[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HUTTERER, Mag. ZIMMER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 7. März 2007 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Richard G*** in Wien (Beschwerdeführer), vom 5. August 2006 gegen den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, in Wien (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten wird gemäß den §§ 1 Abs. 1 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
1. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und festgestellt, dass der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer dadurch im Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 verletzt hat, dass er am 2. Jänner 2006 durch telefonische Anfrage bei der Firma M*** reg. GenmbH die Auskunft eingeholt hat, ob ein laufendes Beschäftigungsverhältnis mit dem Beschwerdeführer bestehe, sowie schriftlich Auskünfte bei den Firmen M*** reg. GenmbH (über die Bezüge des Beschwerdeführers für den Zeitraum von 1. Juli 2005 bis laufend) und C*** GmbH (über die Bezüge des Beschwerdeführers für den Zeitraum 1. Mai 2005 bis 31. Juli 2005) eingeholt hat.
2. Im Übrigen, also hinsichtlich der Anfrage des Beschwerdegegners beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger (bezüglich Versicherungs- und Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers), wird die Beschwerde abgewiesen.
B e g r ü n d u n g :
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten dadurch, dass der Beschwerdegegner entgegen § 102 AußStrG im Jänner 2006 eine Anfrage beim Sozialversicherungsträger und dreimal eine Gehaltsauskunft von zwei Firmen eingeholt habe, ohne dass er im Vorfeld selbst dazu aufgefordert worden sei, sein Einkommen offen zu legen.
Zur Stellungnahme aufgefordert, brachte der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 11. September 2006 vor, eine Verletzung des DSG 2000 sei nicht gegeben, da der Unterhaltspflichtige auf seine Auskunftspflicht gemäß § 102 Abs. 1 AußStrG förmlich zwar nicht durch den Beschwerdegegner selbst, aber im gleichen Verfahren durch das Pflegschaftsgericht aufmerksam gemacht worden sei. Der Unterhaltspflichtige sei dieser Auskunftspflicht nur unvollständig nachgekommen. Ein schriftliches Ersuchen um Auskunft gemäß den internen Standards sei im Beschwerdefall nicht passiert, da bereits eine Anfrage durch das Pflegschaftsgericht erfolgt sei. Der Beschwerdefall sei aber zum Anlass genommen worden, die MitarbeiterInnen erneut auf die hohen Datenschutzstandards hinzuweisen.
In einer ergänzenden Stellungnahme übermittelte der Beschwerdegegner der Datenschutzkommission nach entsprechender Aufforderung am 31. Oktober 2006 einen Aktenvermerk vom 2. Jänner 2006 sowie die Anfragen an die zwei Firmen und den Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Rechtmäßigkeit der Einholung von Auskünften durch Anfrage beim Sozialversicherungsträger sowie Anfragen bei zwei Firmen betreffend Gehaltsauskunft vom 2. Jänner 2006 ist.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Partei eines vor dem Bezirksgericht *** geführten Verfahrens mit dem Beschwerdegegner als Vertreter seines minderjährigen Kindes wegen Unterhalts.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen beider Parteien, insbesondere aus dem Protokoll der Verhandlung vor dem Bezirksgericht *** am 19. Juli 2005, beigelegt der Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 11. September 2006.
In der Verhandlung vor dem Bezirksgericht *** am 19. Juli 2005 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, für seine (von ihm dort angegebene) Beschäftigung bei der Fa. M*** reg. GenmbH (im Folgenden kurz M***) die Gehaltsbestätigungen für den Zeitraum Juli 2004 bis Juni 2005 „in Kopie binnen 14 Tagen dem Gericht“ zu übersenden.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich ebenfalls aus dem Protokoll der Verhandlung vor dem Bezirksgericht *** am 19. Juli 2005.
Nachdem am 2. Jänner 2006 die Kindesmutter beim Beschwerdegegner angerufen hatte, tätigte dieser eine Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger zur Ermittlung des Dienstgebers des Beschwerdeführers. Diese Anfrage ergab ein laufendes Beschäftigungsverhältnis bei der Fa. M***. Da die beim Beschwerdegegner mit dem Fall befasste Sachbearbeiterin wissen wollte, ob eine durchgehende Beschäftigung vorliegt, wurde ein elektronischer Datenauszug (der beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Daten) erstellt. Da der Sachbearbeiterin aufgrund dieses Datenauszuges die bisherigen Angaben des Beschwerdeführers lückenhaft erschienen, hat sie zunächst mit der Personalverwaltung der Fa. M*** telefonisch Kontakt aufgenommen und dann jeweils mittels Fax vom 2. Jänner 2006 die Firmen M*** und C*** GmbH (im Folgenden kurz C***) aufgefordert, die Bezüge des Beschwerdeführers für den Zeitraum von 1. Juli 2005 bis laufend (betreffend M***) bzw. 1. Mai 2005 bis 31. Juli 2005 (betreffend C***) bekannt zu geben.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem insoweit glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdegegners. Der Inhalt der Anfragen bei den Firmen M*** und C*** ergibt sich überdies aus den Faxsendungen selbst, welche der Beschwerdegegner der Datenschutzkommission in seiner Stellungnahme vom 31. Oktober 2006 vorgelegt hat.
Eine Anfrage an den Beschwerdeführer, seine Beschäftigungsverhältnisse und für die genannten Zeiträume seine Bezüge bekannt zu geben, war zuvor nicht erfolgt.
Beweiswürdigung : Diese Beschwerdebehauptung hat der Beschwerdegegner in seiner Stellungnahme vom 11. September 2006 ausdrücklich bestätigt und auf die oben genannte, an den Beschwerdeführer ergangene Aufforderung durch das Pflegschaftsgericht in der Verhandlung vom 19. Juli 2005 verwiesen.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 13/2005, hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht.
Gemäß Abs. 2 sind, soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind.
Gemäß § 4 Abs. 1 Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG), BGBl Nr 161/1989 idF BGBl I Nr 53/1999, ist Träger der öffentlichen Jugendwohlfahrt das Land. Die Landesgesetzgebung bestimmt, welche Organisationseinheiten die Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt zu besorgen haben (Abs. 2).
§ 37 Abs. 4 JWG lautet:
„Mitteilungspflicht
§ 37. (4) Wirkt ein Minderjähriger oder ein ihm gegenüber Unterhaltspflichtiger im Einzelfall an der Ermittlung seiner Einkommens- oder Vermögensverhältnisse nicht ausreichend mit, so haben die Träger der Sozialversicherung und die Arbeitgeber auf Ersuchen des Jugendwohlfahrtsträgers über das Versicherungs- oder Beschäftigungsverhältnis der Genannten Auskunft zu geben.“
Gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz 1990 (WrJWG 1990), LGBl Nr 36/1990 idF LGBl Nr 35/2001, obliegt die Durchführung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Aufgaben der Landesregierung und dem Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde. Gemäß Abs. 3 obliegt die Durchführung der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege dem Magistrat.
Gemäß § 212 Abs. 2 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), JGS 964/1811 idF BGBl I Nr 135/2000, ist für die Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes sowie gegebenenfalls für die Feststellung der Vaterschaft der Jugendwohlfahrtsträger Vertreter des Kindes, wenn die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt.
§ 102 Abs. 1, 2 und 3 Außerstreitgesetz (AußStrG), BGBl. I Nr. 111/2003, lauten:
„Auskunftspflichten
§ 102. (1) Personen, deren Einkommen oder Vermögen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist, haben dem Gericht hierüber Auskunft zu geben und die Überprüfung von deren Richtigkeit zu ermöglichen.
(2) Das Gericht kann auch das Arbeitsmarktservice, die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung und andere Sozialleistungen gewährende Stellen um Auskunft über Beschäftigungs- oder Versicherungsverhältnisse oder über Einkommen von Personen ersuchen, deren Einkommen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist. Kommt jemand den Pflichten nach Abs. 1 nicht nach, so kann auch dessen Dienstgeber um Auskunft ersucht werden. Steht die Unterhaltspflicht dem Grunde nach fest und kann das Gericht die Höhe des Unterhalts nicht auf andere Weise feststellen, so kann es auch die Finanzämter um Auskunft ersuchen.
(3) Die Auskunftsersuchen nach Abs. 1 und Abs. 2 erster und zweiter Satz stehen auch dem Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlichem Vertreter von Pflegebefohlenen zu.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
a. Anfragen bei den Dienstgebern
Der Beschwerdegegner ist gemäß § 4 Abs. 1 JWG iVm § 4 WrJWG 1990 Jugendwohlfahrtsträger und vertritt gemäß § 212 Abs. 2 ABGB das minderjährige Kind des Beschwerdeführers in Angelegenheiten der Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes.
In dem hier relevanten das gerichtliche Unterhaltsfestsetzungsverfahren regelnden § 102 AußStrG kommt der Gedanke eines nur subsidiären Auskunftsrechts gegenüber dem Arbeitgeber in dem Sinn, dass zuerst der betroffene Unterhaltspflichtige selbst befragt werden muss, zum Ausdruck (diese Bestimmung geht im konkreten Fall § 37 Abs. 4 JWG vor):
Personen, deren Einkommen oder Vermögen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist, haben dem Gericht hierüber Auskunft zu geben und die Überprüfung von deren Richtigkeit zu ermöglichen (Abs. 1). Nur wenn jemand den Pflichten nach Abs. 1 nicht nachkommt, kann das Gericht auch dessen Dienstgeber um Auskunft ersuchen (Abs. 2).
Dieselbe Subsidiarität des Auskunftsrechts gegenüber dem Arbeitgeber kommt unabhängig davon auch beim Jugendwohlfahrtsträger zum Tragen: Erst wenn die Person, deren Einkommen oder Vermögen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist, nicht der Auskunftspflicht gegenüber dem Jugendwohlfahrtsträger nachkommt, kann dieser auch dessen Dienstgeber um Auskunft ersuchen (Abs. 2 iVm Abs. 3). Dabei genügt es schon deshalb nicht, sich auf eine Aufforderung des Gerichtes zu berufen, weil der Gesetzeswortlaut selbst schon von zwei unabhängigen Auskunftsrechten ausgeht (arg.: „Die Auskunftsersuchen stehen ... auch dem Jugendwohlfahrtsträger … zu.“ (§ 102 Abs. 3 AußStrG)). Dafür spricht auch, dass einem Auskunftspflichtigen nach dieser Bestimmung nach Aufforderung durch das Gericht nicht klar sein muss oder kann, dass diese Unterlagen auch gegenüber dem Jugendwohlfahrtsträger zu erbringen sind.
Im Übrigen geht das Auskunftsersuchen des Jugendwohlfahrtsträgers sowohl gegenüber M*** (1. Juli 2005 bis laufend (= 2. Jänner 2006)) als auch C*** (1. Mai 2005 bis 31. Juli 2005) über den in der Verhandlung vom 19. Juli 2005 vom Pflegschaftsgericht geforderten Zeitraum (Juli 2004 bis Juni 2005) hinaus.
Dadurch, dass der Beschwerdegegner, bevor er den Beschwerdeführer über seine Verpflichtung nach § 102 AußStrG in Kenntnis gesetzt hat, die Dienstgeber des Beschwerdeführers um Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gefragt hat, hat er den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 verletzt.
b. Anfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger
Anderes gilt aber im vorliegenden Fall, wenn im Rahmen der gerichtlichen Unterhaltsfestsetzung eine Abfrage über das Versicherungs- und Beschäftigungsverhältnis beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger erfolgt. Diese ist gemäß § 102 Abs. 2 iVm Abs. 4 AußStrG schon vor oder gleichzeitig mit der Anfrage an den Unterhaltsschuldner zulässig. (siehe dazu auch Maurer/Schrott/Schütz, Außerstreitgesetz, Verlag Österreich 2006, Rz 4 zu § 102; und Rechberger, Außerstreitgesetz, Springer 2006, Rz 2 zu § 102).
Der vom Beschwerdeführer zitierte Bescheid der Datenschutzkommission vom 1. März 2005, GZ K120.971/0002- DSK/2005, bezog sich nicht auf den Fall einer Anfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger und stützt sich im Übrigen auf die Rechtslage vor der Novelle des AußStrG 2003, BGBl. I Nr. 111/2003.
Da die Anfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger im Einklang mit § 102 AußStrG und damit rechtmäßig erfolgte, war die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen.
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