K121.420/0007-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. ZIMMER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. HUTTERER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 22. Oktober 2008 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Dieter D*** (Beschwerdeführer) aus L*** vom 10. August 2008 gegen die Datenschutzkommission (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten im Verlauf der Einvernahme der Zeugin Ulrike U*** am 23. Juli 2008 durch das Geschäftsführende Mitglied (Niederschrift GZ: K121.373/0033- DSK/2008) wird gemäß § 1 Abs. 1 und 2, 4 Z 2, 7 Abs. 1 und 3, 9 Z 3 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF iVm §§ 37 und 14 Abs. 6 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, entschieden:
- Die Beschwerde wird abgewiesen.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde (bezeichnet als „Anzeige wegen § 31 Geheimhaltung Datenschutzgesetz“) vom 10. August 2008 (bei der Datenschutzkommission eingegangen am 11. August 2008) eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass Frau Dr. Waltraut Kotschy, geschäftsführendes Mitglied der Datenschutzkommission, am 23. Juli 2008 in Anwesenheit der Sachbearbeiterin Mag. Caroline Fritz, während der Einvernahme der Zeugin Ulrike U*** dieser mitgeteilt hätte, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1994 bei einem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe.
Weiters hätte sie der Zeugin in Verletzung seines Rechts auf Geheimhaltung eine Abschrift der über ihre Aussage aufgenommenen Niederschrift ausgefolgt.
Der Beschwerdeführer hat keine präzisen Anträge an die Datenschutzkommission gestellt, begehrt aber schlüssig eine bescheidmäßige Absprache über die behauptete Verletzung seines Geheimhaltungsrechts (arg: Bezugnahme auf § 31 DSG 2000) bzw. die strafrechtliche Verfolgung der auf Seiten der Datenschutzkommission beteiligten Organwalterinnen (arg: „Anzeige“).
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Handlungen der beteiligten Personen der Datenschutzkommission zuzurechnen sind, und ob diesfalls die Datenschutzkommission das Geheimhaltungsrecht des Beschwerdeführers verletzt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Die von der Beschwerde betroffene Zeugeneinvernahme hat zu dem vom Beschwerdeführer angegebenen Zeitpunkt tatsächlich stattgefunden und hatte die Behauptung des Beschwerdeführers zum Gegenstand, dass eine bestimmte dritte Person (unter der auftraggeberischen Verantwortung des Magistrats der Stadt L***) der Zeugin Ulrike U*** mitgeteilt hätte, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1994 bei einem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe. Der Beschwerdeführer hatte die Einvernahme der Zeugin ausdrücklich als Beweismittel für sein Vorbringen vorgeschlagen und deren Durchführung urgiert.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf die Niederschrift der Zeugeneinvernahme vom 23. Juli 2008, GZ: K121.373/0033-DSK/2008, sowie das Anbringen des Beschwerdeführers (Urgenz der Zeugeneinvernahme), E-Mail vom 30. Juni 2008, GZ: K121.373/0025-DSK/2008 = OZ 25).
Richtig ist auch, dass der Zeugin eine Abschrift der über ihre Aussage aufgenommenen und von ihr unterschriebenen Niederschrift ausgefolgt wurde.
Beweiswürdigung : wie bisher.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:
„ § 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grund-recht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 4 Z 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Definitionen“:
„ § 4 . Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
§ 7 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Zulässigkeit der Verwendung von Daten“:
„ § 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.
(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn
(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“
§ 9 Z 3 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung sensibler Daten“:
„ § 9 . Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen werden bei der Verwendung sensibler Daten ausschließlich dann nicht verletzt, wenn
§ 31 Abs. 2 DSG 2000 lautete unter der Überschrift „Beschwerde an die Datenschutzkommission“:
„ § 31 . (1) […]
(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist.“
Die Verfassungsbestimmung des § 38 Abs. 1 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Organisation und Geschäftsführung der Datenschutzkommission“:
„ § 38 . (1) (Verfassungsbestimmung) Die Datenschutzkommission hat sich eine Geschäftsordnung zu geben, in der eines ihrer Mitglieder mit der Führung der laufenden Geschäfte zu betrauen ist (geschäftsführendes Mitglied). Diese Betrauung umfaßt auch die Erlassung von verfahrensrechtlichen Bescheiden und von Mandatsbescheiden im Registrierungsverfahren gemäß § 20 Abs. 2 oder § 22 Abs. 3. Inwieweit einzelne fachlich geeignete Bedienstete der Geschäftsstelle der Datenschutzkommission zum Handeln für die Datenschutzkommission oder das geschäftsführende Mitglied ermächtigt werden, bestimmt die Geschäftsordnung.“
§ 37 erster Satz des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 lautet unter der Überschrift „II. Teil:
Ermittlungsverfahren 1. Abschnitt: Zweck und Gang des Ermittlungsverfahrens Allgemeine Grundsätze“ (Unterstreichung durch die Datenschutzkommission):
„ § 37 . Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.“
§ 46 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, lautet unter der Überschrift „Allgemeine Grundsätze über den Beweis“:
„ § 46 . Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.“
§ 14 Abs. 6 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 5/2008, lautet unter der Überschrift „Niederschriften“:
„(6) Den beigezogenen Personen ist auf Verlangen eine Ausfertigung der Niederschrift auszufolgen oder zuzustellen.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Eine Zeugeneinvernahme durch das Geschäftsführende Mitglied der Datenschutzkommission ist ein „laufendes Geschäft“ gemäß § 38 Abs. 1 DSG 2000. Die Führung eines Ermittlungsverfahrens ist eine behördliche Handlung, zu der die beiden tätigen Personen von (Verfassungs )Gesetzes wegen zuständig (Geschäftsführendes Mitglied) bzw. gesetzmäßig ermächtigt (Mag. Fritz) waren. Beide Personen, deren Handlungen in der Beschwerde gerügt werden, wurden daher nicht als Privatpersonen sondern als Organe der Datenschutzkommission tätig; ihre Handlungen sind daher der Datenschutzkommission zuzurechnen. Beschwerdegegnerin ist somit die Datenschutzkommission.
Die Datenschutzkommission muss die vorliegende Beschwerde daher meritorisch entscheiden, obwohl sie hier als „Richter in eigener Sache“ tätig wird, da das Gesetz keine andere zuständige Behörde vorsieht, die Datenschutzkommission daher allein zuständiger „gesetzlicher Richter“ im Sinne von Art 83 Abs. 2 B-VG ist. Eine solche Entscheidung ist, in Ermangelung einer entsprechenden besonderen Zuständigkeitsregelung, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) zulässig, solange die Bestimmungen des § 7 AVG über die Befangenheit von Verwaltungsorganen beachtet werden (vgl. etwa VwGH E 14.12.2004, VwSlg 16504 A/2004 – wirtschaftliches Interesse der Gemeinde an einer Entscheidung von Gemeindeorganen kein Unzuständigkeitsgrund).
Die in der Befragung verwendeten Daten des Beschwerdeführers (Angaben zu seinem gegenwärtigen bzw. vergangenen Gesundheitszustand) sind als sensible Daten gemäß § 4 Z 2 DSG 2000 zu qualifizieren.
Gemäß § 37 AVG war die Datenschutzkommission gesetzlich verpflichtet, den maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln. Sachgegenstand war dabei u.a. das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Zeugin U*** habe (unrechtmäßig) ihn betreffende Daten übermittelt erhalten.
Um den gesetzlichen verfahrensrechtlichen Auftrag, der als Ausdruck des der österreichischen Bundesverfassung als Baugesetz zu Grunde liegenden rechtsstaatlichen Prinzips sowie des Rechts auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) auch ein wichtiges öffentliches Interesse verkörpert, zu erfüllen, musste die Zeugin mit der Tatsachenbehauptung des Beschwerdeführers (die Zeugin habe vorab von dritter Seite erfahren, dass der Beschwerdeführer bei einem Unfall bestimmte, näher umschriebene Verletzungen im Schädelbereich erlitten habe) konfrontiert, sie ihr vorgehalten und die Zeugin in weiterer Folge nach der Wahrheit dieser Behauptung (sinngemäß: Stimmt das?) gefragt werden.
Eine andere Methode der von den Verwaltungsverfahrensgesetzen gebotenen materiellen, amtswegigen Wahrheitserforschung ist weder absehbar, noch hat der Beschwerdeführer eine solche aufgezeigt. So hätte etwa durch eine indirekte Befragung (ohne den Namen des Beschwerdeführers zu nennen) die Prozessbehauptung des Beschwerdeführers nicht mit der rechtlich gebotenen Sicherheit verifiziert oder falsifiziert werden können. Es gab daher kein gelinderes Mittel, um den Eingriff in Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers zu vermeiden.
Die Datenschutzkommission war daher gemäß § 7 Abs. 1 und 3 sowie § 9 Z 3 DSG 2000 gesetzlich ermächtigt, in Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers einzugreifen, da sie zur Erfüllung einer der Datenschutzkommission durch Gesetz übertragenen Aufgabe dazu ermächtigt war und kein gelinderes Mittel zu Gebote stand. Überdies überwog das berechtigte Interesse an einer gesetzmäßigen Sachverhaltsermittlung das Geheimhaltungsinteresse des Beschwerdeführers deutlich. Es ist dabei in Rechnung zu stellen, dass die gerügte Datenverwendung hier im Interesse des Beschwerdeführers gelegen war, stand doch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht von Anbeginn fest, und hätte es auch das Vorbringen des Beschwerdeführers bestätigen können. Weiters hat der Beschwerdeführer selbst Daten zu seiner Gesundheit und deren Verwendung zum Beweisthema gemacht, was bei der Gewichtung seiner Geheimhaltungsinteressen berücksichtigt werden muss.
Gemäß § 14 Abs. 6 AVG war die Datenschutzkommission überdies verpflichtet, der Zeugin U*** als „beigezogener Person“ auf deren Verlangen eine Ausfertigung der Niederschrift auszufolgen. Für diese Form der Datenübermittlung besteht daher eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung gemäß § 9 Z 3 DSG 2000.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.