungen Lichtbilder der Beschwerdeführer angefertigt worden seien. Die Identität der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Datenermittlung jedoch bereits festgestanden, da sie bereits am 12. September 2003 von einem Zeugen an Hand eines diesem vorgelegten (älteren) Lichtbilds als die Verdächtigen identifiziert worden waren. Einziger Zweck der Maßnahme sei daher gewesen, aktuelle Lichtbilder zur besseren allfälligen späteren Wiedererkennung der Beschwerdeführer zu beschaffen. Dies stelle eine Maßnahme des Erkennungsdienstes dar, auf die § 65 Abs. 1 SPG anzuwenden sei.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführer ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, durch Beamte der (damaligen) Bundesgendarmerie am 23. September 2009 Lichtbilder anfertigen zu lassen, und ob es sich dabei um eine Datenverarbeitung für erkennungsdienstliche Zwecke gehandelt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Gegen die Beschwerdeführer (als Mittäter) wurden im September 2003 (im Sinne der damals üblichen Terminologie) sicherheitsbehördliche Vorerhebungen im Dienste der Strafjustiz wegen des Verdachts von Delikten wider das Suchtmittelgesetz (§ 27 Abs. 1 SMG; Anlegen einer Cannabispflanzung in einem Wald im Gebiet der Ortschaft Y*** im C***erwald, Herstellung und Besitz von Suchtgift) durch den Gendarmerieposten M*** und weitere Gendarmeriedienststellen durchgeführt (Vorwürfe gegen den Erstbeschwerdeführer betreffend eine Übertretung des Waffengesetzes entstanden erst anlässlich der am 23. September 2003 erfolgten Hausdurchsuchung). Die beiden Beschwerdeführer waren im Juli 2003 bei Arbeiten an der Anlegung einer Cannabispflanzung auf einer fremden Waldliegenschaft von einem Zeugen betreten und später nach Hinweisen und Beischaffung ihrer Führerscheinfotos von diesem Zeugen bereits am 12. September 2003 auch identifiziert worden. Am 23. September 2003 wurde auf mündlichen Auftrag der Staatsanwaltschaft G*** und des Untersuchungsrichters des Landesgerichts G*** hin in der gemeinsamen Wohnung der Beschwerdeführer in **** D***, ****straße 0, von der Gendarmerie eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei der eine kleinere Menge an Cannabis, insbesondere eine getrocknete Pflanze (ca. 20 Gramm Cannabiskraut), sowie Reste von Joints und „Rauchutensilien“ sichergestellt werden konnten. Die im Wald sichergestellten, angebauten Cannabispflanzen repräsentierten eine Menge von 129 Gramm Cannabiskraut. Beide Beschwerdeführer wurden, ohne verhaftet worden zu sein, am selben Tag in den Amtsräumen der Bundesgendarmerie in C*** als Verdächtige niederschriftlich einvernommen. Aus diesem Anlass wurde jedenfalls nachweislich von der Zweitbeschwerdeführerin Hanna R*** ein Lichtbild (en face) angefertigt, das als Papierkopie im den Erstbeschwerdeführer Udo S*** betreffenden Ermittlungsakt GZ ****/0000/0*-** einliegt. Weiters wurde auch der Erstbeschwerdeführer Udo S*** fotografiert, doch ist dieses Lichtbild nicht mehr auffindbar und konnte der Datenschutzkommission auch nicht vorgelegt werden. Betreffend beide Beschwerdeführer, die im Zeitpunkt der gegen sie durchgeführten Ermittlungen unbescholten und auch nicht einschlägig vorgemerkt waren, wurden keine erkennungsdienstlichen Daten in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden verarbeitet. In beiden Fällen erfolgte das Fotografieren ohne Anwendung oder konkrete Androhung von Befehls- oder Zwangsgewalt.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen in erster Linie auf dem Inhalt der in Kopie mit Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 15. Juni 2004, Zl. BHBR-***-00**, vorgelegten Ermittlungsakten der Bundesgendarmerie, GZlen P- ****/SG000/0*-** (betreffend Vorerhebungen gegen den Erstbeschwerdeführer Udo S***) und P-****/SG000/0*-** (betreffend Vorerhebungen gegen die Zweitbeschwerdeführerin Hanna R***) des Gendarmeriepostens M***. Die wesentlichen Sachverhaltsangaben darin stimmen mit den Angaben der Beschwerdeführer überein. Lediglich betreffend das Fotografieren des Erstbeschwerdeführers ist die Beweislage unsicher. Ein aktuelles Lichtbild (d.h. ein anderes als das der Niederschrift über die Einvernahme des Zeugen Gustav B*** am 12. September 2003 in Kopie angeschlossene, relativ jugendlich wirkende „Führerscheinfoto“) war aus den Aktenkopien nicht ersichtlich und liegt nach den Angaben der Beschwerdegegnerin auch nicht vor. Die schriftliche Stellungnahme der Gendarmeriebeamtin RevInsp Stanislaus K*** im Beschwerdeverfahren vor dem UVS Vorarlberg vom 29. Dezember 2003, GZ 0000/0*, vorgelegt als Beilage zur ergänzenden Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 24. Juli 2009, bestätigt ausdrücklich nur das Fotografieren der Zweitbeschwerdegegnerin, zu dem auch ein Lichtbild aus dem Akt GZ P-****/SG000/0*-** passt, während die Beschwerdegegnerin und die beteiligten Dienststellen der Sicherheitsexekutive diese Frage mehr oder weniger in Schwebe lassen. Da das Fotografieren nur eines von zwei Verdächtigen im Anlassfall wenig Sinn macht, wird in dieser Frage der Darstellung der Beschwerdeführer gefolgt. Die Feststellungen zur Nicht-Verarbeitung von erkennungsdienstlichen Daten der Beschwerdeführer stützen sich auf die vorliegenden – negativen – Auszüge aus der erkennungsdienstlichen Evidenz in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden vom 9. Juni 2004, vorgelegt als Beilagen zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 15. Juni 2004, Zl. ***-000-00**. Für die Anwendung oder Androhung von Befehls- oder Zwangsgewalt liegen weder einschlägige Behauptungen vor, noch ist eine solche Vorgehensweise aktenkundig.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Grundrecht auf Datenschutz

§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

§ 4 Z 9 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Definitionen

§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. […]

9. "Verarbeiten von Daten": das Ermitteln, Erfassen, Speichern, Aufbewahren, Ordnen, Vergleichen, Verändern, Verknüpfen, Vervielfältigen, Abfragen, Ausgeben, Benützen, Überlassen (Z 11), Sperren, Löschen, Vernichten oder jede andere Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung durch den Auftraggeber oder Dienstleister mit Ausnahme des Übermittelns (Z 12) von Daten;“

§ 16 SPG in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2000 lautete samt Überschrift:

„Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;

Gefahrenerforschung

§ 16. (1) Eine allgemeine Gefahr besteht

1. bei einem gefährlichen Angriff (Abs. 2 und 3) oder

2. sobald sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz verbinden, fortgesetzt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen (kriminelle Verbindung).

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

2. nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder

(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

(4) Gefahrenerforschung ist die Feststellung einer Gefahrenquelle und des für die Abwehr einer Gefahr sonst maßgeblichen Sachverhaltes.“

Die §§ 64 und 65 SPG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2002 lauteten samt Überschriften:

„Begriffsbestimmungen

§ 64. (1) Erkennungsdienst ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie das weitere Verarbeiten und Übermitteln dieser Daten.

(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind technische Verfahren zur Feststellung von Merkmalen eines Menschen, die seine Wiedererkennung ermöglichen, wie insbesondere die Abnahme von Papillarlinienabdrücken, die Vornahme von Mundhöhlenabstrichen, die Herstellung von Abbildungen, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale, die Vornahme von Messungen oder die Erhebung von Stimm- oder Schriftproben.

(3) Erkennungsdienstliche Behandlung ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen, an dem der Betroffene mitzuwirken hat.

(4) Erkennungsdienstliche Daten sind personenbezogene Daten, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt worden sind.

(5) Personsfeststellung ist eine abgesicherte und plausible Zuordnung erkennungsdienstlicher Daten zu Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort und Namen der Eltern eines Menschen.

(6) Soweit die Zulässigkeit einer Maßnahme nach diesem Hauptstück vom Verdacht abhängt, der Betroffene habe einen gefährlichen Angriff begangen, bleibt diese Voraussetzung auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der entsprechenden gerichtlich strafbaren Handlung (§ 16 Abs. 2) bestehen.

Erkennungsdienstliche Behandlung

§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.

(2) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines bestimmten gefährlichen Angriffes Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn diese nicht im Verdacht stehen, den gefährlichen Angriff begangen zu haben, aber Gelegenheit hatten, Spuren zu hinterlassen, soweit dies zur Auswertung vorhandener Spuren notwendig ist.

(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, deren Identität gemäß § 35 Abs. 1 Z 3 festgestellt werden muß und die über ihre Identität keine ausreichenden Aussagen machen wollen oder können, sofern eine Anknüpfung an andere Umstände nicht möglich ist oder unverhältnismäßig wäre.

(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.

(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des Abs. 1 ist der Betroffene außerdem darauf hinzuweisen, daß die erkennungsdienstliche Behandlung deshalb erfolgte, um der Begehung gefährlicher Angriffe durch sein Wissen um die Möglichkeit seiner Wiedererkennung entgegenzuwirken.

(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Namen der Eltern und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

a) Vorliegen einer erkennungsdienstlichen Behandlung

Die Beschwerdegegnerin bestreitet, dass das Fotografieren der Beschwerdegegner eine erkennungsdienstliche Behandlung gewesen sei. Die Daten der Beschwerdeführer seien nämlich nicht in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (gemeinhin bekannt und weitgehend ident mit dem als „EKIS – elektronisches kriminalpolizeiliches Informationssystem“ bekannten Informationsverbundsystem) automationsunterstützt gespeichert worden, was auch den Tatsachen nach erwiesen ist.

Die Beschwerdegegnerin übersieht jedoch, dass § 64 Abs. 3 SPG die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ex lege als „Ermitteln personenbezogener Daten“ (vgl. § 4 Z 9 DSG 2000) definiert, und das Fotografieren („Herstellung von Abbildungen“) gemäß § 64 Abs. 2 SPG zu den erkennungsdienstlichen Maßnahmen gehört. Die Anfertigung einer Fotografie eines Verdächtigen durch Polizeiorgane anlässlich einer Einvernahme stellte daher jedenfalls im Zeitpunkt der beschwerdegegenständlichen Amtshandlung (zur gegenwärtigen Rechtslage nach Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes vergleiche den Bescheid der Datenschutzkommission vom 05. Juni 2009, K121.476/0008-DSK/2009, RIS) eine nach dem SPG zu beurteilende und gemäß § 90 SPG (vgl. VwGH-Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018) anfechtbare erkennungsdienstliche Behandlung und Datenverarbeitung dar, ohne dass es dazu als weiterem Tatbestandselement der automationsunterstützten Speicherung der Daten bedürfte.

b) in der Sache selbst wegen Geheimhaltung

Im Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, fasst der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung von § 65 Abs. 1 SPG folgendermaßen zusammen:

„Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 SPG in der Fassung der SPG-Novelle 2002 ist es erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen wird. Dabei hat sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl 2002/01/0320). Im Rahmen dieser so anzustellenden Überlegungen wird es - wie der neue Wortlaut des § 65 Abs. 1 SPG ausdrücklich klarstellt - immer auch auf die Art des Deliktes, dessen der Betroffene verdächtig ist, ankommen. Dass (auch) die aktuelle Textierung des § 65 SPG eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbietet, steht insoweit mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle 2002 (1138 BlgNR 21. GP 33) im Einklang, als dort neben der Art des begangenen Delikts die konkreten Umstände bei der Tatbegehung als Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe als Parameter genannt werden.“

Wie aus der Betonung des Begriffs der „Prognose“ und des Zeitpunktes in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu folgern ist (vgl. etwa VwSlg 14879 A/1998, wo auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbildes einer gerichtlich strafbaren Handlung abgestellt ist, für den die Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zu beurteilen ist), muss vom Stand des Sachverhalts und vom zur Verfügung stehenden Wissen über den Beschwerdeführer im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgegangen werden, um die Voraussetzungen für diese faktische Amtshandlung zu beurteilen. Weiters kommt es auf die sich in der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes manifestierende Gefährlichkeit der betreffenden Person an, während weitere Voraussetzungen der gerichtlichen Strafbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (VwSlg 14879 A/1998).

Zwar waren die Beschwerdeführer nicht nur des Erwerbes und Besitzes von Suchtmitteln, sondern auch deren Erzeugung (Anbau) verdächtig, sodass der Ausnahmetatbestand gemäß § 16 Abs. 2 letzter Halbsatz SPG nicht zu ihren Gunsten wirken konnte. Die Beschwerdeführer wurden somit begründet eines gefährlichen Angriffs (Verwirklichung des Tatbestands nach § 27 Abs. erster, zweiter und dritter Fall SMG idF BGBl. I Nr. 34/2002) verdächtigt.

Aus den weiteren im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung vorliegenden Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens konnte jedoch im Sinne der weiter oben zitierten Judikatur keine nachvollziehbare Prognoseentscheidung getroffen werden, die sich auf die durch die verwirklichte Tat und die Person der Beschwerdeführer als Täter manifestierte Gefahr für die öffentliche Sicherheit stützen könnte. Beide Beschwerdeführer waren im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung unbescholten und auch nicht einschlägig polizeilich (im kriminalpolizeilichen Aktenindex in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden) vorgemerkt. Damit bestanden keine Grundlagen für die Annahme, die Beschwerdeführer würden ihrem Charakter nach aus Missachtung der einschlägigen Gesetze jederzeit wieder gefährliche Angriffe begehen. Es lagen keine Beweise oder auch nur Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beschwerdeführer gemeinsam Suchtgift für einen anderen Zweck als den Eigengebrauch erzeugt hätten, demnach auch kein Grund für die Annahme, sie hätten Dritte durch Weitergabe von Suchtgift in ihrer Gesundheit gefährden können.

Auf dieser Grundlage war eine konkrete, fallbezogene Prognoseentscheidung, die Beschwerdeführer müssten durch die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten von weiteren gefährlichen Angriffen abgehalten werden, nicht zu treffen.

Die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten war somit unzulässig, und die Beschwerdeführer wurden durch sie spruchgemäß in ihrem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt.

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