JudikaturDSB

K121.404/0010-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2008

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Dr. BLAHA, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. STAUDIGL und Mag. HEILEGGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 05. Dezember 2008 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Peter Z*** in Wien (Beschwerdeführer) vom 24. Juni 2008 gegen die H*** GmbH in I*** (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Auskunft wird entschieden:

Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 3 Z 1, §§ 26, 29 und 31 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF.

B e g r ü n d u n g :

A. Vorbringen der Parteien

1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Auskunft dadurch, dass die Beschwerdegegnerin seinem Begehren vom 28. Mai 2008 auf Auskunft von Daten zu seiner Person aus der Datenanwendung „Videoüberwachung“ nicht entsprochen habe. Die Daten seien zwar (im Gegensatz zu seiner ersten Anfrage vom 15. Mai 2008, in deren Folge die Daten gelöscht worden seien) gesondert gespeichert und durchgesehen worden, allerdings nicht an ihn weitergeleitet worden, dies mit unterschiedlichen Begründungen (keine Beauskunftung von Bildern, Rechte Dritter verletzt, Mitwirkungspflicht). Für die reine „Beschreibung“ seines Verhaltens auf den Bildern fehle jede Rechtsgrundlage.

2. Die damit konfrontierte Beschwerdegegnerin brachte vor, dem Beschwerdeführer sei ordnungsgemäß Auskunft erteilt worden, indem ihm sein auf der Aufzeichnung zu sehendes Verhalten beschrieben worden sei. Diese schriftliche Auskunft entspricht jedenfalls der gesetzlichen Bestimmung des § 26 Abs. 1 DSG 2000. Weder in Gesetz noch Literatur finde sich eine Pflicht des Auftraggebers zur Herausgabe der Videoaufzeichnungen.

Diese sei aus zwei Gründen verweigert worden: einerseits seien auch andere Betroffene auf den Bildaufzeichnungen, andererseits habe die Mitwirkungsobliegenheit des Betroffenen gemäß § 26 Abs. 3 DSG 2000 den Zweck, ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Aufwand beim Auftraggeber zu vermeiden. Hier seien für Speicherung und Sicherung der Daten bereits 648,-- Euro angefallen. Die – technisch aufwändige und kostspielige – „Filterung“ der Daten stünde in keinem Verhältnis zum Ergebnis der Auskunftserteilung.

3. Im Parteiengehör bestand der Beschwerdeführer weiter auf der Herausgabe der Daten, bemängelte das Kostenargument der Beschwerdegegnerin und gab an, seiner „Mitwirkungspflicht“ nachgekommen zu sein. Auf Videobildern erkennbare Dritte müssten zweifellos unkenntlich gemacht werden, was einfach zu bewerkstelligen sei. Es könne aber nicht angehen, dass die Rechte einzelner geschmälert werden je mehr Personen überwacht werden.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin einer allenfalls bestehenden Pflicht zur Auskunftserteilung gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 iVm § 26 DSG 2000 aufgrund des Begehrens des Beschwerdeführers vom 28. Mai 2008 rechtmäßig nachgekommen ist. Sein – zeitlich erstes – Begehren vom 15. Mai 2008 an die Beschwerdegegnerin ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens, da dazu keine Beschwerdepunkte vorliegen.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer wurde am 28. Mai 2008 um 19:19 Uhr in der von der Beschwerdegegnerin betriebenen H***-Filiale, ***straße, **** M***, von der dort installierten Videoüberwachungsanlage (DVR ***, Datenanwendung Nr. ***) erfasst.

Er stellte am selben Tag folgendes Auskunftsbegehren an die Beschwerdegegnerin:

„Anfrage nach Auskunft gemäß DSG 2000 (§§ 1, 26 u. a.)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich wurde heute von Ihrer Datenanwendung „Videoüberwachung“ erfasst und fordere als Betroffener daher folgende Informationen von Ihnen:

Ich bitte Sie mir besagte Informationen an obige Adresse zuzusenden. Eine solche Auskunft hat einmal pro Jahr kostenlos zu erfolgen.

Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass nach einem Auskunftsbegehren ein löschen der Daten innerhalb von 4 Monaten verboten ist (§ 26 Abs. 7). Würden Sie die Daten einer automatischen Löschung nach einer gewissen Zeit aussetzen kommt diese einer solchen Löschung gleich, da damit die Beweise für eine eventuelle Beschwerde vernichtet wären.

Meiner Mitwirkungspflicht sowie dem Nachweis meiner Identität komme ich mit den Informationen im Anhang nach.

Mit freundlichen Grüßen

[Unterschrift]“

Im Anhang zum Auskunftsbegehren machte er Angaben zur Aufenthaltszeit (inkl. Kaufbelegskopie), Beschreibung seines Tuns im Überwachungsbereich sowie zu seinem Aussehen (inkl. Kleidung, Haarfarbe und Körpergröße); eine Lichtbildausweiskopie diente als Identitätsnachweis. Zur Einholung weiterer Infos bei ihm gab er weiters eine Mailadresse bekannt.

Die Beschwerdegegnerin erteilt mit Schreiben vom 4. Juni 2008 folgende (wesentliche) Auskunft:

„…

Wie bereits mitgeteilt, ist unsere Videoüberwachung bei der Österreichischen Datenschutzkommission zur DVR-Nummer *** registriert.

Aufgrund zunehmender Schäden durch Vandalismusakte im Innern- und Außenbereich unserer Restaurants wurde zu Zwecken des Eigentumsschutzes bzw. zum Zwecke der Vorbeugung strafrechtsrelevanter Tatbestände eine Videoüberwachung unter anderem im gegenständlichen Restaurant in der ***straße installiert.

Die von der Videoüberwachung aufgezeichneten Daten befinden sich auf der Festplatte des Computers und werden einer automatischen Löschung zugeführt. Eine Speicherung auf CD oder DVD erfolgt nicht.

Die verarbeiteten Daten werden an keine Empfängerkreise oder sonst Dritten übermittelt. Davon ausgenommen ist der speziell definierte Anlassfall eines Einbruchs oder eines Vandalismusaktes und werden Daten eines solchen „Ausnahmefalles“ ausschließlich an die Sicherheitsbehörden (in weiterer Folge Staatsanwaltschaft bzw. Gericht) zur Beweismittellieferung und Strafrechtsverfolgung übermittelt. Eine Auswertung erfolgt daher ausschließlich in einem definierten Anlassfall bzw. im gegenständlichen Fall Ihrer Anfrage. Die betreffenden Daten (Ihr Restaurantbesuch am 28.05.2008 um ca. 19:17 Uhr) wurden nunmehr auf einer DVD gespeichert.

Zu den Rechtsgrundlagen verweisen wir auf §§ 353 ff ABGB und führen dazu aus, dass die H*** GmbH als Betreiberin ihrer Restaurants ein absolutes Recht darauf hat, dass ihr Eigentum von Dritten weder verletzt noch zerstört wird.

Hinsichtlich einer inhaltlichen Auskunft dürfen wir auf Ihre Schilderung des Besuches hinweisen und ist auf den gespeicherten Daten ersichtlich, dass Sie um ca. 19:17 Uhr in [unsere Filiale] kommen und sich am Counter anstellen. Es ist weiters ersichtlich, dass Sie an der Kasse ganz links bedient werden. Schließlich kann man erkennen, dass Sie zur Stiege zu den Toiletten hinuntergehen und dann [unsere Filiale] verlassen.

…“

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde und den Beilagen dazu.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG 2000 lautet:

„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen.

1. das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden;

2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.

(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs. 3 sind nur unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig.

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“

§ 26 DSG 2000 ist als einfachgesetzliche Ausführungsbestimmung zu § 1 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 („nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen“) Anspruchsgrundlage für das individuelle Recht auf Auskunft über eigene Daten. Er lautet hier wesentlich wie folgt:

„Auskunftsrecht

§ 26. (1) Der Auftraggeber hat dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person verarbeiteten Daten zu geben, wenn der Betroffene dies schriftlich verlangt und seine Identität in geeigneter Form nachweist. Mit Zustimmung des Auftraggebers kann das Auskunftsbegehren auch mündlich gestellt werden. Die Auskunft hat die verarbeiteten Daten, die verfügbaren Informationen über ihre Herkunft, allfällige Empfänger oder Empfängerkreise von Übermittlungen, den Zweck der Datenverwendung sowie die Rechtsgrundlagen hiefür in allgemein verständlicher Form anzuführen. Auf Verlangen des Betroffenen sind auch Namen und Adresse von Dienstleistern bekannt zu geben, falls sie mit der Verarbeitung seiner Daten beauftragt sind. Mit Zustimmung des Betroffenen kann anstelle der schriftlichen Auskunft auch eine mündliche Auskunft mit der Möglichkeit der Einsichtnahme und der Abschrift oder Ablichtung gegeben werden.

(2) Die Auskunft ist nicht zu erteilen, soweit dies zum Schutz des Betroffenen aus besonderen Gründen notwendig ist oder soweit überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten, insbesondere auch überwiegende öffentliche Interessen, der Auskunftserteilung entgegenstehen.

Überwiegende öffentliche Interessen können sich hiebei aus der Notwendigkeit

1. des Schutzes der verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich oder

2. der Sicherung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres oder

3. der Sicherung der Interessen der umfassenden Landesverteidigung oder

4. des Schutzes wichtiger außenpolitischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Interessen der Republik Österreich oder der Europäischen Union oder

5. der Vorbeugung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten ergeben. Die Zulässigkeit der Auskunftsverweigerung aus den Gründen der Z 1 bis 5 unterliegt der Kontrolle durch die Datenschutzkommission nach § 30 Abs. 3 und dem besonderen Beschwerdeverfahren vor der Datenschutzkommission gemäß § 31 Abs. 4.

(3) Der Betroffene hat am Auskunftsverfahren über Befragung in dem ihm zumutbaren Ausmaß mitzuwirken, um ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Aufwand beim Auftraggeber zu vermeiden.

(4) Innerhalb von acht Wochen nach Einlangen des Begehrens ist die Auskunft zu erteilen oder schriftlich zu begründen, warum sie nicht oder nicht vollständig erteilt wird. Von der Erteilung der Auskunft kann auch deshalb abgesehen werden, weil der Betroffene am Verfahren nicht gemäß Abs. 3 mitgewirkt oder weil er den Kostenersatz nicht geleistet hat.

(5) In jenen Bereichen der Vollziehung, die mit der Wahrnehmung der in Abs. 2 Z 1 bis 5 bezeichneten Aufgaben betraut sind, ist, soweit dies zum Schutz jener öffentlichen Interessen notwendig ist, die eine Auskunftsverweigerung erfordert, folgendermaßen vorzugehen: Es ist in allen Fällen, in welchen keine Auskunft erteilt wird - also auch weil tatsächlich keine Daten verwendet werden -, anstelle einer inhaltlichen Begründung der Hinweis zu geben, daß keine der Auskunftspflicht unterliegenden Daten über den Betroffenen verwendet werden. Die Zulässigkeit dieser Vorgangsweise unterliegt der Kontrolle durch die Datenschutzkommission nach § 30 Abs. 3 und dem besonderen Beschwerdeverfahren vor der Datenschutzkommission nach § 31 Abs. 4.

(6) Die Auskunft ist unentgeltlich zu erteilen, wenn sie den aktuellen Datenbestand einer Datenanwendung betrifft und wenn der Betroffene im laufenden Jahr noch kein Auskunftsersuchen an den Auftraggeber zum selben Aufgabengebiet gestellt hat. In allen anderen Fällen kann ein pauschalierter Kostenersatz von 18,89 Euro verlangt werden, von dem wegen tatsächlich erwachsender höherer Kosten abgewichen werden darf. Ein etwa geleisteter Kostenersatz ist ungeachtet allfälliger Schadenersatzansprüche zurückzuerstatten, wenn Daten rechtswidrig verwendet wurden oder wenn die Auskunft sonst zu einer Richtigstellung geführt hat.

(7) Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von einem Auskunftsverlangen darf der Auftraggeber Daten über den Betroffenen innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten und im Falle der Erhebung einer Beschwerde gemäß § 31 an die Datenschutzkommission bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens nicht vernichten. …“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde ausschließlich gegen die Auskunft der Daten selbst. Übermittlungsempfänger, Zweck und Rechtsgrundlagen scheinen dementsprechend zu seiner Zufriedenheit beantwortet.

Hinsichtlich der Daten selbst hat die Beschwerdegegnerin inhaltlich Auskunft erteilt, indem sie nach Identitätsprüfung das Verhalten des Beschwerdeführers auf den Bilddaten beschrieben hat.

Ob diese inhaltliche Auskunft ausreichend iSd § 26 Abs. 1 DSG 2000 ist, braucht nur beantwortet zu werden, wenn überhaupt ein Auskunftsrecht besteht. Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Videoaufzeichnungen enthalten zunächst Daten über Personen, welchen vom Auftraggeber noch keine Identität (im Sinne eines bestimmten Namens, Geburtsdatums, etc.) zugeordnet ist. Es handelt sich um nur „bestimm bare “ Daten im Sinne des § 4 Z 1 erster Satz DSG 2000.

Hinzu kommt ein weiteres besonderes und datenschutzrechtlich äußerst relevantes Element: Solange der Auftraggeber die Videoaufzeichnungen nicht ausgewertet hat, kennt er nicht einmal die nur „bestimmbaren“ Daten – er hat sie zwar ermittelt und speichert sie in seinem „Herrschaftsbereich“ und ist daher Auftraggeber iSd § 4 Z 4 DSG 2000, darf jedoch regelmäßig von ihnen keine Kenntnis nehmen, es sei denn, dass ein Auswertungsanlass tatsächlich eingetreten ist, der im Registrierungsverfahren als Fall des Vorliegens eines überwiegenden berechtigten Auswertungsinteresses anerkannt wurde.

Dies ist eine außergewöhnliche Fallkonstellation, die von dem Normalfall der gemäß § 26 Abs. 1 zu beauskunftenden Datenanwendungen wesentlich verschieden ist: Der Auftraggeber einer Videoaufzeichnung weiß nicht, „zu wessen Person“ Daten gespeichert sind, und darf es auch – außer im Auswertungsanlassfall – nicht in Erfahrung bringen. Dieses Verbot steht im Konflikt zur Auskunftserteilung, da diese eine Durchsuchung der Aufzeichnungen voraussetzt, ohne dass der als „vorrangig“ anerkannte Anlass vorliegt.

Der Gesetzgeber hat in einem anderem Zusammenhang, in dem die Identität der von seiner Datenanwendung Betroffenen dem Auftraggeber ebenfalls unbekannt ist und auch nicht in Erfahrung gebracht werden darf, das Bestehen eines Auskunftsrechts verneint, und zwar im Zusammenhang mit indirekt personenbezogenen Daten (§ 4 Z 1 zweiter Satz DSG 2000). Indirekt personenbezogene Daten sind eine spezielle Art „bestimmbarer Daten“, bei welchen anstelle der Identifikation ein dem Auftraggeber unbekanntes Pseudonym verwendet wird und jeder Versuch einer Identifikation verboten ist. Dieses Verbot ist eine besondere Schutzmaßnahme für die Betroffenen, deren Verletzung unter Strafe gestellt ist. Den Auftraggeber durch ein Auskunftsersuchen zu zwingen, entgegen dem Sinn der Verwendung indirekt personenbezogener Daten zu versuchen – insbesondere durch Kontaktnahme mit jenem Auftraggeber, der die Daten in direkt personenbezogener Form (mit Namen) hat - einen Datensatz einem namentlich bestimmten Betroffenen zuzuordnen und dadurch das zum Schutz des Betroffenen bestehende Identifizierungsverbot zu unterlaufen, wurde vom Gesetzgeber als so widersinnig angesehen, dass er das Bestehen eines Auskunftsrechts ausdrücklich verneint hat (siehe § 29 DSG 2000).

Die Datenschutzkommission ist der Auffassung, dass das Bestehen eines Auskunftsrechts aus nicht ausgewerteten Videoaufzeichnungen in gleicher Weise zu beurteilen ist wie dies § 29 DSG 2000 für indirekt personenbezogene Daten vornimmt:

Videoüberwachung als systematische Speicherung von Daten über Betroffene, die in einer weit überwiegenden Zahl der Fälle keinen Anlass zur Ermittlung ihrer Daten gegeben haben, da sie kein rechtswidriges Verhalten gesetzt haben, kann überhaupt nur dann als datenschutzrechtlich „erträglich“ angesehen werden, wenn gesichert ist, dass die ermittelten Daten nur ausnahmsweise benutzt und damit im Normalfall der Kenntnisnahme durch den Auftraggeber durch Auswertung der Daten nicht zugänglich gemacht werden. Das wesentlichste Schutzelement für die von einer Videoüberwachung Betroffenen liegt also darin, dass die Überwachungsdaten möglichst bald wieder gelöscht werden und im Übrigen eine Auswertung nur in jenen relativ seltenen Fällen stattfindet, die als Anlass der Auswertung von vornherein definiert und im Zuge des Registrierungsverfahrens als „überwiegend“ gegenüber den Datenschutzinteressen allfälliger Betroffener zugelassen wurden.

Es besteht somit – so wie bei der Verwendung indirekt personenbezogener Daten – ein Verbot der Identifizierung (hier: außerhalb des Auswertungsanlassfalls), das essentiell für die Zulässigkeit der Verwendung derartiger Daten ist. Ohne dieses Verbot wäre weder die Verwendung von indirekt personenbezogenen Daten noch die Vornahme von Videoüberwachung mit dem Grundrecht auf Datenschutz überhaupt vereinbar.

Angesichts dieses Verbotes, das den wichtigsten Schutz gegen den durch Videoüberwachung bewirkten erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz aller Betroffenen darstellt, wäre es widersinnig anzunehmen, dass der Auftraggeber einer Videoüberwachung durch ein Auskunftsbegehren zur Umgehung seiner Verpflichtung, keine Identifizierung der gefilmten Personen vorzunehmen bzw. zu versuchen, gezwungen sein sollte. Das Bestehen einer Pflicht zur Auskunftserteilung würde in diesem Fall einen Wertungswiderspruch offenlegen, der dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann – und zwar umso mehr, als er in dem nicht unähnlich gelagerten Fall der indirekt personenbezogenen Daten diesen Widerspruch dadurch ausdrücklich ausgeschlossen hat, dass er das Bestehen eines Auskunftsrechts verneint hat.

Hinzu kommt im Fall der Videoaufzeichnungen, dass die Annahme des Bestehens eines Auskunftsrechts aus nicht ausgewerteten Videoaufzeichnungen die Datenschutzrechte der übrigen Personen, die von der Aufzeichnung betroffen sind, unverhältnismäßig beeinträchtigen würde:

Bei einer Auskunft darüber, ob der Auskunftswerber Gegenstand von bestimmten Videoaufzeichnungen ist, kommt es zwar nicht notwendig zur Identifizierung aller Personen, die auf den Videobildern zu sehen sind, doch kann es zu Zufallserkennungen und Zufallsfunden kommen, die bei einer Beschränkung der Bildauswertung auf die im Rahmen des Überwachungszwecks definierten Anlassfälle nicht erfolgt wären, da ein „Anlassfall“ innerhalb der jeweiligen Löschfrist vielleicht nicht aufgetreten wäre. D. h., dass die Auswertung des Bildmaterials für Zwecke der Auskunftserteilung eine datenschutzrechtliche „Gefahr“ für alle in den Aufzeichnungen enthaltenen Personen darstellt, weil ihre Verhaltensweise erst durch die Auswertung der Videoaufzeichnungen dem Auftraggeber bekannt wird.

Der Beschwerdeführer hat das Argument des Beschwerdegegners, dass im vorliegenden Fall insbesondere auch Geheimhaltungsrechte anderer zu berücksichtigen seien, als lächerlich bezeichnet, da die ihm zu übermittelnden Videoaufzeichnungen ja derart bearbeitet werden könnten, dass etwa die Gesichter anderer Fahrgäste nicht erkennbar sind. Der Beschwerdeführer übersieht dabei aber, dass es nicht nur darum geht, ob er Daten über andere Betroffene zur Kenntnis bekommt, sondern v.a. auch darum, dass erst durch die Auswertung für Zwecke der Auskunftserteilung der Auftraggeber die Daten der anderen Betroffenen „zur Kenntnis bekommt“, da die Daten erstmals bei der Auswertung von einem Menschen (dem Organ des Auftraggebers) eingesehen werden – bis dahin sind sie dem Auftraggeber nur potentiell, nicht aber tatsächlich bekannt. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall bei Annahme des Bestehens eines Auskunftsrechts durch die Beantwortung des Auskunftsbegehrens alle Betroffenen – einschließlich des Auskunftswerbers! – der Löschung der Daten nach 48 Stunden verlustig gegangen wären, obwohl die Löschung vor jeder Auswertung bei der Videoüberwachung die beste Gewähr zur Effektuierung von Geheimhaltungsrechten ist.

Anders als im Hinblick auf Daten, die nach einer Auswertung von Videoaufzeichnungen beim Auftraggeber gespeichert sind, ist zusammenfassend festzuhalten, dass im vorliegenden Fall, – in dem die beschwerdegegenständlichen Daten vor ihrer Löschung keiner Auswertung unterzogen wurden, sodass der Auftraggeber von den aufgezeichneten Daten tatsächlich keine Kenntnis erlangte, – ein Auskunftsrecht des Beschwerdeführers nicht entstanden ist, sodass er durch die zwar dennoch durch Beschreibung seines Verhaltens erteilte Auskunft in seinem Recht auf Auskunft nicht verletzt sein konnte. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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