K121.262/0006-DSK/2007 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Mag. HUTTERER, Mag. ZIMMER, Dr. STAUDIGL und Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 15. Juni 2007 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Neidhart P*** (Beschwerdeführer) aus F***, Gemeinde A***, X***, als Inhaber des nicht gerichtlich protokollierten Unternehmens „P*** Heliflug“, vom 14. November 2006 gegen die Bezirkshauptmannschaft T***(Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird gemäß den §§ 1 Abs. 1, 2 und 5 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 13/2005, iVm Art 22 des Bundesverfassungsgesetzes idF 1929 (B-VG) und § 17 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr 51/1991 idF BGBl. I Nr. 10/2004; entschieden:
- Die Beschwerde wird abgewiesen.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde vom 14. November 2006 eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin die Akten eines gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des Luftfahrtgesetzes (LFG), in die er Einsichtnahme begehrt hatte, statt eine Fotokopie herzustellen und ihm zu übersenden am 8. September 2006 an seine Heimatgemeinde übersendet hätte, damit ihm diese Einsicht in den Originalakt gewähre. Er habe am 1. Sept. 2006 an die Beschwerdegegnerin einen Antrag auf Akteneinsicht „in Form von Aktenkopie“ gestellt, „wobei ausdrücklich angeboten wurde, anfallende Kopierkosten zu ersetzen.“
Die Beschwerdegegnerin brachte mit Stellungnahme vom 16. Jänner 2007 unter Vorlage von Kopien der Verwaltungsstrafakten vor, ein Schreiben des Beschwerdeführers mit dem er um Übersendung von Kopien zwecks Akteneinsicht ersucht und den Ersatz der Kosten dieser Fotokopien angeboten habe, nie erhalten zu haben. Die von der Beschwerdegegnerin gewählte Vorgangsweise, nämlich die Versendung des Aktes an die (Wohn)Sitzgemeinde zum Zweck der vom Beschwerdeführer verlangten Einsichtserteilung sei laut verwaltungsrechtlicher Praxis und Meinung der Literatur üblich und zulässig.
Der Beschwerdeführer bestritt in seiner Stellungnahme nach Parteiengehör vom 15. Februar 2007 die Rechtsansicht der Beschwerdegegnerin.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob durch die Übersendung des Verwaltungsstrafaktes GZ 1****2006/1*** an das Marktgemeindeamt A*** am 8. September 2006 zum Zweck der Gewährung von Akteneinsicht der Beschwerdeführer im Recht auf Geheimhaltung verletzt worden ist.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende
Sachverhalt festgestellt:
Die Beschwerdegegnerin führt zu GZ: 1****2006/1*** ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer, der ein in Österreich zugelassenes Lufttransportunternehmen mit Hubschraubern als Einzelunternehmer betreibt, wegen Verdachts der Übertretung des LFG (Vorfall vom 28. Juli 2006, Hubschraubertransporte von D*** am U***kogel auf das U***kogelplateau).
Mit Erledigung vom 25. August 2006 wurde der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung aufgefordert.
Am 1. September 2006 machte der Beschwerdeführer eine Eingabe an die Beschwerdegegnerin, in der er moniert: „Leider übermittelten Sie uns nicht, wie im Antrag vom 16. August begehrt, die Akteneinsicht nach § 17 AVG.“, Weiters führt er darin aus, dass er „bis zur Übermittlung der Akteneinsicht.......eine kurze Stellungnahme“ abgeben werde. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers enthält sein Schreiben an die Beschwerdegegnerin vom 1. September 2007 somit keinen Antrag auf Übersendung von Aktenkopien unter Anbot der Bezahlung der Kosten, sondern nur eine Bezugnahme auf ein anderes Schreiben vom 16. August 2006, das allerdings nach Aussage des Beschwerdegegners nicht eingelangt sei und vom Beschwerdeführer auch nicht in Form einer Kopie zum Beweis vorgelegt wurde.
Am 8. September 2006 wurde der Verwaltungsstrafakt der Marktgemeinde A*** mit der Bitte, den Beschwerdeführer zu verständigen und ihm Akteneinsicht zu gewähren, übersendet. Am 12. Oktober wurde der Akt von der Marktgemeinde A*** zurückgesendet.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsstrafaktes GZ: 1****2006/1***, der der Datenschutzkommission in Kopie vorliegt. Weder der Akteninhalt noch sonstiges vorgelegtes Beweismaterial bestätigten das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er um Übersendung von Aktenkopien zwecks Einsicht ersucht hat und den Ersatz der Kosten hiefür angeboten habe.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs.. 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:
„ § 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
Artikel 22 B-VG lautet:
„ Art. 22. Alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden sind im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet.“
§ 17 Abs. 1 AVG lautet unter der Überschrift „Akteneinsicht“:
„ § 17. (1) Die Behörde hat, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestalten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen. Nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten kann Akteneinsicht auch im Wege des Zugriffs über das Internet auf die zur Einsicht bereitgestellten Akten oder Aktenteile gewährt werden, wenn die Identität (§ 2 Z 2 E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004) des Einsichtswerbers und die Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) seines Begehrens elektronisch nachgewiesen wurden.“
§ 40 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52 idF BGBl. I Nr. 117/2002, lautet:
„ § 40. (1) Sieht die Behörde nicht schon auf Grund der Anzeige oder der darüber gepflogenen Erhebungen von der Verfolgung ab (§ 45), so hat sie dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen.
(2) Die Behörde kann den Beschuldigten zu diesem Zweck zur Vernehmung laden oder ihn auffordern, nach seiner Wahl entweder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu seiner Vernehmung zu erscheinen oder sich bis zu diesem Zeitpunkt schriftlich zu rechtfertigen. Dabei ist der Beschuldigte auf sein Recht hinzuweisen, zur Vernehmung einen Rechtsbeistand seiner Wahl beizuziehen.
(3) Hält sich der Beschuldigte nicht in der Gemeinde auf, in der die Behörde ihren Sitz hat, so kann sie die Vernehmung des Beschuldigten durch die Gemeinde seines Aufenthaltsortes veranlassen.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat der Beschwerdeführer Akteneinsicht begehrt, und zwar ganz offenbar in der Form, dass er sich zu diesem Zweck nicht an den Ort des Sitzes der Beschwerdegegnerin begeben wollte, sondern die „Übermittlung der Akteneinsicht“ beantragte, wie er sich in seinem Schreiben vom 1. Sept. 2006 mehrfach ausdrückt.
Klarzustellen ist zunächst, dass der auf § 17 Abs. 1 AVG beruhende Anspruch von Verfahrensparteien nur auf die Gewährung von Einsicht gerichtet ist, also auf eine Duldung der Behörde. Ein Recht auf Übersendung des Aktes oder auf Übersendung von Kopien daraus - dies wäre eine Leistung der Behörde – besteht nicht (s. zB das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1970, Zl. 1630/70, abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes – RIS unter www.ris.bka.gv.at). Wohl aber kann eine Behörde ihre Pflicht zur Gewährung der Akteneinsicht auch durch Übersendung von Aktenkopien direkt an die Partei oder durch Übersendung des Aktes an eine andere Behörde zwecks Gewährung der Akteneinsicht im Amtshilfeweg erfüllen (vgl. VwGH Slg. 7074A, Zl 86/03/0161, Zl 88/02/0129, Zl 92/03/0269 u.a.). Welche der genannten Vorgangsweisen die Behörde im Einzelfall wählt, ist eine Ermessensentscheidung (vgl. zB das Erkenntnis des VwGH v. 30.9.1982, Zl 82/15/0092 oder vom 19. Jänner 2004, Zl. 2001/03/0077). Das AVG sieht zur Ausübung dieses Ermessens insbesondere die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2 leg. cit.) vor. Darüber hinaus können dem Gesetz entnehmbare Wertungen zur Ermessensübung im Sinne des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B VG) herangezogen werden.
Eine solche für den vorliegenden Fall relevante Wertung enthält auch § 40 VStG, der die von der Behörde zu veranlassende Ladung/Aufforderung des Beschuldigten zur Rechtfertigung regelt. Nach dem Abs. 3 dieser Bestimmung kann die Behörde auch die Vernehmung durch die Gemeinde des Aufenthaltsortes des Beschuldigten veranlassen, wenn dieser sich nicht in der Gemeinde aufhält, in der die Behörde ihren Sitz hat. Wenn der Gesetzgeber eine solche – als Sonderfall der Amtshilfe nach Art. 22 B VG zu deutende – Vorgangsweise für Einvernahmen unter Umständen als zweckmäßig erachtet, so muss dies auch als denkmögliche Ermessensübung bei der Wahl der Form, in der Akteneinsicht gewährt werden soll, angesehen werden. Mehr als die Prüfung, ob ein Datenverwendungsvorgang denkmöglich notwendig ist, kommt aber der Datenschutzkommission bei in der Hauptsache von anderen Behörden in einem Verfahren zu treffenden (und im entsprechenden Rechtsschutzverfahren auch überprüfbaren) Entscheidungen nicht zu (vgl. zB die Bescheide vom 29. November 2005, GZ K121.046/0016-DSK/2005 und vom 14. Februar 2007, GZ K121.239/0003-DSK/2007).
Somit war die von der Beschwerdegegnerin gewählte Vorgangsweise durch die gesetzliche Grundlage des § 17 Abs. 1 AVG gedeckt, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.