JudikaturDSB

K202.074/0004-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
05. Juni 2009

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Dr. BLAHA, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HEILEGGER und Dr. STAUDIGL sowie der Schriftführerin Mag. FRITZ in ihrer Sitzung vom 05. Juni 2009 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

I. Über den Antrag der Universität G****, Institut für F**** (Antragstellerin) vom 22. Oktober 2008 auf Genehmigung der Übermittlung von Daten der Hofkarten gemäß § 8 der INVEKOS-GIS-Verordnung für das Forschungsprojekt "Biokraftstoff aus Gras" wird gemäß § 46 Abs. 3 und 4 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, entschieden:

Der Antragstellerin wird die Genehmigung erteilt, für Zwecke des eingangs bezeichneten Projekts Daten der Hofkarten gemäß § 8 INVEKOS-GIS-Verordnung zu verwenden.

Zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen werden die folgenden Auflagen erteilt:

II. Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl. Nr. 24 idgF (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von

Euro 6,50

zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß § 2 Abs. 1 BVwAbgV mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.

Begründung

Die Antragstellerin begehrt für Zwecke des Forschungsprojekts "Biokraftstoff aus Gras" des Instituts für F**** die Übermittlung der Daten der "Hofkarten" von landwirtschaftlichen Betrieben.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Das Institut für Risikoforschung an der Universität G*** betreibt eine Studie mit dem Titel "Biogaserzeugung als Alternative oder Ergänzung zur herkömmlichen landwirtschaftlichen Nutzung im freiwerdenden Grünland der Mittelgebirgsregionen Europas", kurz "Bioenergie aus Gras".

Das Projekt soll die Grundlagen für die breite kommerzielle Nutzung von Gras als Lieferant von Biogas schaffen. Dem Projekt liegt die Annahme zugrunde, dass die traditionelle Landwirtschaft in den nächsten Jahren große Grünflächen nicht mehr benötigen und freisetzen wird. Diese Grünflächen könnten für die Energieerzeugung durch Biomasse genutzt werden und damit einen Beitrag zu Klimaschutz und Diversifizierung der Energiequellen leisten.

Um die Möglichkeiten zur Gewinnung von Biogras zu erforschen soll ua. eine Abschätzung der möglichen Anbauflächen durchgeführt werden. Zu diesem Zweck möchten die Projektverantwortlichen Daten der "Hofkarten" der österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe verwenden, aus welchen die relevanten Grünlandflächen ermittelt werden können. Das Ziel der Datenverwendung ist eine Einschätzung der möglichen Anbauflächen für Biogras. Die Daten der Hofkarten sollen in anonymisierter Form verwendet werden, um die möglichen Anbauflächen zu ermitteln.

Die Hofkarten sind in § 8 der INVEKOS-GIS-Verordnung, BGBl. II Nr. 335/2004, geregelt.

Eine Hofkarte ist eine Darstellung der landwirtschaftlich genutzten Flächen eines Bauernhofes. Sie besteht aus Luftbildern, auf denen die Feldstücke markiert sind. Die Hofkarten dienen zur Verwaltung von Förderungen und Beihilfen. Die Hofkarten werden in einer Datenbank mit der Bezeichnung "INVEKOS" ("Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem") geführt. Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist datenschutzrechtlicher Auftraggeber. Gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 AMA-Gesetz 1992, BGBl. Nr. 376/1992, ist die AMA für die Abwicklung der Förderungsverwaltung im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik, soweit sie vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft übertragen wird, zuständig. Diese Aufgabenübertragung erfolgte durch § 96 MOG 1985.

Eine Hofkarte enthält folgende Datenarten zu einem land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstück:

Zur Bereitstellung des gewünschten Datenmaterials in anonymisierter oder zumindest indirekt personenbezogener Form hat sich der Auftraggeber nicht bereit gefunden, weshalb der gegenständliche Antrag gestellt wurde, der es dem Antragsteller ermöglicht, die erforderliche Datenreduktion selbst vorzunehmen.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen im Antrag, Auskünften der zuständigen Abteilungen im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie Einsicht in die Broschüre "Infobroschüre Hofkarte", die jedem Eigentümer eines Bauernhofes zur Verfügung steht.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist.

Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:

Wissenschaftliche Forschung und Statistik

"§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die

Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 3 verwendet werden.

(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur

(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist zu erteilen, wenn

Sollen sensible Daten übermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muß gewährleistet sein, daß die Daten beim Empfänger nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verläßlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.

(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.

(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist."

§ 8 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über eine auf ein geographisches Informationssystem gestützte Flächenidentifizierung (INVEKOS-GIS-Verordnung), BGBl. II Nr. 335/2004 idgF, lautet unter der Überschrift "Hofkarte - Definition":

"§ 8. Die Hofkarte ist eine unter Einsatz computergestützter geographischer Informationstechniken erstellte kartographische Unterlage. Dabei sind auf Orthophotobildern von den landwirtschaftlich genutzten Flächen eines Betriebs jedenfalls ersichtlich gemacht:

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 und 2 Z 1 und Z 2 nicht vorliegen, sodass die geplante Datenübermittlung nur aufgrund einer Genehmigung durch die Datenschutzkommission gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 iVm Abs. 3 DSG 2000 erfolgen kann.

Der Antragsteller hat ausreichend das öffentliche Interesse an der beantragten Verwendung (§ 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000) dargelegt sowie die fachliche Eignung (Z 3 leg. cit.) glaubhaft gemacht. Eine Einholung der Zustimmung der Betroffenen (Z 1 leg.cit.) wäre prinzipiell möglich, würde aber unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten.

Angesichts der Tatsache, dass die Daten nach ihrer Ermittlung nur in anonymisierter Form weiterverwendet werden sollen, kann die Genehmigung für die personenbezogene Ermittlung der Daten erteilt werden, allerdings nur unter den im Spruch genannten Auflagen, die insbesondere der Sicherstellung der nichtpersonenbezogenen Weiterverwendung der Daten dienen.

Da es sich bei der Antragstellerin um eine juristische Person handelt, muss die nach § 46 Abs. 3 Z 3 DSG 2000 nachzuweisende fachliche Qualifikation bei den für sie handelnden Personen vorliegen. Davon ist angesichts der Zugehörigkeit der Antragstellerin zum Bereich der universitären Forschung und den für derartige Institutionen tätigen Mitarbeitern auszugehen, sodass auch § 46 Abs. 3 Z 3 DSG 2000 erfüllt ist. Die datenschutzrechtliche Verlässlichkeit soll durch Auflage 3 abgesichert werden.

Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die dort zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst.

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