K121.247/0005-DSK/2006 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Mag. HUTTERER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. HEISSENBERGER und Mag. PREISS sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 11. Oktober 2006 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Die Beschwerde des R*** M*** aus E***, vertreten durch Dr. R***, Mag. Dr. R***, Mag. Dr. T*** und Mag. L***, Rechtsanwälte in A***, vom 8. August 2006 (Eingangsdatum bei der Datenschutzkommission) gegen die Bundespolizeidirektion A*** wegen Datenermittlung durch erkennungsdienstliche Behandlung am 1. Mai 2004 (ursprünglich eingebracht beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich [UVS Oberösterreich] am 14. Juni 2004 als Teil einer Beschwerde gemäß Art. 129a Abs.1 Z.2 B-VG, Zlen. VwSen-4****2/44/Gf/Be und VwSen-4****5/9/Gf/Be des UVS Oberösterreich, von diesem mit Erkenntnis vom 8. August 2006, Spruchpunkt III, teilweise an die Datenschutzkommission weitergeleitet) wird gemäß § 77 Abs 2 und 4, sowie §§ 78 und 90 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr 566/1991 idF BGBl I Nr 104/2002 iVm § 6 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 10/2004 zurückgewiesen.
B e g r ü n d u n g:
Zu beurteilen war folgender verfahrensrechtlicher Sachverhalt:
Laut den Beschwerdebehauptungen und nach den Sachverhaltsfeststellungen des UVS OÖ wurde R*** M*** am 1. Mai 2004 in A*** unter dem Verdacht des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 Abs.1 und 3 StGB) verhaftet und während seiner Anhaltung im Polizei-Anhaltezentrum A*** durch Beamte der Bundespolizeidirektion A*** erkennungsdienstlich behandelt (einschließlich der Abnahme eines MHA zur Gewinnung von Probenmaterial für ein DNA-Profil). Der Beschwerdeführer behauptet die Rechtswidrigkeit dieser Datenermittlung.
Der vom Beschwerdeführer am 14. Juni 2004 (Eingangsdatum) deswegen angerufene Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat sich mit Erkenntnis (Bescheid) vom 8. August 2006, Zlen VwSen-4***2/44/Gf/Be und VwSen- 4****5/9/Gf/Be, im Spruchpunkt III. in der Frage der Rechtmäßigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung für unzuständig erklärt und die Sache „zuständigkeitshalber an die Datenschutzkommission weitergeleitet“.
Dem Beschwerdeführer wurde durch die Datenschutzkommission zur Frage der Zuständigkeit und Rechtzeitigkeit der Beschwerde (im Hinblick auf § 6 Abs.1 AVG und § 34 Abs.1 DSG 2000) mit Erledigung vom 25. August 2006, GZ: K121.247/0002-DSK/2006, rechtliches Gehör gewährt. Er hat dazu keinerlei Äußerung abgegeben.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers und die zitierten Verwaltungsakten.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Durch die aus dem selben Grund (strafrechtlicher Tatverdacht) wie die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnete Anhaltung lagen gemäß §§ 77 Abs 2 und 4 sowie 78 SPG die Voraussetzungen vor, eine erkennungsdienstliche Behandlung ohne Erlassung eines Bescheids durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorzunehmen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer tatsächlich zwangsweise, das heißt unter Androhung oder Anwendung physischer Gewalt, erkennungsdienstlich behandelt wurde oder sich – pflichtgemäß nach § 65 Abs 4 SPG – dem bloßen Befehl (der Aufforderung) zur Mitwirkung gebeugt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass ihm gemäß den Bestimmungen des SPG keine Wahl blieb, rechtmäßig seine Zustimmung (etwa im Sinne von § 8 Abs 1 Z 2 DSG 2000) zu erteilen oder zu verweigern. Denn auch ohne seine Zustimmung hätte die erkennungsdienstliche Behandlung dennoch, erforderlichenfalls durch Zwangsausübung, vorgenommen werden können. Daher ist die Beurteilung der Sache gemäß § 90 2. Satz SPG der Zuständigkeit der Datenschutzkommission entzogen und fällt vielmehr gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 88 Abs 1 SPG in die (örtliche) Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (siehe dazu auch den Bescheid der Datenschutzkommission vom 26. November 2004, GZ K120.922/0012- DSK/2004, abrufbar im RIS unter http://www.ris.bka.gv.at/dsk/).
Da die Zuständigkeit einer Behörde gemäß § 6 Abs. 1 AVG in jeder Lage des Verfahrens, auf Antrag wie von Amts wegen, wahrzunehmen ist, und der UVS Oberösterreich bereits bescheidmäßig über seine Zuständigkeit abgesprochen hat (wenn auch nicht in der Form einer Zurückweisung, so doch im Spruch eines der Rechtskraft fähigen Bescheides), war die Sache nicht gemäß § 6 Abs. 1 AVG neuerlich an den UVS Oberösterreich weiterzuleiten sondern spruchgemäß wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurückzuweisen.
Dieser Bescheid wurde nicht bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts (Verfassungsgerichtshof - VfGH und Verwaltungsgerichtshof - VwGH ) angefochten .
Zum besseren Überblick über die Rechtslage wird jedoch auf die Rechtsprechung des VwGH (insbesondere die Erkenntnisse vom 23. Jänner 2007, 2005/06/0254, und vom 21. Februar 2007, 2005/06/0275) hingewiesen, in welcher § 90 SPG anders ausgelegt und die Datenschutzkommission in allen Fällen für zuständig erachtet wird, in denen durch die Sicherheitsorgane nicht tatsächlich Zwang ausgeübt oder doch zumindest angedroht worden ist.