K202.048/0008-DSK/2006 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 31. Mai 2006 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über den Antrag des Mag. R in J (Antragsteller) vom 14. März 2006 auf Erteilung einer Genehmigung zur Verwendung personenbezogener Daten gemäß den § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
1. Es wird die Genehmigung erteilt, für Zwecke der Ausarbeitung einer Dissertation durch den Antragsteller zum Thema „Die Bekämpfung des Rechtsextremismus in Österreich“ personenbezogene Daten aus der bei der Sicherheitsdirektion Steiermark befindlichen – nicht öffentlich zugänglichen – Broschüre „Rechtsextremismus“ ( GZ P-***) zu ermitteln und zu verarbeiten.
2. Der Antrag, die Datenschutzkommission möge für die Veröffentlichung der im Pkt. 2 bezeichneten personenbezogenen Daten eine ausdrückliche Genehmigung aussprechen, wird abgewiesen.
3. Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr. 10/2004, iVm §§ 1, 3 Abs 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 (BVwAbgV), BGBl Nr. 24/1983 i.d.F. BGBl II Nr. 460/2002 , hat der Antragsteller eine Verwaltungsabgabe in Höhe von
Euro 6,50
zu entrichten.
B e g r ü n d u n g:
Der Antragsteller begehrt die Genehmigung zur Verwendung von Daten, betr. Namen und einschlägige Tätigkeit von Organisationen (insbesondere Vereinen) und deren Organen, aus der Broschüre „Rechtsextremismus“ (GZ P-***) der Sicherheitsdirektion für Steiermark vom 12. Juli 1968 in seiner Dissertation.
A. Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Der Antragsteller verfasst an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz (in Form eines MS-Word-Dokuments) eine Dissertation mit dem Thema „Die Bekämpfung des Rechtsextremismus in Österreich“. In dieser möchte er auch Aussagen über die rechtsradikale bis rechtsextremistische Tätigkeit von namentlich genannten Organisationen (insbesondere Vereinen) sowie über natürliche Personen, die in diesen Organisationen Organfunktionen ausüben bzw. ausgeübt haben, treffen. Grundlage für diese Aussagen soll die für Ermittlungszwecke zusammengestellte Broschüre „Rechtsextremismus“ der Sicherheitsdirektion Steiermark vom 12. Juli 1968, GZ P-*** (in der Folge „Broschüre“), sein. Diese enthält eine Zusammenstellung und Beschreibung von Organisationen im rechtsradikalen bis rechtsextremistischen Bereich mit dem Stand 31. Dezember 1967. In die Broschüre wurden in erster Linie Daten aus Vereinsakten übernommen, wobei der Vereinsname, die Namen der Organe, etwaige Publikationen sowie Angaben zur behördlichen Auflösung des Vereins enthalten sind. Es sind zwar die Vereinsadressen, nicht aber die Adressen der Organe angeführt.
Der Antragsteller war 1991 Referatsleiter für Angelegenheiten des Rechts- und Linksextremismus in der damaligen Gruppe Staatspolizeilicher Dienst des Bundesministeriums für Inneres. Von März 1991 bis April 1994 leitete er die Einsatzgruppe für Terrorismusbekämpfung, sodann bis 2000 die Gruppe II/D (Kriminalpolizei) des Bundesministeriums für Inneres. 2000 wurde er stellvertretender Leiter der Sicherheitsdirektion Steiermark und Leiter von deren staatspolizeilicher Abteilung, in diesem Rahmen war er wieder mit Aufgaben der Extremismusbekämpfung befasst. Im Jahr 2002 wurde er mit dem Aufbau des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in der Steiermark beauftragt, das er in der Folge bis Mitte 2004 leitete. Seit Juni 2004 ist der Antragsteller Leiter der Bundespolizeidirektion ***.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem schlüssigen Vorbringen im Antrag, welches durch die von der Datenschutzkommission eingeholte Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für Steiermark vom 22. März 2006 bestätigt wurde.
B. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Für die Verwendung von Daten für Zwecke der Statistik bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:
“ Wissenschaftliche Forschung und Statistik
§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die
(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur
(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist zu erteilen, wenn
(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.
(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“
2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass hinsichtlich der Daten, deren Verwendung der Antragsteller beabsichtigt, weder die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 DSG 2000 noch jene des Abs. 2 Z 1 oder 2 erfüllt sind.
Insbesondere ist § 56 Abs. 1 Z 7 des Sicherheitspolizeigesetzes, wonach die Sicherheitsbehörden personenbezogene Daten für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik nach Maßgabe des § 46 DSG 2000 übermitteln dürfen, keine besondere gesetzliche Vorschrift im Sinn des § 46 Abs. 2 Z 1 DSG 2000, weil dieser sich in einem Verweis auf § 46 DSG 2000 erschöpft. Somit kommt die beantragte Verwendung gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 DSG 2000 nur mit Genehmigung der Datenschutzkommission nach Abs. 3 in Betracht, sodass der Antrag zulässig ist.
3. a. Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Genehmigung hat der Antragsteller im Hinblick auf § 46 Abs. 3 Z 1 darlegt, dass viele der betroffenen natürlichen Personen voraussichtlich bereits verstorben sind, doch ist dieser Umstand für den Antragsteller im einzelnen nicht nachvollziehbar. Insgesamt handelt es sich bei den Betroffenen um einen relativ großen Personenkreis, für den Adressdaten in der Broschüre fehlen, sodass es für den Antragsteller faktisch unmöglich ist, diese Betroffenen zu kontaktieren. Daher ist von einer Unverhältnismäßigkeit des Aufwands iSd § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 auszugehen.
3. b. Da der Antragsteller auch die Ermittlung und weitere Verarbeitung sensibler Daten, nämlich der politischen Überzeugung der Betroffenen, beabsichtigt, ist für die Durchführung der geplanten Untersuchung ein wichtiges öffentliches Interesse an der ggst. Forschungsarbeit erforderlich. Ein solches ist für die Datenschutzkommission durchaus zu erkennen. Sie hat bisher in ständiger Rechtsprechung betont, dass im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Untersuchung der NS-Zeit regelmäßig ein wichtiges öffentliches Interesse vorliegt, weil die Erforschung und objektive Aufarbeitung der NS-Vergangenheit dem Ansehen Österreichs in der Welt nützlich sein wird (vgl. etwa die Bescheide vom 25. Februar 2000, K202.001/3 DSK/00 bzw. K202.002/2 DSK/00, sowie vom 24. April 2001, K202.010/2- DSK/01, abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes unter www.ris.bka.gv.at). Dass ein solches Interesse nicht nur für die Zeit der NS-Herrschaft in Österreich (also von 1938-1945), sondern auch darüber hinaus für die wissenschaftliche Erforschung nationalsozialistischer Betätigung nach 1945 besteht, kommt in zahlreichen Rechtsvorschriften, welche die Folgen der nationalsozialistischen Herrschaft zum Gegenstand haben und die neuerliche Errichtung einer solchen zu verhindern suchen. Insofern bezieht sich der Antragsteller zutreffend auf das Verbotsgesetz, StGBl Nr. 13/1945 idF BGBl Nr. 148/1992, welches das soeben dargestellte öffentliche Interesse besonders deutlich zum Ausdruck bringt. Daher ist auch die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 erfüllt.
3. c. Die nach § 46 Abs. 3 Z 3 DSG 2000 erforderliche fachliche Eignung des Antragstellers sowie seine Verlässlichkeit beim Umgang mit personenbezogenen Daten sind auf Grund von dessen langjähriger beruflicher Tätigkeit in Führungsfunktionen im Bereich der kriminalpolizeilichen Bekämpfung von politischem Extremismus glaubhaft.
Somit liegen alle erforderlichen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Genehmigung zur Ermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten vor.
4. Nicht liegen hingegen ausreichende gesetzliche Grundlagen für den beantragten Ausspruch der DSK auf „Genehmigung der Veröffentlichung“ dieser Daten vor:
Die DSK ist zwar für die Entscheidung über Beschwerden wegen Verletzung des Grundrechts auf Geheimhaltung durch Veröffentlichung personenbezogener Daten zuständig, nicht aber für eine a priori „Genehmigung einer Veröffentlichung“ von Daten: Dies wäre schon deshalb unzulässig, weil die Verweigerung der Genehmigung einer Zensurmaßnahme gleichkäme, was in Form der Vorzensur jedenfalls grundrechtswidrig wäre (vgl. hiezu etwa Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht, 9. Aufl. RZ 1435).
Angesichts des Gebots verfassungskonformer Interpretation einfachgesetzlichen Rechts kann dem § 46 DSG 2000 ein Inhalt, der die Vorzensur erlauben würde, nicht zugeschrieben werden.
§ 46 DSG 2000 kann daher nur so ausgelegt werden, dass Gegenstand einer „Genehmigung der DSK“ zwar die Erlaubnis zur Ermittlung und weiteren Verarbeitung von personenbezogenen Daten für wissenschaftliche Zwecke sein kann, nicht aber die Frage der Zulässigkeit ihrer Veröffentlichung. Die Zulässigkeit einer Veröffentlichung kann deshalb niemals auf § 46 DSG 2000 gestützt werden.
5. Die Verwaltungsabgabe war gemäß § 78 Abs. 1 AVG iVm §§ 46 Abs. 3, 53 Abs. 1 DSG 2000 vorzuschreiben. Demnach ist für Anträge nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 keine Befreiung von Verwaltungsabgaben normiert.