JudikaturDSB

K121.218/0017-DSK/2006 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 2006

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HUTTERER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 20. Oktober 2006 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde der J**** (Beschwerdeführerin), vertreten durch die I**** Rechtsanwaltspartnerschaft, vom 9. Mai 2006 (Eingangsdatum: 22. Mai 2006) gegen die Bezirkshauptmannschaft T**** (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten durch unzulässige Datenermittlung (Beschlagnahme eines PC samt Datenträgern am 8. April 2006) wird gemäß §§ 1 Abs. 5, 4 Z 10 und 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 13/2005, wie folgt entschieden:

B e g r ü n d u n g:

A) Vorbringen der Beteiligten

Mit Beschwerde vom 9. Mai 2006, eingegangen am 22. Mai 2006, brachte die Beschwerdeführerin vor, am 8. April 2006 durch Polizeibeamte, deren Handeln der Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde erster Instanz zuzurechnen sei, in ihrem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt worden zu sein. Im Zuge von Vorerhebungen wegen des gegen sie bestehenden Verdachts der Untreue sei ein ihr gehörender PC in einem „Willkürakt“ zur „kriminalistischen Auswertung“ beschlagnahmt worden. Darauf hätten sich personenbezogene Daten der Beschwerdeführerin befunden. Weder sei dazu eine Weisung der Staatsanwaltschaft (es sei nur deren Auftrag zur Sachverhaltserhebung, Anlage eines Personalblattes sowie Beischaffung einer Strafregisterauskunft vorgelegen) noch ein Beschluss des zuständigen Untersuchungsrichters eingeholt worden, obwohl dazu per Telefon die Gelegenheit bestanden hätte. Überhaupt wäre das zentrale Beweismittel nicht der PC der Beschwerdeführerin sondern das Bankkonto des Vereins, zu dessen Nachteil die Beschwerdeführerin Untreue begangen haben soll, gewesen. An der Rechtswidrigkeit des Behördenhandelns könne auch die Tatsache nichts ändern, dass die Beschlagnahme nachträglich, nämlich am 24. April 2006, durch Beschluss des Untersuchungsrichters „sanktioniert“ worden sei. Sie beantragte, die Datenschutzkommission möge die Beschlagnahme für rechtswidrig erklären und die Verletzung ihres Geheimhaltungsrechts feststellen.

Die Beschwerdegegnerin legte mit Schreiben vom 4. Juli 2006 (ohne Zahl oder Kennzeichen) Kopien der Bezug habenden Akten der Polizeiinspektion H**** (GZ B1/***/06) vor und überließ es im Übrigen dieser Dienststelle der Sicherheitsexekutive, zur Sache eine Stellungnahme abzugeben (vom 27. Juni 2006). Darin berief sich die Polizei darauf, eine sofortige Sicherstellung des PC sei wegen Gefahr im Verzug notwendig gewesen, da die Beschwerdeführerin als Verdächtige nach Bekanntwerden der gegen sie gepflogenen Ermittlungen sonst Gelegenheit und Anlass gehabt hätte, durch Löschen von Daten mögliche Beweismittel zu beseitigen.

Die Beschwerdeführerin, der zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Parteiengehör eingeräumt worden ist, berief sich in ihrer Stellungnahme vom 2. August 2006 darauf, Gefahr im Verzug sei nicht gegeben gewesen, der Beschlagnahme habe die Rechtsgrundlage gefehlt und gelindere Mittel (Herstellung von Kopien vom Datenträger des PC, Absonderung schutzwürdiger personenbezogener Daten von Daten wie Buchhaltungsunterlagen) hätten zur Anwendung kommen müssen.

B) Sachverhaltsfeststellung samt Beweiswürdigung

Für die Datenschutzkommission steht folgender Sachverhalt fest:

Die Staatsanwaltschaft D**** leitete auf Grund einer bei der Staatsanwaltschaft P**** (privat) eingebrachten Anzeige am 5. April 2006 zu AZ 6 St xxxx/06h Vorerhebungen gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts der Untreue (§ 153 Abs. 1 und 2 StGB) ein, der Verdachtslage nach begangen von ihr als Vorstandsmitglied zum Nachteil des Vereins „C“. An diesem Tag erteilte die Staatsanwaltschaft D**** der Polizeiinspektion H****, in deren Rayon die Beschwerdeführerin ihren Hauptwohnsitz hat, den Auftrag, Erhebungen zum Sachverhalt durchzuführen, insbesondere eine Strafregisterauskunft betreffend die Beschwerdeführerin einzuholen und Daten der Beschwerdeführerin durch Anlage eines Personalblattes zu erheben.

Am 8. April 2006 gegen 10:00 Uhr begaben sich zwei Beamte der PI zum Hauptwohnsitz der Beschwerdeführerin in [Angabe der Adresse]. Sie trafen die Beschwerdeführerin an und sprachen mit ihr, ohne das Haus zu betreten, durch ein geöffnetes ebenerdiges Fenster. Sie informierten sie vom gegen sie bestehenden Tatverdacht und forderten sie auf, am Nachmittag zu einer ersten Einvernahme zur PI zu kommen und dazu Buchhaltungsunterlagen des Vereins „C“ mitzubringen. Die Beschwerdeführerin teilte darauf den Beamten mit, alle entsprechenden Daten befänden sich auf der Festplatte eines im Haus befindlichen PCs.

Daraufhin wurde Sie von einem der Beamten aufgefordert, das Gerät zu übergeben, da es sich um den vermutlich wichtigsten Beweisgegenstand für die Buchhaltung des Vereins „C“ handle. Die Beschwerdeführerin leistete dem Folge und übergab den PC an die Beamten, die diesen für beschlagnahmt erklärten. Der Beschwerdeführerin wurde noch am selben Tag durch die PI eine Bestätigung (Block 12***6, Blatt Nr. ***) über die „vorläufige Beschlagnahme zur Beweissicherung“ ausgestellt (beschlagnahmter Gegenstand: „PC (Computer) Babbage s/n 1010101010 Typ BA-0815 ohne jegliches Zubehör“).

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen stützen sich auf den Inhalt des Aktes AZ: 1** Ur ***2/06t des Landesgerichts D****, in den die Datenschutzkommission Einsicht genommen hat, insbesondere die ON 2 und 3 (einliegend der Erhebungsbericht der PI vom 8. April 2006, GZ B1/***/06, aus dem das Geschehen rund um die Sicherstellung des PC übernommen worden ist). Die Beschlagnahmebestätigung wurde von der Beschwerdegegnerin zusammen mit einer Kopie der Akten zu GZ B1/***/06 der PI vorgelegt. Ein Vorbringen der Beschwerdeführerin, das mit den aktenkundigen Sachverhalt im Widerspruch stünde, liegt nicht vor.

Am 24. April 2006 erließ das Landesgericht D**** zu GZ: 1** Ur ***2/06t-6, auf Antrag der Staatsanwaltschaft D**** einen Beschluss mit folgendem Spruch:

„In der Strafsache gegen J**** wegen §§ 133, i.e. 153 StGB wird der von Beamten der Polizeiinspektion H**** am 8.4.2006 sichergestellte PC der J**** beschlagnahmt .

Mit der Durchführung der Beschlagnahme werden die Beamten der Polizeiinspektion H**** beauftragt.“

Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 27. April 2006 zugestellt.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der Urschrift des zitierten Beschlusses, GZ: 1** Ur ***2/06t- 6 des Landesgerichts D****. Die Zustellung ist durch eigenes Vorbringen der Beschwerdeführerin bestätigt, die zu diesem Zeitpunkt bereits durch ihre rechtsfreundlichen Vertreter vor der Datenschutzkommission als Strafverteidiger vertreten war (Vollmachtbekanntgabe vom 11. April 2006, AS 23f im Akt 1** Ur ***2/06t-6).

Zwischen dem 8. April 2006, 10:00 Uhr, und der Zustellung des Beschlagnahmebeschlusses des Landesgerichts D**** wurde der PC von den Beamten der PI lediglich verwahrt, ohne dass er in Betrieb genommen oder dass andere Schritte zur Auswertung des Datenbestandes gesetzt wurden. Es bestand auch keine Absicht zu einer Inbetriebnahme in diesem Zeitraum. Erst am 8. Mai 2006 wurde das Gerät unter Anschluss einer Kopie des obzitierten Gerichtsbeschlusses dem Landeskriminalamt für Niederösterreich (LKA Nö) zur Auswertung (im Besonderen: Suche nach Buchhaltungsdaten betreffend den Verein „C“) übersendet.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen stützen sich auf die glaubwürdigen Angaben der PI in der Stellungnahme vom 27. Juni 2006 an die Beschwerdegegnerin, GZ: B1/***/06, von der Beschwerdegegnerin vorgelegt mit weiteren Kopien aus diesem Akt, insbesondere dem zitierten Ersuchen an das LKA Nö, als Beilage zur Stellungnahme vom 4. Juli 2006 (ohne Zahl oder Kennzeichen). Diese Angaben wurden von der Beschwerdeführerin nach Parteiengehör (Stellungnahme vom 2. August 2006, Seite 3) nicht in Zweifel gezogen, es wurden lediglich Argumente vorgebracht, warum gelindere Mittel als die „Beschlagnahme“ des gesamten PC zur Beweissicherung ausreichend gewesen wären. Eine Absicht der Beschwerdegegnerin, den Computer vor Wirksamwerden des Beschlagnahmebeschlusses in Betrieb zu nehmen, hat die Beschwerdeführerin (jedenfalls ausdrücklich) nicht behauptet. Die äußeren Umstände im Zusammenhang mit der Verwahrung des Computers liefern keine Anhaltspunkte für eine derartige Absicht. Daher stand der obigen Sachverhaltsfeststellung nichts entgegen.

Betreffend den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt hat die Beschwerdeführerin noch durch zwei weitere Rechtsbehelfe Abhilfe gegen von ihr behauptete Rechtsverletzungen gesucht. Ihrer Beschwerde gemäß § 113 Abs.1 StPO vom 9. Mai 2006 gegen den Beschlagnahmebeschluss des Landesgerichts D****, verbunden mit einem Antrag auf Ausfolgung des PC, wurde von der Ratskammer beim Landesgericht D**** mit Beschluss vom 17. Juli 2006, AZ: **9 Rk **/06b, nicht Folge gegeben. Ihre Beschwerde gemäß § 88 Abs.2 SPG wegen der Sicherstellung unter dem Gesichtspunkte einer, behauptet rechtswidrigen, faktischen Amtshandlung vom 3. Mai 2006 ist zu Zl. Senat-MB-06-***3 beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Niederösterreich (Außenstelle F***) anhängig.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen stützen sich hinsichtlich der Beschwerde an die Ratskammer auf die vorliegenden Kopien aus AZ: 1** Ur ***2/06t des Landesgerichts D**** (ON 8 und ON 12), hinsichtlich der Beschwerde an den UVS Niederösterreich auf den Aktenvermerk vom 12. Juli 2006, GZ: K121.218/0007-DSK/2006, und die Vorlage des UVS NÖ vom 18. Juli 2006, GZ: K121.218/0009-DSK/2006 (Kopie der Beschwerdeschrift).

C) rechtliche Beurteilung

I. anzuwendende Rechtsvorschriften :

Die Verfassungsbestimmungen § 1 Abs.1, 2 und 5 DSG 2000 lauten unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:

§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

[...]

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“

§ 4 Z.10 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Definitionen“:

§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

[...]

10. "Ermitteln von Daten": das Erheben von Daten in der Absicht, sie in einer Datenanwendung zu verwenden;“

§ 31 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lauten unter der Überschrift „Beschwerde an die Datenschutzkommission“:

§ 31. (1) Die Datenschutzkommission erkennt auf Antrag des Betroffenen über behauptete Verletzungen des Rechtes auf Auskunft gemäß § 26 durch den Auftraggeber einer Datenanwendung, soweit sich das Auskunftsbegehren nicht auf die Verwendung von Daten für Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit bezieht.

(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist.“

§ 98 Abs. 1 und 2 StPO lauten:

§ 98. (1) Hat ein Verbrechen oder Vergehen Spuren zurückgelassen, so sind diese in geeigneter Weise, insbesondere durch Augenschein, nach den im folgenden Hauptstück enthaltenen Bestimmungen zu erheben.

(2) Gegenstände, an oder mit denen die strafbare Tat verübt worden ist oder die der Täter am Orte der Tat zurückgelassen haben dürfte, überhaupt Gegenstände, die vom Beschuldigten oder von Zeugen anzuerkennen sind oder in anderer Weise zur Herstellung des Beweises dienen können, und Sachen, die dem Verfall oder der Einziehung unterliegen, sind, soweit es möglich ist, in gerichtliche Verwahrung zu nehmen. Sie sind entweder in einem mit dem Gerichtssiegel zu verschließenden Umschlag zu legen, oder es ist an ihnen eine gegen Unterschiebung oder Verwechslung schützende gerichtliche Bezeichnung anzubringen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 32)“

§ 143 Abs. 1 StPO lautet unter der Überschrift „II. Beschlagnahme“:

§ 143. (1) Werden Gegenstände gefunden, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können oder dem Verfall oder der Einziehung unterliegen, so sind sie in ein Verzeichnis zu bringen und in gerichtliche Verwahrung oder doch unter gerichtliche Obhut oder in Beschlag zu nehmen (§ 98).“

II. Anwendung auf den Beschwerdefall :

1. zur Zuständigkeit der Datenschutzkommission

a. Zuständigkeit der DSK auf Akte der Datenverwendung begrenzt

Die Datenschutzkommission kann gemäß § 31 Abs. 2 DSG 2000 nur über die Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten erkennen, nicht jedoch über die Gesetzmäßigkeit verwaltungsbehördlichen Handelns in Bezug auf andere subjektiv-öffentliche Rechte, wie etwa das Recht gemäß § 87 SPG oder den durch eine Sicherstellung bewirkten Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Beschwerdeführerin auf Unverletzlichkeit ihres Eigentums (Art. 5 StGG). Soweit daher beantragt wurde, den Akt der so genannten „Beschlagnahme“ pauschal „für rechtswidrig zu erklären“ (hier parteienfreundlich so verstanden, dass darunter die Sicherstellung durch Polizeibeamte und nicht der Gerichtsbeschluss gemäß § 143 Abs. 1 StPO zu verstehen ist, der keinesfalls von der Datenschutzkommission überprüft werden darf), ist dieser Antrag überschießend und die Datenschutzkommission zu seiner Erledigung unzuständig. Lediglich die im zweiten Halbsatz des Beschwerdeantrags zum Ausdruck gebrachte Frage, ob durch die polizeiliche Sicherstellung rechtswidrig in das Recht der Beschwerdeführerin auf Geheimhaltung ihrer Daten eingegriffen worden ist, kann und darf Gegenstand einer meritorischen Entscheidung der Datenschutzkommission sein (siehe Spruchpunkt 1.).

b. zeitliche Abgrenzung der Zuständigkeit der DSK auf Grund des Beschlagnahmebeschlusses des Landesgerichts D**** Gegenstand des Verfahrens der Datenschutzkommission kann denkmöglich nur verwaltungsbehördliches Handeln sein, das sich zwischen dem 8. April 2006, ca. 10:00 Uhr (Zeitpunkt der Sicherstellung), und dem 27. April 2006 ereignet hat. An diesem Tag wurde der Beschlagnahmebeschluss des Landesgerichts D**** vom 24. April der Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen zugestellt (siehe Beschwerdeschrift vom 9. Mai 2006, Seite 3 unten) und dadurch wirksam, damit wurde der PC in die „Obhut“ bzw. den rechtlichen Gewahrsam des Landesgerichts D**** übernommen (wenn auch die tatsächliche Sachherrschaft weiterhin bis zum 8. Mai 2006 durch Exekutivbeamte der PI ausgeübt wurde). Ab diesem Zeitpunkt liegt ein Handeln der Gerichtsbarkeit vor, das gemäß §§ 1 Abs. 5 und 31 Abs.2 DSG 2000 der Kognition der Datenschutzkommission entzogen ist. Ein der Sicherheitsbehörde zuzurechnender Eingriff von Exekutiveorganen in die Datenschutzrechte der Beschwerdeführerin könnte während einer gerichtlichen Beschlagnahme nur dann vorliegen, wenn ein entsprechend eng gefasster Gerichtsbeschluss von Organen der Sicherheitsbehörde vorsätzlich missachtet und überschritten worden wäre (vgl. zu einer ähnlichen Frage [Rufdatenerfassung, Überwachung der Telekommunikation] den Bescheid der Datenschutzkommission vom 9. August 2006, GZ: K121.109/0006-DSK/2006). Eine derartige Überschreitung hat aber die Beschwerdeführerin gar nicht behauptet, es fehlt dafür auch jeder Anhaltspunkt im Sachverhalt. Nach der vorliegenden gerichtlichen Judikatur gilt eine Datenermittlung von einem Beweisgegenstand, der sich unter gerichtlicher Beschlagnahme befindet, vom jeweiligen Gerichtsbeschluss mit umfasst, für sie – die Datenermittlung – wird daher keine besondere richterliche Genehmigung benötigt. „Die Ablesung von Daten aus einem beschlagnahmten Beweismittel bedarf selbst dann, wenn sie unter Verwendung eines zur Telekommunikation nutzbaren Gerätes erfolgt, keiner gesonderten Genehmigung im Sinne der §§ 149aff StPO“ (OGH Beschluss vom 19. Dezember 2005, 14 Os 103/05m).

Es ist daher im nächsten Schritt der Beschlagnahmebeschluss des Landesgerichts D**** auszulegen und sein Inhalt im Lichte der angewendeten Vorschriften der StPO zu ermitteln. Die Rechtsprechung der Gerichte anerkennt auch ohne richterlichen Beschluss vorgenommene Sicherstellungen von Beweismitteln als gültig, freilich nur mit Einschränkungen: „Der ohne richterliche Anordnung erfolgten Beschlagnahme kommt nur provisorische Bedeutung zu. Sie bedarf, wie sich aus § 98 StPO ergibt, einer richterlichen Anordnung, durch die die gefundenen Gegenstände in gerichtliche Verwahrung oder doch unter gerichtliche Obhut oder in Beschlag genommen werden, um prozessual wirksam zu sein. Bis dahin hat sie nur den Charakter einer vorläufigen polizeilichen Sicherstellung. Diese vorläufige Beschlagnahme stellt sich als faktische Amtshandlung dar“ (OGH Urteil vom 15. Mai 1997, SZ 70/95 [Amtshaftungsprozess] unter Hinweis auf EvBl 1948/473).

Daraus ergibt sich, dass der sichergestellte PC in Ermangelung einer aus dem Gerichtsbeschluss ausdrücklich hervorgehenden, anders lautenden Anordnung, nicht rückwirkend beschlagnahmt wurde, seine Sicherstellung und Verwahrung durch die PI vom 8. bis zum 27. April 2006 daher als faktische Amtshandlung der Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde zuzurechnen ist. Eine Zurechnung zur Staatsanwaltschaft D**** kam nicht in Frage, da der aktenkundige Auftrag an die PI (siehe AZ: 1** Ur ***2/06t, ON 2) von einer Sachverhaltserhebung (darunter wird in der Praxis insbesondere eine erste Einvernahme der verdächtigen Personen(en) verstanden), nicht aber von der Sicherstellung von Beweisgegenständen spricht. Weiter spricht gegen eine solche Zurechnung, dass die Staatsanwaltschaft bei gegebenem Wissen um bestimmte Beweisgegenstände und deren Bedeutung für das Verfahren wohl sofort und im Voraus deren gerichtliche Beschlagnahme (wahrscheinlich in Verbindung mit einer Hausdurchsuchung) beantragt hätte. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die Beamten der PI bei der Sicherstellung des PC aus eigener Macht der ihnen vorgesetzten Sicherheitsbehörde gehandelt haben.

c. daraus zu ziehender Schluss

Zusammengefasst ergibt sich aus den Überlegungen unter a. und b., dass die Beschwerde einerseits, soweit sie über den Gegenstand der Verwendung personenbezogener Daten der Beschwerdeführerin hinaus reicht, und andererseits, soweit sie sich auch auf die Zeit nach dem 27. April 2006 erstreckt, wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurückzuweisen ist (Spruchpunkt 2.). Nur soweit eine Datenverwendung zwischen 8. und 27. April behauptet wurde, konnte in Spruchpunkt 1. inhaltlich abgesprochen werden.

2. inhaltliche Prüfung des zulässigen Teils der Beschwerde

a. Anwendbarkeit der einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG 2000

In der Beschwerde wird eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Bezug auf Daten behauptet, die auf einem Computer gespeichert sind, also in automationsunterstützter Form vorliegen. Daher ist nicht nur das Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 sondern sind auch die einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG 2000 anzuwenden.

b. keine Datenermittlung durch die Sicherheitsbehörde erfolgt Gemäß § 4 Z.10 DSG 2000 liegt ein Ermitteln von Daten im gegebenen Zusammenhang nur dann vor, wenn es in der Absicht, also mit dem von Anfang an fest stehenden, zielgerichteten Vorsatz erfolgte, durch das zu beurteilende Verwaltungshandeln Daten für eine Datenanwendung zu gewinnen.

Selbst wenn man unter der Übernahme der rein faktischen Verfügungsgewalt über einen Computer überhaupt ein „Erheben“ der darauf gespeicherten Daten verstehen kann, so war im vorliegenden Fall jedenfalls die Absicht der handelnden Sicherheitsorgane nur darauf gerichtet, mit dem sichergestellten PC die darin enthaltenen Datenträger als Beweisgegenstände gegen jede mögliche Zerstörung oder Veränderung zu sichern und ihre Beseitigung zu verhindern, nicht aber die Daten in einer Datenanwendung zu verarbeiten. Wegen der begrenzten zeitlichen Zuständigkeit der Datenschutzkommission (s.o. 1.b.) kommt es nur auf eine Absicht für den von der Zuständigkeit der Datenschutzkommission umfassten Zeitraum an. Eine Datenermittlung im Sinn des § 4 Z 10 DSG 2000 von personenbezogenen Daten der Beschwerdeführerin durch die Beschwerdegegnerin ist daher gar nicht erfolgt, was schon logisch weitere Verarbeitungsschritte nach § 4 Z 9 oder 12 DSG 2000 ausschließt. Somit liegt ein Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung der Beschwerdeführerin nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 nicht vor, weshalb der zulässige Beschwerdeteil im Spruchpunkt 1. abzuweisen war.

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