JudikaturDSB

K202.056/0006-DSK/2007 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
16. November 2007

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. STAUDIGL, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HUTTERER und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 16. November 2007 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag des Herrn Univ.-Prof. Dr. D*** T*** und der Frau Priv.-Doz. Dr. B*** X*** (Antragsteller) vom 23. August 2007 samt Ergänzungen vom 17. September 2007 auf Genehmigung der Verwendung von Daten der A*** Gebietskrankenkasse für Zwecke wissenschaftlicher Forschung wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:

- Der Antrag wird abgewiesen.

B e g r ü n d u n g

Die Antragsteller begehren für Zwecke eines Dissertationsprojekts mit dem Titel „***“ eine Genehmigung für die Verwendung von Daten der A*** Gebietskrankenkasse bezüglich Medikation (über eingereichte Rezepte) und auch über Psychotherapie (über Rückerstattungskosten).

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Die Antragsteller planen die Durchführung eines Dissertationsprojektes mit dem Titel „***“.

Im Rahmen dieses Projekts sollen neben Telefoninterviews mit den Betroffenen auch Daten bei der A*** Gebietskrankenkasse bezüglich der Medikation (eingereichte Rezepte) und auch Psychotherapie (Rückerstattungskosten) ermittelt werden.

Insbesondere sollen hierbei die Daten über Rezepteinlösungen von Personen, die nach einem stationären Aufenthalt an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie im außerstationären Bereich weiter behandelt werden, ermittelt werden.

Im Zuge dieses Projektes soll untersucht bzw. aufgezeigt werden, inwieweit Patienten den Empfehlungen ihrer Ärzte folgen. Hierbei sollen „harte Daten“ erhoben werden, um damit in Richtung Compliance noch gezielter und intensiver arbeiten zu können und auch den niedergelassenen Ärzten diese Problematik vor Augen zu führen. Die Arbeit soll auch in einem internationalen Journal publiziert werden.

Die A*** Gebieteskrankenkasse verfügt über die hier gewünschten Daten, nämlich über Daten hinsichtlich der Rezepteinlösung und der Rückerstattungskosten für Psychotherapien.

Die Zustimmung der Betroffenen, das sind die im Zuge der Telefoninterviews angerufenen Patientinnen und Patienten, soll ganz bewusst nicht eingeholt werden, da davon auszugehen ist, dass nur jene Betroffenen ihre Zustimmung zur Ermittlung ihrer Daten bei der Salzburger Gebietskrankenkasse erteilen werden, die auch tatsächlich eine relativ hohe Compliance haben. Dies würde aber das Ergebnis des Projekts gänzlich verfälschen.

Hinsichtlich der fachlichen Eignung der Antragsteller wurde angegeben, dass beide im Fach Psychiatrie habilitiert sind.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem schlüssigen Vorbringen im Antrag vom 23. August 2007, sowie aus der auf Grund des Verbesserungsauftrages der Datenschutzkommission vom 12. September 2007 abgegebenen Stellungnahme vom 17. September 2007.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 4 Z 8 DSG 2000 bedeutet „Verwenden von Daten“ jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten (Z 9) einschließlich des Ermittelns, als auch das Übermitteln (Z 12) von Daten;

Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:

„Wissenschaftliche Forschung und Statistik

§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die

(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur

(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist zu erteilen, wenn

1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und

2. ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und

3. die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.

Sollen sensible Daten übermittelt werden, muss ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muss gewährleistet sein, dass die Daten beim Empfänger nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verlässlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.

(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.

(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass hinsichtlich der Daten, deren Verwendung die Antragsteller beabsichtigen, weder die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 DSG 2000 noch jene des Abs. 2 Z 1 oder 2 erfüllt sind. Somit kommt eine Datenermittlung- und Verarbeitung gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 DSG 2000 nur mit Genehmigung der Datenschutzkommission nach Abs. 3 in Betracht; der Antrag war somit zulässig.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 sind folgende:

1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen ist unmöglich oder würde unverhältnismäßigen Aufwand bewirken , und

2. an den beantragten Verwendungen besteht ein öffentliches Interesse und

3. die fachliche Eignung des Antragsstellers wurde glaubhaft gemacht.

Während die unter Z 2 und 3 angeführten Voraussetzungen vorliegen, fehlt es am Kriterium der Unmöglichkeit der Einholung der Zustimmung der Betroffenen oder des damit verbundenen unverhältnismäßigen Aufwands.

Der Gesetzeswortlaut lässt eindeutig erkennen, dass primär die Zustimmung der Betroffenen eingeholt werden sollte – dann wäre auch eine Genehmigung der Datenschutzkommission nicht erforderlich – und von diesem Grundsatz nur abgegangen werden darf, wenn die Einholung der Zustimmung entweder unmöglich ist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand bewirken würde.

Bei den vom gegenständlichen Projekt Betroffenen handelt es sich allesamt um Personen, welche nach einem stationären Aufenthalt an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie im außerstationären Bereich weiter behandelt werden.

Mit allen diesen Personen sollen im Zuge des Projektes auch Interviews geführt werden.

Die Betroffenen sind daher jedenfalls namentlich bekannt. Auch besteht an ihrer Erreichbarkeit insofern kein Zweifel, als diese ja auch für die Interviews erreicht werden müssen.

Die Unmöglichkeit der Einholung der Zustimmung der Betroffenen kann daher nicht angenommen werden.

Da die Betroffenen aber auch im Zuge des Projektes für ein Interview kontaktiert werden, wird mit der Einholung der Zustimmung auch kein unverhältnismäßiger Aufwand verbunden sein.

Die Antragsteller haben eine Unmöglichkeit der Einholung der Zustimmung oder einen damit verbundenen unverhältnismäßigen Aufwand auch nicht behauptet. Es wurde lediglich ausgeführt, dass die Einholung der Zustimmung ganz bewusst nicht gewollt wird , um die Ergebnisse der Forschung nicht zu verfälschen. Dies deshalb, weil davon auszugehen ist, dass nur jene Patientinnen und Patienten ihre Zustimmung erteilen werden, bei denen eine relativ hohe Compliance besteht.

Eine derartige Ausnahme, nämlich die Ermittlung von Daten ohne Zustimmung der Betroffenen, obwohl deren Zustimmung mit verhältnismäßigem Aufwand eingeholt werden kann, ist aber im DSG 2000 nicht vorgesehen. Im gegenständlichen Fall würde das sogar implizieren, dass Daten ganz bewusst ohne Wissen der Betroffenen ermittelt werden, obwohl zumindest eine für das Forschungsprojekt nicht unerhebliche Anzahl von Betroffenen ihre Zustimmung gar nicht erteilen würde. Im Ergebnis sollen daher Daten (zumindest teilweise) ohne Wissen und gegen den Willen der Betroffenen ermittelt werden.

Der Freiheit der Wissenschaft, wie sie etwa in Art. 17 Staatsgrundgesetz verankert ist, hat der Gesetzgeber auch unter anderem durch die Bestimmung des § 46 DSG 2000 Rechnung getragen. Sie muss aber dort ihre Grenzen finden, wo in unverhältnismäßiger Weise in Grundrechte anderer eingegriffen wird. Hierbei ist insbesondere das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zu berücksichtigen. Demnach soll grundsätzlich jedermann selbst entscheiden können an wen er welche persönlichen Informationen für einen bestimmten Zweck preisgibt.

Der Umstand, dass das Ergebnis der gegenständlichen Forschungsarbeit verfälscht bzw. nicht repräsentativ sein könnte, wenn die Zustimmung der Betroffenen eingeholt werden muss, vermag die Ermittlung von personenbezogenen Daten ohne Wissen und Willen der Betroffenen oder unter Umständen sogar gegen den Willen der Betroffenen nicht zu rechtfertigen und ist dies darüber hinaus in § 46 Abs. 3 DSG 2000 auch nicht vorgesehen.

Daher konnte eine Genehmigung für die Verwendung der Daten durch die Antragsteller auf der Grundlage des § 46 Abs. 3 DSG 2000 nicht erteilt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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