K121.127/0003-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. HUTTERER, Mag. HEILEGGER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 06. Februar 2008 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Viktor V*** (Beschwerdeführer) aus M***, vertreten durch Dr. Julius S***, Rechtsanwalt in **** M***, K***gasse **, vom 3. Jänner 2006 gegen die Bundespolizeidirektion Wien (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Löschung personenbezogener Daten durch die Weigerung der Beschwerdegegnerin, im Zusammenhang mit sicherheitsbehördlichen Ermittlungen (Vorerhebungen im Dienste der Strafjustiz) Zl. Kr 1**/02 des (damaligen) Polizeikommissariates H*** (automationsunterstützt oder nicht automationsunterstützt) verarbeitete Daten, insbesondere im Protokoll(buch), in der Indexkartei, in den automationsunterstützt geführten Datenanwendungen AVNT und im PAD und in den entsprechenden Erhebungsakten (durch Skartierung dieser Akten), zu löschen, wird nach Aufhebung des ursprünglichen Bescheids durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. Juni 2007, Zl. B 1386/06-7, gemäß den § 27 Abs. 1 Z 2, Abs. 3 und 4, § 31 Abs. 2 und § 40 Abs. 4 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, sowie § 59 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 158/2005, neuerlich wie folgt entschieden:
1. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch Unterlassung der Löschung des gesamten Inhalts der Eintrag zu Zl. 1** im Protokollbuch „Kr“ für das Jahr 2002 des Polizeikommissariates H*** in seinem Recht auf Löschung eigener Daten verletzt hat.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Löschung eigener Daten. Mit Eingabe vom 3. Jänner 2006 brachte er vor, durch die Beschwerdegegnerin im Recht auf Löschung verletzt worden zu sein. Gegen ihn sei nach entsprechenden Ermittlungen im Mai 2002 vom der Beschwerdegegnerin unterstehenden Polizeikommissariat H*** Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien wegen Verdachts eines Vergehens nach § 209 StGB erstattet worden. Er sei deswegen sowohl vom Landesgericht für Strafsachen Wien (AZ: *1 Hv **5/02y) rechtskräftig freigesprochen als auch diese Strafbestimmung vom Gesetzgeber aufgehoben und vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erkannt worden. Die Beschwerdegegnerin verarbeite dennoch weiterhin Daten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem der Strafsache zu Grunde liegenden Ermittlungsverfahren (GZ: Kr-1**/*/02). Diese Daten, nämlich sämtliche automationsunterstützt oder nicht automationsunterstützt verarbeiteten Daten , insbesondere im Protokollbuch , in der Indexkartei , im AVNT oder im PAD sowie in den entsprechenden Erhebungsakten , seien mangels gesetzlicher Grundlage für ihre weitere Verwendung zu löschen (eventuell zu schwärzen oder zu skartieren). Das entsprechende Löschungsbegehren an die Beschwerdegegnerin vom 1. Dezember 2005 sei allerdings mit Erledigung vom 20. Dezember 2005, AZ:
P 2*/3*/r/05, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlungsakten, die Indexkartei und das Protokollbuch abgelehnt worden. Nur die EKIS-Daten seien schon früher gelöscht worden. Er sei dadurch in seinem verfassungs- wie einfachgesetzlich gewährleisteten Recht auf Löschung von Daten (sowie in weiteren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten) verletzt worden. Die Beschwerdegegnerin blende insbesondere aus, dass schon das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren grundrechtswidrig gewesen sei, da es wegen des Verdachts auf Übertretung einer verfassungswidrigen Strafnorm geführt worden sei. Die nunmehrige Verweigerung der Datenlöschung vermehre das an ihm begangene Unrecht und knüpfe an das grundrechtswidrige Ermittlungsverfahren weitere für ihn nachteilige Folgen. Der Beschwerdeführer beantragte ein entsprechendes Ermittlungsverfahren, die bescheidmäßige Feststellung, in seinem Recht auf Löschung verletzt worden zu sein, sowie den bescheidmäßigen Auftrag zur Löschung dieser Daten.
Die Beschwerdegegnerin, von der Datenschutzkommission mit Schreiben GZ: K121.127/0002-DSK/2006 vom 20. Jänner 2006 zur Stellungnahme aufgefordert, brachte mit Stellungnahme vom 14. Februar 2006, GZ: P 2*/3*/r/05, unter Vorlage von Kopien eines Steckzettels sowie einer Protokollbucheintragung des nunmehrigen Kriminalkommissariates West (angelegt noch vom früher zuständigen Polizeikommissariat H***) aus dem Jahr 2002 vor, bei Kopienakten mit Angaben zum Beschwerdeführer handle es sich nicht um dem Löschungsrecht unterliegende Dateien. Die automationsunterstützte Datenanwendung AVNT (Anmerkung der Datenschutzkommission: der Name steht für „Aktenverwaltung unter Windows NT“) werde bei der Beschwerdegegnerin nicht verwendet, die an ihrer Stelle implementierte Datenanwendung für Kanzlei- und Aktenverwaltungszwecke „PAD-light“ (Anmerkung der Datenschutzkommission: PAD steht für „Protokollierungs-, Anzeigen- und Datensystem“) sei erst zu einem Stichtag im Jahr 2003 begonnen worden, ohne dass in manuellen Dateien verarbeitete Daten zu früheren Verfahren rückerfasst worden seien. Im PAD würden daher keine Daten zu dem beschwerdegegenständlichen Verfahren verarbeitet. Entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers würden in den manuellen Dateien Steckzettelkartei (Indexkartei) und Protokollbuch die aus den Beilagen ersichtlichen Daten verarbeitet. Diese dienten der Verwaltung insbesondere Auffindbarmachung der Akten zu den verarbeiteten Bezugszahlen, somit einem Dokumentationszweck gemäß § 27 Abs.3 DSG 2000. Da keine Rückerfassung dieser Daten im PAD erfolgt sei, würden diese Daten solange benötigt, als die Kopien- oder Handakten noch aufbewahrt würden, die dafür in den Vorschriften (Kanzleiordnung für die Bundespolizeidirektion Wien) vorgesehene Skartierungsfrist betrage fünf Jahre, für Protokollbücher und Steckzettel mit dem fraglichen Gegenstand sogar zwanzig Jahre. Der Akt könnte noch für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Ermittlungsverfahrens, im Falle von Vorwürfen des Amtsmissbrauchs oder für den Zweck eines Amtshaftungsverfahrens gebraucht werden. Die Beschwerdegegnerin habe aber von der Möglichkeit zur Aktualisierung der Daten Gebrauch gemacht, und die Zusatzeintragung „§ 209 StGB ab 14.08.2002 nicht mehr strafbar“ vorgenommen.
Der Beschwerdeführer brachte nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens mit Stellungnahme vom 17. Februar 2006 (Datum der Übermittlung per Fax, das auf dem Schriftsatz angegebene Datum „03.01.2006“ ist offenkundig ein Irrtum) „gem. dg. Anheimstellung vom 16.02.2005“ Folgendes vor: Das Vorbringen, der Kopienakt werde noch gebraucht, sei, wie alle Begründungen des Beschwerdegegners für die Verweigerung der Datenlöschung, untauglich und unbeachtlich. Insbesondere bestehende Skartierungsfristen könnten den im Einzelfall bereits weggefallenen Zweck der Datenverwendung nicht ersetzen. Auf den Einzelfall gehe die Argumentation des Beschwerdegegners aber nicht ein. Nicht zuletzt auf Grund der „massiven Grundrechtsverletzungen“ durch das der Datenverwendung zu Grunde liegende Ermittlungsverfahren, wäre die Löschung der Daten geboten. Und aus den unterschiedlichen Skartierungsfristen für Akten und Datenträger der manuellen Dateien Indexkartei und Protokollbuch könne man darauf schließen, dass der Primärzweck dieser Dateien eben nicht die Auffindbarmachung von Akten sei.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2006, GZ: K121.127/0009-DSK/2006, hat die Datenschutzkommission die Beschwerde im ersten Rechtsgang teilweise abgewiesen und lediglich festgestellt, dass die Steckzettel- und Protokollbucheintragungen mit Bezug auf den ehemaligen § 209 StGB aus überwiegendem berechtigten Interesse des Beschwerdeführers (wegen deren Charakter als sensible Daten) zu löschen gewesen wären.
Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof war erfolgreich. Mit Erkenntnis vom 11. Juni 2007, Zl. B 1386/06-7 (der Datenschutzkommission zugestellt am 21. August 2007), wurde der Bescheid im abweisenden Spruchteil (Spruchpunkt 2.) wegen Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz aufgehoben. In der Begründung verwies der Verfassungsgerichtshof inhaltlich lediglich auf sein Erkenntnis vom 7. März 2007, B 3517/05.
Im fortgesetzten Ermittlungsverfahren brachte die Beschwerdegegnerin (Stellungnahme vom 11. Oktober 2007, GZ: P3/89****/2007) unter Vorlage verschiedener Bescheinigungsmittel vor, gemäß dem aufgehobenen Bescheid wären die personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers in der Protokollbucheintragung geschwärzt worden. Der Steckzettel in der Kartei sei überhaupt vernichtet worden, da die bescheidgemäß zu löschende Eintragung die einzige gewesen sei. Der Kopienakt über das Ermittlungsverfahren existiere noch und sei bereits zur Skartierung vorgesehen, werde aber im Hinblick auf das wiederum offene datenschutzrechtliche Beschwerdeverfahren vorläufig noch nicht vernichtet. Der Kopienakt sei überdies mangels geeigneter Strukturierung keine manuelle Datei. Zur Frage einer Interessenabwägung führte die Beschwerdegegnerin aus, unter Berücksichtigung des kaum mehr gegebenen Personenbezugs (Auffindbarkeit des Aktes und der Protokollbucheintragung nur mehr bei Kenntnis des Aktenzeichens gegeben) überwiege der Dokumentationszweck die Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer hat sich zu den Ergebnissen des fortgesetzten Ermittlungsverfahrens trotz gewährten Parteiengehörs nicht geäußert.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdeführer durch den in Folge Weigerung der Beschwerdegegnerin, Daten zum Ermittlungsverfahren Kr 1**/02 des Polizeikommissariates H*** löschen (Steckzettelkartei, Protokollbuch, PAD) bzw. den Kopienakt vernichten zu lassen, noch verarbeiteten Datenbestand in seinem Recht auf Löschung verletzt ist.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Gegen den Beschwerdeführer wurden im Frühjahr 2002 vom Polizeikommissariat H*** zu Zl. Kr 1**/02 sicherheitsbehördliche Vorerhebungen wegen des Verdachts eines Vergehens nach dem früheren § 209 StGB durchgeführt. Er wurde deswegen am 26. April 2002 bei der Staatsanwaltschaft Wien zur Anzeige gebracht und am 11. Dezember 2002 von diesem Vorwurf durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ: *1 Hv **5/02y rechtskräftig freigesprochen.
Die Ermittlungen wurden aktenmäßig zu Zl. Kr 1**/02 dokumentiert, dieser Hand- oder Kopienakt wird heute vom den Beschwerdegegnerin unterstehenden Kriminalkommissariat West aufbewahrt. Beim Inhalt dieses Kopienakts handelt es sich demnach im Wesentlichen um Fließtext, der keine äußere Ordnung aufweist, nach der die verschiedenen Arten von Daten in einer bestimmten räumlichen Verteilung auf dem oder den manuellen Datenträgern oder in einer bestimmten physikalischen oder logischen Struktur dargestellt sind. Darüber hinaus sind die im Kopienakt enthaltenen Daten nicht nach bestimmten Kriterien zugänglich, das heißt, es bestehen keine vereinfachten Möglichkeiten der inhaltlichen Erschließung, beispielsweise durch alphabetische oder chronologische Sortierung oder durch automatisierte Erschließungssysteme. Die einzelnen Aktenstücke weisen keine zwingende chronologische Sortierung auf; die Angaben, die etwa Zeugen oder Verdächtige zu bestimmten anderen Personen gemacht haben, können im Kopienakt, ohne ihn zu lesen oder zumindest durchzublättern, nicht vereinfacht erschlossen werden.
Beweiswürdigung : Diese Angaben stützen sich hinsichtlich des Verfahrens auf die eigenen, glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers, hinsichtlich des Kopienaktes auf das diesbezüglich unwidersprochen gebliebene Vorbringen des Beschwerdegegners. Generell kann davon ausgegangen werden, dass solche "konventionellen Papierakten" …(auch "Kopienakten", das sind die Zweitschriften einer Anzeige) mangels entsprechender Strukturierung bzw. "Organisationsgrades" typischerweise keine manuelle Datei iSd § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 58 DSG 2000 darstellen (VwGH, Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, Zl. 2005/06/0062). Ein Vorbringen, aus dem Gegenteiliges zu vermuten wäre, wurde nicht gemacht.
Eine nach dem Such- und Ordnungskriterium „Familienname“ in die Steckzettelkartei des (damaligen) Polizeikommissariates H*** eingeordnete, den Beschwerdeführer betreffende Karteikarte existiert nicht mehr.
Die Eintragungen im Protokollbuch des Polizeikommissariates H***, Jahrgang 2002, enthalten zur Zl. 1** auf den Beschwerdeführer bezogene Daten. Die entsprechenden Eintragungen ziehen sich, offenbar wegen mehrerer beteiligter Personen und mehreren eintragungspflichtigen Vorgängen, horizontal über drei Felder/Spalten und halten sich nicht an die vertikal im Vordruck vorgegebene Ordnung, wonach der den Betreff bildende Name in die linke (Haupt )Spalte, der Absender des Eingangsstücks in die mittlere (Haupt )Spalte und der Empfänger der Erledigung in die rechte (Haupt )Spalte einzutragen wären. Aus der Eintragung wurden die direkt auf den Beschwerdeführer bezogenen Daten Name, Adresse und Geburtsdatum jedoch gelöscht (durch Schwärzung vollständig unleserlich gemacht). Lesbar sind die Angaben, dass der solcherart anonymisierte Betroffene als Verdächtiger am 26. April (2002) unter Vorlage eines Deposits gemäß § 209 StGB bei der Staatsanwaltschaft (Wien) zur Anzeige gebracht wurde. Weitere Daten betreffen einen weiteren Betroffenen (an erster Stelle als Tatverdächtiger geführt) sowie einen als Tatopfer bezeichneten Jugendlichen, wobei, ausgenommen bei Namen und Adressen, aus den Eintragungen nicht immer mit hinreichender Klarheit hervorgeht, welche sich auf eine bestimmte Person und welche sich auf alle beziehen. Einige Eintragungen sind, jedenfalls auf der zur Verfügung stehenden Kopie, schlecht lesbar oder bestehen aus Abkürzungen, zu deren Bedeutung der nähere Behördengebrauch ermittelt oder die Bearbeiter befragt werden müssten.
In automationsunterstützt geführten Datenanwendungen (wie AVNT oder PAD) werden keine Daten betreffend den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Verfahren Zl. Kr 1**/02 verarbeitet.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf die zitierten Eintragungen in den jeweiligen Dateien. Der im Oktober 2007 aktuelle Stand ergibt sich aus der von der Beschwerdegegnerin mit Stellungnahme vom 11. Oktober 2007, GZ: P3/89****/2007, vorgelegten Kopie der Protokollbucheintragung. Die negative Feststellung zur automationsunterstützten Verarbeitung von Daten des Beschwerdeführers stützt sich auf das glaubwürdige und durch keinerlei Ermittlungsergebnis widerlegte Vorbringen der Beschwerdegegnerin in der Stellungnahme vom 14. Februar 2006, GZ: P 2*/3*/r/05. Desgleichen die Feststellung zur Vernichtung des Steckzettels mit Daten des Beschwerdeführers, die sich auf die bereits zitierte Stellungnahme vom 11. Oktober 2007 (samt Bestätigung des Polizeikommissariates H*** vom 9. Oktober 2007) stützt.
Am 1. Dezember 2005 richtete der Beschwerdeführer, bereits anwaltlich vertreten, ein Löschungsbegehren an die Beschwerdegegnerin. Darin stellte er, unter Nachweis seiner Identität und Angabe des Sachverhalts folgenden Antrag:
„sämtliche zur Person des A [Anmerkung der Datenschutzkommission: A = Antragsteller] im Zusammenhang mit dem o.a. sicherheitsbehördlichen Ermittlungen (automationsunterstützt oder nicht automationsunterstützt) verarbeitete Daten, insb. im Protokoll(buch) (zB Schwärzung), in der Indexkartei, im AVNT und im PAD und in den entsprechenden Erhebungsakten (zB Skartierung), zu löschen und den A, zu Handen des ausgewiesenen Vertreters, hievon zu verständigen.“
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2005, AZ: P 2*/3*/r/05, teilte die Beschwerdegegnerin mit, dass dem Löschungsbegehren nicht entsprochen werde. Lediglich Steckzettel und Protokollbucheintragung würden um die Eintragung „§ 209 StGB ab 14.08.2002 nicht mehr strafbar“ ergänzt.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der der Datenschutzkommission in Kopie vorliegenden zitierten Urkunden.
Weitere Änderungen im Datenbestand, nämlich die Vernichtung des Steckzettels und die Löschung von Name, Adresse und Geburtsdatum des Beschwerdeführers aus der Protokollbucheintragung, erfolgten Mitte August 2006.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf der von der Beschwerdegegnerin mit Stellungnahme vom 11. Oktober 2007, GZ: P3/89****/2007, vorgelegten Kopie der Protokollbucheintragung sowie dem Inhalt der Stellungnahme selbst.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Gemäß der Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 hat jedermann, soweit ihn betreffende Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuellen , d.h. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten (Hervorhebungen durch die Datenschutzkommission).
Gemäß § 4 Z 6 DSG 2000 ist eine Datei eine strukturierte Sammlung von Daten, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich sind.
Gemäß § 27 Abs. 1 DSG 2000, der einfachgesetzlichen Ausführungsbestimmung nach deren Maßgabe das verfassungsgesetzlich eingeräumte Recht auf Richtigstellung bzw. Löschung zu vollziehen ist, hat jeder Auftraggeber unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar aus eigenem (Z 1), sobald ihm die Unrichtigkeit von Daten oder die Unzulässigkeit ihrer Verarbeitung bekannt geworden ist, oder auf begründeten Antrag des Betroffenen (Z 2). Der Pflicht zur Richtigstellung nach Z 1 unterliegen nur solche Daten, deren Richtigkeit für den Zweck der Datenanwendung von Bedeutung ist. Die Unvollständigkeit verwendeter Daten bewirkt nur dann einen Berichtigungsanspruch, wenn sich aus der Unvollständigkeit im Hinblick auf den Zweck der Datenanwendung die Unrichtigkeit der Gesamtinformation ergibt. Sobald Daten für den Zweck der Datenanwendung nicht mehr benötigt werden, gelten sie als unzulässig verarbeitete Daten und sind zu löschen, es sei denn, dass ihre Archivierung rechtlich zulässig ist und dass der Zugang zu diesen Daten besonders geschützt ist.
Gemäß § 27 Abs 3 DSG 2000 ist eine Richtigstellung oder Löschung von Daten ausgeschlossen, soweit der Dokumentationszweck einer Datenanwendung nachträgliche Änderungen nicht zulässt. Die erforderlichen Richtigstellungen sind diesfalls durch entsprechende zusätzliche Anmerkungen zu bewirken.
Gemäß § 27 Abs 4 DSG 2000 ist innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Antrags auf Richtigstellung oder Löschung dem Antrag zu entsprechen und dem Betroffenen davon Mitteilung zu machen oder schriftlich zu begründen, warum die verlangte Löschung oder Richtigstellung nicht vorgenommen wird.
§ 13 Abs 2 SPG idF BGBl. I Nr. 151/2004 lautet unter der Überschrift „Kanzleiordnung“:
„ § 13 . (1) [...]
(2) Der Bundesminister für Inneres, die Sicherheitsdirektionen, Bundespolizeidirektionen und Polizeikommanden sind ermächtigt, sich bei der Wahrnehmung gesetzlich übertragener Aufgaben für die Dokumentation von Amtshandlungen und die Verwaltung von Dienststücken der automationsunterstützten Datenverarbeitung zu bedienen. Zu diesen Zwecken dürfen sie Daten über natürliche und juristische Personen sowie Sachen verwenden, auf die sich der zu protokollierende Vorgang bezieht, wie insbesondere Datum, Zeit und Ort, Fahrzeugdaten, Betreff und Aktenzeichen samt Bearbeitungs- und Ablagevermerken sowie Namen, Rolle des Betroffenen, Geschlecht, frühere Namen, Aliasdaten, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnanschrift und andere zur Erreichbarkeit des Menschen dienende Daten. Soweit es erforderlich ist, dürfen auch sensible Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) sowie Daten im Sinne des § 8 Abs. 4 DSG 2000 verwendet werden. Die Auswählbarkeit von Daten aus der Gesamtmenge der gespeicherten Daten nur nach dem Namen und nach sensiblen Daten darf nicht vorgesehen sein, vielmehr ist für die Auswahl ein auf den protokollierten Sachverhalt bezogenes weiteres Datum anzugeben.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
a) automationsunterstützt geführte Datenwendungen (PAD, AVNT, EKIS)
In solchen Systemen werden und wurde im sachlichen Zusammenhang dieser Beschwerdesache keine Daten des Beschwerdeführers verarbeitet (EKIS-Daten wurden bereits vor Beschwerdeerhebung gelöscht). Die Beschwerde war daher diesbezüglich als unbegründet abzuweisen.
b) Kopienakt
Unter einer Datei ist nach § 4 Z 6 DSG 2000 nur eine "strukturierte Sammlung von Daten, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich sind", zu verstehen. Dem genügt ein – vgl § 4 Z 1 DSG 2000 – nicht personenbezogen strukturierter Papierakt nicht (siehe Erkenntnis des VfGH vom 15. Dezember 2006, VfSlg 17.745). Auch der VwGH hat mehrfach ausgesprochen, dass behördenübliche Akten ohne besondere innere wie äußere Strukturierung dem Dateibegriff des § 4 Z 6 DSG 2000 nicht entsprechen (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 21. Oktober 2004, 2004/04/0086, und vom 19. Dezember 2005, 2005/06/0140). In dieser Sache wurde kein Vorbringen erstattet und ist im Ermittlungsverfahren nichts hervorgekommen, was auch nur darauf hindeutet, dass der Akt Zl. Kr 1**/02 des Polizeikommissariates H*** eine solche besondere Strukturierung aufweisen würde.
Durch die „Nichtlöschung“ bzw. richtiger Nicht-Vernichtung bzw. Nicht-Skartierung dieses Aktes ist der Beschwerdeführer daher nicht im Recht auf Löschung verletzt worden, die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.
c) Protokollbuch und Steckzettelkartei
Gemäß der mit dem Erkenntnis vom 30. November 2005, Zl. B 1158/03, beginnenden, nunmehr bereits ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist auch im Fall einer Datenverwendung, die einem Dokumentationszweck dient, bei Beurteilung eines Löschungsbegehrens eine sorgfältige und das Für und Wider genau darlegende Interessenabwägung vorzunehmen. Ein Dokumentationszweck dürfe bei verfassungskonformer Auslegung einschlägiger Bestimmungen eine Datenlöschung keinesfalls vollständig ausschließen.
„In verfassungskonformer Auslegung ist weder § 13 Abs. 2 SicherheitspolizeiG noch § 27 Abs. 3 DSG 2000 so zu verstehen, dass der Dokumentationszweck einer Datenanwendung die Löschung personenbezogener Daten völlig ausschließt. Gerade nach Lage des vorliegenden Falles - § 209 StGB wurde nach Ermittlung der hier in Rede stehenden personenbezogenen Daten mit Erkenntnis VfSlg. 16.565/2002 wegen Verstoßes gegen Art 7 B-VG aufgehoben und zudem mit Urteil des EGMR 9.1.2003 SL gg Österreich (ÖJZ 2003, 395) als dem Art 8 EMRK widersprechend erkannt - wäre von der Datenschutzkommission vielmehr zu prüfen gewesen, ob die Löschung der den Beschwerdeführer betreffenden Daten im PAD, nämlich seine Stammdaten (Name, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort bzw. -bezirk,
Geburtsbundesland bzw. -staat) und seine
"Personen-Rolle" als Verdächtiger in Verbindung mit einem "Kopienakt", der sich auf die Strafanzeige bzw. Erhebungen wegen des Verdachtes des Vergehens nach §209 StGB bezieht, geboten gewesen wäre.“ (VfGH E 7. 3. 2007, B 3517/05-8)
Gemäß dieser höchstgerichtlichen Gesetzesauslegung ist festzuhalten, dass nach dem aktualisierten Beschwerdesachverhalt keine „Stammdaten“ des Beschwerdeführers mehr verwendet werden.
Der Steckzettel wurde vernichtet, die Daten im Protokollbuch sind durch die erfolgte Löschung der Stammdaten bereits so weit „pseudonomisiert“ worden, dass ein Personenbezug nur mehr mit gewissem Aufwand (nämlich insbesondere durch Einschaunahme in den noch vorhandenen Kopienakt) hergestellt werden kann. Da eine Herstellung des Personenbezugs für den Auftraggeber aber noch möglich ist, sind die Daten, trotz erfolgter Löschung des Namens, weiterhin direkt personenbezogene Daten gemäß § 4 Z 1 DSG 2000.
Da der Verfassungsgerichtshof im hier gegebenen Fall einer Datenverwendung für Zwecke der Dokumentation kriminalpolizeilicher Ermittlungen eine Interessenabwägung zwischen Dokumentationsinteresse und Datenschutzinteresse fordert, ist weiter auszuführen:
Der einzige erkennbare, rechtmäßige Zweck der Datenverwendung liegt, wie schon gesagt, in der Dokumentation von in der Vergangenheit liegenden Amtshandlungen (einschließlich der Auffindbarmachung der dazu gehörigen Akten). Dieser Zweck kann sich gesetzlich auf § 13 Abs. 2 SPG und § 27 Abs. 3 DSG 2000 stützen. Da, wie die Datenschutzkommission bei anderer Gelegenheit ausgesprochen hat, interne Vorschriften für den Dienstbetrieb, wie die in § 13 SPG vorgesehene Kanzleiordnung, keine nach außen wirksamen Fristen für die Datenlöschung setzen können (vgl. den Bescheid vom 9. Juni 2006, GZ: K121.127/0009-DSK/2006, RIS), ist in der Interessenabwägung auch der zeitliche Ablauf (mehr als fünf Jahre seit Erstattung der Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer vergangen) zu berücksichtigen. Dieser zeitliche Abstand verringert fortschreitend das Gewicht des Dokumentationsinteresses. Überdies hat die Beschwerdegegnerin selbst vorgebracht, der Kopienakt könnte nach ihren internen Vorschriften bereits skartiert werden, womit die Notwendigkeit einer Dokumentation für Zwecke der Aktenauffindung wegfällt.
Demgegenüber wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf Löschung ihn betreffender Daten durch eine „Vormerkung“ in einer Datei einer Polizeidienststelle beeinträchtigt, da hiedurch eine gewisse Gefährdung des Rechts auf Geltung der Unschuldsvermutung gemäß Art 6 Abs. 2 EMRK eintritt. Dieser Gefahr darf ein Betroffener aber nur ausgesetzt werden, wenn für jedermann verständliche Gründe vorliegen, dass durch die Verarbeitung dieser Daten Zwecke der Strafrechtspflege und der Sicherheitspolizei gefördert werden (vgl. den Bescheid vom 1. Juni 2001, GZ: K120.697/005-DSK/2001, RIS, wenn auch der in dieser Entscheidung behandelte Fall von Datenverarbeitung für die Zentrale Informationssammlung eine wesentlich gravierendere Gefährdung dieses Grundrechts bedeutete).
Eine Abwägung der gegenläufigen Interessen ergibt daher angesichts des Zeitablaufs ein Überwiegen des Löschungsinteresses des Beschwerdeführers. Daraus folgt, dass gemäß § 27 Abs. 1 DSG 2000 und § 63 Abs. 1 SPG die Eintragung im Protokollbuch durch Unleserlichmachen des gesamten Inhalts zu löschen ist, um zu vermeiden, dass durch Ausheben des in der Eintragung referenzierten Aktes die Identität des Betroffenen doch noch festgestellt werden könnte.
Der Beschwerde kam daher in diesem Punkt Berechtigung zu, und es waren die spruchgemäßen Feststellungen zu treffen. Zur Umsetzung dieser Feststellung wird auf § 40 Abs. 4 DSG 2000 verwiesen. Ein einem Auftraggeber des öffentlichen Bereichs zu erteilender Löschungsauftrag ist gemäß Auslegung von § 31 Abs. 2 DSG 2000 durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. insbesondere das Erkenntnis des VwGH vom 27. Juni 2006, Zl. 2005/06/0366) gesetzlich nicht vorgesehen; der entsprechende Antrag (Punkt c. der Anträge in der Beschwerde vom 3. Jänner 2006) war daher abzuweisen.