JudikaturDSB

K600.053-023/0002-DVR/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2008

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. ZIMMER, Mag. HUTTERER und Dr. STAUDIGL sowie der Schriftführerin Mag. FRITZ in ihrer Sitzung vom 20. Juni 2008 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Die Registrierung der von der „Bundespolizeidirektion Salzburg“ am 19. September 2008 (verbessert am 14. Dezember 2008) gemäß §§ 17 -19 DSG 2000 erstatteten Meldung einer Datenanwendung mit dem Zweck „Automatische Videoüberwachung der Fußgängerzone“, wird gemäß § 1 Abs 2 iVm § 7 Abs. 1 DSG 2000 und § 20 DSG 2000 abgelehnt.

B e g r ü n d u n g

I. Sachverhalt:

A. Parteienvorbringen:

Die „Bundespolizeidirektion Salzburg“ hat am 19. September 2008 als gemäß § 95 iVm § 94b StVO für die Verkehrspolizei zuständige Behörde die Registrierung der automatischen Videoüberwachung der Fußgängerzone mit der Begründung beantragt, dass durch die Vielzahl an großteils unberechtigt einfahrenden Kraftfahrzeugen eine erhebliche Gefährdung der Fußgänger und des erlaubten Radfahrverkehrs gegeben sei, sowie eine rein personelle Überwachung der Zufahrtsberechtigung aufgrund der vielfachen Einfahrtsmöglichkeiten nicht möglich sei.

Der zunächst in der Neumeldung auch als Auftraggeber genannte Magistrat der Stadt Salzburg wurde auf Grund des Verbesserungsauftrages vom 19. November 2008 in der verbesserten Meldung vom 14. Dezember 2008 als Auftraggeber mangels Zuständigkeit nicht mehr angeführt.

Im Verbesserungsauftrag vom 19. November 2008 wurden Bedenken zur Zulässigkeit der gemeldeten Datenanwendung, in concreto zu der Eignung der in der Meldung genannten Rechtsgrundlagen, der Verhältnismäßigkeit sowie der Wahrung der schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen geäußert.

In einer gemeinsamen, aus Eigenem erstatteten Äußerung der Wirtschaftskammer Salzburg (WKS) und des Tourismusverbandes Salzburger Altstadt vom 14. Jänner 2008 - welchen in diesem Verfahren keine Parteistellung zukommt - wurden rechtliche Bedenken gegen die Videoüberwachung vorgebracht und Alternativen zur effektiven Überwachung der Verkehrsregelung in der Salzburger Altstadt aufgezeigt.

In der dem Antragsteller am 23. April 2008 übersandten Aufforderung zum Parteiengehör wurde gleichzeitig das Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage, die Verletzung der schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes in die Privatsphäre sowie die unvollständige Erfüllung des Verbesserungsauftrages vom 19. November 2008 festgehalten.

In ihrer Stellungnahme im Parteiengehör vom 6. Mai 2008 hat die BPD Salzburg unterstützt von rechtlichen Erwägungen des Magistrats der Stadt Salzburg die Rechtsauffassung vertreten, dass

Betreffend die Durchführung der Videoüberwachung hielt der Auftraggeber zudem fest, dass die Handhabung durch zwei Organe der Gemeinde, welche funktionell als Organe der Bundespolizeidirektion Salzburg tätig werden, erfolgen solle, wofür eine Erweiterung der Ermächtigung dieser Organe durch die Landesregierung mit Zustimmung der Bundespolizeidirektion notwendig wäre.

B. Festgestellter Sachverhalt:

Aus der Gesamtschau der Angaben des Antragstellers ergibt sich folgendes Bild über die geplante Durchführung der automatischen Verkehrsüberwachung:

II. Rechtliche Erwägungen:

1. Die elektronische Aufzeichnung von Kraftfahrzeugkennzeichen stellt die Ermittlung personenbezogener Daten dar.

Schon die automatische Anfertigung eines Standbilds von jedem Kfz, das den Einfahrtsquerschnitt passiert, stellt einen Eingriff in die Rechte aus § 1 DSG und Art 8 MRK dar (So Kunnert , Die abschnittsbezogene Geschwindigkeitsübertragung (Section Control) aus datenschutzrechtlicher Sicht, ZVR 2006/17, S 8).

2. Jede elektronische Verarbeitung personenbezogener Daten stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz dar; ein solcher Eingriff ist, wenn er durch eine Behörde zu hoheitlichen Zwecken vorgenommen wird und nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung oder Verpflichtung zulässig (§ 1 Abs. 2 DSG 2000).

3. Der Antragsteller hat auf seine Zuständigkeit zur Überwachung der Zufahrt von Fahrzeugen zur Fußgängerzone der Altstadt Salzburg infolge seiner Zuständigkeit für „Verkehrspolizei“ nach § 94b StVO hingewiesen.

Es ist richtig, dass dem Antragsteller die grundsätzliche Zuständigkeit zur Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgabe „Verkehrspolizei“ im Bereich der Stadt Salzburg zukommt. Doch stellt die Verwendung von Videoüberwachung zur Erfüllung einer gesetzlich übertragenen Aufgabe einen so gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz dar, dass der Gesetzesvorbehalt in § 1 Abs. 2 DSG 2000 hinsichtlich der durch Videoüberwachung bewirkten systematischen und auf Dauer ausgerichteten Überwachung im Sinne einer spezifischen Determinierungspflicht (vgl. Duschanek in Korinek/Holoubek , Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Kommentar zu DSG § 1, RZ 54) so zu verstehen ist, dass ein Gesetz im formellen Sinn zum Gebrauch des Mittels „Videoüberwachung“ ausdrücklich ermächtigen muss.

Diese Ansicht wird auch durch die jüngere Praxis des Bundes-Gesetzgebers gestützt, der für jede Anwendungssituation von Videoüberwachung im Bereich der Sicherheitspolizei eine besondere und ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen hat (vgl. §§ 53 und 54 SPG).

Nach Ansicht des Auftraggebers sei allerdings für keine der zurzeit in Österreich eingesetzten Verkehrsüberwachungskameras eine besondere Rechtsgrundlage vorhanden, sondern nur die allgemeinen Rechtsvorschriften, sodass auch für die antragsgegenständliche geplante automatische Verkehrsüberwachung keine ausdrückliche Rechtsgrundlage benötigt würde, und sich die Zulässigkeit aus den allgemeinen Vorschriften der StVO ergäbe.

Dem ist zusätzlich zu den obigen Erwägungen entgegen zu halten, dass die Intensität der geplanten Überwachung über bloße Geschwindigkeitskontrollen weit hinausgeht: Bei allen Fahrzeugen, die sich nicht auf der sog. „White-list“ befinden, sollen Grund und Ziel ihrer Einfahrt in die Fußgängerzone ermittelt werden, wobei es sich durchaus in vielen Fällen um berechtigte Zufahrt handeln wird, sodass die Überwachung in diesen Fällen als besonders eingriffsintensiv empfunden werden muss.

Die geplante Videoüberwachung würde einen massiven Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz vor allem jener Personen darstellen, welche rechtmäßig in die Fußgängerzone einfahren und sich erst nachträglich als dazu berechtigt herausstellen. Im Übrigen kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass damit andere Verkehrsteilnehmer erfasst werden.

4. In seinen rechtlichen Überlegungen berief sich der Auftraggeber hinsichtlich der Zulässigkeit der von ihm geplanten Videoüberwachung vor allem auch auf das Urteil des VfGH zur Section Control (VfGH 15.06.2007, G 147/06, va. Pkt. 2).

Hiezu ist jedoch festzuhalten, dass immerhin § 100 Abs 5b, erster Satz StVO, also eine gesetzliche Bestimmung, ausdrücklich die Anwendung automatischer Geschwindigkeitsmesssyteme zur Feststellung einer Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit vorsieht. Dieser Fall lässt sich daher schon aus diesem Grund mit dem antraggegenständlichen komplexen System der Videoüberwachung nicht vergleichen. Hinzukommt, dass das Eingriffspotential der Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Messung eines ziffernmäßig vorgegebenen Wertes nicht vergleichbar ist mit der Erforschung von Grund und Ziel der Bewegung eines Menschen in der Stadt Salzburg, die noch dazu bar jeglichen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften stattfinden kann.

Die beantragte Videoüberwachung war somit mangels gesetzlicher Deckung im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG 2000 als unzulässiger Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz zu werten, weshalb die Registrierung der Meldung der BPD Salzburg abzulehnen war.

Rückverweise