K202.084/0004-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HEILEGGER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 24. Juli 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über den Antrag der H*** GmbH (Antragstellerin) vom 4. Mai 2009 wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, entschieden:
1. Dem Antragsteller wird die Genehmigung erteilt, für Zwecke des genannten und im Antrag näher beschriebenen Forschungsprojekts die Bilddaten der K*** GmbH zu verwenden.
2. Zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen wird die Auflage erteilt, dass die gespeicherten Bildsequenzen unverzüglich so durch Unkenntlichmachung zu bearbeiten sind, dass Personen nicht erkennbar sind. Diese Bearbeitung darf nicht rückführbar sein.
Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 idgF (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von
Euro 6,50
zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß § 2 Abs. 1 BVwAbgV mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.
B e g r ü n d u n g
Die Antragstellerin begehrt für Zwecke eines näher beschriebenen Forschungsprojekts (sinngemäß) die Verwendung von Bilddaten aus der zu DVR 000***, DAN ***, gemeldeten Videoüberwachungsanlage der K*** GmbH (K***).
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Die Antragstellerin beschäftigt sich im Geschäftsfeld Video- und Sicherheitstechnik (SVT) mit Forschung und Entwicklung im Bereich der automatisierten visuellen Videoüberwachung. Rechnern soll das Sehen und Wahrnehmen bestimmter Objekte, zB Personen, Fahrzeuge, ermöglicht werden, um Gefahrensituationen zu erkennen. Anreiz der Arbeit sind die bereits installierten Kamerasysteme (zu Zwecken wie Überwachung gefährdeter Bereiche, Eigentumsschutz oder Verkehrsüberwachung), die durch einen menschlichen Betrachter nicht gleichzeitig und über eine längere Zeit beobachtbar und beurteilbar sind. Ein wesentliches Ziel der Arbeit ist es, automatisierte Videosysteme zu schaffen, die ihren Zweck ohne Aufzeichnung von Videodaten erfüllen können. Die dazu notwendigen Technologien aus dem Bereich des maschinellen Sehens (Objekt Detektion, Objekt Verfolgung, Kamera Kalibrierung) wie auch darauf aufbauender Technologien aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (Gefahrenerkennung, Situationsbeurteilung, z.B. Erkennen eines Überfalls) sind die Kernforschungsthemen.
Die Entwicklung von ausgereiften technischen Lösungen erfordert Langzeitexperimente über mehrere Wochen.
Befristet auf drei Jahre sollen ausgewählte wissenschaftliche SVT-Mitarbeiter durch ihren Arbeitsplatzrechner bzw. durch ausgewählte Laborrechner Zugang zum Live-Bilddatenstrom von acht ausgewählten (im Antrag näher beschriebenen) Videokameras der K*** Videoüberwachungsanlage zum Test der Rechnerprogramme, die die Technologien umsetzen sollen, erhalten. Die Bilddaten werden grundsätzlich durch die Rechnerprogramme in Echtzeit analysiert und sofort verworfen. Zur Dokumentation der Forschungsergebnisse und zum Zweck der Reproduzierbarkeit von Experimenten werden Bildfolgen im Ermessen des jeweiligen Mitarbeiters auch dauerhaft gespeichert.
Die Kameras sind teils im K*** Foyer, teils im Freibereich zwischen Gate 1 und 3 angebracht. Die technische Anbindung erfolgt an Videokreuzschienen in der Sicherheitszentrale Gate 1 und in einem IT-Raum im 1. Untergeschoß des K*** Gebäudes. Die Signale werden digitalisiert und encodiert und über eine extra Datenleitung in den IT-Raum im 4. Stock des *** geführt, der nur durch bestimmtes IT-Personal der Antragstellerin sowie der I*** GmbH betretbar ist. Entlang der Datenstrecke führt die Datenleitung auch durch mehrere IT-Räume im *** und im ***, die ebenfalls nur durch dieses IT-Personal betretbar ist. Über einen Ethernet-Switch und ein getrenntes Netzwerk werden die Bilddaten weiter an die elf Arbeitsplatzrechner und den Laborrechner geleitet. Eine Anbindung an das Videoarchiv des K*** ist nicht vorgesehen.
Die ausgewählten SVT-Mitarbeiter (ausschließlich wissenschaftliches Personal) werden über ihre Pflichten in Bezug auf die Verwendung der Bilddaten eingehend unterrichtet und unterzeichnen eine (dem Antrag beiliegende) Einverständniserklärung, diesen Pflichten während der Laufzeit des Projekts Folge zu leisten. Darin wird insbesondere auf das Datengeheimnis nach DSG 2000 und die Folgen eines Verstoßes hingewiesen. Geschäftsführung, Betriebsrat and Mitarbeiter des K*** werden durch eine eigene interne (ebenfalls dem Antrag beiliegende) Meldung über die Verpflichtungen der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Nutzung der Bilddaten unterrichtet. Außerdem wird die geplante Datenverwendung durch Hinweistafeln im Foyer angekündigt, es liegen Informationsblätter auf und eine Kontaktperson steht zur Verfügung.
Das öffentliche Interesse an den Ergebnissen ergebe sich aus deren Verwendung und Einsatzmöglichkeiten zum Zweck der automatisierten in Echtzeit durchgeführten Gefahrenerkennung wie Einbruch, Sachbeschädigung, Unfälle ohne der Notwendigkeit einer Datenaufzeichnung.
SVT entwickelt und liefert Komponenten für digitale Videoüberwachungs- und Sicherheitssysteme zum Schutz kritischer Infrastruktur für öffentliche Sicherheit, zum Schutz von Industrieanlagen oder den Straßenverkehr. SVT beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Erforschung und Umsetzung von Computer Vision Anwendungen in Videosystemen (Automated Visual Surveillance), zB Kamera Kalibrierung, automatische Objekt-Detektion (Object Detection), automatische Objektverfolgung (Object Tracking) und automatische Ereignis- /Situationserkennung (Situation/Event Recognition) und publiziert auch dazu. Durch dieses langjährige Know-How stehen hochqualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen im Antrag vom 4. Mai 2009, dem die Verpflichtungserklärung gemäß § 15 DSG 2000 sowie die Mitteilung an die Geschäftsführung, den Betriebsrat und die Mitarbeiter des K*** angeschlossen war.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist.
Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:
„Wissenschaftliche Forschung und Statistik
§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die
(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur
(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist zu erteilen, wenn
(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.
(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“
Die Datenschutzkommission hat schon mehrfach festgestellt, dass Bilddaten (bestimmbare) personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSG 2000 sind (vgl. für viele den Bescheid vom 21. Jänner 2009, GZ K121.425/0003-DSK/2009). Das DSG 2000 und auch dessen § 46 sind somit einschlägig. Gleichzeitig liegen mit diesen Bilddaten aber keine sensiblen Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) vor, was ebenfalls von der Datenschutzkommission anerkannt ist. Die Antragstellerin begehrt nun im Rahmen ihres Antrages (sinngemäß) die Verwendung der Bilddaten zum Zweck der Einsicht sowie die Speicherung bestimmter Sequenzen (§ 4 Z 9 DSG 2000) dieser Bilddaten zum Zweck der Dokumentation und Reproduzierbarkeit von Experimenten.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 (insbesondere Z 3, da direkt personenbezogene Daten übermittelt werden) und Abs. 2 Z 1 und Z 2 nicht vorliegen, sodass die geplante Datenübermittlung vom K*** an die Antragstellerin nur aufgrund einer Genehmigung durch die Datenschutzkommission gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 iVm Abs. 3 DSG 2000 erfolgen kann.
Der Antragsteller hat dafür ausreichend das öffentliche Interesse an der beantragten Verwendung (§ 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000) dargelegt sowie die fachliche Eignung (Z 3 leg. cit.) glaubhaft gemacht. Auch die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 ist im gegenständlichen Fall gegeben: die Einholung der Zustimmung der Betroffenen ist mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich, weil der Kreis der Betroffenen ein von vornherein unbestimmter ist (und nicht, wie die Antragstellerin vermeint, weil dafür die von ihr vermeidete Identifizierung von Personen notwendig wäre – dies würde ja schon die hier zu genehmigende Übermittlung der Bilddaten voraussetzen).
Die Genehmigung war daher zu erteilen. Im Hinblick auf die von der Antragstellerin bereits antragsgemäß ergriffenen Maßnahmen (Zugang nur für bestimmte, geschulte, über § 15 DSG 2000 aufgeklärte SVT-Mitarbeiter; technische Absicherung des Übermittlungsvorganges; Information an Betroffene durch Beschilderung und Kontaktperson allgemein und Mitarbeiter des K***, Geschäftsführung und Betriebsrat durch schriftliche Mitteilung im Besonderen) konnten Auflagen für die Verwendung der Livebilder unterbleiben. Hinsichtlich der Speicherung war allerdings die Auflage zu erteilen, dass diese Bilddaten unmittelbar nach Speicherung unumkehrbar zu anonymisieren sind, da die Identifizierung von Personen im gegebenen Zusammenhang nicht im Interesse der Antragstellerin liegt und damit die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen gewahrt bleiben.
Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst.