JudikaturDSB

K121.048/0011-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
29. November 2005

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. HEISSENBERGER, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Mag. PREISS und Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 29. November 2005 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Über die Beschwerde der Verena N*** (Beschwerdeführerin) aus E***, vertreten durch Mag. Walter O***, Rechtsanwalt in ***0 E***, ***platz **, vom 22. Mai 2005 gegen die Bundespolizeidirektion E*** (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten durch Übermittlung von Daten über einen Polizeieinsatz vom 12. Mai 2005, einer auf die Beschwerdeführerin zutreffenden Wohnadresse (Straßenbezeichnung), Altersangabe sowie Berufsbezeichnung an die Medien, wird gemäß § 1 Abs 1, 8 Abs.2 und 9 Z.1 iVm § 31 Abs 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr.165/1999 idF BGBl. I Nr.13/2005, sowie § 74 Abs 1 und 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr.51/1991, wie folgt entschieden:

A) Verfahrensgang und Vorbringen der Beteiligten

In ihrer am 25. Mai 2005 bei der Datenschutzkommission eingegangenen Beschwerde vom 22. Mai 2005 brachte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin sinngemäß vor, der Beschwerdegegner habe ihr Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten durch Herausgabe einer Pressemeldung (zwischen dem 12. und 15. Mai 2005) verletzt, da durch den geschilderten Sachverhalt und die Angabe ihres Alters und des Namens der Straße, in der sie wohne, für ihre Nachbarn erkennbar geworden sei, dass sie Gegenstand eines Polizeieinsatzes wegen Verdachtes der Geheimprostitution gewesen sei. Der Beschwerdegegner habe Details gemeldet, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und geeignet seien, „die Intimsphäre der Verletzten in voyeuristischer Weise“ offen zu legen.

Die Tageszeitung „A*** Zeitung“ habe in der Wochenendausgabe 15./16. Mai 2005 unter der Aufmacherschlagzeile „Prostituierte sperrte einen Polizisten ein“ auf der Titelseite und der doppelseitigen Artikelschlagzeile „Prostituierte lief bei Razzia Amok“ auf Seite sechs darüber berichtet.

Weiters beantragte die Beschwerdeführerin Ersatz der Verfahrenskosten.

Der Beschwerdegegner, von der Datenschutzkommission zur Stellungnahme aufgefordert, brachte vor, es sei nachweisbar keine Pressemeldung mit dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Inhalt an die Medien übermittelt worden. Wie der Zeitungsbericht, auf den sich die Beschwerdeführerin beziehe, zu Stande gekommen sei, könne der Beschwerdegegner nicht erklären, der Vorfall habe jedenfalls lokal (etwa bei den Nachbarn der Beschwerdeführerin) einiges Aufsehen erregt, ihr Ruf in der Nachbarschaft sei der Beschwerdeführerin damals auch offenbar egal gewesen. Betreffend den Polizeieinsatz habe die Beschwerdeführerin im Übrigen auch eine Maßnahmenbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat für *** erhoben. Es werde daher beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens – darunter Vorhalt von Details ihrer Website - brachte die Beschwerdeführerin noch vor, dass der Inhalt der Website die Vorgehensweise des Beschwerdegegners nicht rechtfertige, da es Sache der Beschwerdeführerin und ihres „Selbstbestimmungsrechts“ sei, über sich zu veröffentlichen, was sie wolle, nicht aber das Recht des Beschwerdegegners, solche Inhalte in die Medien zu bringen. Falls keine amtliche Presseinformation vorliege, so seien eben „undichte Stellen“ dafür verantwortlich, jedenfalls lasse der Inhalt der Medienberichte darauf schließen, dass die Weitergabe ihrer Daten Polizeiorganen und damit dem Beschwerdegegner zuzurechnen sei.

B) Ermittlungsverfahren und verwendete Beweismittel

Die Datenschutzkommission hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen und Urkundenkopien, insbesondere den Bericht in der Tageszeitung „A*** Zeitung“ vom 15./16. Mai 2005, Einsichtnahme in die von der Beschwerdeführerin betriebene Datenanwendung Website http://www.***sex.com (Aktenvermerk und Ausdrucke vom 30. Juni 2005) sowie Einholung der Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 5. Juli 2005

Der Beschwerdeführerin wurde zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens, so weit sie nicht von ihr selbst stammen, Parteiengehör eingeräumt.

Der Chefredakteur der Tageszeitung „A*** Zeitung“ teilte auf Anfrage der Datenschutzkommission (beim Verfasser des Artikels) nach der oder den Quelle(n) des beschwerdegegenständlichen Medienberichts am 8. Juli 2005 mit, man berufe sich auf das Redaktionsgeheimnis gemäß § 31 MedienG und werde keine Auskünfte über die Quelle geben.

C) Sachverhaltsfeststellung samt Beweiswürdigung

Für die Datenschutzkommission steht folgender Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin ist in E*** unter dem Namen „Vera“ als Prostituierte tätig. Zur beruflichen Werbung und Kundenaquisition betreibt sie als datenschutzrechtliche Auftraggeberin die Website http://www.***sex.com. Als Inhaberin dieser Website („Registrant“ der URL http://www.***sex.com) ist die Beschwerdeführerin mit ihrem Namen unter der Adresse **** E***, B***straße 19, in der so genannte Whois-Datenbank auf der Website des Eigentümers der Domain http://www.***sex.com, der US-Firma NetworkSolutions (http://networksolutions.com), eingetragen. Auf der Website http://www.***sex.com selbst findet sich ein Impressum. Als für den Inhalt verantwortlich scheint dort als „Ansprechpartner“ Verena N***, B***straße 19, A-**** E***, Telefon- und Faxnummer +43(0)***/******, E-Mail webmaster@***sex.com, auf. Die im Impressum angegebene Telefonnummer ist mit jener identisch, die im Inhalt der Website als Kontaktnummer der Prostituierten „Vera“ aufscheint. Weiters finden sich dort Fotos der Beschwerdeführerin (ohne anonymisierende Elemente, das heißt mit frei sichtbaren Gesichtszügen, ohne schwarzen Balken o.ä.) in erotischen Posen sowie eine Anfahrtsskizze zur Wohnung von „Vera“, die potenzielle Freier in die B***straße Nr. 19 weist. Mit Hilfe der Internet-Suchmaschine http://www.google.at ließ sich auch (über das Impressum) eine Verbindung zwischen dem Namen der Beschwerdeführerin und der Website http://www.***sex.com herstellen.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen gründen sich auf eine Einsichtnahme des Sachbearbeiters der Datenschutzkommission in die beschriebenen Websites am 30. Juni 2005 und den darüber angefertigten Aktenvermerk mit angeschlossenen Ausdrucken (Screenshots), GZ: K121.048/0004- DSK/2005.

Daten der Beschwerdeführerin und Angaben zum Vorfall anlässlich der Polizeikontrolle vom 12. Mai 2005 sind im offiziellen täglichen Pressebericht der Bundespolizeidirektion E*** vom 13., 14. oder 15. Mai 2005 nicht erwähnt und nicht an die Medien übermittelt worden.

Von wem der Artikelverfasser (Siegfried F***) die in Rede stehenden Informationen erhalten hat, konnte im Hinblick auf das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG nicht ermittelt werden.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf den Inhalt des zitierten Medienberichts und auf die Stellungnahme des Beschwerdegegners mit den angeschlossenen Kopien des (per E-Mail) verbreiteten Presseberichts der Bundespolizeidirektion E*** für den 13., 14. und 15. Mai 2005. Die berichtende Tageszeitung mit ihren Mitarbeitern konnte sich – in berechtigter Weise, da § 31 MedienG genau auf solche Fälle abzielt – auf das Redaktionsgeheimnis berufen.

D) rechtliche Beurteilung

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs 1 DSG 2000 lautete unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:

„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.“

§ 8 Abs.2 DSG 2000 bestimmt unter der Überschrift „Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nichtsensibler Daten“:

„§ 8. (1) [...]

(2) Bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten oder von nur indirekt personenbezogenen Daten gelten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt. Das Recht, gegen die Verwendung solcher Daten gemäß § 28 Widerspruch zu erheben, bleibt unberührt.“

§ 9 Z.1 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung sensibler Daten“:

„§ 9. Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen werden bei der Verwendung sensibler Daten ausschließlich dann nicht verletzt, wenn

1. der Betroffene die Daten offenkundig selbst öffentlich gemacht hat [...].“

2. Schutzwürdigkeit der von der Beschwerde umfassten Daten :

Kernpunkt der Beschwerde ist die Behauptung, dass durch Weitergabe von Daten über eine Polizeieinsatz unter Angabe eines Wohnortes (Straßenbezeichnung) und einer Altersangabe jener weiblichen Person, die Gegenstand der Amtshandlung war, „die Intimsphäre der Beschwerdeführerin in voyeuristischer Weise“ verletzt worden sei. Hiezu war Folgendes zu erwägen:

Die Beschwerdeführerin unterhält eine Webseite mit dem unter Punkt C erläuterten Inhalt. Diese Webseite verfolgt sichtbar den Zweck, die beschwerdegegenständlichen Informationen über die Tätigkeit der Beschwerdeführerin einer möglichst breiten Öffentlichkeit, nämlich allen potentiellen Internetbenutzern, zur Kenntnis zu bringen. Die Beschwerdeführerin hat die Informationen (Daten), dass sie als Prostituierte tätig ist und an einer Adresse in der B***straße in E*** [Anmerkung Bearbeiter: an dieser Stelle wird im Originaltext der Name des Stadtteils genannt] lebt, somit selbst auf der von ihr betriebenen Website mit der URL http://www.***sex.com veröffentlicht. Es liegt daher ein Fall des § 9 Z 1 DSG 2000 vor, wonach ein Anspruch auf Geheimnisschutz für selbst veröffentlichte – auch sensible (!) - Daten ausgeschlossen ist.

Dies umfasst freilich nicht das Alter der Beschwerdeführerin und die näheren Angaben über den konkreten Polizeieinsatz. Da jedoch das Ermittlungsverfahren ergeben hat, dass dieser Einsatz beträchtliches Aufsehen in der Wohnumgebung der Beschwerdeführerin erregt hat, ist der Kreis der möglichen Informanten für die Medienberichterstattung so groß, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Informationsweitergabe jedenfalls dem Beschwerdegegner mit der Begründung zuzurechnen, dass diese Informationen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nur aus den Reihen der Organe des Beschwerdegegners stammen könnten.

Die Beschwerde war daher abzuweisen: Teils, weil nicht erwiesen werden konnte, dass Organe des Beschwerdegegners für die Weitergabe der Daten an Medien verantwortlich waren, teils mangels Vorliegens eines schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses an den beschwerdegegenständlichen Daten.

Kostenpunkt :

Ein Kostenersatz findet im Verfahren vor der Datenschutzkommission gemäß § 74 Abs 1 und 2 AVG mangels einer besonderen Anspruchsgrundlage nicht statt; der Antrag des Beschwerdegegners auf Zuspruch von Aufwandersatz war daher abzuweisen.

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