[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. HEISSENBERGER, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Mag. PREISS und Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 29. November 2005 folgenden Beschluss gefasst:
Gemäß § 30 Abs 6 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 13/2005, erlässt die Datenschutzkommission zur Herstellung des rechtmäßigen Zustands bei Verwendung personenbezogener Daten aus Datenanwendungen der österreichischen Sozialversicherung an die Kammer für Arbeiter und Angestellte für *** (kurz AK ***) die folgenden
E m p f e h l u n g e n:
Die Zuständigkeit zur Abfrage von Daten der Sozialversicherung zum Zweck der Führung der gemäß § 17a Abs 1 Arbeiterkammergesetz 1992 (AKG), BGBl Nr 626/1991 idF BGBl I Nr 136/2004, bestehenden Mitgliederevidenz der Kammer für Arbeiter und Angestellte für *** darf nicht dazu verwendet werden, um im Rahmen der Mitgliedervertretung in einem Rechtsstreit Daten über die gegnerische Partei zur Verbesserung der Rechtsposition des Vertretenen zu ermitteln. Die Verwendung solcher Daten im Rechtsstreit widerspricht § 8 Abs. 3 Z 5 DSG 2000, da diese Bestimmung ausdrücklich nur die Verwendung „rechtmäßig ermittelter Daten“ erlaubt.
Gründe für diese Empfehlungen:
A) Sachverhalt
In einem Verfahren nach § 30 Abs 1 DSG 2000 brachte Mag. Otto R*** (kurz: Einschreiter) vor, die AK *** habe Daten aus Datenbeständen der ***GKK, die ihn als Arbeitgeber und seine Bediensteten betreffen, unrechtmäßig ermittelt und für Zwecke eines arbeitsgerichtlichen Prozesses, den Gerda O***, vertreten durch einen Angestellten der AK ***, gegen ihn angestrengt habe, vor Gericht als Beweismittel gegen ihn verwendet. Der Einschreiter bestritt, wie schon erwähnt, die Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs und verlangte eine Überprüfung durch die Datenschutzkommission. Er legte dazu Kopien der vor Gericht verwendeten Datenausdrucke vor.
Die AK *** und die ***GKK haben die vorgebrachten Tatsachen nicht bestritten. Der in der Beschwerde behauptete Sachverhalt wurde auch durch die vorgelegten Urkunden bestätigt.
Die AK *** brachte jedoch vor, die Daten seien abgefragt worden, um durch den Nachweis der Tatsache, dass der Einschreiter erst kürzlich zwei Bedienstete aufgenommen habe, die Behauptung des Einschreiters, die Kündigung der Gerda O*** sei aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt, vor Gericht beweiskräftig widerlegen zu können. Diese Datenermittlung sei rechtmäßig erfolgt, da § 93 Abs 1 AKG 1992 die Sozialversicherungsträger verpflichte, den Arbeiterkammern die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Zu den Obliegenheiten der Arbeiterkammern gehöre gemäß § 7 AKG 1992 auch der Rechtschutz und die Vertretung von Kammerzugehörigen in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten. Im Übrigen seien keine Daten verwendet worden, die dem Einschreiter als Prozessgegner oder Frau O*** als Klägerin nicht ohnehin bekannt gewesen seien. Des weiteren verwies die AK *** auf die durch § 178 Abs 2 ZPO idF der Zivilverfahrensnovelle 2002 eingeführte 'allgemeine Prozessförderungspflicht', wonach jede Prozesspartei ihre Vorbringen möglichst zeitgerecht und vollständig zu erstatten und verfügbare Urkunden ehemöglichst vorzulegen habe. Da die Gerichte davon ausgehen könnten, dass eine von der AK *** vertretene Partei über Sozialversicherungsdaten verfüge, könnte die Nichtvorlage als Prozessverzögerung und damit zum Nachteil der Partei ausgelegt werden. Im Übrigen bestehe an einer Reihe von Daten des Einschreiters (Name, Adresse) gar kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse.
Die ***GKK brachte vor, sie hätte die fragliche Datenübermittlung unterlassen, wenn ihr der Verwendungszweck der Daten bekannt gewesen wäre. Sie sehe die Übermittlung nachträglich sachlich nicht durch § 93 AKG gedeckt, habe aber keine Möglichkeit, jedes eingehende Auskunftsersuchen auf seine Begründetheit zu überprüfen. Daher habe man sich, entsprechend einer fundierten Lehrmeinung (Dohr-Pollirer-Weiss, Anmerkung zu § 7 Abs 2 Z 2 DSG), darauf verlassen, dass Ersuchen um Datenübermittlung, die sich abstrakt innerhalb der Grenzen einer gesetzlichen Zuständigkeit oder rechtlichen Befugnis bewegten, außer Zweifel stünden und nicht im Einzelfall geprüft werden müssten.
B) Rechtliche Gründe für die Empfehlungen
1. Allgemeines :
Die Datenschutzkommission hat bereits einmal im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gemäß § 31 Abs 2 DSG 2000 wegen Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten über einen gleichartigen Sachverhalt entschieden. Im Bescheid vom 4. Juni 2002, GZ: K120.673/003- DSK/2002 wurde die Rechtsauffassung vertreten, dass die Übermittlung und Verwendung von Sozialversicherungsdaten, die eine Kammer für Arbeiter und Angestellte auf Grund gesetzlicher Ermächtigung bei einem Sozialversicherungsträger angefordert hatte, für Zwecke der Vertretung eines Rechtsschutz durch die Arbeiterkammer genießenden Arbeitnehmers vor Gericht, nicht dem Gesetz entspricht und in Datenschutzrechte des Arbeitgebers unzulässigerweise eingreift. Die Datenschutzkommission nahm dazu folgenden Rechtssatz in ihre Entscheidungsdokumentation im Rechtsinformationssystem des Bundes auf:
'Der Gebrauch des Auskunftsrechtes gemäß § 93 Abs. 1 AKG ist der Kammer nach Rechtsansicht der Datenschutzkommission dort untersagt, wo sie im Interesse eines Dritten, nämlich einer gemäß § 40 Abs 1 Z 2 ASGG vertretenen Partei, tätig wird. Der im Sachverhalt geschilderte Vorgang war daher nicht mehr im Sinne von § 6 DSG durch die gesetzliche Ermächtigung gemäß § 93 Abs 1 AKG gerechtfertigt.'
Die Datenschutzkommission sieht im nunmehrigen Anlassfall keinen Grund, die damals geäußerte Rechtsansicht zu revidieren, sondern hält vielmehr daran fest, dass die rechtsfreundliche Vertretung von Kammermitgliedern gem § 40 Abs 1 Z 2 ASGG kein „eigener Zweck“ der AK ist, für den die besondere Amtshilfebestimmung des § 93 AKG nutzbar gemacht werden darf.
Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass die Prozessvertretung eines Rechtsschutz genießenden Kammermitglieds vor dem Arbeits- oder Sozialgericht nicht von der Körperschaft öffentlichen Rechts 'Arbeiterkammer' vorgenommen wird, sondern durch eine von der Arbeiterkammer bestellte – und in der Regel bei ihr als DienstnehmerIn beschäftigte – qualifizierte Person. Dies ist dem Wortlaut von § 40 Abs 1 ASGG klar zu entnehmen und wurde auch durch die Rechtsprechung betont: 'Im § 40 Abs 1 Z 2 ASGG ist nicht die Vertretungsbefugnis der gesetzlichen Interessenvertretungen normiert; die Vollmacht ist nicht etwa der Interessenvertretung, sondern einer namentlich bestimmten physischen Person zu erteilen, so dass der Ausschließungsgrund des § 20 Z 4 JN für einen fachkundigen Laienrichter, der Bediensteter der Interessenvertretung ist, jedenfalls nicht vorliegt (OGH 29.5.1991, RdW 1992,119)'. Der arbeitsrechtliche Verfahrensvertreter handelt wie ein Rechtsanwalt im Namen seines Mandanten und nicht als Organ(walter) der öffentlichrechtlichen Körperschaft „Arbeiterkammer“. Die Verfassungsbestimmung des § 93 AKG kann auch nur als eine die Verpflichtung zur Amtshilfe begründende Parallelbestimmung zu Art. 22 B-VG verstanden werden, d.h. als Bestimmung, die die im öffentlichen Interesse von den Arbeiterkammern zu besorgenden Aufgaben durch die Pflicht zur Hilfeleistung seitens anderer Behörden unterstützt. Keineswegs kann daraus aber, wenn nicht der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz in Frage gestellt werden soll, abgeleitet werden, dass Personen, die sich im einem Rechtsstreit gemäß § 40 ASGG vertreten lassen, das Privileg erlangen, zu allen Daten, die den AK als Körperschaften öffentlichen Rechts zugänglich sind, Zugang zu erhalten – dies würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung der anderen Prozesspartei führen.
Die AK *** hat im vorliegenden Fall durch Datenermittlung unter Berufung auf die §§ 17a Abs 2 und 93 Abs 1 AKG für Zwecke der Vertretung eines Kammermitglieds in einem arbeitsgerichtlichen Prozess von der Ermittlungsermächtigung der genannten Bestimmungen zu unrecht Gebrauch gemacht.
Was den Einwand der AK *** betrifft, die Gerichte würden derartige Datenvorlagen erwarten und könnten eine Nichtvorlage als Prozessverzögerung werten und zum Nachteil der Partei auslegen, so ist zu sagen, dass die Erwartungshaltung und Prozesspraxis unabhängiger und unparteiischer Gerichte nichts rechtlich Unmögliches, weil Unerlaubtes, möglich machen kann. Es wird an den von der AK *** bestellten Verfahrensvertretern liegen, mit den Gerichten im Streitfall die Rechtslage zu erörtern, wobei die Datenschutzkommission nochmals auf den im Bescheid vom 4. Juni 2002, GZ: K120.673/003-DSK/2002, skizzierten Weg einer Beweisaufnahme nicht durch Urkundenvorlage sondern durch Übermittlungsersuchen des Gerichts gemäß § 89h GOG verweist.
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