JudikaturDSB

K120.950/0003-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
20. März 2009

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. STAUDIGL, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER sowie der Schriftführerin Mag. FRITZ in ihrer Sitzung vom 20. März 2009 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Anton F*** (Beschwerdeführer) aus Golling an der Salzach, vertreten durch die K*** T*** Rechtsanwaltspartnerschaft in V***, vom 9. März 2004 gegen die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge erkennungsdienstlicher Behandlung am 14. September 2003 wird im in Folge Teilaufhebung des Bescheids der Datenschutzkommission vom 1. März 2005, GZ: K120.950/0005- DSK/2005, durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. September 2008, Zl. 2005/06/0125-8, offenen Umfang entschieden:

- Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch die Verarbeitung (Ermittlung und Speicherung) seiner Lichtbilder und seiner Fingerabdrücke vom 14. September 2003 bis zu Löschung am oder kurz nach dem 20. Oktober 2004 in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.

Rechtsgrundlage : §§ 1 Abs. 1 und 2 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idF iVm §§ 16 Abs. 2, 65 Abs. 1 und 90 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF BGBl. I Nr. 104/2002.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass er im Zuge einer gegen ihn als Verdächtigen (Besitz einer geringen Menge an Cannabis/Haschisch, aufgefunden bei einer Fahrzeugkontrolle) durchgeführten Amtshandlung am 14. September 2003 von Beamten des Gendarmeriepostens Braunau am Inn erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 65 Abs 1 SPG hätten nicht vorgelegen, die Beamten hätten ihn aufgefordert, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen und dabei gemäß § 77 Abs 2 2. Satz SPG ohne Erlassung eines Bescheids Daten in Form von Lichtbildern und Fingerabdrücken (ein Vorbringen betreffend DNA-Daten wurde mit Äußerung vom 9. Juni 2004 als Irrtum zurückgezogen) ermittelt. Seiner Beschwerde ist zu entnehmen, dass er sich dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten sowie in seinem Recht auf Löschung unzulässig verarbeiteter Daten verletzt fühle, wobei diese Rechtsverletzungen der Beschwerdegegnerin als zuständiger Sicherheitsbehörde erster Instanz zuzurechnen seien. Ein Antrag auf Löschung gemäß § 74 Abs 1 SPG sei nicht gestellt worden, da dies nach dem Wortlaut des Gesetzes nur für Fälle vorgesehen sei, in denen ein vorliegender Verdacht im Nachhinein nicht bestätigt worden sei, in seinem Fall sei aber schon die Annahme, dass die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten zulässig sei, falsch gewesen. Er habe aber gleichzeitig ein Löschungsbegehren an die Sicherheitsdirektion für das Land Oberösterreich gerichtet. Der Beschwerdeführer beantragte, die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung und die Nichtlöschung der so erhobenen Daten für rechtswidrig zu erklären. Mit Eingabe vom 14. April 2004 teilte der Beschwerdeführer mit, dass die gegen ihn erstattete Strafanzeige durch den öffentlichen Ankläger (Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis, Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Braunau am Inn, AZ: ** BAZ *2*/03v) gemäß § 35 Abs 1 SMG vorläufig zurückgelegt worden sei.

Auf Vorhalt des Bescheides der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 20. Oktober 2004, AZ: II – **1/04, mit dem in Stattgebung eines Antrags des Beschwerdeführers die Löschung der erkennungsdienstlichen Daten angeordnet wurde, brachte der Beschwerdeführer vor, seine Beschwerde betreffe die Frage der Rechtmäßigkeit der Datenverwendung, daher halte er diese, wenn auch eingeschränkt auf eine behauptete Rechtsverletzung durch 'Nichtlöschen' (= Verwenden) vom 14. September 2003 (Zeitpunkt der Ermittlung) bis zum 20. Oktober 2004 (= Zeitpunkt der bescheidmäßigen Löschungsanordnung), aufrecht. Im Übrigen bekräftigte er ausdrücklich, dass er die Zuständigkeit der Datenschutzkommission für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ermittlung durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 31 Abs 2 DSG 2000 und § 90 SPG für gegeben erachte. Im Beschwerdefall sei weder unmittelbare Zwangsgewalt tatsächlich ausgeübt noch angedroht worden. Der Beschwerdeführer habe die Datenermittlung vielmehr über Verlangen der Beamten 'aufgrund der den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eigenen Autorität' geduldet.

Die Beschwerdegegnerin brachte, von der Datenschutzkommission dazu aufgefordert, in ihrer

Stellungnahme vom 17. Mai 2004, Aktenzeichen: Sich***-2004-Ga,

Folgendes vor: Der Sachverhalt, wie vom Beschwerdeführer ausgeführt, werde inhaltlich im Wesentlichen bestätigt. Gemäß § 65 Abs. 1 SPG seien die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der unter dem Verdacht einer mit Strafe bedrohten Handlung stehe (u.a.) dann erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn dies auf Grund der Person des Verdächtigen und der Umstände notwendig erscheine, um ihn von weiteren gefährlichen Angriffen abzuhalten. Der Beschwerdeführer sei (wörtlich) 'im Zuge seiner Anhaltung' beim Gendarmeriepostenkommando Braunau einer Aufforderung zur erkennungsdienstlichen Behandlung freiwillig nachgekommen. Da der Beschwerdeführer im Zuge seiner Ersteinvernahme durch die Gendarmerie angegeben habe, zwar das Suchtmittel erworben und besessen aber nicht konsumiert zu haben, sei die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten erforderlich gewesen, um gefährlichen Angriffen wie der Weitergabe von Suchtmitteln oder Beschaffungskriminalität jeglicher Art vorzubeugen. Die Beschwerdegegnerin beantragte so die Abweisung der Beschwerde.

Mit Bescheid vom 1. März 2005, GZ: K120.950/0005-DSK/2005, hat die Datenschutzkommission die Beschwerde zur Gänze abgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) war teilweise erfolgreich. Mit Erkenntnis vom 9. September 2008, Zl. 2005/06/0125-8, hat der VwGH den Bescheid „im Umfang seines Ausspruchs über die behauptete Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung (erkennungsdienstliche Behandlung) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben“, die Beschwerde im Übrigen jedoch als unbegründet abgewiesen. In seiner Begründung führt der VwGH aus, die Datenschutzkommission habe sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob die erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG idF BGBl. I Nr. 104/2002 notwendig gewesen sei, um den Beschwerdeführer von weiteren gefährlichen Angriffen abzuhalten. Aus Sicht des Höchstgerichtes führe der festgestellte Sachverhalt vielmehr zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen zur Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung mangels fallbezogener Prognose nicht als gegeben erachtet werden durften (VwGH-Erkenntnis, Seite 16).

Im fortgesetzten Verfahren teilte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 15. Dezember 2008, GZ: Sich***-2008-Ga, mit, dass gegenüber dem teilweise aufgehobenen (Erst ) Bescheid keine Änderung der Sachlage eingetreten sei und bereits alle Verfahrensakten der Datenschutzkommission vorliegen würden.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass (wiederum offener) Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, am 14. September 2003 die erkennungsdienstlichen Daten (Fingerabdrücke, Lichtbilder) des Beschwerdeführers zu ermitteln.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer geriet am 14. September 2003 in den frühen Morgenstunden anlässlich einer Fahrzeugkontrolle in Braunau am Inn, bei der durch Beamte des Gendarmeriepostens Braunau am Inn eine geringe Menge an Suchtgift bei ihm bzw. in seinem Fahrzeug gefunden wurde (weniger als 10 Gramm Cannabisharz/Haschisch sowie 'Suchtgiftutensilien' mit entsprechenden Spuren), unter den Verdacht, das Vergehen nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl I Nr 112/1997 idF BGBl I Nr 134/2002 (Erwerb, Besitz und Einfuhr von Suchtgift in kleiner Menge) begangen zu haben. Ohne dass ein richterlicher Haftbefehl vorlag oder seine Verhaftung aus einem der sonstigen Gründe gemäß StPO oder VStG förmlich ausgesprochen wurde, wurde der Beschwerdeführer von den Gendarmeriebeamten aufgefordert, zwecks Aufnahme seiner Personalien und Einvernahme als Verdächtiger zum Gendarmerieposten Braunau am Inn mitzukommen. Dort wurde eine Reihe von Daten des Beschwerdeführers (Ausfüllen des standardisierten 'Personalblatts' sowie des 'Meldeformulars zum Auswertungsblatt für Suchtmittel und Vorläuferstoffe') ermittelt. Weiters wurde der Beschwerdeführer nach entsprechender Aufforderung durch Anfertigung von Lichtbildern und Abnahme eines Zehnfingerabdrucks erkennungsdienstlich behandelt und niederschriftlich einvernommen. Er gab an, das Suchtgift aus Neugier, und weil es ihm angeboten worden sei, etwa einen Monat zuvor in Salzburg entgeltlich erworben aber nichts davon konsumiert oder an andere weiter gegeben zu haben. Unmittelbar vor seiner Betretung mit dem Suchtgift habe er sich einige Stunden in Simbach am Inn (Deutschland) aufgehalten und dabei die deutsch-österreichische Staatsgrenze (Binnengrenze) überschritten. Zum Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung des Beschwerdeführers waren keinerlei Ermittlungsergebnisse im Hinblick auf eine besondere Gefährlichkeit des Beschwerdeführers (wie: einschlägige Vorstrafen oder Vormerkungen im kriminalpolizeilichen Aktenindex) aktenkundig.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf die vorliegenden Kopien aus dem Akteninhalt des Aktes GZ: B1/3***/03 des Gendarmeriepostens Braunau am Inn, insbesondere das Personalblatt und die Niederschrift. Dass der Beschwerdeführer nicht förmlich in Haft genommen wurde, ergibt sich daraus, dass in diesem Gendarmerieakt weder ein Haftbefehl einliegt noch auf den entsprechenden Urkunden (insbesondere dem Personalblatt) der Vermerk 'Haft' samt Dauer oder die vorgesehene Angabe einer entsprechenden Rechtsgrundlage angebracht ist. Auf dem 'Meldeformular zum Auswertungsblatt für Suchtmittel und Vorläuferstoffe' ist in der Rubrik 'Verwahrungshaft' sogar ausdrücklich 'nein' eingetragen. Da auch keine entsprechende Behauptung des Beschwerdeführers vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht förmlich verhaftet oder festgenommen wurde. Dem Personalblatt war keinerlei Strafregisterauskunft beigeheftet (jedenfalls liegt eine solche der Datenschutzkommission nicht vor), der entsprechende Eintrag betreffend „Vormerkungen (Ausschreibungen)“ lautet ausdrücklich: keine.

Die anlässlich der erkennungsdienstlichen Behandlung ermittelten Daten des Beschwerdeführers wurden auf Grund des Bescheids der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 20. Oktober 2004, AZ: II – **1/04 gelöscht.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem zitierten Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich, der der Datenschutzkommission zu GZ: K120.950/0002-DSK/2005 in Kopie vorliegt.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

§ 16 Abs. 2 SPG idF BGBl. I Nr. 85/2000 lautete unter der Überschrift „Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;

Gefahrenerforschung“:

§ 16 . (1) [...]

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

Nr. 112/1997,

handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.“

§ 65 SPG idF BGBl. I Nr. 104/2002 lautete unter der Überschrift „Erkennungsdienstliche Behandlung“:

§ 65 . (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.

(2) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines bestimmten gefährlichen Angriffes Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn diese nicht im Verdacht stehen, den gefährlichen Angriff begangen zu haben, aber Gelegenheit hatten, Spuren zu hinterlassen, soweit dies zur Auswertung vorhandener Spuren notwendig ist.

(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, deren Identität gemäß § 35 Abs. 1 Z 3 festgestellt werden muß und die über ihre Identität keine ausreichenden Aussagen machen wollen oder können, sofern eine Anknüpfung an andere Umstände nicht möglich ist oder unverhältnismäßig wäre.

(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.

(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des § 75 Abs. 1 letzter Satz ist der Betroffene über die Verarbeitung seiner Daten in einer den Umständen entsprechenden Weise in Kenntnis zu setzen.

(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Namen der Eltern, Ausstellungsbehörde, Ausstellungsdatum und Nummer mitgeführter Dokumente, allfällige Hinweise über die Gefährlichkeit beim Einschreiten einschließlich sensibler Daten, soweit deren Verwendung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen anderer notwendig ist und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.“

§ 90 SPG lautet unter der Überschrift „Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über den Datenschutz“:

§ 90 . Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“

§ 27 Abs. 1 SMG idF BGBl. I Nr. 134/2002 lautete unter der Überschrift „Gerichtliche Strafbestimmungen für Suchtgifte“

§ 27 . (1) Wer den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift erwirbt, besitzt, erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen überläßt oder verschafft, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

a) zur Zuständigkeitsfrage

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018) wurde ermittelt, ob gegen den Beschwerdeführer anlässlich der Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt oder ihm die Ausübung solcher zumindest angedroht worden ist. Diesbezüglich liegt kein Vorbringen und kein in diese Richtung deutendes Ermittlungsergebnis vor. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission, über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, ist daher gemäß § 90 SPG gegeben.

b) in der Sache selbst

Im Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, fasst der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung von § 65 Abs 1 SPG folgendermaßen zusammen:

„Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs 1 SPG in der Fassung der SPG-Novelle 2002 ist es erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen wird. Dabei hat sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl 2002/01/0320). Im Rahmen dieser so anzustellenden Überlegungen wird es - wie der neue Wortlaut des § 65 Abs 1 SPG ausdrücklich klarstellt - immer auch auf die Art des Deliktes, dessen der Betroffene verdächtig ist, ankommen. Dass (auch) die aktuelle Textierung des § 65 SPG eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbietet, steht insoweit mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle 2002 (1138 BlgNR 21. GP 33) im Einklang, als dort neben der Art des begangenen Delikts die konkreten Umstände bei der Tatbegehung als Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe als Parameter genannt werden.“

Wie aus der Betonung des Begriffs der „Prognose“ und des Zeitpunktes in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu folgern ist (vgl. etwa VwSlg 14879 A/1998, wo auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbildes einer gerichtlich strafbaren Handlung abgestellt ist, für den die Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zu beurteilen ist), muss vom Stand des Sachverhalts und vom zur Verfügung stehenden Wissen über den Beschwerdeführer im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgegangen werden, um die Voraussetzungen für diese faktische Amtshandlung zu beurteilen. Weiters kommt es auf die sich in der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes manifestierende Gefährlichkeit der betreffenden Person an, während weitere Voraussetzungen der gerichtlichen Strafbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (VwSlg 14879 A/1998).

Im Beschwerdefall stand im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung lediglich fest, dass der Beschwerdeführer begründet des Erwerbes, des Besitzes und der Einfuhr eines Suchtgiftes in geringer Menge verdächtigt wurde.

Wegen des Grenzübertritts (= Einfuhr) kam dem Beschwerdeführer dabei zwar nicht das Privileg gemäß § 16 Abs. 2 letzter Halbsatz SMG (Erwerb und Besitz eines Suchtmittels in geringer Menge für den Eigengebrauch) zugute – das heißt, er war eines gefährlichen Angriffs verdächtig, jedoch hat der VwGH, für die Datenschutzkommission gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bindend, bereits in seinem vorliegenden Erkenntnis vom 9. September 2008, Zl. 2005/06/0125-8, aus dem Sachverhalt den Schluss gezogen, dass im Beschwerdefall keine individuelle, fallbezogene Prognose, der Beschwerdeführer müsse durch die sicherheitspolizeiliche Ermittlung und Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten von weiteren gefährlichen Angriffen abgehalten werden, zulässig war:

„Im vorliegenden Fall hat sich aber weder die BH Braunau noch die belangte Behörde mit der Frage auseinander gesetzt, ob diese Voraussetzungen gegeben waren. Die erkennungsdienstliche Behandlung erweist sich hier nach § 65 Abs. 1 SPG als nicht zulässig. Gemäß § 16 Abs. 2 Z. 3 SPG ist ein gefährlicher Angriff die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand nach dem Suchtmittelgesetz handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchmittels zum eigenen Gebrauch. Bei seiner polizeilichen Einvernahme im Rahmen der am 14. September 2004 durchgeführten Amtshandlung hat der Beschwerdeführer angegeben, die geringe Menge an Suchtmittel zwar erworben und eingeführt, diese aber bisher nicht konsumiert zu haben. Anhaltspunkte für eine Weitergabe des Suchtmittels oder Beschaffungskriminalität "jeglicher Art", wie von der BH Braunau am Inn angenommen, wurden von dieser in keiner Form konkretisiert. So wurde in der Folge auch die Anzeige gegen den Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft gemäß § 35 SMG, was nur im Fall des Erwerbs oder Besitzes einer geringen Menge Suchtmittel zum eigenen Gebrauch möglich ist, zurückgelegt. Bei dieser Sachlage durften die Voraussetzungen zur Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung mangels fallbezogener Prognose daher nicht als gegeben erachtet werden. “

Der Sachverhalt ist gegenüber dem ersten Rechtsgang unverändert geblieben, lediglich einige Details wurden zur Verdeutlichung ergänzt.

Somit hat die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten spruchgemäß in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt.

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