K120.848/0005-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. STAUDIGL, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. ZIMMER und Dr. BLAHA sowie der Schriftführerin Mag. FRITZ in ihrer Sitzung vom 25. April 2008 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Dieter R*** (Beschwerdeführer) aus Salzburg, vertreten durch Dr. Alfons C***, Rechtsanwalt in **** B***, ****straße 1***, vom 2. Jänner 2003 gegen die Bezirkshauptmannschaft Kufstein (Beschwerdegegnerin) wegen Feststellung einer Verletzung im Recht auf Löschung in Folge Nichtlöschung von Daten betreffend die vom (damaligen) Gendarmerieposten Kufstein zu GZ: B1/**87/2001 geführten Ermittlungen wegen eines Verdachts nach dem früheren § 209 StGB, wird im in Folge Aufhebung des Bescheids der Datenschutzkommission vom 21. Dezember 2004, GZ: K120.848/0003-DSK/2004, offenen Umfang (Papierakt und Datenanwendungen für Zwecke der Aktenverwaltung und Verfahrensdokumentation) gemäß §§ 27 Abs 1 Z 2 und 31 Abs 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000); BGBl. I Nr. 165/1999 idgF sowie § 63 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF, entschieden:
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet am 2. Jänner 2003 erhobener Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Löschung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin auf sein am 11. Oktober 2002 gestelltes Begehren, sämtliche zu seiner Person verarbeiteten Daten im Zusammenhang mit § 209 StGB (idF vor BGBl I Nr. 134/2002), insbesondere auch in der Zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden gemäß § 57 SPG zu löschen, nicht reagiert habe. Er beantragte, die Rechtsverletzung festzustellen und der Beschwerdegegnerin die Mitteilung gemäß § 27 Abs. 4 DSG 2000 aufzutragen.
Die Beschwerdegegnerin brachte, von der Datenschutzkommission zur Stellungnahme aufgefordert, mit Stellungnahme vom 28. Februar 2003 (samt Ergänzung vom 31. März 2003), GZ: 2- 3**/*67-01, vor, der Beschwerdeführer sei im Gefolge der vom Gendarmerieposten Kufstein zu GZ: B1/**87/2001-** am 1. September 2001 wegen Verdachts nach § 209 StGB und versuchter Nötigung erstatteten Strafanzeige von der Staatsanwaltschaft Innsbruck vor Gericht gebracht und mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 3. Dezember 2001, 1** Hv 2**3/01r, der teils versuchten, teils vollendeten 'geschlechtlichen' (gemeint wohl: gleichgeschlechtlichen) Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren für schuldig befunden, vom Vorwurf der versuchten Nötigung hingegen freigesprochen worden. Gemäß Erlässen des Bundesministers für Inneres, Zlen. 3200/1**-II/BK/10/S/02 vom 24. April 2002 und 3200/2**-II/BK/2.3/03 vom 5. Februar 2003, sei die Beschwerdegegnerin verpflichtet, Daten hinsichtlich Strafanzeigen nach § 209 StGB trotz Aufhebung dieser Strafnorm bei erfolgten rechtskräftigen Verurteilungen nicht aus dem KPA zu löschen.
Der Beschwerdeführer replizierte darauf mit Stellungnahme vom 29. Mai 2003, er nehme die Verweigerung der Löschung zur Kenntnis und verzichte auf den beantragten Auftrag zur Abgabe einer Mitteilung nach § 27 Abs. 4 DSG 2000. Durch die Verweigerung der Löschung erachte er sich aber weiterhin in seinem Recht auf Löschung als verletzt. Die weitere Speicherung von Daten zu einer Strafanzeige wegen einer in dieser Form nicht mehr strafbaren Tat knüpfe für den Beschwerdeführer an die an sich schon grundrechtswidrige Verurteilung weitere negative Folgen. An der Rechtswidrigkeit dieser Speicherung würden auch Erlässe einer Oberbehörde nichts ändern, da diese als Weisungen nur die Beschwerdegegnerin binden, nicht aber in subjektive Rechte des Beschwerdeführers eingreifen könnten. Er beantragte, die Feststellung, durch die Verweigerung in seinem Rechte auf Löschung verletzt zu sein, sowie den Auftrag, die Beschwerdegegnerin zur Löschung der Daten samt Mitteilung an den Beschwerdegegner zu verpflichten.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2004, GZ: K120.848/0003- DSK/2004, gab die Datenschutzkommission diesem Antrag im Spruchpunkt 1. hinsichtlich der Daten in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehören (kriminalpolizeilicher Aktenindex – KPA) statt, wies die Beschwerde jedoch sonst im Spruchpunkt 2. summarisch ab.
Gegen diesen Bescheid (Spruchpunkt 2.) hat der Beschwerdeführer parallel Beschwerde an beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts erhoben. Während der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, Zl. 2005/06/0065-11, die Beschwerde wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Inhalts als unbegründet abgewiesen hat, war die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) erfolgreich. Mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2007, Zl. B 198/05-8, hat der VfGH den Bescheid im Spruchpunkt 2. wegen Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Willkür in Folge eines grundlegenden Rechtsirrtums bei der Auslegung einfachgesetzlicher Bestimmungen) aufgehoben .
Im daraufhin fortgesetzten Ermittlungsverfahren brachte die Beschwerdegegnerin vor und bescheinigte, dass sowohl die den Beschwerdeführer betreffenden Daten aus Datenanwendungen (der Bundespolizei) für Zwecke der Aktenverwaltung und Verfahrensdokumentation gelöscht als auch der Akt selbst bereits skartiert (vernichtet) worden sei.
Der Beschwerdegegner hat im fortgesetzten Ermittlungsverfahren, trotz gewährten Parteiengehörs zu den Ergebnissen, nichts vorgebracht.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin als verantwortlicher Auftraggeber den Beschwerdeführer durch das Unterlassen der Löschung von Daten zu den vom (damaligen) Gendarmerieposten Kufstein zu GZ: B1/**87/2001 geführten Ermittlungen wegen eines Verdachts nach dem früheren § 209 StGB außerhalb der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden in seinem Recht auf Löschung von Daten verletzt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende
Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer wurde vom Gendarmerieposten Kufstein zu
GZ: B1/**87/2001-** nach entsprechenden sicherheitsbehördlichen Vorerhebungen im Dienste der Strafjustiz am 1. September 2001 wegen Verdachts nach damals noch in Geltung stehendem § 209 StGB (Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren) und versuchter Nötigung bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck zur Anzeige gebracht.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf der glaubwürdigen und vom Beschwerdeführer den Fakten nach nicht bestrittenen Darstellung der Beschwerdegegnerin in der Stellungnahme vom 28. Februar 2003, GZ: 2-3**/*67-01.
Daten zum durchgeführten Ermittlungsverfahren und zur gegen den Beschwerdeführer erstatteten Strafanzeige wurden von der Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde erster Instanz in der Datenanwendung gemäß § 57 Abs. 1 Z 6 SPG (kriminalpolizeilicher Aktenindex – KPA) im Informationsverbundsystem 'Zentrale Informationssammlung der Sicherheitsbehörden' sowie (durch die zuständige Einheit der Bundesgendarmerie bzw. seit 1. Juli 2005 der Bundespolizei) für Zwecke der Aktenverwaltung und der Verfahrensdokumentation im System mit der Kurzbezeichnung PAD verarbeitet.
Diese Daten wurden vor dem 1. Jänner 2008 gelöscht, der Papierakt GZ: B1/**87/2001-** vernichtet.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf das – unwidersprochen gebliebene – glaubwürdige Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Schreiben [E-Mail] vom 29. November 2007 sowie PAD-Ausdruck vom 2. Jänner 2008).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
§ 27 Abs. 1 bis 4 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Recht auf Richtigstellung oder Löschung“:
„ § 27 . (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar
(2) Der Beweis der Richtigkeit der Daten obliegt - sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist - dem Auftraggeber, soweit die Daten nicht ausschließlich auf Grund von Angaben des Betroffenen ermittelt wurden.
(3) Eine Richtigstellung oder Löschung von Daten ist ausgeschlossen, soweit der Dokumentationszweck einer Datenanwendung nachträgliche Änderungen nicht zuläßt. Die erforderlichen Richtigstellungen sind diesfalls durch entsprechende zusätzliche Anmerkungen zu bewirken.
(4) Innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Antrags auf Richtigstellung oder Löschung ist dem Antrag zu entsprechen und dem Betroffenen davon Mitteilung zu machen oder schriftlich zu begründen, warum die verlangte Löschung oder Richtigstellung nicht vorgenommen wird.“
§ 63 Abs. 1 SPG lautet unter der Überschrift „Pflicht zur Richtigstellung und Löschung“:
„ § 63 . (1) Wird festgestellt, daß unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ermittelte Daten aufbewahrt werden, so ist unverzüglich eine Richtigstellung oder Löschung vorzunehmen. Desgleichen sind personenbezogene Daten zu löschen, sobald sie für die Erfüllung der Aufgabe, für die sie verwendet worden sind, nicht mehr benötigt werden, es sei denn, für ihre Löschung wäre eine besondere Regelung getroffen worden.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Gemäß der für die Datenschutzkommission in dieser Sache bindenden Rechtsansicht des VfGH steht sowohl fest, dass die Beschwerdegegnerin für die Daten des PAD als Auftraggeber verantwortlich ist, als auch, dass eine Löschung solcher Daten nach Vornahme einer Interessenabwägung geboten sein kann.
Eine solche Abwägung muss aber in dieser Sache nicht mehr vorgenommen werden, da das ergänzende Ermittlungsverfahren ergeben hat, dass die Daten bereits gelöscht worden sind.
Die Frage, ob die Beschwerdegegnerin verpflichtet war, dem Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 4 DSG 2000 eine Mitteilung über die Löschung bzw. Löschungsverweigerung zukommen zu lassen, war hier nicht mehr Gegenstand der Beschwerdesache, seit der Beschwerdeführer das entsprechende Vorbringen mit Stellungnahme vom 29. Mai 2003 fallengelassen hat. Im Übrigen ist ihm die erfolgte Löschung durch das von der Datenschutzkommission gewährte Parteiengehör zur Kenntnis gelangt (vgl. E VwGH 27. März 2006, Zl. 2004/06/0125).
Im Sinne der zitierten Entscheidung des VwGH liegt daher keine aktuelle Verletzung im Recht auf Löschung mehr vor.
Damit erweist sich die Beschwerde im nach Aufhebung des ersten Bescheids durch den VfGH wieder offenen Umfang der Sache im Entscheidungszeitpunkt als unbegründet und war spruchgemäß abzuweisen.