JudikaturDSB

K121.039/0012-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
09. September 2005

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 9. September 2005 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Über die Beschwerde des Abdul B*** (Beschwerdeführer) aus A***, vertreten durch Mag. Edgar T***, Rechtsanwalt in **** A***, ***straße *, vom 8. April 2005 gegen die Sicherheitsdirektion für Tirol (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Grundrecht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten durch Übermittlung eines Lichtbilds des Beschwerdeführers am 18. Februar 2005 an die Redaktion der Tageszeitung '*** Zeitung', wird gemäß § 1 Abs 1 und 2, 7 Abs 2 und 8 Abs 4 Z 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 13/2005 iVm § 24 Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl Nr 631/1975, sowie § 74 Abs 1 und 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 wie folgt entschieden:

A) Verfahrensgang und Vorbringen der Beteiligten

Mit der am 8. April verfassten und am 13. April bei der Datenschutzkommission eingegangenen Beschwerde, ursprünglich gerichtet gegen das Landesgendarmeriekommando Tirol, behauptete der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer, durch die am 18. Februar 2005 erfolgte Übermittlung seines Lichtbilds an die Redaktion der Tageszeitung '*** Zeitung' in seinem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger Daten verletzt worden zu sein. Diese Zeitung habe das Lichtbild auf der Titelseite der Ausgabe vom 19. Februar 2005, ohne Unkenntlichmachung der Gesichtszüge, im Zusammenhang mit einem Bericht über eine Gruppe von Ausländern, zu der unbestrittenermaßen auch der Beschwerdeführer gehört habe, und den gegen diese bestehenden Verdacht schwerer Straftaten (Diebstahl durch Einbruch, Raub, versuchte Vergewaltigung), die in den Morgenstunden des 18. Februar 2005 in O*** begangen wurden, veröffentlicht. Dies sei entgegen § 71 Abs 3 SPG erfolgt und er sei dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden.

Die Datenschutzkommission forderte die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Bezirkshauptmannschaft A***) und das Landesgendarmeriekommando für Tirol zur Stellungnahme auf. Für das Landesgendarmeriekommando schritt die Sicherheitsdirektion für Tirol im Verfahren ein. Beide Organe brachten übereinstimmend vor, es sei keine gezielte und personenbezogene Medieninformation zu den Vorfällen in O*** am 18. Februar 2005 herausgegeben worden, die Fakten seien nur im routinemäßigen Pressebericht der Sicherheitsdirektion Tirol vom 18. Februar 2005 dargestellt worden. Aufträge zur Datenübermittlung seitens des zuständigen Gerichts oder der Staatsanwaltschaft hätten nicht vorgelegen. Nicht bestritten wurde, dass ein anlässlich der Ersteinvernahme des Beschwerdeführers durch die Bundesgendarmerie angefertigtes Lichtbild an die vom Beschwerdeführer genannte Tageszeitung übermittelt worden sei. Es sei dies aber kein für erkennungsdienstliche Zwecke angefertigtes Lichtbild gewesen, dieses Bild sei, laut Sicherheitsdirektion Tirol, dafür gedacht gewesen, 'den Zeugen bzw. Opfern zu Identifikationszwecken vorgelegt zu werden'. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Beschwerdeführer – wie die meisten der in O*** verhafteten Verdächtigen – sich nicht sehr kooperativ gezeigt und in der ersten Einvernahme keine näheren Angaben zu den Vorfällen gemacht. Dies sei Anlass gewesen, das Lichtbild an ein Medienunternehmen zwecks Veröffentlichung zu übermitteln, um auf diese Weise aus der Bevölkerung Anhaltspunkte für Straftaten zu erhalten, an denen der Beschwerdeführer als Verdächtiger beteiligt gewesen sein könnte. Die Sicherheitsdirektion für Tirol brachte noch ausdrücklich vor, die Übermittlung des Lichtbilds an ein Medienunternehmen sei durch Beamte der Kriminalabteilung beim damaligen Landesgendarmeriekommando (LGK) erfolgt, das die Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer geführt habe, 'korrespondierende Sicherheitsbehörde' sei daher die Sicherheitsdirektion, nicht aber die Bezirkshauptmannschaft oder das damalige LGK. Die Sicherheitsdirektion für Tirol legte weiters eine Kopie der Akten über die durchgeführten kriminalpolizeilichen Vorerhebungen (u.a.) gegen den Beschwerdeführer bis zur Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck, GZ B1/1***0/05 des LGK für Tirol, sowie Kopien der Kopien der Medieninformationen der Sicherheitsdirektion Tirol vom 18. Februar 2005 vor, und beantragte, dem Beschwerdeführer (nicht näher bezifferten) Kostenersatz aufzuerlegen.

Der Beschwerdeführer brachte nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens vor, die Erstellung von Lichtbildern gehöre jedenfalls zum Erkennungsdienst, die Übermittlung ('Weitergabe') dieser Bilder sei der Sicherheitsdirektion für Tirol zuzurechnen, weshalb er sein Anbringen dahin gehend abändere, dass diese als Beschwerdegegnerin ('belangte Behörde') bezeichnet werde. Darüber hinaus sei der Medieninhaber der '*** Zeitung' in einem medienrechtlichen Verfahren wegen §§ 7a und 7b MedienG zu einer (nicht rechtskräftigen) Entschädigungszahlung von Euro 1.000,-- verurteilt worden, wobei sich der Medieninhaber aber erfolgreich auf die behördlich veranlasste Übermittlung der Bilder berufen habe. Im Übrigen sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht wegen eines Raubes oder einer (versuchten) Vergewaltigung unter Anklage gestellt worden sei.

B) von der Datenschutzkommission verwertete

Beweismittel

Die Datenschutzkommission hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und Beweis aufgenommen einerseits durch Einsichtnahme in die Kopie der Akten des LGK für Tirol, GZ B1/1***0/05-Ns, Beilage 2 zur Stellungnahme der Sicherheitsdirektion Tirol vom 7. Juni 2005, Zl. II 2***-2/05, sowie in die Beilage 3 zur selben Stellungnahme (Pressebericht der Sicherheitsdirektion Tirol vom 18. Februar 2005), andererseits durch Einholung von Stellungnahmen der Sicherheitsdirektion Tirol (siehe oben) und der Bezirkshauptmannschaft A*** (Geschäftszahl ***1f- vom 6. Juni 2005). Die Urkundevorlagen beider Seiten enthielten ebenfalls verwertete (Farb )Kopien der Titelseite der '*** Zeitung', Nr 42-N vom 19. Februar 2004, der Beschwerdeführer legte auch eine Kopie des dazu gehörigen Berichts auf Seite 7 dieser Zeitungsausgabe vor.

C) Sachverhaltsfeststellung samt Beweiswürdigung

Für die Datenschutzkommission steht folgender Sachverhalt fest:

In den Morgenstunden des 18. Februar 2005 kam es in O***, Bezirk A***, Tirol zu einer Reihe von Straftaten, nämlich Diebstahl durch Einbruch (in zwei abgestellte Pkw), Raub (Wegnahme von Bargeld und Schmuck sowie einer Handtasche) und versuchte Vergewaltigung (einer Passantin, die auch beraubt wurde). Der Kreis der Verdächtigen konzentrierte sich auf eine Gruppe von sechs ausländischen Staatsangehörigen, die kurz davor ein nahe den Tatorten gelegenes Nachtlokal verlassen hatte. Zu dieser Männergruppe gehörte auch der Beschwerdeführer. Nach einem Großeinsatz der Bundesgendarmerie wurden alle Verdächtigen an oder nahe bei den Tatorten in Verwahrungshaft genommen und zur Ersteinvernahme auf verschiedene Dienststellen der Bundesgendarmerie gebracht. Die Ermittlungen übernahm die Kriminalabteilung beim Landesgendarmeriekommando für Tirol. Der Beschwerdeführer wurde am 18. Februar 2005 um 7.27 Uhr auf einer Straßenkreuzung in O*** durch Exekutivorgane gemäß § 177 Abs 1 StPO aus eigener Macht verhaftet, auf den Gendarmerieposten O*** gebracht, dort angehalten und zwischen 10.50 Uhr und 11.10 Uhr als Verdächtiger niederschriftlich befragt. Zunächst verweigerte er unter Berufung auf sein gesetzliches Entschlagungsrecht jede Aussage. Nach Vorhalt, dass er unter Verdacht der Vergewaltigung, des Diebstahls durch Einbruch bzw. des Raubes festgenommen worden sei, gab er an, er sei mit zwei Bekannten, Landsleuten (Anmerkung: der Beschwerdeführer ist algerischer Staatsangehöriger), deren Namen er aber nicht kenne, in der Nacht im Taxi in eine Diskothek in O*** gefahren, er habe sich dort aber aus Geldmangel nicht lange aufgehalten und sei auf dem Rückweg nach A*** verhaftet worden, ohne zu wissen, warum. Über irgendwelche Straftaten wisse er nichts, weder über einen Handtaschenraub, noch über Einbrüche in Autos auf dem Parkplatz vor der Diskothek, noch über eine Vergewaltigung. Es sei aber vorbestraft und erst am 16. Oktober des Vorjahres aus der Haft entlassen worden. Bei dieser Aussage blieb der Beschwerdeführer auch nach dem Vorhalt, dass ein Geständnis im Strafverfahren einen Milderungsgrund darstelle.

Der Beschwerdeführer wurde nach seiner Einvernahme als Verdächtiger in die Justizanstalt Innsbruck eingeliefert; gleichzeitig wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen ihn auf richterlichen Beschluss die gerichtliche Voruntersuchung (Landesgericht Innsbruck, Aktenzeichen *1 Ur ***8/05g) verhängt und er in Untersuchungshaft genommen. Die Kriminalabteilung beim Landesgendarmeriekommando für Tirol erstattete am 21. Februar 2005 eine so genannte 'Stellungsanzeige', am 6. April 2005, GZ B/1***0/05, nach Abschluss der Ermittlungen die so genannte 'Vollanzeige' an die Staatsanwaltschaft Innsbruck und das Landesgericht Innsbruck. Darin wurde der Beschwerdeführer (Tatfakten 1 und 2) als verdächtig bezeichnet, gemeinsam mit fünf anderen Männern zwei näher bezeichnete Pkw aufgebrochen, dabei beschädigt, durchsucht und den Diebstahl eines geringen Geldbetrags vollendet, den Diebstahl eines der Fahrzeuge hingegen nur versucht zu haben.

Anlässlich der Anhaltung des Beschwerdeführers auf dem Gendarmerieposten O*** wurde er fotografiert. Das angefertigte Lichtbild (Frontalaufnahme) sollte der Identifizierung des Beschwerdeführers als möglicher Täter durch Zeugen und Tatopfer dienen.

Die am 18. Februar 2005 in O*** verübten Straftaten erregten Aufsehen in der Öffentlichkeit, sodass schon um 9.49 Uhr vom Gendarmerieposten O*** ein 'Vorausbericht' an die Sicherheitsdirektion und das Bundesministerium für Inneres übermittelt wurde. Der Journaldienst der Sicherheitsdirektion für Tirol nahm das Thema als Meldung Nr. 10 in seinen täglichen Pressebericht für die Medien am 18. Februar 2005 auf, am 19. Februar 2005 wurde diese Meldung durch einen ausführlichen, etwa einseitigen Bericht ergänzt. Das Landesgendarmeriekommando beschloss, die Lichtbilder der Verdächtigen mit der Bitte um Hinweise an die Medien weiterzugeben. Daher wurde noch am 18. Februar 2005 das während der Anhaltung am Gendarmerieposten O*** angefertigte Lichtbild des Beschwerdeführers an die Redaktion der '*** Zeitung' (Medieninhaber: D****verlag GesmbH) in Innsbruck übermittelt, die es, zusammen mit den Lichtbildern von fünf weiteren Verdächtigen (der Beschwerdeführer in der zweiten Reihe links), auf der Titelseite der Ausgabe Nr 42-N vom Samstag, dem 19. Februar 2005, mit der darunter stehenden Schlagzeile 'Jetzt reicht's! Asylwerber in O*** außer Rand und Band [darunter, etwas kleiner] Hinweise an die Gendarmerie, Tel. 059133703333' veröffentlichte. In dem dazu gehörenden Artikel auf Seite sieben der Zeitungsausgabe ('Asylwerber raubten und vergewaltigten') finden sich über den schon in der Schlagzeile ausgesprochenen Tatverdacht hinaus keine weiteren Daten des Beschwerdeführers.

Während der Untersuchungshaft wurde der Beschwerdeführer am 22. Februar 2005 erkennungsdienstlich behandelt und dabei das Lichtbild Nr. 37,***.009 (= EDV-Zahl) angefertigt.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich hauptsächlich auf den Inhalt der vorliegenden Aktenkopien der Akten des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, GZ B/1***0/05,wobei festzuhalten ist, dass der Kernpunkt des Sachverhalts – die Übermittlung eines während der Anhaltung durch die Exekutive angefertigten Lichtbilds an eine Tageszeitung – unbestritten ist. Die Feststellungen zum Inhalt der vom Beschwerdeführer vor der Gendarmerie gemachten (Erst )Aussage stützen sich im Speziellen auf die Niederschrift vom 18.02.2005, Beilage 11 zur Strafanzeige an die StA Innsbruck vom 8. April 2005. Die Angaben zum Inhalt der Berichterstattung der '*** Zeitung' wurde Kopien aus der zitierten Ausgabe entnommen, die der Beschwerdeführer mit der Beschwerde vom 8. April 2005 vorgelegt hat. Die Feststellungen zu den von der Beschwerdegegnerin herausgegebenen Medieninformationen und zur Übermittlung des Lichtbilds stützen sich darüber hinaus auf die Stellungnahme vom 7. Juni 2005, Zl. II 2***-2/05 und die Beilage 3 dazu.

D) rechtliche Beurteilung

1. anzuwendende Rechtsvorschriften :

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift 'Grundrecht auf Datenschutz:

'§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.'

§ 7 Abs 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift 'Zulässigkeit der Verwendung von Daten':

'§ 7. (1) [...]

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

1.sie aus einer gemäß Abs. 1 zulässigen

Datenanwendung stammen und

2.der Empfänger dem Übermittelnden seine

ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder

rechtliche Befugnis - soweit diese nicht außer

Zweifel steht - im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat

und

3.durch Zweck und Inhalt der Übermittlung

die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen

des Betroffenen nicht verletzt werden.'

§ 8 Abs 4 DSG 2000 lautet unter der Überschrift 'Schutzwürdige

Geheimhaltungsinteressen

bei Verwendung nichtsensibler Daten':

'§ 8 (1) [...]

(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

1.eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung

oder Verpflichtung zur Verwendung solcher

Daten besteht oder

2.die Verwendung derartiger Daten für

Auftraggeber des öffentlichen Bereichs

eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung

einer ihnen gesetzlich übertragenen Aufgabe

ist oder

3.sich sonst die Zulässigkeit der Verwendung

dieser Daten aus gesetzlichen

Sorgfaltspflichten oder sonstigen, die

schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen

des Betroffenen überwiegenden berechtigten

Interessen des Auftraggebers ergibt und die Art und Weise, in der die Datenanwendung

vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen

der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz

gewährleistet.'

§ 7 Abs 1 und 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr 566/1991 idF BGBl I Nr 104/2002 lautete unter der Überschrift 'Sicherheitsdirektionen':

'§ 7. (1) Für jedes Bundesland besteht eine Sicherheitsdirektion mit dem Sitz in der Landeshauptstadt.

(2) An der Spitze einer Sicherheitsdirektion steht der Sicherheitsdirektor. Bei Besorgung der Sicherheitsverwaltung sind ihm das Landesgendarmeriekommando und dessen hiefür bestimmten inneren Gliederungen unmittelbar unterstellt.'

§ 16 Abs 1 und 2 SPG idF BGBl I Nr 104/2002 lautete unter der Überschrift ' Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;

Gefahrenerforschung':

' § 16. (1) Eine allgemeine Gefahr besteht

1.bei einem gefährlichen Angriff (Abs. 2 und 3)

oder

2.sobald sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz verbinden, fortgesetzt gerichtlich

strafbare Handlungen zu begehen (kriminelle Verbindung).

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

1.nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände

nach den §§ 278, 278a und 278b StGB,

oder

2.nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945,

oder

3.nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, handelt, es sei denn um

den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels

zum eigenen Gebrauch.'

§ 64 Abs 1 bis 4 SPG idF BGBl I Nr 104/2002 lautet unter der Überschrift 'Begriffsbestimmungen':

'§ 64. (1) Erkennungsdienst ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie das weitere Verarbeiten und Übermitteln dieser Daten.

(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind technische Verfahren zur Feststellung von Merkmalen eines Menschen, die seine Wiedererkennung ermöglichen, wie insbesondere die Abnahme von Papillarlinienabdrücken, die Vornahme von Mundhöhlenabstrichen, die Herstellung von Abbildungen, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale, die Vornahme von Messungen oder die Erhebung von Stimm- oder Schriftproben.

(3) Erkennungsdienstliche Behandlung ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch er-kennungsdienstliche Maßnahmen, an dem der Betroffene mitzuwirken hat.

(4) Erkennungsdienstliche Daten sind personenbezogene Daten, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt worden sind.'

§ 65 Abs 1 SPG idF BGBl I Nr 104/2002 lautet unter der Überschrift 'Erkennungsdienstliche Behandlung':

§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.'

§ 24 StPO lautet unter der Überschrift 'VIII. Verhältnis der Strafgerichte zu anderen Behörden':

'§ 24. Die Sicherheitsbehörden, unter denen auch die Bürgermeister (Gemeindevorsteher) begriffen sind, haben allen Verbrechen und Vergehen, sofern sie nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen und, wenn das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann, die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters verhüten können. Hausdurchsuchungen und die vorläufige Verwahrung von Personen dürfen die Sicherheitsbehörden und deren Organe zum Zwecke der Strafgerichtspflege nur in den in dieser Strafprozeßordnung vorgesehenen Fällen unaufgefordert vornehmen; sie haben von ihrem Einschreiten und dessen Ergebnis dem zuständigen Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter sogleich Mitteilung zu machen.'

§ 74 AVG lautet unter der Überschrift 'Kosten der Beteiligten':

'§ 74. (1) Jeder Beteiligte hat die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.

(2) Inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, bestimmen die Verwaltungsvorschriften. Der Kostenersatzanspruch ist so zeitgerecht zu stellen, daß der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Die Höhe der zu ersetzenden Kosten wird von der Behörde bestimmt und kann von dieser auch in einem Bauschbetrag festgesetzt werden.'

2. rechtliche Schlussfolgerungen :

2.1. Lichtbilder sind Daten, erkennungsdienstlicher Zweck :

Dass Bild- und Tonaufzeichnungen 'Daten' im Sinne des DSG 2000 sein können, ergibt sich aus der Definition des § 4 Z 1 DSG 2000 und ausdrücklich aus Erwägungsgrund 16 der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG (Bescheid der Datenschutzkommission vom 21. Juni 2005, GZ: K507.515– 021/0004-DVR/2005). Zwar kann die Richtlinie 95/46/EG hier nicht direkt zur Auslegung des Datenbegriffs des DSG 2000 herangezogen werden, da sie gemäß ihrem Artikel 3 Abs 2 nicht für den Bereich der Sicherheits- oder Kriminalpolizei gilt. Doch das nationale österreichische Sicherheitspolizeirecht (§§ 64f SPG) definiert den Erkennungsdienst als das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie das weitere Verarbeiten und Übermitteln dieser Daten. Diese Bestimmungen können im Interesse einer einheitlichen Begriffsbildung auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zumindest sinngemäß Anwendung finden, auch wenn das SPG hier nicht direkt anzuwenden ist (siehe sogleich unten 2.2.). Im Beschwerdefall steht auf Grund der Definitionen in § 16 Abs. 1 und 2 und § 64 Abs 1 und 2 sowie der Ermächtigung des § 65 Abs. 1 SPG fest, dass die Beschwerdegegnerin rechtmäßig personenbezogene Daten ermittelt und damit verarbeitet hat, in dem sie Lichtbilder des Beschwerdeführers zum Zwecke seiner Wiedererkennung, somit für erkennungsdienstliche Zwecke anfertigen ließ (vgl. den Bescheid der Datenschutzkommission vom 1. Februar 2005, GZ: K120.832/0002-DSK/2005;

veröffentlicht, http://www.ris.bka.gv.at/dsk/).

2.2. Erhebungen im Dienste der Strafjustiz, keine Anwendung des SPG (Übermittlung von Bilddaten) :

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 24. März 2004, Zl. 98/12/0515, ausgesprochen, dass die Weitergabe des Lichtbildes einer in Haft genommenen Person an Printmedien zur Ausforschung von Tatzeugen deshalb nicht im Rahmen sicherheitspolizeilicher Gefahrenabwehr erfolge, da solchem Behördenhandeln jede Gefahrenabwehr oder Vorbeugung von gefährlichen Angriffen fehle. Ein solches Polizeihandeln erfolge vielmehr im Dienste der Strafjustiz, da nach dem Zweck der (ergänzenden) Erhebungen die Verdachtslage gegen einen bereits Inhaftierten geklärt werden sollte (Aufruf in der Zeitung, es mögen sich Zeugen melden), sodass insgesamt keine Angelegenheit der Sicherheitspolizei vorliege. Dies muss auf Grund des nahezu identen Sachverhaltes (hier: Lichtbild des verschiedener schwerer Straftaten verdächtigen Beschwerdeführers samt Aufruf in der Zeitung, es mögen sich Personen [= mögliche Zeugen] melden, die Hinweise zu den Straftaten geben könnten), auch im gegenständlichen Fall angenommen werden. Konsequenz dieser Annahme ist – wie der Verwaltungsgerichtshof im obzitierten Beschluss klargestellt hat –, dass nicht die Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung maßgebend sind, sondern ausschließlich jene des DSG 2000 (vgl. auch den Bescheid der Datenschutzkommission vom 1. Februar 2005, GZ: K120.832/0002- DSK/2005; veröffentlicht, http://www.ris.bka.gv.at/dsk/). Aus diesem Grund kann § 71 Abs 3 SPG hier nicht zur Anwendung kommen.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurde festgestellt, dass die Übermittlung der Daten durch eine Dienststelle der Bundesgendarmerie im Rahmen von Ermittlungen gemäß § 24 StPO erfolgte; eine gerichtlich angeordnete Datenübermittlung, die die Zuständigkeit der Datenschutzkommission ausschließen würde (vgl. §§ 1 Abs 5, 31 Abs 2 DSG 2000), wurde weder behauptet noch im Zuge des Ermittlungsverfahrens erwiesen.

2.3. Zuständigkeit der Beschwerdegegnerin :

Weder das SPG noch die StPO legen die Zuständigkeit einer bestimmten Behörde oder Dienststelle zur Durchführung kriminalpolizeilicher Ermittlungen (in der Lehre und Judikatur: 'Vorerhebungen im Dienste der Strafjustiz') ausdrücklich fest. Nach der grundrechtlichen Typologie unter Rechtsschutzgesichtspunkten handelt es sich – ausgenommen etwa bescheidmäßig angeordnete erkennungsdienstliche Behandlungen gemäß § 77 SPG und ausdrückliche Beschlüsse (wie Haft- oder Hausdurchsuchungsbefehle) und Ermittlungsaufträge eines Gerichts – regelmäßig um Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder 'schlichtes' Verwaltungshandeln. Gegen die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten während einer behördlichen Anhaltung, die unter der gesetzlichen Drohung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (§ 65 Abs 4 iVm § 78 SPG) steht, ist nach neuester Entscheidungspraxis der Datenschutzkommission nur die Maßnahmenbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat zulässig (vgl. etwa den Bescheid vom 26. November 2004, GZ: K120.922/0012-DSK/2004; veröffentlicht in http://www.ris.bka.gv.at/dsk/).

Für eine Beschwerde gegen die Übermittlung eines für erkennungsdienstliche Zwecke angefertigten Lichtbilds an die Medien auf Entscheidung einer Sicherheitsbehörde oder ihr zuzurechnender Exekutivorgane ist die Zuständigkeit der Datenschutzkommission aber gemäß § 31 Abs 2 DSG 2000 gegeben.

Der Beschwerdegegnerin (Sicherheitsdirektion für Tirol) ist beizupflichten, wenn sie gleichsam die Verantwortung für dieses Verhalten in Anspruch nimmt, auch wenn keine direkte Weisung dazu an die Organwalter der Bundesgendarmerie gegeben, der Entschluss daher im Bereich der Exekutive gefasst wurde. Nach der organisatorischen Gliederung der Exekutivorgane und Sicherheitsbehörden vor der SPG-Novelle BGBl I Nr 151/2004 war der Sicherheitsdirektion (bzw. dem Sicherheitsdirektor als Behördenleiter) das Landesgendarmeriekommando mit seinen Gliederungen (zu diesen gehört u.a. die Kriminalabteilung) direkt unterstellt. Datenschutzrechtlich relevantes Handeln von Organwaltern aus dem Bereich des Landesgendarmeriekommandos (bzw. nunmehr seit 1. Juli 2005 des Landespolizeikommandos gemäß § 7 Abs 1 und 2 SPG idF BGBl I Nr 151/2004) ist daher der Sicherheitsdirektion als datenschutzrechtlicher Auftraggeberin zuzurechnen, soweit nicht die Ausnahmeregelung für den 'inneren Dienst' der Polizei gemäß § 10 Abs 2 und 6 SPG (nunmehr idF BGBl I Nr 151/2004) gilt.

2.4. Eingriff in das Grundrecht war gerechtfertigt :

Im Beschwerdefall war die Sicherheitsdirektion mit den ihr unterstehenden Einheiten der Bundesgendarmerie gemäß § 24 StPO verpflichtet, den am Morgen des 18. Februar 2005 in O*** begangenen Straftaten nachzuforschen. Bei der von der Datenschutzkommission festgestellten Sachlage in diesem Zeitpunkt, des einerseits gegen den Beschwerdeführer bestehenden begründeten Verdachts, als Mitglied einer Männergruppe an verschiedenen schweren Straftaten beteiligt gewesen zu sein, seiner Unschuldsbeteuerung andererseits und der Art der zu ermittelnden Straftaten, war es jedenfalls nicht unsachlich, durch Herstellung von Lichtbildern, die den verschiedenen Tatzeugen vorgehalten werden konnten, abzuklären, ob und für welche der zur Tatzeit begangenen Straftaten der Beschwerdeführer tatsächlich als Täter in Betracht kam. Da es auch denkmöglich war, dass noch weitere, bis dahin unbekannte Zeugen die Straftaten oder das Verhalten des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt beobachtet hatten, war es auch nicht unsachlich, das Lichtbild des Beschwerdeführers an eine Tageszeitung zu übermitteln, die es zusammen mit der Telefonnummer der zuständigen Gendarmeriedienststelle und der Bitte um 'Hinweise' veröffentlichte. Die Veröffentlichung selbst lag nicht im Verantwortungsbereich der Beschwerdegegnerin. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass auf Grundlage der Nachforschungen der Sicherheitsbehörde der Beschwerdeführer vom Verdacht der Beteiligung an Raub oder Vergewaltigung entlastet wurde, da ihm in der die Nachforschungen abschließenden Strafanzeige nur mehr die Beteiligung an Diebstahl durch Einbruch zur Last gelegt wurde.

Die Verwendung des Lichtbilds war daher gemäß § 8 Abs 4 Z 2 DSG 2000 für die Beschwerdegegnerin – als übermittelnder Auftraggegnerin - eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihr gesetzlich übertragenen Aufgabe (Unterstützung der Strafjustiz, Nachforschungen gemäß § 24 StPO), der Eingriff daher durch § 7 Abs 2 DSG 2000 und die bereits zitierte Bestimmung gerechtfertigt. Im Sinne der Spruchpraxis der Datenschutzkommission (vgl. nochmals den bereits mehrfach zitierten Bescheid vom 1. Februar 2005) überwog das große öffentliche Interesse an der Aufklärung schwerer Straftaten (insbesondere von Verbrechen wie Raub, Einbruchdiebstahl oder Vergewaltigung) jedenfalls in diesem Fall das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des Beschwerdeführers.

Es war daher wie im Spruchpunkt 1. zu entscheiden.

2.5. kein Kostenersatzanspruch vor der Datenschutzkommission :

Im Verfahren vor der Datenschutzkommission kommt mangels einer bestehenden Anspruchsnorm im Sinne von § 74 Abs 2 AVG, keinem Beteiligten, weder dem Beschwerdeführer, noch dem Beschwerdegegner, ein Anspruch auf Kostenersatz zu.

Der Antrag der Beschwerdegegnerin war daher abzuweisen.

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