JudikaturDSB

K121.108/0008-DSK/2006 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 2006

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

[Anmerkung Bearbeiter: verbunden mit GZ K121.110/0005- DSK/2006]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Dr. STAUDIGL, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 31. Mai 2006 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerden des Hieronymus A in *** Wien, *** (Beschwerdeführer), gegen das Bundesministerium für Inneres in 1014 Wien, Herrengasse 7 (Beschwerdegegner), vom 26. Oktober 2005 wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten durch Auswertung eines Einschreibens des Beschwerdeführers vom 10. November 2003 an die *** Bank AG (unter K121.108 protokolliert) und eines Aktenordners mit der Aufschrift „Fonds“ (urspr. unter GZ 121.110 protokolliert) ohne gerichtlichen Auftrag bzw. in Überschreitung der Hausdurchsuchungsbefehle des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. und 24. Oktober 2003 und in der Folge Übermittlung durch das Büro für interne Angelegenheiten an das Personalbüro des Bundesministeriums für Inneres, wird gemäß § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 13/2005, wie folgt entschieden:

1. Den Beschwerden wird gemäß § 1 Abs. 1, 2 und 5, § 4 Z 8 und 12 sowie § 8 Abs. 4 DSG 2000 insoweit Folge gegeben, als festgestellt wird, dass der Beschwerdegegner durch die Weiterleitung der angeführten personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers an das Personalbüro (Abteilung I/1) des Bundesministeriums für Inneres den Beschwerdeführer im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.

2. Im Übrigen werden die Beschwerden gemäß § 1 Abs. 5 DSG 2000 zurückgewiesen.

B e g r ü n d u n g

I. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien:

a) Der Beschwerdeführer wandte sich mit 2 Schreiben vom 26. Oktober 2005 an die Datenschutzkommission und brachte vor, der Beschwerdegegner hätte ein im Zuge einer gerichtlichen Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer am 10. November 2003 in seinem Zweitwohnsitz in B*****/L****dorf sichergestelltes Einschreiben an die *** Bank AG vom 10. November 2003 sowie einen schwarz/grauen Aktenordner mit der Aufschrift „Fonds“ ohne gerichtlichen Auftrag ausgewertet und in der Folge unzulässigerweise an die Personalabteilung des Beschwerdegegners weitergeleitet. Dies habe er anlässlich einer Akteneinsicht am 9. Mai 2005 erstmals erfahren.

Der Hausdurchsuchungsbefehl vom 20. Oktober 2003, GZ *** Ur ***/03a, habe lediglich eine Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Fachmannes für Datensicherung zur Auffindung und Sicherstellung von Schrift- und Mailverkehr, Bankunterlagen, Prüfungsunterlagen etc (dies gelte auch für alle auf Datenträgern des Beschwerdegegners zur Verfügung stehenden Daten) zum Gegenstand gehabt. Es habe keinen gerichtlichen oder staatsanwaltlichen Auftrag zur Auswertung der sichergestellten Daten gegeben.

b) Der Beschwerdegegner entgegnete mit Schreiben vom 23. November 2005, die Dokumente seien im Zuge der gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung vorläufig beschlagnahmt und im Sicherstellungsverzeichnis vom 12. November 2003 angeführt worden. Nach Sichtung sei am 8. Jänner 2004 ein Bericht mit näherer Bezeichnung der Unterlagen angefertigt und mit dem Sicherstellungsverzeichnis der Strafanzeige vom 12. November 2004 beigelegt worden. Im Hinblick auf die Auswertung des Ordners mit der Aufschrift „Fonds“ hielt der Beschwerdegegner fest, dass Geheimzahlen (betr. den Zugang zu Bankkonten) in der Auswertung nicht angeführt worden seien.

Die Auswertung der im Rahmen der Hausdurchsuchung sichergestellten Daten sei im Dienste der Strafjustiz erfolgt. Da es nach Einleitung der Voruntersuchung mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Februar 2004 zu zahlreichen, oftmals mehrmals wöchentlich stattfindenden Kontakten mit der zuständigen Untersuchungsrichterin gekommen sei, in deren Zuge über die vorgenommenen Erhebungen berichtet worden sei und die weiteren Ermittlungsschritte abgesprochen und konsensual vereinbart worden seien, wären sämtliche vom Beschwerdegegner vorgenommenen Erhebungen im Auftrag und in Kenntnis der Untersuchungsrichterin erfolgt und der Gerichtsbarkeit zuzurechnen.

Die Weiterleitung an die für den Beschwerdeführer zuständige Personalabteilung des Beschwerdegegners am 7. Dezember 2004 zum Zweck einer gesonderten dienst- und disziplinarrechtlichen Beurteilung sei an einen in der Standard- und Musterverordnung 2004 (SA 029) im Empfängerkreis vorgesehenen Adressaten erfolgt und in Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe geschehen.

c) In dem dazu gewährten Parteiengehör betonte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. Dezember 2005 nochmals, dass es weder einen gerichtlichen noch staatsanwaltlichen Auftrag zur Auswertung der gegenständlichen Unterlagen gegeben habe und diese daher nicht im Dienste der Strafjustiz erfolgt sei. Mündliche Beratungen, über die auch keine Aufzeichnungen bestünden, seien unzureichend. Es habe in der Phase der Vorerhebungen auch keinen Antrag der Staatsanwaltschaft an die Untersuchungsrichterin gegeben, die sichergestellten Unterlagen auszuwerten. Die Sichtung sei nicht bloß eine neue Aufstellung des Materials, sondern bereits eine Auswertung auf Relevanz, da andere sichergestellte Ordner nicht mit jener Genauigkeit wie der gegenständliche dokumentiert worden seien.

Folge man der Rechtsansicht des Beschwerdegegners hinsichtlich der Weiterleitung, handle es sich bei den ausgewerteten Konto- und Wertpapierdaten um gerichtliche Akten, deren Weiterleitung allein der Entscheidungsbefugnis des Gerichtes unterliege. Das Personalbüro gehöre nach der SA029 der Standard- und Musterverordnung nicht zum Empfängerkreis für Gerichtsakten. Das für Amtshilfe notwendige Amtshilfeersuchen einer Behörde habe im konkreten Fall gefehlt, die Dienstbehörde (Personalabteilung) des Beschwerdeführers habe ein solches auch nicht stellen können, da das Disziplinarverfahren gemäß § 114 Abs. 2 BDG 1979 spätestens seit 12. November 2003 ex lege unterbrochen gewesen sei.

d) In einer ergänzenden Stellungnahme vom 7. Februar 2006 verwies der Beschwerdegegner auf ein Gutachten von Herrn Univ.-Prof. B vom 12. Dezember 2005 und zitiert aus einem ergänzenden Gutachten vom 2. Februar 2006. Die These dieses Gutachtens geht dahin, dass jede Tätigkeit der Sicherheitsbehörden im Rahmen der Nachforschungen und Untersuchungen von gerichtlich strafbaren Handlungen hinsichtlich der Zuständigkeit zur datenschutzrechtlichen Prüfung „Gerichtsbarkeit“ sei, da § 31 DSG 2000 von einem materiellen und nicht von einem formellen, auf die Art des tätig werdenden Organs abstellenden Gerichtsbarkeitsbegriff ausgehe.

II. Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung

Wie bereits aus einigen anhängigen und entschiedenen Beschwerdeverfahren amtsbekannt, ermittelt der Beschwerdegegner (Büro für interne Angelegenheiten) seit 8. September 2003 gegen den Beschwerdeführer u.a. wegen des Verdachts des Betrugs und des Missbrauchs der Amtsgewalt. Der Beschwerdeführer, der aus den gleichen Gründen als Leiter der Hubschrauberflugschule des BMI vom Dienst suspendiert worden ist, wird ua. verdächtigt, Pilotenkollegen durch Täuschung über die Bedingungen einer Versicherungsgesellschaft zum Abschluss übermäßig teurer Versicherungspakete verleitet zu haben, von dem er durch Provisionsempfang profitierte, sowie als Ersatzmitglied der Prüfungskommission für Berufshubschrauberpiloten, (möglicherweise gegen Bezahlung) Prüfungen vorgetäuscht sowie geheim zu haltende Prüfungsunterlagen (Fragenkataloge) entwendet und weitergegeben zu haben.

Beweiswürdigung : Hierbei handelt sich um aus mehreren anderen Verfahren amtsbekannte Tatsachen (insbesondere K120.986, K121.052 und K121.053 usw.).

Am 20. Oktober 2003 fasste das Landesgericht für Strafsachen Wien durch die zuständige Untersuchungsrichterin in der Strafsache gegen den Beschwerdeführer einen als „Hausdurchsuchungsbefehl“ betitelten Beschluss mit folgendem Spruch (hier relevanter Teil):

„In der Strafsache gegen [den Beschwerdeführer, Geburtsdatum] wegen §§ 146, 147 Abs.2, 148; 177 Abs.1; 302 Abs.1 StGB ergeht an das Bundesministerium für Inneres, Büro für interne Angelegenheiten, zu Zl. ***, der Befehl, in der Wohnung und den sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten in *** Wien, ***, und an dessen Dienststelle in *** Wien, *** (BMI, Referat ***), und in den Räumlichkeiten der Flugpolizei/Hubschrauberschule eine Hausdurchsuchung unter Beiziehung eines Fachmannes für Datensicherung zur Auffindung und Sicherstellung von Schrift- und Mailverkehr, Bankunterlagen, Prüfungsunterlagen etc., wobei auch alle dem Genannten auf Datenträgern des BMI zur Verfügung stehenden Daten gesichert werden mögen.“ (Unterstreichung im Original)

Dieser Beschluss wurde mit vier Tage später ergangenem (Ergänzungs )Beschluss räumlich auf das Wohnhaus des Beschwerdeführers in B*****/L****dorf ausgedehnt.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf den Inhalt des der Datenschutzkommission in Kopie vorliegenden Hausdurchsuchungsbefehls.

Am 12. November 2003 fand die vom Landesgericht für Strafsachen Wien angeordnete Hausdurchsuchung im Wohnhaus des Beschwerdeführers in *** statt. Dort wurden unter anderem ein Einschreiben des Beschwerdeführers vom 10. November 2003 an die *** Bank AG und ein schwarz/grauer Aktenordner mit der Aufschrift „Fonds“ von Beamten des Beschwerdegegners beschlagnahmt und am selben Tag in einem Sicherstellungsverzeichnis gelistet.

Diese Unterlagen wurden einige Tage später offenbar eingehender gesichtet und in einem Bericht vom 8. Jänner 2004 wie folgt beschrieben:

„24) Ordner schwarz/grau – Aufschrift: Fonds

24.2. Registerkarte grün – Aufschrift PSK

Geheimzahl für PSK.Telebanking sowie 2 Schreiben betreffend der Transaktionsnummern. Ansparplan/Depotauszug/Jahresbericht 2002/Wertpapiervermögensaufstellung 1999/ Kontoeröffnungsauftrag für Depot *** – Investmentfonds Bawag PSK Euro Bluechip Stock (A), WP-Nummer AT ***, Ansparplankonto ***.

Kontoauszüge/Jahreskontoauszug 1999 EUR-Konto Nr. ***“

und

„Einschreiben von Hieronymus A vom 10.11.2003 an die *** Bank AG betreffend der Auflösung der Konten `Konto Nr. ***`und `Depot-Nr. ***`sowie überweisen der Beträge an das PSk-Konto Nr. ***.

Einlagen auf dem Depot-Nr. ***

Handschriftliche Vermerke über die oben angeführten Konten.”

Der Bericht vom 8. Jänner 2004 wurde ebenso wie das Sicherstellungsverzeichnis vom 12. November 2003 der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Wien vom 12. November 2004 angeschlossen.

Eine Kopie der Strafanzeige samt allen Beilagen wurde am 7. Dezember 2004 an die Personalabteilung des BMI (Abt. I/1) übermittelt.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf amtsbekannten Tatsachen, auf dem übereinstimmenden Vorbringen des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners und auf vorgelegten Urkunden.

III. Rechtliche Erwägungen:

A. Die wesentlichen anzuwendenden Rechtsvorschriften:

§ 39 Abs. 2 AVG lautet:

„§ 39. (2) Soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, hat die Behörde von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.“

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1, 2 und 5 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 13/2005, lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“

„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

...

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“

Gemäß § 4 Z 8 DSG 2000 bedeutet der Begriff „Verwenden von Daten“ „jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten (Z 9) als auch das Übermitteln (Z 12) von Daten“.

Gemäß § 4 Z 12 DSG 2000 bedeutet der Begriff „Übermitteln von Daten“ die „Weitergabe von Daten einer Datenanwendung an andere Empfänger als den Betroffenen, den Auftraggeber oder einen Dienstleister, insbesondere auch das Veröffentlichen solcher Daten; darüber hinaus auch die Verwendung von Daten für ein anderes Aufgabengebiet des Auftraggebers“.

§ 8 Abs. 4 DSG 2000 lautet:

„(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

„(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist.“

B. Anwendung dieser Bestimmungen auf den Beschwerdefall

1. Verbindung der Verfahren K121.108 und K121.110:

Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat sich die Behörde bei allen Verfahrensanordnungen vom Grundsatz der Einfachheit, Raschheit und Zweckmäßigkeit leiten zu lassen. Dementsprechend war die Verbindung zweier Verfahren, die ursprünglich unter der GZ 121.108 bzw. 121.110 eingeleitet wurden, vorzunehmen, nachdem sich im Zuge der Verfahren ergeben hat, dass es sich um im Wesentlichen idente Beschwerdesachverhalte handelt.

2. Zur Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Überprüfung der Zulässigkeit der Auswertung von Unterlagen, die im Zuge einer richterlich angeordneten Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurden:

Gemäß § 1 Abs. 5 iVm § 31 Abs. 2 DSG 2000 ist die Datenschutzkommission zur Prüfung von behaupteten Datenschutzverletzungen nur insoweit zuständig, als es sich hiebei nicht um Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit handelt.

Der Beschwerdegegner hat im vorliegenden Verfahren vor der DSK eingewendet, dass die beschwerdegegenständlichen Handlungen Akte einer Sicherheitsbehörde im Dienste der Strafjustiz und deshalb Akte der Gerichtsbarkeit darstellten und somit der Prüfungszuständigkeit der DSK entzogen seien. Das BMI stützt sich bei seinem diesbezüglichen Vorbringen insbesondere auch auf das bereits erwähnte Gutachten von Herrn Univ.-Prof. B, das die These vertritt, dass aus dem Blickwinkel des § 31 DSG 2000 jede Tätigkeit der Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafjustiz „Gerichtsbarkeit“ sei.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zur Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung in Fällen, in welchen die Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafjustiz tätig werden, in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass jedenfalls in Angelegenheiten der „Gerichtspolizei im engeren Sinn“ (das sind in der StPO vorgesehene Akte, bei denen eine unmittelbare Heranziehung von Sicherheitsorganen durch gerichtliche Organe möglich ist, so z.B. bei der Vollstreckung eines richterlichen Befehls zur Hausdurchsuchung – §§ 139 ff iVm § 24 StPO, zur Verhaftung – §§ 174 ff iVm § 24 StPO, oder im Rahmen der sog Sitzungspolizei; dazu kommt noch die Tätigkeit von Exekutivorganen im Zug einer gerichtlichen Vollstreckung nach der Exekutionsordnung) die von den Sicherheitsorganen zu setzenden Handlungen der Gerichtsbarkeit zuzuordnen sind (vgl. insbesondere VwGH v. 13. Nov. 1991, Zl 91/01/0135 sowie VwSlg 15242 A/1999 und VwSlg 15344 A/2000). Dies freilich nur, soweit der von der StPO bzw. von dem präzisierenden richterlichen Auftrag für diese Aufgaben gezogene Rahmen nicht überschritten wird.

Inwieweit auch andere Handlungen der Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafjustiz der „Gerichtsbarkeit“ zuzurechnen sind, kann im vorliegenden Fall hinsichtlich des beschwerdegegenständlichen Berichtes des BIA vom 8. Jänner 2004 dahingestellt bleiben:

Der richterliche Hausdurchsuchungsbefehl ordnete nach seinem Wortlaut „die Auffindung, Sicherstellung und Sicherung von Unterlagen und Daten“ an. Da sich dieser Auftrag naturgemäß nur auf solche Unterlagen und Daten bezog, die für das Verfahren plausiblerweise relevant sein könnten, schließt jede „Sicherstellung und Sicherung“ eine gewisse inhaltliche Prüfung des aufgefundenen Materials mit ein. Eine gewisse Auswertung beschlagnahmter Unterlagen musste daher erfolgen, um ihre grundsätzliche Relevanz zu beurteilen – dies kann üblicherweise im Zuge des Beschlagnahmevorgangs selbst nicht mit hinlänglicher Sicherheit vorgenommen werden, sondern bedarf vielmehr einer erst in der Folge möglichen inhaltlichen Prüfung.

Angesichts des in Pkt. II. unter „Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung“ wiedergegebenen Inhalts des „Berichts“, der nur eine kurze inhaltliche Beschreibung beschlagnahmter Unterlagen darstellt und nicht etwa diesen Inhalt hinsichtlich seiner Relevanz für den Grund der Hausdurchsuchung kommentiert, kann in diesem „Bericht“ im Übrigen auch kein wesensgemäßer Unterschied zu einem „Verzeichnis“ der bei einer Hausdurchsuchung sichergestellten Unterlagen gesehen werden. Wenn etwa die in dem Ordner enthaltenen Papiere einzeln abgelegt gewesen wären, hätten sie jedenfalls in der im Bericht gewählten Form beschrieben werden müssen. Schon um allfälligen Verlust oder Entwendung von Unterlage(teilen) nachvollziehen zu können, bedarf es einer entsprechend aussagekräftigen Beschreibung der im Zuge einer Hausdurchsuchung sichergestellten Unterlagen, was sowohl durch die Beschreibung ihres äußeren Erscheinungsbildes als auch durch die Beschreibung ihres Inhalts erfolgen kann. Die Abfassung des „Berichtes“ vom 8. Jänner 2004 ist daher als Handlung zu sehen, die von der nach § 143 Abs. 1 StPO geschaffenen Verpflichtung, Gegenstände, die im Zuge einer Haus- oder Personsdurchsuchung beschlagnahmt wurden, „in ein Verzeichnis zu bringen“, mitumfasst ist – die im „Bericht“ enthaltenen Daten hätten auch in einer als Sicherstellungsverzeichnis betitelten Aufstellung angeführt sein können.

Es ist daher davon auszugehen, dass die im vorliegenden Fall vorgenommene Auswertung der im Zuge einer richterlich angeordneten Hausdurchsuchung beschlagnahmten Unterlagen vom Inhalt des Gerichtsbeschlusses vom 20. Oktober 2003 gedeckt war und dass die Erstellung des „Berichts“ daher als Tätigkeit des BIA im Rahmen einer Hausdurchsuchung zu begreifen ist, die als Akt der „Gerichtspolizei im engeren Sinn“ jedenfalls der „Gerichtsbarkeit“ zuzurechnen ist.

Hinsichtlich dieser Auswertung trifft der vom Beschwerdegegner gemachte Einwand der Unzuständigkeit der Datenschutzkommission gemäß § 1 Abs. 5 DSG 2000 daher zu. Die Beschwerde war somit diesbezüglich zurückzuweisen.

3. Die Zulässigkeit der Weiterleitung der Ergebnisse der Hausdurchsuchung an die Dienstbehörde:

a) Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Überprüfung der Zulässigkeit der Weiterleitung der Ergebnisse der Hausdurchsuchung an die Dienstbehörde:

Die Weiterleitung der Daten des Berichts vom 8. Jänner an die Dienstbehörde geschah im Rahmen der Übermittlung einer Kopie der Strafanzeige. Als Zweck der Weiterleitung der beschwerdegegenständlichen Daten vom BIA an die Dienstbehörde (Abt. I/1 des BMI) hat der Beschwerdegegner das Erfordernis „gesonderter dienst- und disziplinarrechtlicher Beurteilung“ angegeben.

Voraussetzung für die Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Prüfung der Zulässigkeit dieser Weitergabe ist, dass diese nicht als Akt der Gerichtsbarkeit einzustufen ist.

Das BIA hat – auch nach den eigenen Angaben – hier nicht aufgrund eines richterlichen Auftrags gehandelt. Auch stellt diese Datenweitergabe ihrem Zweck nach keine Handlung einer Sicherheitsbehörde im Dienste der Strafjustiz dar, wie sie etwa in den §§ 24 oder 26 StPO vorgesehen ist. Eine Zurechnung dieser Handlung eines Verwaltungsorgans, wie es das BIA darstellt, zur „Gerichtsbarkeit“ kommt daher nicht in Frage. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Prüfung der Zulässigkeit dieser Handlung ist somit gegeben.

b) Zulässigkeit der Weiterleitung der Ergebnisse der Hausdurchsuchung an die Dienstbehörde:

Wie bereits erwähnt, erfolgte die Weiterleitung der Daten des Berichts vom 8. Jänner 2004 an die Dienstbehörde im Rahmen der Übermittlung einer Kopie der Strafanzeige zum Zweck „gesonderter dienst- und disziplinarrechtlicher Beurteilung“.

Die Weiterleitung der Strafanzeige in Kopie durch das BMI/BIA an die Abteilung I/1 des Bundesministeriums für Inneres als Dienstbehörde ist trotz Identität des Auftraggebers, nämlich des BMI, als „Übermittlung“ im Sinne des § 4 Z 12 DSG 2000 zu qualifizieren, da es sich um die Weitergabe von Daten zwischen unterschiedlichen Aufgabengebieten desselben Auftraggebers – einerseits „Kriminalpolizei“, andrerseits „dienstbehördliche Angelegenheiten“ – handelt.

aa) Der Beschwerdegegner hat als Begründung für die Zulässigkeit der Übermittlung das Vorliegen von Amtshilfe ins Treffen geführt. „Amtshilfe“ setzt jedoch voraus, dass ein Ersuchen um Datenübermittlung gestellt wurde (vgl. hiezu z.B. Dohr-Pollirer-Weiss, Kommentar zum Datenschutzrecht, 2002, Anm. 13 zu § 8 DSG 2000). Da dies im vorliegenden Fall zweifellos nicht gegeben war, scheidet „Amtshilfe“ als Rechtsgrundlage der beschwerdegegenständlichen Datenübermittlung aus. Auch die Bezugnahme auf die Standardverordnung „SA 029 Aktenverwaltung (Büroautomation)“ betreffend Datenverarbeitung zwecks Durchführung der Kanzleigeschäfte kann nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da der dort genannte Empfängerkreis „Personen und Einrichtungen, die im Rahmen der Geschäftstätigkeit zu befassen sind“ voraussetzt, dass die Befassung in gesetzeskonformer Weise festgelegt wurde.

bb) Zu prüfen ist daher, ob andere Rechtsvorschriften die Übermittlung der Ergebnisse der Hausdurchsuchung an die Dienstbehörde zu rechtfertigen vermögen:

Dem Beschwerdegegner war es offenbar nicht möglich, andere Rechtsgrundlagen für die Übermittlung der in Rede stehenden Daten an die Dienstbehörde ins Treffen zu führen als Amtshilfe oder die Standardanwendung SA029, die jedoch, wie dargelegt, beide im vorliegenden Fall nicht als taugliche Rechtsgrundlage anerkannt werden können. Die Datenschutzkommission hat ebenfalls keine anderen Rechtsvorschriften aufgefunden, die die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Übermittlung bewirken könnten – auch § 8 Abs. 4 Z 2 DSG 2000 kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Übermittlung der Daten ihrem Inhalt nach keine wesentliche Voraussetzung für die hier relevante Aufgabenbesorgung darstellte.

Die Weiterleitung der von der Beschwerde umfassten Daten an die Dienstbehörde war daher im vorliegenden Fall unzulässig, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

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