[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. HEISSENBERGER, Mag. HUTTERER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 24. April 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde der Doris R*** (Beschwerdeführerin) vom 22. September 2008 gegen den Bundesminister für Finanzen (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird wie folgt entschieden:
Die B e s c h w e r d e wird als unbegründet a b g e w i e s e n.
Rechtsgrundlagen: § 1 Abs.1, § 4 Z 4 und § 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, Art. 20 Abs. 1 B-VG.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Beschwerde vom 22. September 2008 eine Verletzung in ihrem Recht auf Geheimhaltung. Wie aus einem an sie gerichteten Schreiben des Finanzministers vom 17. September 2008 hervorgehe, habe der Beschwerdegegner ihr Wohnsitzfinanzamt beauftragt, sie betreffende Steuerdaten auszuwerten bzw. zu verwenden und damit sie betreffende personenbezogene Daten unzulässig ermittelt. Durch diese Vorgangsweise habe der Beschwerdegegner ihr Recht auf Geheimhaltung verletzt. Sie ersuche daher die Datenschutzkommission über diese Beschwerde mit Bescheid zu entscheiden. Auch ersuche sie die Datenschutzkommission, diese Beschwerde zugleich als Eingabe gemäß § 30 DSG 2000 zu betrachten. Die Datenschutzkommission möge letztendlich ebenso überprüfen, ob der beschriebene Sachverhalt den Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 DSG 2000 darstelle und insofern die zuständige Verwaltungsstrafbehörde in Kenntnis setzen.
In seiner Stellungnahme vom 13. November 2008 führte der Beschwerdegegner aus, die aufgestellte Behauptung, der Beschwerdegegner habe Steuerdaten der Beschwerdeführerin berechnet, sei als unzutreffend zurückzuweisen und zu betonen, dass eine Einsichtnahme in die einzelnen Steuerdaten durch den Beschwerdegegner oder seine Mitarbeiter nicht erforderlich gewesen und auch nicht erfolgt sei. Die Berechnung des im Schreiben an die Beschwerdeführerin angeführten Betrages sei durch das zuständige Finanzamt erfolgt. Da gemäß dem gesetzgeberischen Auftrag des § 2 Abs. 3 Z 1 Bundesgesetz über die B***-GmbH die Verarbeitung der Steuerdaten für alle Finanzämter zentral durch die B***-GmbH vorgenommen werde, sei auch die gegenständliche Briefaktion über die B***-GmbH abgewickelt worden. Tatsächlich seien die auch sonst mit Angelegenheiten der Lohnsteuer befassten Stellen angehalten gewesen, ein für alle Empfänger gleich lautendes Informationsschreiben, nach Ergänzung um den jeweiligen – aufgrund der vorliegenden Lohnsteuerdaten vorläufig zu errechnenden – Betrag an jenen Personenkreis zu versenden, der bislang noch keine Veranlagung beantragt habe. Die Befugnis des Beschwerdegegners zu dieser Vorgangsweise ergebe sich aus seiner Stellung als oberstes Verwaltungsorgan und Leiter des Finanzressorts. Als solchem komme ihm das Weisungs- (Art. 20 B-VG) und Aufsichtsrecht gegenüber den nachgeordneten Verwaltungsbehörden, Ämtern und sonstigen Verwaltungseinrichtungen zu. Unter jenen Sachgebieten, die gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 BMG iVm Teil 1 C Z 2 der Anlage dem Bundesministerium für Finanzen zur Besorgung zugewiesen seien, befinden sich die Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und Beiträge. Insofern sei der Beschwerdegegner auch berechtigt, eine mehrere Behörden seines Ressorts gleichermaßen betreffende Informationsinitiative zur Arbeitnehmerveranlagung anzuordnen und durchführen zu lassen. Zu den Agenden eines Bundesministers für Finanzen zähle auch die Information über den Ressortbereich (vgl. Teil 1 Z 10 der Anlage zu § 2 BMG). Dementsprechend gehöre es auch zu seinem Aufgabenbereich, über die in seinem Ressort durchgeführten Abgabenverfahren zu informieren, den Bürgern die Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen in Erinnerung zu rufen, und die dafür notwendigen Vorgehensweisen aufzuzeigen. Für die gewählte Vorgangsweise sprechen verwaltungsökonomische Gründe im Interesse der Rationalisierung, mit dem Ziel der Gewährleistung eines besseren Bürgerservices, sodass im Sinne von § 8 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 auch keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen verletzt wurden. Im Übrigen handle es sich bei der Information an die einzelnen Bürger über die Steuerguthaben um eine Datenweitergabe an die Betroffenen selbst, sodass in diesem Fall kein Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung bestehe.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, dass er die Lohnsteuergutschrift der Beschwerdeführerin für das Jahr 2007 ermitteln ließ.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Mit Schreiben vom 17. September 2008 richtete der Bundesminister für Finanzen folgendes auszugsweise wiedergegebenes Schreiben an die Beschwerdeführerin:
„****
......
Bundesminister für Finanzen
Bundesministerium für Finanzen
.......
Ihre Steuergutschrift 2007 ……
.....
Als Finanzminister danke ich Ihnen für den Beitrag den Sie zum
gesamten Steueraufkommen leisten. .....
Ich habe aber auch eine persönliche Nachricht für Sie: Ihr zuständiges Finanzamt hat aus den vorliegenden Informationen eine STEUERGUTSCHRIFT für das vergangene Jahr in Höhe von
EUR ***,**
für Sie errechnet. Dieses Geld steht Ihnen zu. Holen Sie es ab!
Wie Sie schnell zu Ihrem Geld kommen, lesen Sie bitte auf der Rückseite dieses Briefes. Sie sollen nicht mehr zahlen, als Sie müssen. Auch das gehört für mich zur Steuergerechtigkeit. Tausende Bürgerinnen und Bürger haben in den vergangenen Jahren im Wege der Arbeitnehmerveranlagung Ihre zu viel bezahlten Steuern zurückbekommen.
......“
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem unbestrittenen Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde sowie dem von ihr vorgelegten Schreiben des Beschwerdegegners vom 17. September 2008.
Die Berechnung der Steuergutschrift der Beschwerdeführerin für das Jahr 2007 erfolgte durch das zuständige Finanzamt der Beschwerdeführerin anhand der vorliegenden Lohnsteuerdaten über Weisung des Beschwerdegegners. Konkret beauftragte der Beschwerdegegner das zuständige Finanzamt, die Lohnsteuergutschrift von Personen, die für das Jahr 2007 noch keine Lohnsteuergutschrift beantragt haben, anhand der vorliegenden Lohnsteuerdaten zu berechnen, und diesen Betrag in das vorgefertigte Informationsschreiben des Beschwerdegegners im Wege der B*** als Dienstleister einzutragen.
Beweiswürdigung: Diese Feststellung ergibt sich aus dem unbestrittenen Vorbringen des Beschwerdegegners in seiner Stellungnahme vom 13. November 2008 sowie aus dem Schreiben vom 17. September 2008.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die hier wesentlichen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005 (DSG 2000), lauten auszugsweise:
„§ 1 (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
...
§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
Z 4 "Auftraggeber": natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen die Entscheidung getroffen haben, Daten für einen bestimmten Zweck zu verarbeiten ( Z 9 ), und zwar unabhängig davon, ob sie die Verarbeitung selbst durchführen oder hiezu einen anderen heranziehen. Als Auftraggeber gelten die genannten Personen, Personengemeinschaften und Einrichtungen auch dann, wenn sie einem anderen Daten zur Herstellung eines von ihnen aufgetragenen Werkes überlassen und der Auftragnehmer die Entscheidung trifft, diese Daten zu verarbeiten. Wurde jedoch dem Auftragnehmer anläßlich der Auftragserteilung die Verarbeitung der überlassenen Daten ausdrücklich untersagt oder hat der Auftragnehmer die Entscheidung über die Art und Weise der Verwendung, insbesondere die Vornahme einer Verarbeitung der überlassenen Daten, auf Grund von Rechtsvorschriften,Standesregeln oder Verhaltensregeln gemäß § 6 Abs. 4 eigenverantwortlich zu treffen, so gilt der mit der Herstellung des Werkes Betraute als datenschutzrechtlicher Auftraggeber;
§ 31
...
(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf
Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist.“
Art. 20 Abs. 1 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) lautet:
„Unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder führen nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe oder ernannte berufsmäßige Organe die Verwaltung. Sie sind, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt wird, an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich. Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Nach dem durch die Sachverhaltsfeststellungen nicht widerlegten Vorbringen des Beschwerdegegners, hat dieser die beschwerdegegenständlichen Daten nie zur Kenntnis erhalten und sie dadurch auch nicht in seine Verfügungsgewalt übernommen.
Die Daten wurden vielmehr von den örtlich zuständigen Finanzämtern aufgrund der Weisung des Beschwerdegegners errechnet und an die B***-GmbH (als Dienstleister des Finanzressorts) zum Zweck der Einfügung in einen Briefvordruck und Versendung an die Betroffenen weitergegeben. Die Datenschutzkommission geht angesichts dieses Sachverhaltes davon aus, dass Auftraggeber der beschwerdegegenständlichen Datenverwendung das für die Lohnsteuerberechnung örtlich und sachlich zuständige Finanzamt war. Dem liegen folgende rechtliche Erwägungen zugrunde:
In dem unbestrittenermaßen vorliegenden Auftrag des Bundesministers für Finanzen an die Finanzämter zur Durchführung der beschwerdegegenständlichen Aktion ist die Ausübung des sich aus Art. 20 Abs. 1 B-VG ergebenden Weisungsrechts des Bundesministers gegenüber den ihm unterstehenden Behörden zu sehen. Hiedurch wurden die Finanzämter angewiesen, Steuerdaten, für deren Verarbeitung sie zuständige Auftraggeber sind, in einer bestimmten Weise zu verwenden. Nach dem DSG 2000 führt nun der Ausspruch einer Weisung durch ein Organ einer Gebietskörperschaft an ein nachgeordnetes Organ, Daten in einer bestimmten Weise zu verwenden, nicht automatisch zum Übergang der Auftraggebereigenschaft vom angewiesenen Organ auf das anweisende Organ. Das Institut der Weisung hat nicht den Zweck, eine Aufgabe „an sich zu ziehen“, sondern den Zweck, dass eine Aufgabe vom nachgeordneten, angewiesenen Organ in einer bestimmten, durch die Weisung näher definierten Art und Weise erledigt werde. Wer im Bereich der öffentlichen Verwaltung rechtens als datenschutzrechtlicher Auftraggeber einer bestimmten Datenverwendung anzusehen ist, richtet sich nach der gesetzlichen Zuständigkeit zur Besorgung jener Aufgabe, für die die Datenverwendung erfolgen soll – die datenschutzrechtliche Befugnis zur Datenverwendung rekursiert somit auf das Legalitätsprinzip nach Art. 18 B-VG. Eine Weisung an eine untergeordnete Verwaltungsbehörde kann daher nicht zum Übergang der Auftraggebereigenschaft auf die anweisende Behörde führen, da dies den Übergang der gesetzlichen Zuständigkeit voraussetzen würde, was angesichts des Rechtes auf den gesetzlichen Richter und des damit korrespondierenden Prinzips der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung nicht denkbar ist.
Durch die Erteilung seiner Weisung konnte der Beschwerdegegner sohin nicht zum Auftraggeber der beschwerdegegenständlichen Datenverwendung werden. Als Auftraggeber hat nach wie vor das für die Lohnsteuerberechnung der Beschwerdeführerin zuständige Finanzamt zu gelten. Da die Datenschutzkommission im Beschwerdeverfahren nach § 31 Abs. 2 DSG 2000 die Handlungsweise von Auftraggebern zu beurteilen hat, und der Beschwerdegegner nicht Auftraggeber der beschwerdegegenständlichen Datenverwendung war, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
Es besteht für die Datenschutzkommission daher auch kein Anlass, in dieser Angelegenheit nach § 30 DSG 2000 weiter tätig zu werden bzw. bei der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde – wie von der Beschwerdeführerin angeregt – ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten.
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