JudikaturDSB

K121.383/0010-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
26. September 2008

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Dr. BLAHA, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 26. September 2008 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Alois V*** (Beschwerdeführer) aus J***, vertreten durch die D*** D*** Rechtsanwaltspartnerschaft in U***, vom 11. April 2008, gegen die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als Sicherheitsbehörde erster Instanz (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten in Folge erkennungsdienstlicher Behandlung am 6. Dezember 2007 wird gemäß den §§ 1 Abs. 1 und 2 sowie 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, iVm §§ 16 Abs. 2, 65 Abs. 1 und 90 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr.566/1991 idgF, entschieden:

- Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch die Verarbeitung (Ermittlung und Speicherung) eines Lichtbilds und seiner Fingerabdrücke vom 6. Dezember 2007 bis zum 13. März 2008 in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde vom 11. April 2008 eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten dadurch, dass Beamte der Polizeiinspektion J***, deren Handeln der Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde erster Instanz zuzurechnen sei, am 6. Dezember 2007 seine Fingerabdrücke genommen und ein Lichtbild von ihm angefertigt hätten (Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten). Dies sei im Zuge seiner Einvernahme als Verdächtiger wegen Besitzes von Suchtmitteln (Marihuana, „Gras“) geschehen, ohne dass die Voraussetzungen für diese sicherheitspolizeiliche Maßnahme gemäß § 65 Abs. 1 SPG vorgelegen seien. Der Beschwerdeführer beantragte, die Erkennungsdienstliche Behandlung wegen eines unzulässigen Eingriffs in sein Recht auf Geheimhaltung sowie die folgende Verarbeitung der Daten (Speicherung bis März 2008) „für rechtswidrig zu erklären.“

Die Beschwerdegegnerin bestritt den Sachverhalt in ihrer Stellungnahme vom 16. Mai 2008, Zl.: BHFK-III-1**1.12- 2008/0001, nicht, legte Kopien verschiedener Aktenstücke aus dem gegen den Beschwerdeführer geführten polizeilichen Ermittlungsverfahren vor und brachte vor, gegen den Beschwerdeführer sei auf Grund der Aussage eines anderen Verdächtigen, der den Beschwerdeführer als Abnehmer von 50 bis 100 Gramm Cannabiskraut über einen Zeitraum von 2 Jahren angegeben habe, wegen des Verdachts des Vergehens nach § 27 SMG ermittelt worden. Weiters sei bei der Polizeiinspektion J*** eine anonyme Anzeige, wonach der Beschwerdeführer auch Suchtgift weitergegeben habe, eingegangen. Die diesbezüglichen Erhebungen würden noch laufen, eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft sei bisher nicht erstattet worden. Das Strafverfahren auf Grund der Anzeige wegen § 27 SMG sei gemäß § 35 SMG durch vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft erledigt worden. Die Ermittlung der erkennungsdienstlichen Daten sei ohne Anwendung oder Androhung von Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt.

In seiner Stellungnahme nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens führte der Beschwerdeführer aus, er habe bis 6. Dezember 2007 keinerlei gefährlichen Angriff begangen und es habe insbesondere an der tatbestandsmäßig begründeten Annnahme gefehlt, er werde wiederum gefährliche Angriffe begehen.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, am 6. Dezember 2007 durch die Verarbeitung, insbesondere Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten (Abnahme der Fingerabdrücke und Anfertigung eines Lichtbildes) in das Recht des Beschwerdeführers auf Geheimhaltung personenbezogener Daten einzugreifen.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Auf Grund der Aussage des Gio F*** in dem gegen diesen zu GZ: B1/24**0/2007 geführten kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 SMG vor Beamten der Polizeiinspektion E*** (Niederschrift vom 29. November – 1.Dezember 2007) eröffnete die Polizeiinspektion J*** ein kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer. Dieser war vom Verdächtigen F*** dahingehend belastet worden, über einen Zeitraum von zwei Jahren zwischen 50 und 100 Gramm Cannabiskraut von F*** gekauft zu haben.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 16. Mai 2008, Zl.: BHFK-III-1**1.12-2008/0001, sowie der dieser beiliegenden Kopie einer Niederschrift über die Einvernahme des Gio F*** vom 29. und 30. November sowie 1. Dezember 2007 (drei Teile) durch Beamte der Polizeiinspektion E***, GZ: B1/24**0/2007.

Am 6. Dezember 2007 wurde der Beschwerdeführer zur Einvernahme als Verdächtiger auf die Polizeiinspektion J*** geladen und eine Niederschrift zu GZ: B1/13**5/07-** mit ihm aufgenommen. Ihm wurde der oben dargestellte Verdacht – und nur dieser – vorgehalten. Der Beschwerdeführer bestätigte, Gio F*** zu kennen, entschlug sich aber sonst der Aussage zur Sache und verweigerte die Unterschrift unter die aufgenommene Niederschrift.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 16. Mai 2008, Zl.: BHFK-III-1**1.12-2008/0001, sowie der dieser beiliegenden Kopie einer Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2007 durch Beamte der Polizeiinspektion J***, GZ: B1/13**5/07-**.

Zu diesem Zeitpunkt standen den ermittelnden Beamten noch folgende weiteren Informationen über den Beschwerdeführer zur Verfügung: der Beschwerdeführer war unbescholten und nicht im kriminalpolizeilichen Aktenindex vorgemerkt. Eine gegen ihn von der Polizeiinspektion J*** am 20. August 2006 zu GZ: B1/54**7/2006 erstattete und daher aktenkundige Strafanzeige wegen Verdacht des Betrugs (Zechprellerei), war vom öffentlichen Ankläger ohne Strafverfahren zurückgelegt bzw. eingestellt worden. Das Vorliegen einer (anonymen) Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachts der Weitergabe von Suchtmitteln ist für diesen Zeitpunkt nicht nachgewiesen.

Beweiswürdigung : wie bisher, insbesondere die Beilagen Strafregisterauskunft vom 6. Dezember 2007 und KPA-Auszug vom 6. Dezember 2007, beide negativ, sowie eine Kopie der zitierten Strafanzeige mit darauf angebrachtem handschriftlichen Aktenvermerk über die Verfahrenseinstellung durch die Justizbehörden. Aktenstücke, die das behauptete Ermittlungsverfahren wegen eines anonymen Hinweises auf Suchtmittelweitergabe durch den Beschwerdeführer betreffen, liegen der Datenschutzkommission nicht vor. Es steht jedenfalls fest, dass dem Beschwerdeführer anlässlich seiner Einvernahme und erkennungsdienstlichen Behandlung am 6. Dezember 2007 nur der Verdacht des Besitzes von 50-100 Gramm Marihuana über einen Zeitraum von Anfang 2006 bis November 2007 vorgehalten worden ist.

Im Zuge seiner Einvernahme als Verdächtiger wurde der Beschwerdeführer am 6. Dezember 2007 fotografiert und wurden durch Beamte der Polizeiinspektion J*** seine Fingerabdrücke genommen. Der Beschwerdeführer duldete diese Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten auf entsprechende Aufforderung hin ohne Widerstand.

Auf Löschungsantrag des Beschwerdeführers vom 12. Dezember 2007 hin ordnete die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg am 13. März 2008 die Löschung der Daten an und teilte dies dem Beschwerdeführer zu Handen seiner rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom selben Tag, Zl. I-2**-8**/07, mit.

Beweiswürdigung : Die Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten des Beschwerdeführers ist nach Art und Umfang durch beide Streitteile unbestritten, wenn auch ein näherer Nachweis in Folge der erfolgten Datenlöschung nicht mehr möglich war. Die weiteren Feststellungen stützen sich auf die zitierte Mitteilung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (Beilage zur Beschwerde vom 11. April 2008) und das Schreiben der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg an die Beschwerdegegnerin vom 2. Mai 2008, Zl. I-2**-8**/07, Beilage zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 16. Mai 2008, Zl.: BHFK-III-1**1.12- 2008/0001.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

§ 16 Abs. 2 SPG lautet unter der Überschrift „Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff; Gefahrenerforschung“ (Unterstreichung durch die Datenschutzkommission):

§ 16 . (1) [...]

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

§ 65 SPG lautet unter der Überschrift „Erkennungsdienstliche Behandlung“:

§ 65 . (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.

(2) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines bestimmten gefährlichen Angriffes Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn diese nicht im Verdacht stehen, den gefährlichen Angriff begangen zu haben, aber Gelegenheit hatten, Spuren zu hinterlassen, soweit dies zur Auswertung vorhandener Spuren notwendig ist.

(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, deren Identität gemäß § 35 Abs. 1 Z 3 festgestellt werden muß und die über ihre Identität keine ausreichenden Aussagen machen wollen oder können, sofern eine Anknüpfung an andere Umstände nicht möglich ist oder unverhältnismäßig wäre.

(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.

(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des § 75 Abs. 1 letzter Satz ist der Betroffene über die Verarbeitung seiner Daten in einer den Umständen entsprechenden Weise in Kenntnis zu setzen.

(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Namen der Eltern, Ausstellungsbehörde, Ausstellungsdatum und Nummer mitgeführter Dokumente, allfällige Hinweise über die Gefährlichkeit beim Einschreiten einschließlich sensibler Daten, soweit deren Verwendung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen anderer notwendig ist und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.“

§ 90 SPG lautete unter der Überschrift „Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über den Datenschutz“:

§ 90 . Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“

§ 27 SMG lautet unter der Überschrift „Unerlaubter Umgang mit Suchtgiften“

§ 27 . (1) Wer vorschriftswidrig

(2) Wer jedoch die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer eine Straftat nach Abs. 1 Z 1 oder 2 gewerbsmäßig begeht.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer

(5) Wer jedoch an Suchtmittel gewöhnt ist und eine Straftat nach Abs. 3 oder Abs. 4 Z 2 vorwiegend deshalb begeht, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, ist nur mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

a) zur Zuständigkeitsfrage

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018) wurde ermittelt, ob gegen den Beschwerdeführer anlässlich der Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt oder ihm die Ausübung solcher zumindest angedroht worden ist. Diesbezüglich liegt kein Vorbringen und kein in diese Richtung deutendes Ermittlungsergebnis vor. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission, über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, ist daher gemäß § 90 SPG gegeben.

b) in der Sache selbst

Im Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, fasst der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung von § 65 Abs 1 SPG folgendermaßen zusammen:

„Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs 1 SPG in der Fassung der SPG-Novelle 2002 ist es erforderlich, dass eine konkrete fallbezogene Prognose getroffen wird. Dabei hat sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl 2002/01/0320). Im Rahmen dieser so anzustellenden Überlegungen wird es - wie der neue Wortlaut des § 65 Abs 1 SPG ausdrücklich klarstellt - immer auch auf die Art des Deliktes, dessen der Betroffene verdächtig ist, ankommen. Dass (auch) die aktuelle Textierung des § 65 SPG eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbietet, steht insoweit mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle 2002 (1138 BlgNR 21. GP 33) im Einklang, als dort neben der Art des begangenen Delikts die konkreten Umstände bei der Tatbegehung als Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe als Parameter genannt werden.“

Wie aus der Betonung des Begriffs der „Prognose“ und des Zeitpunktes in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu folgern ist (vgl. etwa VwSlg 14879 A/1998, wo auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbildes einer gerichtlich strafbaren Handlung abgestellt ist, für den die Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zu beurteilen ist), muss vom Stand des Sachverhalts und vom zur Verfügung stehenden Wissen über den Beschwerdeführer im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgegangen werden, um die Voraussetzungen für diese faktische Amtshandlung zu beurteilen. Weiters kommt es auf die sich in der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes manifestierende Gefährlichkeit der betreffenden Person an, während weitere Voraussetzungen der gerichtlichen Strafbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (VwSlg 14879 A/1998).

Im Beschwerdefall stand im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung lediglich fest, dass der Beschwerdeführer begründet (auf Grund der Aussage des Gio F***) verdächtigt wurde, Suchgift (Cannabiskraut) im Umfang unterhalb der so genannten Grenzmenge („großen Menge“, der Beschwerdeführer wurde nie einer Straftat nach § 28 SMG verdächtigt, für die der Besitz der reinen Wirkstoffmenge von 20 Gramm THC Voraussetzung wäre, vgl. Anlage 1 zur SGV) erworben und besessen zu haben. Damit stand nicht einmal fest, dass der Beschwerdeführer eines gefährlichen Angriffs nach § 16 Abs. 2 Z 4 SPG verdächtig war, da für ihn angesichts des Zeitablaufes und der – überdies nur äußerst vage („50 bis 100 Gramm“, das entspricht einer Variabilität von 100 Prozent) bestimmten – Suchtgiftmenge durchaus die Gegenausnahme nach § 16 Abs. 2 letzter Halbsatz SPG (Erwerb und Besitz für den Eigengebrauch) gelten konnte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass von der Verdachtstat und den charakterlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers eine besondere Gefahr ausging, lagen nicht vor. Nach den den ermittelnden Beamten zur Verfügung stehenden Erkenntnissen war der Beschwerdeführer unbescholten und nicht, geschweige denn einschlägig, im KPA vorgemerkt.

Auf dieser Grundlage war eine konkrete, fallbezogene Prognoseentscheidung, der Beschwerdeführer müsse durch die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten von weiteren gefährlichen Angriffen abgehalten werden, nicht zu treffen. Die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten war somit unzulässig und der Beschwerdeführer wurde durch sie spruchgemäß in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt. Im Übrigen ist auch darauf zu verweisen, dass die Sicherheitsdirektion im Löschungsverfahren gemäß §§ 73 ff SPG zu ähnlichen Schlüssen gekommen ist.

Der Beschwerde war daher vollinhaltlich stattzugeben.

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