K202.079/0009-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. ZIMMER und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 08. Mai 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über den Antrag des M***-Instituts (Antragsteller) vom 14. Jänner 2009, verbessert am 23. Jänner 2009, auf Genehmigung der Übermittlung der Häufigkeit des Vorkommens von Familiennamen aus dem Zentralen Melderegister für das Forschungsprojekt „J***“ wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, entschieden:
1. Dem Antragsteller wird die Genehmigung erteilt, für Zwecke des genannten Projekts Angaben über die Häufigkeit des Vorkommens der Familiennamen aus dem Zentralen Melderegister zu verwenden .
2. Zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen wird die Auflage erteilt, dass die Häufigkeit jener Familiennamen, die gemeindeweit nur einmal oder zweimal vorkommen, nicht verwendet werden dürfen. Es ist dasselbe Datum zu verwenden wie wenn der Familienname nicht vorkommt („0“).
Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 idgF (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von
Euro 6,50
zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß § 2 Abs. 1 BVwAbgV mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.
B e g r ü n d u n g
Der Antragsteller begehrt für Zwecke des Forschungsprojekts „Österreichischer J***“ nach Übermittlung einer Liste von Familiennamen bzw. Familiennamensteilen an das Zentrale Melderegister aus diesem die Information, in welcher Gemeinde dieser Familienname(nsteil) wie oft vorkommt, wobei jeweils nur der Hauptwohnsitz von Interesse ist.
Festzuhalten ist zunächst, dass Verfahrensgegenstand ausschließlich die Verwendung der begehrten Daten durch den Antragsteller ist, nicht aber die Übermittlung der Daten vom ZMR an den Antragsteller.
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Am M***-Institut ist ein Forschungsprojekt mit dem Titel „J***“ geplant. Dieses Projekt wird beim *** eingereicht und ist auf eine Laufzeit von drei Jahren ausgelegt. Das Projekt ist eine geografische Fortführung des Projektes I***, welches seit einigen Jahren in Deutschland sehr erfolgreich etabliert wurde. Dabei werden Verteilungen von Familiennamen bzw. Namenteilen bundesweit kartiert und sprachwissenschaftlich ausgewertet.
Zu diesem Zweck ist beabsichtigt, vorher bekannt gegebenes und aufbereitetes Familiennamenmaterial als Datengrundlage zu verwenden. Bei den Namen handelt es sich ausschließlich um Familiennamen bzw. deren Teile. Vornamen, Geschlecht und sonstige persönliche Merkmale sind nicht relevant. Weiters relevant ist zur kartographischen Darstellung die räumliche Zuordnung auf Gemeindeebene (hinsichtlich Hauptwohnsitze).
Die abzufragenden Namen werden im Verlauf des Projektes in drei Tranchen bekanntgegeben. Insgesamt handelt es sich um etwa 3000 Abfragen. Nach Bekanntgabe sollen aus dem ZMR rückgemeldet werden, in welchen Gemeinden ein bestimmter Name wie oft vorkommt. Namen mit weniger als 3 Nennungen im jeweiligen Gemeindegebiet können außer Betracht bleiben.
Ein wichtiges öffentliches Interesse an diesem Projekt ergibt sich dadurch, dass die Erforschung der Verbreitung von Familiennamen eine Komponente in der Beschreibung der kulturellen Identität Österreichs darstellt sowie bedeutende Aufschlüsse zu regionalen Teilkomponenten der österreichischen Kulturgeschichte zu geben vermag.
Der alleinige Bearbeiter des Projekts, der ausschließlich mit der Verarbeitung von Daten aus dem ZMR betraut sein wird, ist einer der führenden Namenforscher Österreichs und hat an der Universität Wien namenkundliche Magister- wie Doktorarbeiten verfasst. Überdies hat er insgesamt sechs Jahre am Forschungsprojekt „***“ gearbeitet.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen im Antrag sowie im Schreiben des Antragstellers vom 23. Jänner 2009, dem auch ein ausführlicher Lebenslauf des Bearbeiters angeschlossen war; außerdem auf Telefongesprächen mit einem Mitarbeiter des Antragstellers vom 8. und 27. April 2009.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist.
Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:
„Wissenschaftliche Forschung und Statistik
§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die
(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur
(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist zu erteilen, wenn
1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und
Sollen sensible Daten übermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muß gewährleistet sein, daß die Daten beim Empfänger nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verläßlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.
(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.
(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 und 2 Z 1 und Z 2 nicht vorliegen, sodass die geplante Verwendung der Daten des Zentralen Melderegisters durch den Antragsteller nur aufgrund einer Genehmigung durch die Datenschutzkommission gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 iVm Abs. 3 DSG 2000 erfolgen kann.
Der Antragsteller hat ausreichend das öffentliche Interesse an der beantragten Verwendung (§ 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000) dargelegt sowie die fachliche Eignung (Z 3 leg. cit.) glaubhaft gemacht.
Im Hinblick auf die Ausführungen des Antragstellers, dass die Nichtübermittlung der Anzahl von jenen Familiennamen, die in einem Gemeindegebiet nur einmal oder zweimal vorkommen, dem wissenschaftlichen Wert des Projekts nicht abträglich ist, war im Spruch die Auflage zu erteilen, dass diese Zahlen nicht übermittelt werden dürfen. Dabei darf in der Auswertung auch nicht zwischen „keine Nennung“ und „weniger als drei Nennungen“ unterschieden werden, da sonst wiederum Rückschlüsse auf Personen möglich sind. Daher war in der Auflage auch auszusprechen, dass zB „0“ sowohl markiert, dass in der betreffenden Gemeinde keine Nennungen zu einem Familiennamen vorliegen als auch dass eben ein oder zwei Nennungen zu einem Familiennamen vorliegen. Durch diese Auflage wird auch die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 erfüllt, da eine Zustimmung für öfter als zweimal vorkommende Familiennamen mangels Personenbezug nicht eingeholt werden kann.
Auf § 46 Abs. 4 DSG 2000 wird hingewiesen. Die Zulässigkeit der Verwendung von Daten sagt über die Datenübermittlung – die nicht Gegenstand eines Antrags nach § 46 DSG 2000 ist – nichts aus.
Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst.