JudikaturDSB

K121.135/0006-DSK/2006 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
09. August 2006

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. ZIMMER, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 9. August 2006 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des P in O (Beschwerdeführer) vom 19. Jänner 2006 gegen das Bezirkspolizeikommando Ried im Innkreis (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird gemäß § 1 Abs. 5 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:

Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführer dadurch, dass er die Zustellung einer Erledigung vom 11. Jänner 2006 in Bezug auf die vom Beschwerdeführer am 30. Dezember 2005 auf Grundlage des § 89 Abs. 2 SPG erhobene Beschwerde an die Dienststelle des Beschwerdeführers, nämlich das Kommando Landstreitkräfte, T-Kaserne in G, verfügte, im Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 verletzt.

B e g r ü n d u n g:

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner zunächst an den Unabhängigen Verwaltungssenat Oberösterreich gerichteten und von diesem an die Datenschutzkommission weitergeleiteten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch die im Spruch beschriebene Vorgangsweise des Beschwerdegegners.

Der Beschwerdegegner bestreitet die Anordnung der Zustellung an die Dienststelle des Beschwerdeführers nicht, hält diese jedoch für rechtmäßig. Der Beschwerdegegner habe vermuten können, dass die Mitteilung möglicherweise zum Anlass genommen würde, auf den Beschwerdeführer einzuwirken oder allenfalls disziplinäre Schritte einzuleiten. Der Beschwerdeführer habe sich auf der Polizeiinspektion O bei einer Anzeigeerstattung – vermutlich in Folge einer deutlichen Alkoholisierung – ausgesprochen präpotent und aggressiv verhalten. Dies sei für einen Offizier des Bundesheeres nicht akzeptabel und zumindest am Rande einer Ordnungsstörung iSd § 81 SPG angesiedelt. Es wäre zwar auch möglich gewesen, das Schreiben in Form einer offiziellen Beschwerde an die Dienststelle des Beschwerdeführers zu verfassen. Deren Inhalt hätte sich aber mit jenem des nunmehr gegenständlichen Briefes praktisch gedeckt. Dies sei aber deswegen unterlassen worden, um die traditionell guten Beziehungen zum Österreichischen Bundesheer nicht unnötig zu belasten. Somit sei der Beschwerdegegner nur einer Verpflichtung nachgekommen.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer erhob am 30. Dezember 2005 bei der Polizeiinspektion O niederschriftlich eine Beschwerde gegen den bei dieser Polizeiinspektion tätigen Polizeibeamten B (in der Folge Aufsichtsbeschwerde).

Darin ging es um einen Vorfall am 23. Dezember 2005 kurz vor Mitternacht. B habe damals die Aufnahme einer Diebstahlsanzeige, die der Beschwerdeführer erstatten wollte, verweigert und ihn aufgefordert, wiederzukommen, wenn er nichts getrunken habe. Darauf habe der Beschwerdeführer die Dienstnummer von B verlangt, dieser habe ihm jedoch stattdessen seinen Namen aufgeschrieben. Als der Beschwerdeführer daraufhin ins Auto seiner Gattin eingestiegen sei, habe ihn der Polizeibeamte ohne Kopfbedeckung nochmals angesprochen, ob er „eh nicht mehr Auto fahren“ würde. Seine Frau sei dann nach Hause gefahren, der Polizeibeamte sei ihnen jedoch mit einem zweiten Kollegen gefolgt, beide hätten schließlich vor dem Haus des Beschwerdeführers seine Frau angesprochen, sie nach Alkoholkonsum befragt und ihr mitgeteilt, dass B sich zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Beschwerdeführer in Verbindung setzen werde.

Am 11. Jänner 2006 richtete der Beschwerdegegner an die Dienststelle des Beschwerdeführers, das Kommando Landstreitkräfte, T-Kaserne in G, ein Schreiben, in dem er diese darum ersuchte, dem Beschwerdeführer mitzuteilen, dass seine Aufsichtsbeschwerde zu keinem Disziplinarverfahren gegen B führen werde. In der Folge setzte sich das Schreiben mit den vom Beschwerdeführer in der Aufsichtsbeschwerde erhobenen Vorwürfen auseinander.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen Beschwerdevorbringen, welches durch die vom Beschwerdegegner vorgelegten Unterlagen bestätigt und konkretisiert wurde.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 DSG 2000, hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung des Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind nach Abs. 2 leg. cit. Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

§ 89 Abs. 1 und 2 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl Nr. 566/1991, lauten:

„Beschwerden wegen Verletzung von Richtlinien für

das Einschreiten

§ 89. (1) Insoweit mit einer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, hat der unabhängige Verwaltungssenat sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten.

(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat (Abs. 1), eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, daß ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkte als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.

[...]“

Gemäß § 4 Abs. 2 Z 5 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres über die Regelung der Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten der Beamten und Vertragsbediensteten des Bundesministeriums für Inneres, die Einrichtung von Bezirks- und Stadtpolizeikommanden sowie über die Übertragung von Angelegenheiten an Bundespolizeidirektionen, Bezirks- und Stadtpolizeikommanden und das Landespolizeikommando Wien (Dienstrechtsverfahrens-, Personalstellen- und Übertragungsverordnung 2005 - DPÜ-VO 2005), BGBl II Nr. 205/2005, wird den Bezirkspolizeikommanden und den Stadtpolizeikommanden die Behandlung von Beschwerden und sonstigen Eingaben, die an das Stadt- bzw. Bezirkspolizeikommando gerichtet sind, Beamte des Bezirkes bzw. der Stadt betreffen und die Dienstaufsicht ansprechen, übertragen.

2. daraus abzuleitende Schlussfolgerungen

Die von der Polizeiinspektion O am 30. Dezember 2005 zu Protokoll genommene Beschwerde wurde vom Beschwerdegegner dem Inhalt nach (Begehren der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen B) wohl als solche nach § 89 Abs. 2 SPG gedeutet. Nach § 4 Abs. 2 Z 5 DPÜ-VO ist der Beschwerdegegner zur Behandlung derartiger Beschwerden zuständig.

Aus den vorzitierten Bestimmungen ergibt sich auch, dass das Bezirkspolizeikommando Ried (und nicht etwa eine Sicherheitsbehörde nach § 4 SPG) von der Datenschutzkommission als Beschwerdegegner zu behandeln war, räumt doch § 89 Abs. 2 SPG das Recht auf Erhalt einer Mitteilung ausdrücklich gegenüber der Dienstaufsichtsbehörde ein. Im Lichte dieser Bestimmung (als „Deutungsschema“) ist das gegenständliche Handeln des Bezirkspolizeikommandos Ried diesem selbst zuzurechnen.

§ 89 Abs. 2 SPG sagt weiters unmissverständlich, dass eine Mitteilung hinsichtlich des Vorliegens einer Richtlinienverletzung an denjenigen zu ergehen hat, der die Aufsichtsbeschwerde eingebracht hat. Daher ist sie auch dieser Person zuzustellen (genauer: ist die Zustellung an diese zu verfügen). Dies würde im Übrigen selbst dann gelten, wenn man die Aufsichtsbeschwerde nicht als solche nach § 89 Abs. 2 SPG (sondern als allgemeine Disziplinaranzeige) deuten würde, weil grundsätzlich behördliche Erledigungen an denjenigen zuzustellen sind, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind ( Walter/Mayer , Verwaltungsverfahrensrecht, 8. Aufl. (2003), Rz 202). Der Beschwerdegegner rechtfertigt die gewählte Art der Verständigung mit der aus seiner Sicht möglichen disziplinären Relevanz des Verhaltens des Beschwerdeführers. Hätte der Beschwerdegegner eine Disziplinaranzeige erstatten wollen (auf die Frage, ob er dazu überhaupt befugt wäre, wird hier mangels Relevanz nicht eingegangen), hätte er dies auch hinreichend zum Ausdruck bringen müssen. Er räumt aber in seiner Stellungnahme ein, dass dies nicht geschehen ist. Auf Grund des im Datenschutzrecht (auch außerhalb des Anwendungsbereichs der einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG 2000) geltenden Zweckbindungsgrundsatzes vermag die bloße Berufung auf einen Zweck, dem eine Verwendung personenbezogener Daten erkennbar nicht dienen sollte, diese nicht zu rechtfertigen.

Die Verfügung der Zustellung der Mitteilung an die Dienstbehörde war somit rechtswidrig. Auf Grund der damit verbundenen Bekanntgabe personenbezogener Daten des Beschwerdeführers liegt gleichzeitig ein Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 vor. Daher war die eingetretene Verletzung im Recht auf Geheimhaltung spruchgemäß festzustellen.

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