K121.054/0008-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. HEISSENBERGER, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Mag. PREISS und Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 16. Dezember 2005 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Über die Beschwerde des Ö*** in M (Beschwerdeführer) vom 10. Juli 2005 gegen das Bundesministerium für Inneres in Wien (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch Weitergabe einer CD-ROM an das Büro für Interne Angelegenheiten wird gemäß den §§ 1 Abs. 5 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
Die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 1 DSG 2000 iVm § 39 Abs. 1, § 44 Abs. 1 sowie § 45 Abs. 1 und 2 der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl Nr. 61/1975 idF BGBl I Nr. 164/2004, abgewiesen.
Begründung:
Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beamte des Bundesministeriums für Inneres F*** am 8. September 2003 an einen Beamten des Bundesministeriums für Inneres eine CD-ROM mit zahlreichen, zum Teil konkret bezeichneten, personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers weitergegeben habe. Diese stammten von einem dienstlichen Notebook des Beschwerdeführers, um dessen Reparatur der Beschwerdeführer F*** Ende 2002 ersucht habe.
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Der Beamte des Bundesministeriums für Inneres (BMI) F*** erstattete am 8. September 2003 im Büro für Interne Angelegenheiten des BMI eine Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer und übergab im Zuge dessen auch eine in seinem Gewahrsam befindliche CD-ROM mit zahlreichen personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem Beschwerdevorbringen.
Dies führte in der Folge zur Einleitung des gerichtlichen Strafverfahrens, welches derzeit - im Stadium der Voruntersuchung - beim Landesgericht für Strafsachen Wien zur GZ *** Ur ***/03a anhängig ist.
In diesen Akt wurde dem (gewählten) Verteidiger des Beschwerdeführers im Strafverfahren am 2. Juni 2004 Akteneinsicht verbunden mit der Möglichkeit der Anfertigung von Kopien gewährt. Davon umfasst war auch die als „Zwischenbericht an die Staatsanwaltschaft“ bezeichnete Anzeige des Bundesministeriums für Inneres an die Staatsanwaltschaft Wien vom 2. Oktober 2003 (ON 2 des Gerichtsaktes). Darin finden sich auszugsweise die folgenden Ausführungen:
„RevInsp F***, Pilot der Flugeinsatzstelle Z*** des BMI, erstattete am 8. September 2003 bei der ho. Dienststelle Anzeige gegen BezInsp Ö***, Leiter [Anmerkung Bearbeiter:
Bezeichnung der Dienststelle des Beschwerdeführers], wegen Verdacht des Betruges.
[...]
Datenmaterial
RevInsp F*** übergab im Rahmen der Anzeigeerstattung eine CD-ROM mit diversen Daten. Diese Daten stammen von einem dienstlichen Notebook des Ö***. Dieser habe F*** vor ca. einem Jahr ersucht, das Notebook von Viren zu säubern, wobei eine Sicherung der vorhandenen Daten durch F*** erforderlich gewesen wäre. F*** habe sich auf diesen Umstand erinnert, die damals gesicherten Daten eingesehen und dabei auch Mailverkehr zwischen Ö*** und der P*** Versicherungs AG, Fr. H***, festgestellt.
Eine erste Sichtung der von F*** zur Verfügung gestellten Daten bestätigte dessen Angaben betreffend Mailverkehr zwischen Ö*** und H. Unter anderem wird Ö*** von der P*** AG, Fr.H***, um Bekanntgabe seiner Kontonummer ersucht.
[...]
Verdacht weiterer strafbarer Handlungen
[...]
Abgesehen der oben genannten Mails in Bezug auf die P*** AG befinden sich noch zahlreiche weitere Datensätze auf der erwähnten CD-ROM. Darunter sind auch zahlreiche Nachrichten zwischen Ö*** und verschiedensten Persönlichkeiten im In- und Ausland. Eine erste Sichtung dieser von F*** zur Verfügung gestellten Datenmengen ergab zum Teil höchst bedenkliche Inhalte.
Nach der bisher vorgenommenen Sichtung besteht der dringende Verdacht, dass Ö*** sein Amt als Mitglied der Prüfungskommission der ACG missbrauchte. Dies wird vor allem mit einem Mail an eine noch auszuforschende Person namens M*** begründet. Ö*** übermittelte unter Verwendung seiner Mailadresse ööö@aon.at eine Nachricht an M*** unter dessen Mailaccount „mmm@t-online.de.
[...]
Bei einer Sichtung weiterer E-Mails wurden mehrfach Nachrichten vorgefunden, aus welchen hervorgeht, dass Ö*** Prüfungsfragen an Pilotenanwärter verkauft hat. Zudem werden von Ö*** mehrfach Kurse unter Nachsicht von Rechnungen angeboten und offensichtlich auch angenommen. Einige dieser Mails wurden ausgedruckt und sind angeschlossen.
Weiters findet sich ein Mail von Ö*** an einen „Jan“ unter dessen Mailadresse bbb@aaa.pl. BezInsp Ö*** erteilt darin an „Jan“ den Rat dessen Reisepass wegzuwerfen und einen neuen Pass ausstellen zu lassen, „...damit der Stempel nicht mehr darin ist.....“. Auch werde er versuchen, etwas gegen das Aufenthaltsverbot zu unternehmen. Aus den an Ö*** übermittelten Mails inkl. Anhang geht hervor, dass es sich um B***, 20.**.19** in L***, Polen, geb., handelt. [...] Anregungen
Die gesendeten mails umfassen den Zeitraum 2. Mai 2002 bis 7. Oktober 2002. Die empfangenen Mails den Zeitraum 19. November 2001 bis 7. Oktober 2002. Alle Nachrichten stammen lt. RevInsp F*** vom damaligen dienstlichen Notebook des BezInsp Ö***.
[...]“
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf der Einschau von Mitarbeitern des Büros der Datenschutzkommission in den Akt *** Ur ***/03a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, konkret der ON 19, wo sich ein Aktenvermerk über die gewährte Akteneinsicht befindet, in Verbindung mit dem Beschluss der Untersuchungsrichterin vom 28. Mai 2004, ON 28, dem im Umkehrschluss zu entnehmen ist, dass die Anzeige ON 2 nicht von der Akteneinsicht ausgenommen war. Der Beschwerdeführer ist diesen Ergebnissen der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs nicht entgegen getreten.
Am 15. Juli 2004 hat der Verteidiger den Beschwerdeführer von den Ergebnissen der Akteneinsicht vom 2. Juni 2004 in Kenntnis gesetzt.
Beweiswürdigung : Diese Feststellung beruht auf dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 22. Oktober 2005.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Gemäß § 34 Abs. 1 DSG 2000 erlischt der Anspruch auf Behandlung einer Beschwerde nach § 31 DSG 2000, wenn der Einschreiter sie nicht binnen eines Jahres, nachdem er Kenntnis von dem beschwerenden Ereignis erlangt hat, längstens aber binnen drei Jahren, nachdem das Ereignis behauptetermaßen stattgefunden hat, einbringt.
Aus den im Spruch zitierten Bestimmungen der StPO über die Verteidigung des Beschuldigten ergibt sich unzweifelhaft, dass sich der Beschwerdeführer jede Prozesshandlung des Verteidigers, so auch die Vornahme einer Akteneinsicht gemäß § 45 Abs. 2 leg. cit., zurechnen lassen muss (vgl. dazu Seiler, Strafprozessrecht, 7. Aufl. (2004), Rz. 229 ff). Jedenfalls bei gewählten Verteidigern handelt es sich, wie der Wortlaut des § 44 Abs. 1 StPO (arg. „Bevollmächtigung“) zeigt, gleichzeitig um Bevollmächtigte im Sinn der §§ 1002 ABGB, deren Handeln auch über den Strafprozess hinaus rechtlich so zu werten ist, als ob der Beschuldigte selbst tätig geworden wäre.
Die Akteneinsicht vom 2. Juni 2004, welche auch die Anzeige vom 2. Oktober 2003 umfasste, ist somit dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Daher hat der Beschwerdeführer rechtlich betrachtet zu diesem Zeitpunkt von der in der Anzeige beschriebenen Übergabe der CD-ROM mit personenbezogenen Daten durch F*** am 8. September 2003 an das Büro für Interne Angelegenheiten Kenntnis erlangt. Dass er persönlich erst später davon Kenntnis erlange, ist irrelevant. Aus der Anzeige geht unzweifelhaft hervor, dass die CD-ROM personenbezogene Daten des Beschwerdeführers enthalten hat und dass diese vom dienstlichen Notebook des Beschwerdeführers kopiert wurden. Daneben werden zahlreiche Beispiele der enthaltenen Daten genannt (E-mails). Somit beschreibt die Anzeige den Inhalt der CD-ROM für eine Beschwerdeerhebung an die Datenschutzkommission ausreichend präzise.
Dennoch hat der Beschwerdeführer die Beschwerde erst am 10. Juli 2005 erhoben, also mehr als ein Jahr nachdem er von der Übergabe der CD-ROM Kenntnis erlangt hatte. Diese war daher gemäß § 34 Abs. 1 DSG 2000 abzuweisen.