JudikaturDSB

K121.347/0004-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
02. April 2008

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 02. April 2008 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Mag. Dr. Ludwig W*** (Beschwerdeführer) in M*** vom 23. Oktober 2007 gegen das Landespolizeikommando für Wien (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung im Zuge der Erstattung einer Verwaltungsstrafanzeige wird gemäß den §§ 1 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 Z 1 bzw. Abs. 4 Z 1 und Abs. 3 Z 5 sowie 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, § 6 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl 172/1950 idgF, und Art. IX Abs. 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG), BGBl Nr. 172/1950 idgF, entschieden:

1. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die Mitteilung von der Suspendierung des Beschwerdeführers an die befasste Verwaltungsstrafbehörde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung darstellt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien

Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beschwerdegegner, mit Schreiben vom 29. Juni 2007, Zl. P*/12**34/2007, a) eine Verwaltungsstrafanzeige wegen des Verdachts der Winkelschreiberei an „eine unzuständige Behörde“ – nämlich das Polizeikommissariat G*** – erstattet und dabei b) angegeben habe, dass der Beschwerdeführer vom Dienst suspendiert sei. Weiters habe der Beschwerdegegner c) unzulässigerweise Daten ermittelt, in dem er das Polizeikommissariat G*** zur Bekanntgabe des Ausgangs eines möglichen Verwaltungsstrafverfahrens wegen Winkelschreiberei aufgefordert habe. Der Beschwerdeführer beantragte, die dadurch erfolgten Datenschutzverletzungen des Beschwerdegegners „sowie aller sonstigen involvierten Behörden“ festzustellen.

Der Beschwerdegegner brachte mit Stellungnahme vom 5. November 2007, GZ: P*/12**34/2/2007, vor, das Polizeikommissariat G*** sei gemäß der Geschäftseinteilung und Geschäftsordnung der Bundespolizeidirektion Wien für die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren gegen aktive Bedienstete der Bundespolizeidirektion Wien zuständig, soweit diese nicht dieser Dienststelle zugeteilt seien. Die Angaben betreffend die Dienstsuspendierung des Beschwerdeführers seien daher zur Begründung der Zuständigkeit von Relevanz. Im Übrigen wurde eine Kopie des Aktes P*/12**34/2007 vorgelegt. Dabei handle es sich um einen Akt betreffend Ermittlungen in einem (offenen) Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer replizierte darauf nach Parteiengehör mit Schreiben vom 5. Dezember 2007, die Bundespolizeidirektion Wien, einschließlich des Polizeikommissariats G***, sei für ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Winkelschreiberei unzuständig gewesen, da ein solches in die Zuständigkeit des Magistrats der Stadt Wien falle.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdegegner berechtigt war, eine Strafanzeige wegen Verdachts der Winkelschreiberei an das Polizeikommissariats G*** zu senden und darin zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer vom Dienst suspendiert sei, sowie das Polizeikommissariat G*** aufzufordern, den Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens bekannt zu geben.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Beamter in der Bundespolizeidirektion Wien, zugeteilt der ***abteilung im Landespolizeikommando für Wien. Das LPK Wien ist daher im Umfang des § 3 Abs. 1 DPÜ-VO 2005 neben der Bundespolizeidirektion Wien Dienstbehörde des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt des beschwerdegegenständlichen Datenflusses (Sommer 2007) vom Dienst suspendiert.

Die Bundespolizeidirektion Wien lies auf Grund einer Aufforderung des Bundesministeriums für Inneres vom 14. Juni 2007, GZ: BMI-PA*1*0/1**3-II/7/2007, durch die Abteilung für Personal- und Logistiksteuerung (kurz APLS) des LPK Wien dienst-, disziplinar- und verwaltungsstrafrechtliche Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer durchführen. Diese nahmen ihren Ausgangspunkt von der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in einem Schreiben vom 4. Juni 2007 an die Rechtsanwälte A*** B*** in Wien namens der G*** Lufttransport Gesellschaft m.b.H. als deren Rechtsberater bzw. Vertreter in Erscheinung getreten war. Untersucht wurde dabei der Verdacht der Verletzung von Dienstpflichten (Unterlassung der Meldung einer Nebenbeschäftigung, § 56 Abs. 3 BDG 1979) sowie der als Verwaltungsübertretung strafbaren Winkelschreiberei (unbefugte gewerbsmäßige Parteienvertretung, Art IX Abs. 1 Z 1 EGVG).

Am 29. Juni 2007 übermittelte das LPK Wien einen den Beschwerdeführer betreffenden Akt an das Polizeikommissariat G*** „zur verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung“ mit der Aufforderung, den Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens dem LPK Wien bekannt zu geben. (Das Bezirkskommissariat G*** führt alle Verwaltungsstrafverfahren gegen Bedienstete der Bundespolizeidirektion Wien soweit sie nicht dem Bezirkspolizeikommissariat selbst zugeteilt sind.)

Als Betreff wurde „Verdacht der Winkelschreiberei“ angeführt. Der Betreff enthält weiters den Namen des Beschwerdeführers samt Dienstgrad und Dienststelle, sowie den Beisatz „dzt. vom Dienst suspendiert“.

Der – der Datenschutzkommission in Kopie übersandte – Akt enthält Unterlagen über das vorgeworfene Delikt und über die Frage, ob eine gemeldete Nebenbeschäftigung vorliege.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen, die nicht im Widerspruch zum Vorbringen des Beschwerdeführers stehen, dieses jedoch ergänzen und den Sachverhalt verdeutlichen, beruhen auf dem Inhalt der vom Beschwerdegegner vorgelegten Aktenkopie des Verfahrens GZ: P*/12**34/2007.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift "Grundrecht auf Datenschutz":

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

§ 7 Abs. 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Zulässigkeit der Verwendung von Daten“:

§ 7 [...]

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

Die Bestimmungen des § 8 Abs. 1, Abs. 3 Z 5 und Abs. 4 Z 1 DSG 2000 lauten unter der Überschrift „Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht-sensibler Daten“:

§ 8 . (1) Gemäß § 1 Abs. 1 bestehende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde des Abs. 1 Z 4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten

[...]

5. zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde notwendig ist und die Daten rechtmäßig ermittelt wurden oder

[...]

(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung solcher Daten besteht oder“ [...]

§ 10 SPG lautet unter der Überschrift „Polizeikommanden“:

§ 10 . (1) Für jedes Bundesland ist ein Landespolizeikommando, dem Bezirks- und Stadtpolizeikommanden sowie deren Polizeiinspektionen untergeordnet sind, eingerichtet.

(2) Die Angelegenheiten des inneren Dienstes, insbesondere

(3) In Wien obliegt die Besorgung der in Abs. 2 Z 6 und 7 angeführten Angelegenheiten dem Polizeipräsidenten (§ 7 Abs. 5).

(4) Sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist, kann der Bundesminister für Inneres Angelegenheiten des inneren Dienstes mit Ausnahme der in Abs. 2 Z 1 genannten den Bezirks- und Stadtpolizeikommanden mit Verordnung zur selbständigen Besorgung oder zur gemeinsamen Besorgung mit dem jeweiligen Landespolizeikommando übertragen; darüber hinaus kann er dem Landespolizeikommando Wien Angelegenheiten des Abs. 2 Z 6 und 7 zur selbständigen Besorgung übertragen.

(5) Die Besorgung der Angelegenheiten des inneren Dienstes hat nach Maßgabe der den Sicherheitsbehörden obliegenden Anordnungsbefugnis im Rahmen der Besorgung der Sicherheitsverwaltung zu erfolgen und darf dieser nicht entgegenstehen.

(6) Soweit für den inneren Dienst automationsunterstützt Daten verwendet werden, ist das jeweilige Polizeikommando Auftraggeber (§ 4 Z 4 DSG 2000).“

§ 3 Abs. 1 DPÜ-VO 2005 lautet:

§ 3 . (1) Dem Landespolizeikommando Wien werden gemäß § 10 Abs. 4 SPG sämtliche dienstrechtliche Angelegenheiten als Dienstbehörde I. Instanz (§ 2 Abs. 2 DVG) und gemäß § 2e Abs. 1 zweiter Satz VBG (Personalstellen) der ihm angehörenden Bediensteten (mit Ausnahme des Landespolizeikommandanten) zur selbständigen Besorgung mit Ausnahme folgender Angelegenheiten übertragen:

(2) Dem Landespolizeikommando Wien werden gemäß § 10 Abs. 4 SPG weiters folgende Angelegenheiten übertragen:

(3) Das Landespolizeikommando Wien bedient sich nach Maßgabe der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit für die Durchführung der ihm nach Abs. 1 und 2 übertragenen Angelegenheiten der bei der Bundespolizeidirektion Wien für diese Zwecke eingerichteten Organisationseinheiten.“

Art. IX Abs. 1 EGVG lautet:

Artikel IX

(1) Wer

§ 6 Abs. 1 AVG lautet:

§ 6 . (1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.“

§ 21 Abs. 1 und 1b VStG lauten:

§ 21 . (1) Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

[...]

(1b) Unter den in Abs. 1 genannten Voraussetzungen können die Verwaltungsbehörden von der Erstattung einer Anzeige absehen.“

§ 114 Abs. 2 BDG lautet:

§ 114 . (2) Hat die Disziplinarbehörde Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die Sicherheitsbehörde oder die Verwaltungsbehörde erstattet oder hat sie sonst Kenntnis von einem anhängigen Strafverfahren nach der StPO oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren, so wird dadurch das Disziplinarverfahren unterbrochen. Die Parteien sind vom Eintritt der Unterbrechung zu verständigen. Ungeachtet der Unterbrechung des Disziplinarverfahrens ist ein Beschluss, ein Disziplinarverfahren durchzuführen (§ 123), zulässig.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

a) Das LPK Wien hat in seiner Eigenschaft als Dienstbehörde – im Umfang der von § 3 Abs. 1 DPÜ-VO 2005 übertragenen Angelegenheiten – Anzeige wegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung durch den Beschwerdeführer erstattet.

Angesichts der disziplinarrechtlichen Relevanz dieses Verdachts einer Verwaltungsübertretung und des Umstandes, dass der Beschwerdegegner als Dienstbehörde gehandelt hat, hat er nur seiner – aus § 21 Abs. 1b VStG ableitbaren – gesetzlichen Verpflichtung entsprochen. Insofern liegt eine Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht vor (vgl. § 8 Abs. 1 Z 1 bzw. Abs. 4 Z 1 DSG 2000). Der Beschwerdeführer sieht sein Recht auf Geheimhaltung jedoch dennoch verletzt, und zwar dadurch, dass die Anzeige des Verdachts einer strafbaren Handlung an eine unzuständige Behörde erstattet wurde.

Im vorliegenden Fall wurde Anzeige wegen des Verdachts der „Winkelschreiberei“ an die Bundespolizeidirektion Wien (Kommissariat G***) erstattet, obwohl für die Verfolgung von „Winkelschreiberei“ tatsächlich eine andere Behörde, nämlich der Magistrat der Stadt Wien zuständig ist (vgl. Art. IX Abs. 1 EGVG).

Zur Bedeutung der Erstattung einer Anzeige an eine falsche Behörde ist aus datenschutzrechtlicher Sicht Folgendes zu sagen:

Gemäß § 7 Abs 2 Z 2 DSG 2000 dürfen Daten nur übermittelt werden, wenn der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit – soweit diese nicht außer Zweifel steht – im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat. Auch wenn die Initiative zur Datenübermittlung im vorliegenden Fall vom Beschwerdegegner ausging und nicht vom Übermittlungsempfänger, ist aus der zitierten Bestimmung doch ein allgemeiner Grundsatz abzuleiten: Vor einer Übermittlung ist der Übermittelnde gehalten, sich über die Berechtigung des Empfängers zum Datenempfang hinreichend zu informieren – die Berechtigung muss „glaubhaft“ sein.

Schon diese Wortwahl des Gesetzes zeigt allerdings, dass die Sorgfaltsanforderungen hier nicht überspannt werden dürfen; sie müssen vielmehr in Relation zu der zu beurteilenden Situation gesehen werden. In sehr komplexen Zusammenhängen wie bei der rechtlichen Beurteilung der Zuständigkeit von Behörden, wo unterschiedliche Rechtsauffassungen unweigerlich auftreten können, lassen die besonderen Vorkehrungen, die die Rechtsordnung für die Lösung derartiger Konflikte vorsieht, erkennen, dass der Gesetzgeber hier von einem erheblichen Fehlerkalkül bei demjenigen, der sich zwecks Rechtsverfolgung an eine Behörde wendet, ausgeht. Wie etwa § 6 AVG zeigt, nimmt es der Gesetzgeber als systemimmanent in Kauf, dass Verwaltungsbehörden unzuständigerweise mit Anbringen befasst werden, und knüpft daran nicht etwa die Folge, dass solche Anbringen unbeachtlich wären, sondern verpflichtet jede Verwaltungsbehörde im Falle ihrer Unzuständigkeit die Sache unverzüglich an die zuständige Behörde weiterzuleiten oder den Betroffenen dorthin zu verweisen. Dies macht deutlich, dass die richtige Beurteilung von Zuständigkeitsfragen und die Vorsorge für die Erledigung durch die zuständige Behöre als Aufgabe jeder befassten Behörde gesehen wird und nicht allein der Verantwortung des Anbringers überlassen wird.

Im Interesse der Effizienz der Rechtsfindung wäre es auch unsinnig, den Rechtssuchenden mit einer Sanktion zu belegen, wenn er sein Anbringen an eine unzuständige Behörde stellt, da dies dazu führen würde, dass sich die Rechtsunterworfenen scheuen, von den ihnen zustehenden rechtlichen Verteidigungsmitteln Gebrauch zu machen, wodurch das Konfliktlösungpotential des Rechts gemindert und möglicherweise durch andere – gesellschaftlich unerwünschte – Konfliktlösungsmechanismen ersetzt würde.

Dass das Interesse an der Rechtsfindung durch Befassung des staatlichen Entscheidungsapparats auch im datenschutzrechtlichen Kontext als vorrangig anzusehen ist, ergibt sich deutlich aus § 8 Abs. 3 Z 5 DSG 2000, wonach die Verwendung von personenbezogenen Daten Dritter(- insbesondere des Opponenten -) vor Behörden zur Verteidigung der Rechtspositionen des Verwenders als „überwiegendes berechtigtes Interesse“ iSd. § 1 Abs. 2 DSG 2000 gewertet wird. Hiebei ist selbstverständlich auch der Fall mit eingeschlossen, dass der Verwender bei der Verteidigung seiner Rechtsposition nicht erfolgreich ist, weil die Behörde seinen behaupteten Anspruch nicht anerkennt: Wird ein Verfahren „verloren“, wird dadurch die Verwendung der personenbezogenen Daten des Prozessgegners nicht nachträglich aus datenschutzrechtlicher Sicht unzulässig. Dasselbe muss im Falle gelten, dass sich Rechtswidrigkeit nicht hinsichtlich der materiellen Rechtsfrage sondern hinsichtlich der formellen Rechtsfrage (der Zuständigkeit der angerufenen Behörde) herausstellt. § 8 Abs. 3 Z 5 DSG 2000 muss daher so gelesen werden, dass er die Zulässigkeit der Verwendung von Daten anderer Personen auch für den Fall erlaubt, dass dies für Zwecke eines nur vermeintlichen Anspruches geschieht. In diesem Zusammenhang ist daher das Erfordernis des § 7 Abs. 2 Z 2 DSG 2000 bereits dadurch erfüllt, dass es sich beim Empfänger von Daten um „eine Behörde“ handelt, da diese ihrerseits verpflichtet ist, ihre Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.

Das verfassungsgesetzliche Gebot der Amtsverschwiegenheit – dessen Verletzung durch strafrechtliche Sanktionen zusätzlich bewehrt ist – gewährleistet in diesem System als „angemessene Garantie“ im Sinne des § 1 Abs. 2 zweiter Satz DSG 2000, dass Daten, die einer unzuständigen Behörde im Wege ihrer Anrufung zur Kenntnis gelangen, nicht für andere Zwecke als den vom Anbringer beabsichtigten Zweck der Rechtsverfolgung verwendet werden.

Im Hinblick auf den vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich aus diesen Erwägungen, dass angesichts der rechtlichen Verpflichtung des Beschwerdegegners in seiner Eigenschaft als Dienstbehörde gemäß § 21 Abs. 1b VStG iVm § 114 Abs. 2 BDG Anzeige gegen den Beschwerdeführer zu erstatten, die Verwendung seiner Daten zulässig war. Über die Richtigkeit des Verdachts – einschließlich der Zuständigkeit zu seiner Verfolgung – hat die mit der Anzeige befasste Behörde von Amts wegen zu befinden. Kommt sie hiebei zu einer anderen Rechtsauffassung als der Anzeiger, kann dies an der Zulässigkeit der Datenverwendung durch den Anzeiger nichts ändern (ob Extremsituationen wie Willkür oder Schädigungsabsicht u.U. zu Korrekturen dieses Grundsatzes im Einzelfall Anlass geben könnten, kann bei der vorliegenden Sachlage außer Betracht bleiben).

Die Verantwortung des Beschwerdegegners, dass die durch die Anzeige bewirkte Datenübermittlung irrtümlich – und nicht etwa in Schädigungsabsicht – erfolgte, ist angesichts des selten verfolgten Delikts und der nicht ohne Weiteres auffindbaren Sondernorm über die Zuständigkeit zur Verfolgung glaubhaft. In der durch bloße unrichtige Beurteilung der Rechtslage begründeten Anzeige an eine falsche Behörde konnte daher keine Verletzung im Recht auf Datenschutz erkannt werden.

b) Wohl aber ist in der Bekanntgabe der Suspendierung des Beschwerdeführers ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 Z 3 DSG 2000 zu erblicken, da diese Information für die Frage, ob der Beschuldigte den Tatbestand der Winkelschreiberei erfüllt hat oder nicht, nicht relevant ist. Auch ausgehend von der von der Beschwerdegegnerin zunächst vertretenen Rechtsansicht über die Zuständigkeit zur Verfolgung wäre für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die spezielle Zuständigkeit des Polizeikommissariats G*** innerhalb der Bundespolizeidirektion Wien nur die Mitteilung von Bedeutung gewesen, dass der Beschuldigte Bediensteter der Bundespolizeidirektion Wien ist, nicht aber, dass er suspendiert ist.

c) In der Aufforderung, über den Ausgang des Strafverfahrens an das LPK Wien Bericht zu erstatten, kann jedoch angesichts der Ausführungen unter a) kein Verstoß gegen die Zulässigkeit der Ermittlung von Daten gesehen werden: Das LPK Wien war als Dienstbehörde des Beschwerdeführers zu Ermittlungen bei Verdacht disziplinär relevanter Handlungen des Beschwerdeführers nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet. Da sie an die Begehung oder Nicht-Begehung einer strafbaren Handlung ihrerseits Rechtsfolgen knüpfen muss (Einleitung, Fortsetzung oder Einstellung eines Disziplinarverfahrens), liegt ein überwiegendes berechtigtes Interesse an der Kenntnisnahme vom Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens vor. Das gestellte Übermittlungsbegehren war deshalb zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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