K202.054/0008-DSK/2007 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 16. November 2007 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über den Antrag des Vereins I*** (Antragsteller) vom 26. Juni 2007 auf Genehmigung der Verwendung von Daten aus Akten der C*** Gebietskrankenkasse wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
A.) Es wird die Genehmigung erteilt, aus den Sozialversicherungsunterlagen der C*** Gebietskrankenkasse nachstehende Daten von dem Antragsteller namentlich bekannten Personen, welche zwischen 1940 und 1944 in der NS- „Tötungsanstalt“ I*** beschäftigt waren, zu ermitteln und diese Daten für Zwecke der Grundlagenforschung zum Personal der ehemaligen Tötungsanstalt I*** zu verwenden, wobei jedoch Übermittlungen (§ 4 Z 12 DSG 2000), einschließlich der Veröffentlichung der ermittelten Daten in personenbezogener Form, nicht gestattet sind:
Die Genehmigung ist an die Erfüllung der folgenden Auflagen geknüpft:
1. Die Ermittlung der Daten hat nur durch die vom Antragsteller mit der gegenständlichen Grundlagenforschung beauftragte Person, Frau T***, zu erfolgen. Die Heranziehung von anderen Dienstleistern ist nicht gestattet.
2. Der Zugang zu Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten ist durch den Antragsteller in geeigneter Weise entsprechend § 14 Abs. 2 Z 5 und 6 DSG 2000 abzusichern, z.B. durch Verschluss (bei Aufzeichnungen auf Papier) oder durch Passwort bei elektronischen Aufzeichnungen.
B.) Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr. 10/2004, iVm §§ 1, 3 Abs 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 (BVwAbgV), BGBl Nr. 24/1983 i.d.F. BGBl II Nr. 371/2006, hat der Antragsteller eine Verwaltungsabgabe in Höhe von
Euro 6,50
zu entrichten.
B e g r ü n d u n g:
Der Antragsteller begehrt für Zwecke der Durchführung von wissenschaftlichen Forschungsaufgaben, nämlich der Grundlagenforschung zum Personal der ehemaligen NS- „Tötungsanstalt“ I***, eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten von Personen, welche zwischen 1940 und 1944 in der NS- „Tötungsanstalt“ I*** beschäftigt waren, soweit diese bei der C*** Gebietskrankenkasse vorhanden sind.
Die Verwendung personenbezogener Daten für wissenschaftliche Zwecke ist gemäß § 46 DSG 2000 u.a. dann zulässig, wenn eine Genehmigung der Datenschutzkommission hiefür vorliegt, wobei gemäß Abs. 3 leg. cit. folgende Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung gegeben sein müssen:
Ad 1): Bei den Betroffenen handelt es sich um einen Personenkreis, der zum großen Teil wohl aus schon verstorbenen Personen besteht, jedenfalls aber aus Personen, deren gegenwärtige Adresse für den Antragsteller gar nicht oder nur mit ungeheurem Aufwand zu ermitteln wäre. Die Einholung der Zustimmung ist daher teils unmöglich, teils wäre sie bestenfalls mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, sodass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 gegeben sind.
Ad 2): Die Aufarbeitung der österreichischen Geschichte unter der NS-Herrschaft ist ein Unterfangen, an dem ein wichtiges öffentliches Interesse besteht, wie auch die Einsetzung der Historikerkommission durch die Bundesregierung zeigt.
Die Datenschutzkommission hat überdies in ihrer bisherigen Rechtsprechung betont, dass im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Untersuchung der NS-Zeit regelmäßig ein wichtiges öffentliches Interesse vorliegt, weil die Erforschung und objektive Aufarbeitung der NS-Vergangenheit dem Ansehen Österreichs in der Welt dient (vgl. etwa den Bescheid vom 31. Mai 2006, K202.048/0008 DSK/2006, mwH, abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes unter http://www.ris.bka.gv.at/dsk/).
Die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 ist somit als erfüllt anzusehen.
Ad 3): Der Antragsteller ist ein Verein, dessen Zweck unter anderem in der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Euthanasieverbrechen, welche in I*** verübt wurden, liegt. Mit der gegenständlichen Forschungstätigkeit wurde seitens des Antragstellers Frau T*** beauftragt, sodass die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 Z 3 DSG 2000 hinsichtlich Frau T*** vorliegen muss.
T*** ist studierte Historikerin und war 10 Jahre im C*** Landesarchiv im Fachbereich Zeitgeschichte tätig, in deren Aufgabenbereich auch der Aufbau und die Leitung der 2002 gegründeten Dokumentationsstelle I*** fiel. Ferner wurde sie bereits mit der Durchführung mehrerer zeitgeschichtlicher, wissenschaftlicher Forschungsarbeiten betraut, wie etwa mit der Erstellung eines Manuskripts einer wissenschaftlichen Edition, der so genannten „[Titel der Publikation]“.
Die Voraussetzung des § 46 Abs: 3 Z 2 DSG 2000 ist somit als erfüllt anzusehen.
Die erteilten Auflagen dienen der Datensicherheit bei der Verwendung der Daten.
Die Verwaltungsabgabe war gemäß § 78 Abs. 1 AVG iVm § 46 Abs. 3 und § 53 Abs. 1 DSG 2000 vorzuschreiben. Demnach ist für Anträge nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 keine Befreiung von Verwaltungsabgaben normiert.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass diese Genehmigung keine rechtliche Verpflichtung der C*** Gebietskrankenkasse zur Gestattung der Einsicht in ihre Datenbestände bewirkt, sondern nur die datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit für eine bescheidgemäße Verwendung der in Rede stehenden Daten bescheinigt.