K121.256/0004-DSK/2007 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. STAUDIGL, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 27. April 2007 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde der A*** (Erstbeschwerdeführerin), der B*** (Zweitbeschwerdeführerin), der C*** (Drittbeschwerdeführerin) alle in T*** und der D*** (Viertbeschwerdeführerin) in U***, alle vier vertreten durch E***, Rechtsanwalt in V***, vom 21. Juni 2006, der Datenschutzkommission mit Beschluss des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 18. September 2006 weitergeleitet, gegen die Sicherheitsdirektion Oberösterreich in Linz (Beschwerdegegnerin), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten wird gemäß § 1 Abs. 1 und 2, sowie § 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, iVm § 28a Abs. 1 und 3, sowie § 65 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr. 566/1991 idF BGBl I Nr. 56/2006, entschieden:
- Die Beschwerde wird a b g e w i e s e n.
B e g r ü n d u n g
A. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien
Die Beschwerdeführerinnen behaupten, rechtsanwaltlich vertreten, in einer an der Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gerichteten Maßnahmenbeschwerde eine Verletzung von § 65 SPG dadurch, dass die Beschwerdeführerinnen ohne deren Zustimmung im Zuge einer Kontrolle am 25. Mai 2006 in einem „bordellartigen Betrieb“ durch Organe der belangten Behörde fotografiert worden wären, was einer erkennungsdienstlichen Behandlung gleichkomme.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich leitete auf Ersuchen der Beschwerdeführerinnen vom 14. September 2006 die Beschwerde (nach Befragung der Beschwerdegegnerin) mit Beschluss vom 18. September 2006 mit der wesentlichen Begründung an die Datenschutzkommission weiter, dass die Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht zu erkennen sei, weshalb unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 2006, Zl. 2004/02/0086, und § 90 SPG ausschließlich die Datenschutzkommission zuständig sei.
Die im ha. Verfahren mit den Vorwürfen der Beschwerdeführerinnen konfrontierte Beschwerdegegnerin schilderte den Sachverhalt aus ihrer Sicht. Die Beschwerdeführerinnen hätten freiwillig am Fotografieren mitgewirkt. Die Zustimmung erschließe sich daraus, dass die Beschwerdeführerin keine Abwehrhandlungen gesetzt, eine vorteilhaftere Pose eingenommen, sowie teilweise gelächelt hätten. Selbst bei Verneinung der Freiwilligkeit sei die Vorgehensweise gesetzeskonform, da „die Echtheit der Dokumente“ (gemeint wohl Ausweise) vor Ort nicht eindeutig verifiziert habe werden können.
In dem dazu gewährten Parteiengehör bestritten die Beschwerdeführerinnen, wiederum rechtsanwaltlich vertreten, freiwillig am Fotografieren mitgewirkt zu haben. Sie hätten keine Wahl gehabt und genaue Anweisungen erhalten, wo bzw. wie sie sich hinzustellen hatten. Darüber hinaus gebe es keine Anhaltspunkte für einen dringenden Verdacht, sie könnten in kriminelle Machenschaften verwickelt sein. Auch sei es nicht richtig dass, man an Ort und Stelle die Echtheit der Dokumente nicht verifizieren hätte können.
In einem Telefonat mit dem zuständigen Sachbearbeiter bekräftigte die Beschwerdegegnerin, dass der Amtshandlung kein staatsanwaltschaftlicher Auftrag zugrunde gelegen sei. Von der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin seien die Fotos für laufende Ermittlungen wegen §§ 104a und 207 StGB angefertigt worden, um feststellen zu können, ob die Abgebildeten zu den näher Verdächtigen zählen würden. Dies habe sich als nicht zutreffend herausgestellt, die Fotos befänden sich daher ausschließlich beim Ermittlungsakt mit dem Vermerk, dass ein Tatverdacht nicht mehr bestehe. Von der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin seien Fotos angefertigt worden, weil die Beamten vor Ort keine Möglichkeit gehabt hätten, die Ausweise zu kopieren. Gemeinsam mit den Ausweisdaten seien die Fotos an die ungarischen Behörden zum Abgleich mit der ungarischen Passdatenbank übermittelt worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Passdaten mit den den ungarischen Behörden vorliegenden Daten übereinstimmen.
Im dazu gewährten Parteiengehör äußerten sich die Beschwerdeführerinnen nicht mehr.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerinnen ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Rechtmäßigkeit der Anfertigung von Fotografien der Beschwerdeführerinnen durch Organe der Beschwerdegegnerin im Zuge der Amtshandlung im Rahmen der Kontrolle eines bordellartigen Betriebes in der Nacht zum 25. Mai 2006 ist.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Die Beschwerdegegnerin kontrollierte durch Beamte des Landeskriminalamtes, Ermittlungsbereich 10, am 24. Mai 2005 um
23.40 Uhr das Bordell „Madlhüttn“, ***.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich im Einzelnen aus dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin. Das Datum der Kontrolle wird zwar in der an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gerichteten Beschwerde mit 25. Mai 2006 angegeben, doch haben die Beschwerdeführerinnen in zur Stellungnahme zur Beschwerdegegnerin das Datum 24. Mai 2006 nicht bestritten. Die angegebene Rechtsgrundlage entstammt ebenfalls dieser Stellungnahme der Beschwerdegegnerin.
Im Zuge dieser Kontrolle wurden zunächst die Ausweise der Beschwerdeführerinnen kontrolliert. Da die die Amtshandlung durchführenden Beamten keine Möglichkeit hatten, die Ausweise zu kopieren, wurden von den Beschwerdeführerinnen Fotografien angefertigt.
Die Bilder der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin wurden zum Akt eines Ermittlungsverfahrens betreffend Menschenhandel (§ 104a StGB) und grenzüberschreitenden Prostitutionshandel (§ 217 StGB) genommen, um zu klären, ob diese die dort angegebenen unbekannten Übernehmerinnen seien. Es bestanden nämlich Hinweise, dass ausländische Prostituierte nach Oberösterreich gebracht werden und dabei „ältere Damen aus dem Gewerbe“, welche eine Vertrauensstellung bei den Bordellbetreibern genießen, als Übernehmerinnen der Neuankömmlinge eingesetzt werden. Eine Vertrauensperson hat schließlich die Erst- und Zweitbeschwerdeführerin nicht als diese Übernehmerinnen identifiziert.
Die Bilder der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin wurden gemeinsam mit den Daten aus den Pässen an die ungarischen Behörden übermittelt, um diese mit der ungarischen Passdatenbank abzugleichen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die übermittelten Daten mit den den ungarischen Behörden vorliegenden Daten übereinstimmen. Die Übermittlung geschah deshalb, weil man aufgrund bisheriger Ermittlungen zu dem Erkenntnis kam, dass sich ungarische Staatsbürgerinnen, die im Schengenraum der Prostitution nachgehen, häufig mit (insbesondere durch Austauschen der Lichtbilder) ge- oder verfälschten Reisepässen ausweisen.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 20. November 2006 sowie dem mit der Beschwerdegegnerin geführten Telefonat, dessen Inhalt insoweit mit dieser Stellungnahme auch im Einklang war. Im dazu gewährten Parteiengehör äußerten sich die Beschwerdeführerinnen nicht mehr.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Gemäß § 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
Gemäß Abs. 2 sind, soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
Gemäß § 4 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr. 566/1991 idF BGBl I Nr. 56/2006, zählen zu den Sicherheitsbehörden unter anderem die Sicherheitsdirektionen.
Gemäß § 5 Abs. 1 SPG versehen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für die Sicherheitsbehörden den Exekutivdienst.
Gemäß § 7 Abs. 1 SPG besteht für jedes Bundesland eine Sicherheitsdirektion mit dem Sitz in der Landeshauptstadt.
Gemäß § 7 Abs. 2 SPG steht an der Spitze einer Sicherheitsdirektion der Sicherheitsdirektor. Bei Besorgung der Sicherheitsverwaltung sind ihm das Landespolizeikommando und dessen hierfür bestimmten inneren Gliederungen unmittelbar unterstellt.
Gemäß § 2 Abs. 2 SPG zählt zur Sicherheitsverwaltung ua. die Sicherheitspolizei.
§ 22 Abs. 3 SPG lautet unter der Überschrift „Vorbeugender Schutz von Rechtsgütern“:
„(3) Nach einem gefährlichen Angriff haben die Sicherheitsbehörden, unbeschadet ihrer Aufgaben nach der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, die maßgebenden Umstände, einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen, zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO; die §§ 57 und 58 sowie die Bestimmungen über den Erkennungsdienst bleiben jedoch unberührt.“
§ 28a SPG lautet unter der Überschrift „Sicherheitspolizeiliche Aufgabenerfüllung“:
„§ 28a. (1) Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefahrensituation rechtfertigen, obliegt den Sicherheitsbehörden, soweit ihnen die Abwehr solcher Gefahren aufgetragen ist, die Gefahrenerforschung.
(2) Die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen zur Erfüllung der ihnen in diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben alle rechtlich zulässigen Mittel einsetzen, die nicht in die Rechte eines Menschen eingreifen.
(3) In die Rechte eines Menschen dürfen sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nur dann eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht.“
§ 29 SPG lautet unter der Überschrift „Verhältnismäßigkeit“:
„§ 29. (1) Erweist sich ein Eingriff in Rechte von Menschen als erforderlich (§ 28a Abs. 3), so darf er dennoch nur geschehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlaß und zum angestrebten Erfolg wahrt.
(2) Insbesondere haben die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes
1. von mehreren zielführenden Befugnissen jene auszuwählen, die voraussichtlich die Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt;
2. darauf Bedacht zu nehmen, ob sich die Maßnahme gegen einen Unbeteiligten oder gegen denjenigen richtet, von dem die Gefahr ausgeht oder dem sie zuzurechnen ist;
3. darauf Bedacht zu nehmen, daß der angestrebte Erfolg in einem vertretbaren Verhältnis zu den voraussichtlich bewirkten Schäden und Gefährdungen steht;
4. auch während der Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt auf die Schonung der Rechte und schutzwürdigen Interessen der Betroffenen Bedacht zu nehmen;
5. die Ausübung der Befehls- und Zwangsgewalt zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde oder sich zeigt, daß er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann.“
Gemäß § 64 Abs. 1 SPG ist Erkennungsdienst das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie das weitere Verarbeiten und Übermitteln dieser Daten.
Gemäß § 64 Abs. 2 SPG sind erkennungsdienstliche Maßnahmen ua. auch die Herstellung von Abbildungen.
Gemäß § 65 Abs. 1 SPG sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.
§ 16 Abs. 2 und 3 SPG lauten:
„(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand
1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder
(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
a. Zuständigkeit der Beschwerdegegnerin für die gegenständliche Amtshandlung
Die Fotos wurden durch die Landeskriminalabteilung (Ermittlungsbereich 10) des Landespolizeikommandos Oberösterreich angefertigt (§ 10 SPG). Die Landespolizeikommanden sind bei Besorgung der Sicherheitsverwaltung dem Sicherheitsdirektor an der Spitze einer Sicherheitsdirektion unmittelbar unterstellt (§ 7 Abs. 2 SPG). Dabei versehen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für die Sicherheitsbehörden, zu denen gemäß § 4 Abs. 2 SPG auch die Sicherheitsdirektionen zählen, den Exekutivdienst (§ 5 Abs. 1 SPG). Daher ist zunächst die Sicherheitsdirektion Oberösterreich zutreffend als Beschwerdegegnerin bezeichnet.
Die Datenschutzkommission erkennt nach § 90 SPG „gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000“ über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Da die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht erkennbar war, ist die Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde gegeben.
Die Amtshandlung im bordellartigen Betrieb am 24. Mai 2006 um
23.40 Uhr erfolgte auf Grundlage der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl Nr 314/1974 idF BGBl Nr 591/1993 (auf Grundlage des § 11 Abs. 2 Geschlechtskrankheitengesetzes). Nach deren § 5 haben Personen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Leib dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen, bei der Ausübung ihrer Tätigkeit den Ausweis nach § 2 (ein von der Bezirksverwaltungsbehörde ausgestellter Ausweis mit Lichtbild) bei sich zu führen und den Organen der Bezirksverwaltungsbehörde und des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.
Da die Beamten der Landeskriminalabteilung als Teil des der Beschwerdegegnerin unterstellten Landespolizeikommandos Exekutivdienst für die Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde versehen haben, sind sie als Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes iSd § 5 Abs. 1 SPG zur Amtshandlung aufgrund dieser Verordnung berechtigt.
Eine Ermittlungshandlung durch Anfertigung von Lichtbildern findet in der genannten Verordnung aber keine Rechtsgrundlage mehr, weshalb sich die Beamten dabei nicht auf diese Verordnung stützen können. Daher ist zu prüfen, ob dafür eine andere Rechtsgrundlage vorliegt.
b. Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Amtshandlung hinsichtlich der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin
Nach § 22 Abs. 3 SPG gelten die Bestimmungen der StPO ausschließlich erst dann, sobald ein bestimmter Mensch einer strafbaren Handlung verdächtig ist; die sicherheitspolizeilichen Bestimmungen über den Erkennungsdienst bleiben davon im Übrigen unberührt. Da nach § 64 Abs. 2 SPG die Anfertigung von Fotos – nichts anderes bildet hinsichtlich aller Beschwerdeführerinnen den alleinigen Beschwerdegegenstand – zum Erkennungsdienst zählt, ist eine Rechtsgrundlage in den erkennungsdienstlichen Bestimmungen des SPG zu suchen. Dass sich die Beschwerdegegnerin wiederholt darauf berufen hat, sie habe „Ermittlungen“ nach verschiedenen Bestimmungen des StGB durchgeführt, kann im Lichte von § 16 Abs. 2 Z 1 SPG so verstanden werden, dass sie gefährliche Angriffe untersucht hat.
Im konkreten Fall kann sich die Beschwerdegegnerin zunächst auf § 28a Abs. 1 SPG stützen, wonach, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefahrensituation rechtfertigen, den Sicherheitsbehörden, soweit ihnen die Abwehr solcher Gefahren aufgetragen ist, die Gefahrenforschung obliegt.
Hinsichtlich der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin vermutete die Beschwerdegegnerin, dass sie die in einem Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels (§ 104a StGB) und grenzüberschreitenden Prostitutionshandels (§ 217 StGB) gesuchten Verdächtigen hätten sein können. Es bestanden nämlich Hinweise, dass ausländische Prostituierte nach Oberösterreich gebracht werden und dabei „ältere Damen aus dem Gewerbe“, welche eine Vertrauensstellung bei den Bordellbetreibern genießen, als Übernehmerinnen der Neuankömmlinge eingesetzt werden. Damit lag eine bestimmte Tatsache vor, die die Annahme einer Gefahrensituation iSd § 28a Abs. 1 SPG rechtfertigte. Dabei hat – für die Datenschutzkommission nachvollziehbar – für die Beschwerdegegnerin zumindest das Risiko bestanden, dass die Erst- und Zweitbeschwerdeführerin zu einem späteren Zeitpunkt in diesem bordellartigen Betrieb nicht mehr anzutreffen wären.
§ 28a Abs. 1 SPG ist daher erfüllt.
Da mit dem Anfertigen des Lichtbildes aber auch in die Rechte eines Menschen (insbesondere das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000) eingegriffen wird, ist auch § 28a Abs. 3 SPG zu beachten: Danach dürfen die Sicherheitsbehörden nur dann in die Rechte eines Menschen bei der Erfüllung dieser Aufgaben eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht.
Eine solche Befugnis findet sich im SPG in § 65 Abs. 1, wonach die Sicherheitsbehörden ermächtigt sind, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, ua also auch Abbildungen herzustellen, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint. Unter „Vorbeugung gefährlicher Angriffe“ muss in Anbetracht dessen, dass § 65 Abs. 1 SPG von einer Verdachtssituation und nicht als erwiesen anzunehmenden Tatsachen ausgeht, auch die Prüfung verstanden werden, ob der Betroffene als Straftäter und damit als Quelle gefährlicher Angriffe überhaupt in Betracht kommt.
Ein solcher gefährlicher Angriff ist ua. die Bedrohung eines Rechtsguts durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung nach dem StGB, die vorsätzlich begangen wird (§ 16 Abs. 2 SPG). Hier hat die Beschwerdegegnerin den Verdacht der Begehung von Straftaten nach den §§ 104 und 217 StGB verfolgt, also gefährliche Angriffe zumindest erforscht. Aufgrund der Umstände in der Person der Betroffenen (Arbeit in einem bordellartigen Betrieb, Erfüllung der Täterbeschreibung) mussten die Organe der Beschwerdegegnerin in diesem Moment die Begehung gefährlicher Angriffe durch die Beschwerdeführerinnen befürchten und waren daher zur erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 SPG berechtigt. Eine Voraussetzung des § 28a Abs. 3 SPG, wonach die Befugnis, in die Rechte eines Menschen einzugreifen, im SPG vorgesehen sein muss, ist damit erfüllt.
Nach § 28a Abs. 3 SPG muss der Eingriff verhältnismäßig sein.
Auch diese Voraussetzung ist gegeben: die Gewinnung von Bildern, die zur Gefahrenerforschung erforderlich waren (Prüfung, ob die Beschwerdeführerinnen gefährliche Angriffe begangen haben bzw. begehen werden, durch Vorlage an eine Vertrauensperson) wäre nur durch Kopie des Reisepasses oder durch das Anfertigen von Lichtbildern (zusammen mit den Daten aus dem Reisepass) möglich. Dass aber das Anfertigen eines Lichtbildes einer Person in der gegenständlichen Situation zumindest nicht mehr in ihre Rechte eingreift als die Herstellung einer Kopie ihres Reisepasses, ist unzweifelhaft. Überdies wurden die Lichtbilder über den Ausschluss der beiden Beschwerdeführerinnen als Täterinnen hinaus nicht weiter verarbeitet.
Die Beschwerdegegnerin kann sich daher hinsichtlich der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin zu Recht auf § 28a SPG (Gefahrenforschung) stützen, weshalb die Beschwerde insoweit spruchgemäß abzuweisen war.
c. Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Amtshandlung hinsichtlich der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin
Auch hier kann die Rechtsgrundlage nur im SPG zu suchen sein. Die Bilder der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin wurden ja für einen Identitätsabgleich mit der ungarischen Passdatenbank verwendet, da man aufgrund bisheriger Ermittlungen zu dem Erkenntnis kam, dass ungarische Staatsbürgerinnen, die im Schengenraum der Prostitution nachgehen, sich häufig mit ge- oder verfälschten (insbesondere durch Austauschen der Lichtbilder) Reisepässen ausweisen. Dies stellt im Falle der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin die bestimmte Tatsache für die Annahme einer Gefahrensituation iSd § 28a Abs. 1 SPG dar. Auch hier hat zumindest die Gefahr bestanden, dass die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin zu einem späteren Zeitpunkt in diesem bordellartigen Betrieb nicht mehr anzutreffen wären.
Damit ist aber auch hier die Rechtsgrundlage des § 28a Abs. 1 iVm Abs. 3 iVm § 65 Abs. 1 SPG, hier wegen des Deliktes der Urkundenfälschung (§ 223 StGB), erfüllt. Siehe dazu und zur Verhältnismäßigkeit iSd § 28a Abs. 3 SPG die Ausführungen oben unter b. Insbesondere wurden auch hier die Lichtbilder über den Abgleich mit der ungarischen Passdatenbank hinaus nicht weiter verwendet.
Daher war die Beschwerde auch hinsichtlich der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin spruchgemäß abzuweisen.