K121.327/0002-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. ZIMMER, Dr. KOTSCHY, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Dr. BLAHA und Dr. STAUDIGL sowie der Schriftführerin Mag. FRITZ in ihrer Sitzung vom 18. Jänner 2008 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Kurt A*** (Beschwerdeführer) aus M***, vertreten durch Dr. Otfried L***, Rechtsanwalt in **** M***, N***gasse ***, vom 19. August 2007 gegen die Bundespolizeidirektion Wien (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Löschung eigener Daten durch die Ablehnung eines Löschungsbegehrens mit Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 8. August 2007, AZ 12**44 und 12**42, je aus 2007, wird gemäß den §§ 26 Abs. 7, 27 Abs. 1 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
- Die Beschwerde wird abgewiesen.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Löschung dadurch, dass sich die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 8. August 2007, AZ: 12**44 und 12**42, je aus 2007, geweigert habe, ihn betreffende Daten im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Dienste der Strafjustiz (Verdacht der sexuellen Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlungen) zu löschen. Er sei von diesem Verdacht durch Urteil des Bezirksgerichts Inneres Stadt Wien (AZ: 2* U 1**/06s) vom 19. Juli 2006 freigesprochen worden. Die Beschwerdegegnerin habe sich zu Unrecht darauf berufen, durch § 26 Abs. 7 DSG 2000 wegen eines dem Löschungsbegehren vorangegangenen datenschutzrechtlichen Auskunftsbegehrens an der Löschung gehindert zu sein.
Die Beschwerdegegnerin brachte unter Vorlage mehrere Beweisstücke (Urkundenkopien und Ausdrucke) mit Stellungnahme vom 31. August 2007, GZ: 12*.*44/2007, vor, der Beschwerdeführer habe am 11. Juni 2007 ein Auskunftsbegehren gemäß § 26 DSG 2000 und §§ 55-63 SPG an die Beschwerdegegnerin gerichtet. Am 28. Juni 2007 habe er dieses um ein Auskunftsgehren an die Beschwerdegegnerin in ihrer Funktion als Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien erweitert. Beide Auskunftsbegehren seien zu Zl. 45**34/2007 am 11. Juli 2007 erledigt worden, jedoch mit getrennten Schreiben für die Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde erster Instanz und als Sicherheitsdirektion. Am 23. Juli 2007 habe der Beschwerdeführer in zwei getrennten Eingaben an die Sicherheitsdirektion einen Antrag auf Löschung erkennungsdienstlicher Daten gemäß §§ 73 f SPG gestellt. An die Beschwerdegegnerin habe er ein allgemeines Löschungsbegehren nach § 27 DSG 2000 und § 63 SPG gerichtet. Auf letzteres sei nach Ansicht der Beschwerdegegnerin § 26 Abs. 7 DSG 2000 anzuwenden, der die Löschung der Daten jedenfalls für den Zeitraum bis zum Ablauf der Erledigungsfrist (§ 27 Abs. 4 DSG 2000) verboten habe. Dies sei dem Beschwerdeführer daraufhin als Grund für die Nichterfüllung des Löschungsbegehrens mit Schreiben vom 8. August 2007 mitgeteilt worden.
Der Beschwerdeführer replizierte darauf nach Gewährung von Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens mit Eingabe vom 19. September 2007, die Löschungssperre diene der Sicherung des Auskunftsrechts, hindere aber den Auftraggeber nicht an einer vom Betroffenen verlangten Löschung. Die Beschwerdegegnerin verkenne den Zweck der Bestimmung. Dieser liege „im Schutz des Auskunftswerbers gegen Manipulationen seitens des Datenverarbeiters, nicht aber in dessen Verhöhnung durch Schaffung eines privilegium odiosum.“
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin sich am 8. August 2007 aus dem Grunde des § 26 Abs. 7 DSG 2000 zu Recht geweigert hat, Daten des Beschwerdeführers zu löschen.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Gegen den Beschwerdeführer wurden von Dezember 2005 bis März 2006 Ermittlungen im Dienste der Strafjustiz zu Zl. 4 Kr 98**13/2005 des Polizeikommissariates C*** (Organisationseinheit der Beschwerdegegnerin) durchgeführt. Diese wurden mit einer Strafanzeige vom 30. März 2006 (Erledigungsdatum laut KPA-Auszug) an die Staatsanwaltschaft Wien (Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien) wegen des Verdachts sexueller Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlungen abgeschlossen. Daten betreffend den Beschwerdeführer werden von der Beschwerdegegnerin in den Datenanwendungen „Allgemeine Protokolle der Bundespolizeidirektion Wien“ (im Beschwerdezusammenhang de facto identisch mit dem auch als „PAD“ bekannten Aktenverwaltungs- und Verfahrensdokumentationssystem der Beschwerdegegnerin) sowie - im Rahmen des Informationsverbundsystems EKIS – im „kriminalpolizeilicher Aktenindex – KPA“ verarbeitet (die Verwendung erkennungsdienstlicher Daten gehört nicht zum Umfang der vorliegenden Beschwerde).
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst sowie auf den von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Ausdrucken aus den bezeichneten Datenanwendungen, Beilagen 4, 5, 8 und 10 zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 31. August 2007, GZ: 12*.*44/2007.
Am 11. Juni 2007 richtete der Beschwerdeführer per Telefax zwei weitgehend identische datenschutzrechtliche Auskunftsbegehren an die Beschwerdegegnerin (jeweils in ihrer Funktion als Sicherheitsbehörde erster Instanz und als – übergeordnete - Sicherheitsdirektion). Diese wurden mit zwei Schreiben vom 11. Juli 2007, beide zu AZ: 45**34/2007, beantwortet (jeweils durch inhaltliche Auskunftserteilung).
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den in Kopie vorliegenden Erledigungen, Beilagen 4 und 5 zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 31. August 2007, GZ: 12*.*44/2007.
Am 23. Juli 2007 richtete der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf AZ: 45**34/2007 ein Löschungsbegehren mit dem Inhalt, sämtliche auf das erwähnte Ermittlungsverfahren (automationsunterstützt oder nicht) verarbeiteten Daten, „insb. im KPA, in den Allgemeinen Protokollen und in den entsprechenden Erhebungsakten“ zu löschen, an die Beschwerdegegnerin. Diese lehnte das Löschungsbegehren mit Schreiben vom 8. August 2007, AZ 12**44 und 12**42, je aus 2007, mit der Begründung ab, durch § 26 Abs. 7 DSG 2000 jedenfalls bis zum 13. Oktober 2007 an einer Löschung gehindert zu sein. Man werde aber das Löschungsbegehren nach Ablauf der Sperrfrist auf die Löschungsvoraussetzungen prüfen.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den in Kopie vorliegenden Schreiben, Beilagen zur Beschwerde vom 19. August 2007.
Der Beschwerdeführer hat nach Erhalt der Auskunft keine ausdrückliche Erklärung betreffend die Geltendmachung des Beschwerderechts gemäß § 31 Abs. 1 DSG 2000 gegenüber der Beschwerdegegnerin abgegeben.
Beweiswürdigung : Diese Feststellung beruht auf der Erklärung des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 19. September 2007, Seite 2.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
§ 26 Abs. 1, 4 und 7 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Auskunftsrecht“:
„ § 26 . (1) Der Auftraggeber hat dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person verarbeiteten Daten zu geben, wenn der Betroffene dies schriftlich verlangt und seine Identität in geeigneter Form nachweist. Mit Zustimmung des Auftraggebers kann das Auskunftsbegehren auch mündlich gestellt werden. Die Auskunft hat die verarbeiteten Daten, die verfügbaren Informationen über ihre Herkunft, allfällige Empfänger oder Empfängerkreise von Übermittlungen, den Zweck der Datenverwendung sowie die Rechtsgrundlagen hiefür in allgemein verständlicher Form anzuführen. Auf Verlangen des Betroffenen sind auch Namen und Adresse von Dienstleistern bekannt zu geben, falls sie mit der Verarbeitung seiner Daten beauftragt sind. Mit Zustimmung des Betroffenen kann anstelle der schriftlichen Auskunft auch eine mündliche Auskunft mit der Möglichkeit der Einsichtnahme und der Abschrift oder Ablichtung gegeben werden.
[...]
(4) Innerhalb von acht Wochen nach Einlangen des Begehrens ist die Auskunft zu erteilen oder schriftlich zu begründen, warum sie nicht oder nicht vollständig erteilt wird. Von der Erteilung der Auskunft kann auch deshalb abgesehen werden, weil der Betroffene am Verfahren nicht gemäß Abs. 3 mitgewirkt oder weil er den Kostenersatz nicht geleistet hat.
[...]
(7) Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von einem Auskunftsverlangen darf der Auftraggeber Daten über den Betroffenen innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten und im Falle der Erhebung einer Beschwerde gemäß § 31 an die Datenschutzkommission bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens nicht vernichten.“
§ 27 Abs. 1 und 4 DSG 2000 lautet unter der Überschrift Recht „auf Richtigstellung oder Löschung“:
„ § 27 . (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar
(4) Innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Antrags auf Richtigstellung oder Löschung ist dem Antrag zu entsprechen und dem Betroffenen davon Mitteilung zu machen oder schriftlich zu begründen, warum die verlangte Löschung oder Richtigstellung nicht vorgenommen wird.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer am 8. August 2007 eine § 27 Abs. 4 DSG 2000 entsprechende Antwort erteilt und war mit ihrer Ansicht, durch § 26 Abs. 7 DSG 2000 an der Löschung der Daten gehindert zu sein, im Recht.
Im Bescheid vom 5. April 2005, GZ: K120.873/0003-DSK/2005 (RIS), hat die Datenschutzkommission § 26 Abs. 7 DSG 2000 im Hinblick auf eine Konkurrenz von Auskunfts- und Löschungsrecht wie folgt ausgelegt:
„Die Beschwerdegegnerin wendet hier zu Recht ein, dass während eines anhängigen Auskunftsbegehrens und eines darauf folgenden Beschwerdeverfahrens vor der Datenschutzkommission jede Löschung von Daten des Betroffenen gemäß § 26 Abs. 7 DSG 2000 gesetzlich verboten ist. Der Begriff 'vernichten' in § 26 Abs. 7 DSG 2000 umfasst dabei sowohl das Löschen von Daten in automationsunterstützt geführten Datenanwendungen wie auch das Unleserlichmachen von Daten auf oder die physische Zerstörung von sonstigen Datenträgern einer (manuellen) Datei. Dieses Verbot ist durch die Strafbestimmung von § 52 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 sanktioniert; ein vorsätzliches Zuwiderhandeln ist als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 18.890 Euro bedroht. Diese massive Strafdrohung unterstreicht die Bedeutung des Verbots nachdrücklich. Stellt ein Betroffener daher gleichzeitig ein Auskunfts- und ein Löschungsbegehren, so geht § 26 Abs. 7 DSG 2000 als lex specialis § 27 Abs. 1 und 4 DSG 2000 vor, auch dann, wenn grundsätzlich die Voraussetzungen für die Löschung gegeben sind. Die Daten dürfen in einem solchen Fall erst gelöscht werden, wenn das Auskunftsbegehren im Sinne von § 26 Abs. 7 DSG 2000 als erledigt gelten kann (Ablauf der Viermonatsfrist bzw. Beendigung des Beschwerdeverfahrens vor der Datenschutzkommission).“
Dem vom Beschwerdeführer zitierten Bescheid vom 20. Mai 2005, GZ: K121.019/0010-DSK/2005 (RIS), lag dagegen ein Sachverhalt zu Grunde, auf Grundlage dessen sich der Auftraggeber zu Unrecht auf § 26 Abs. 7 DSG 2000 berufen hatte, da gar kein Auskunfts- sondern nur ein Löschungsbegehren gestellt worden war.
Was im erstzitierten Bescheid für den Fall einer gleichzeitigen Geltendmachung des Auskunfts- und des Löschungsrechts gesagt worden ist, gilt, mutatis mutandis, auch in dem Fall, dass sich die relevanten Fristen wegen zeitlicher Abfolge der Rechtsausübung überschneiden .
Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, diese Auslegung verkenne den Zweck der Rechtsvorschrift, die lediglich eine Sicherung der Beweislage im Fall der Ausübung des Auskunftsrechts durch einen Betroffenen im Auge habe.
Gemäß § 26 Abs. 7 DSG 2000 ist eine Datenlöschung zwar nicht bis zur endgültigen Verfristung des Beschwerderechts nach § 31 Abs. 1 DSG 2000 aufzuschieben, zumindest vier Monate nach einem Auskunftsbegehren ist aber jede endgültige, unwiderrufliche „Vernichtung“ der Daten verboten. Nach Ablauf dieser Frist darf gelöscht werden, wenn der Auftraggeber bis dahin keine Kenntnis von einem anhängigen Beschwerdeverfahren wegen Verletzung des Auskunftsrechts (§ 31 Abs. 1 DSG 2000) erlangt hat.
Da der Beschwerdeführer, wie als Tatsache festgestellt, keine Erklärung abgegeben hat, die als Verzicht auf dieses Recht gedeutet werden kann, können Erwägungen zu der Rechtsfrage unterbleiben, ob diesfalls bereits innerhalb von 8 Wochen nach Einlangen des Löschungsantrags eine Löschung bzw. Mitteilung nach § 27 Abs. 4 DSG 2000 vorzunehmen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer führt dazu aus, dass ein Löschungsantrag nach Erhalt der Auskunft keine Beschwerde wegen mangelhafter Auskunft erwarten lässt. Dies ist allerdings weder gänzlich auszuschließen, noch besteht eine diesbezügliche gesetzliche Vermutung. Daher war die Löschungssperre des § 26 Abs. 7 DSG 2000 zu beachten.
Ergibt die Prüfung eines im Anschluss an ein Auskunftsbegehren gestellten Löschungsbegehrens gemäß § 27 Abs. 1 DSG 2000 das Bestehen eines Löschungsanspruchs, so ist die Löschung nach Ablauf der Viermonatsfrist ohne weiteren Aufschub (also etwa ohne Lauf einer weiteren Achtwochenfrist iSv § 27 Abs. 4 DSG 2000) durchzuführen und dies dem Betroffenen mitzuteilen.
Besteht nach Ansicht des Auftraggebers jedoch aus anderen Gründen als dem der Wirksamkeit einer „Löschungssperre“ kein Recht auf die begehrte Datenlöschung, so kann diese Antwort auch schon innerhalb der durch das Löschungsbegehren ausgelösten Achtwochenfrist gegeben werden (etwa zugleich mit einem Auskunftsschreiben).
Die von der Beschwerdegegnerin am 8. August 2007 dem Beschwerdeführer gegebene Erklärung, derzeit durch § 26 Abs. 7 DSG 2000 an der Datenlöschung gehindert zu sein, war daher zutreffend und hat den Beschwerdeführer somit nicht im Recht auf Löschung eigener Daten verletzt. Das weitere Vorgehen der Beschwerdegegnerin in Bezug auf die Frage des Bestehens eines Löschungsrechts nach Auslaufen der Löschungssperre war nicht Gegenstand dieser Beschwerdesache.