JudikaturDSB

K202.053/0009-DSK/2007 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2007

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. MAITZ-STRASSNIG, Dr. KOTSCHY, Mag. HEILEGGER, Dr. HEISSENBERGER und Dr. BLAHA sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 3. Oktober 2007 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag der Universität *** (Antragstellerin) vom 30. April 2007 auf Genehmigung der Verwendung von Daten aus Unterlagen der A*** Gebietskrankenkasse wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:

- Der Antrag wird abgewiesen.

B e g r ü n d u n g :

Die Antragstellerin begehrt für Zwecke eines Forschungsprojekts über die Produktionsstruktur von niedergelassenen Vertragsärzten eine Genehmigung für die Verwendung von Daten dieser Ärzte, welche bei der A*** Gebietskrankenkasse vorhanden sind.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Das Institut für Finanzwissenschaft der Antragstellerin plant die Durchführung eine Forschungsprojekts mit dem Titel „Eigenproduktion, Arzneimitteleinsatz, Überweisungen:

Ökonomische Determinanten der Produktionsstruktur von niedergelassenen Vertragsärzten in Österreich“ .

Im Rahmen des Forschungsprojekts soll empirisch-ökonometrisch untersucht werden, welche Determinanten die Behandlungsstrategie des niedergelassenen Vertragsarztes im Spannungsfeld der Trias

1. Eigenproduktion von Leistungen (durch eigene Arbeitszeit, Einsatz von Medizintechnik),

2. Einsatz von Arzneimitteln und

3. Überweisung an andere Versorgungseinrichtungen bzw. –stufen (Facharzt, Krankenhaus)

bestimmen. Dies sind die wesentlichen Bestandteile der Behandlungsstrategie eines solchen Arztes. Ökonomisch ist davon auszugehen, dass es sich um nicht perfekte Substitute handelt. Die Entscheidung darüber wird sehr wesentlich durch den medizinischen Bedarf (das medizinische Problem des Patienten) und die verfügbaren Behandlungstechnologien bestimmt. Im Weiteren spielen rechtliche Regelungen, zB die Ausgestaltung des Leistungskataloges und das Tarifsystem der Honorarordnung eine große Rolle. Insgesamt ist aber davon auszugehen und die empirische Literatur bestätigt diesen Befund, dass der Arzt im Rahmen der Wahl seiner Behandlungsstrategie einen erheblichen Spielraum hat, ohne dass er Gefahr läuft, medizinische Standards grob zu verletzen. Die Wahl der konkreten Behandlungsstrategie innerhalb dieses Spielraums dürfte von einer Reihe von Faktoren – teilweise auch nichtmedizinischer Natur wie dem Alter des Arztes, dem Geschlecht, seiner Erfahrung, der Praxisform und -ausstattung etc. – abhängen. In der gesundheitsökonomischen Literatur gibt es zahlreiche Anhaltspunkte zur Bildung empirisch gehaltvoller Hypothesen für den untersuchten Zusammenhang. Für die Vertragsärzte in Österreich fehlt aber weitgehend die empirische Evidenz darüber, welche Bedeutung die einzelnen obigen Einflussfaktoren auf das Behandlungsverhalten haben.

Das Forschungsprojekt soll seinen Niederschlag in erster Linie in Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften finden. Ausgewählte Ergebnisse können gesundheitspolitischen Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt werden. Eine kommerzielle Verwertung ist nicht in Aussicht genommen. Das Projekt soll letztlich dazu dienen, die Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Versorgungsstufen im Gesundheitswesen zu verbessern und dadurch Ineffizienzen zu beseitigen.

Die A*** Gebietskrankenkasse ist an den Ergebnissen des Forschungsprojekts sehr interessiert, weil diese unmittelbar in ihre Tätigkeit einfließen können. Daher ist diese auch bereit, der Antragstellerin die im Spruch angeführten Daten zu jedem in A*** niedergelassenen Vertragsarzt zur Verfügung zu stellen. In A*** haben ca. 700 Ärzte einen Vertrag mit der A*** Gebietskrankenkasse.

Konkret soll das Projekt unter der Leitung der beiden am Institut tätigen Wissenschafter A. Univ. Prof Dr. C*** und A. Univ. Prof. Dr. D*** durchgeführt werden, die über ausgezeichnete wissenschaftliche Qualifikation in den Bereichen Gesundheitsökonomie, Ökonometrie und Statistik verfügen. Das Ergebnis des Projekts ist auch auf Regionen bezogen, lässt aber einen Rückschluss auf einzelne Ärzte nicht zu, da einzelne Gemeinden nicht erwähnt werden, sondern nur die sozioökonomische Struktur (ländliches Gebiet, städtisches Gebiet) aufgeschlüsselt wird.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem schlüssigen Vorbringen im Antrag samt Beilagen (Schreiben der A*** Gebietskrankenkasse vom 27. April 2007, Schreiben des Dekans der Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik der Universität *** vom 27. März 2007). Die Zahl der Vertragsärzte und die Feststellungen zum Ergebnis des Forschungsprojekts stammen aus einem Telefongespräch mit Univ.Prof. Dr. C*** vom 21. August 2007. Die Zahl der Vertragsärzte bestätigt darüber hinaus die Website der *** Ärztekammer *** (751 Vertragsärzte und rund 168 mit einem oder mehreren Verträgen der Sonderkrankenversicherungsträger).

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 4 Z 8 DSG 2000 bedeutet Verwenden von Daten jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten (Z 9) einschließlich des Ermittelns, als auch das Übermitteln (Z 12) von Daten;

Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:

„Wissenschaftliche Forschung und Statistik

§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die

(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur

(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist zu erteilen, wenn

(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.

(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass hinsichtlich der Daten, deren Verwendung die Antragstellerin beabsichtigt, weder die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 DSG 2000 noch jene des Abs. 2 Z 1 oder 2 erfüllt sind. Somit kommt eine Datenermittlung- und Verarbeitung gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 DSG 2000 nur mit Genehmigung der Datenschutzkommission nach Abs. 3 in Betracht; der Antrag war somit zulässig.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 sind folgende:

1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen ist unmöglich oder würde unverhältnismäßigen Aufwand bewirken,

2. an den beantragten Datenanwendungen besteht ein öffentliches Interesse und

3. die fachliche Eignung des Antragsstellers wurde glaubhaft gemacht.

Während die unter Z 2 und 3 angeführten Voraussetzungen vorliegen, fehlt es am Kriterium des unverhältnismäßigen Aufwands für die Einholung der Zustimmung der Betroffenen: Der Gesetzestext lässt erkennen, dass primär die Zustimmung eingeholt werden sollte und von diesem Grundsatz nur abgegangen werden darf, wenn unverhältnismäßiger Aufwand für die Einholung erforderlich wäre. Name und Ordinationsadresse aller Vertragsärzte sind bei der *GKK jedoch in elektronischer Form vorhanden, sodass es keines besonderen Aufwands bedarf, alle Vertragsärzte zu kontaktieren und sie um ihre Zustimmung zu ersuchen. Angesichts der leichten elektronischen Erreichbarkeit der Betroffenen konnte eine Genehmigung für die Verwendung der Daten durch die Universität *** auf der Grundlage des § 46 Abs. 3 DSG 2000 nicht erteilt werden.

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