K121.026/0010-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
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BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. HEISSENBERGER, Dr. KOTSCHY, Mag. MAITZ-STRASSNIG und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 2. August 2005 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Über die Beschwerde der P in M (Beschwerdeführerin), vertreten durch die Mutter Q, vom 2. Februar 2005 gegen den Leiter der Volksschule M (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Löschung wird gemäß den §§ 1 Abs. 5 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
Die Beschwerde wird gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 DSG 2000 iVm § 3 Abs. 1, 2 und 6 des Bildungsdokumentationsgesetzes (BildDokG), BGBl I Nr. 12/2002 idF BGBl I Nr. 169/2002, abgewiesen.
Begründung:
Die Beschwerdeführerin behauptet eine Verletzung im Recht auf Löschung dadurch, dass das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur mit Schreiben vom 28. Jänner 2005 ihr an den Beschwerdegegner gerichtetes Löschungsbegehren vom 20. Dezember 2005 betreffend Löschung der Sozialversicherungsnummer und anderer personenbezogener Daten abgelehnt habe.
Der Beschwerdegegner teilte der Datenschutzkommission dazu mit, dass er lediglich die Daten gemäß § 3 BildDokG verarbeitet und dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und der Statistik Austria übermittelt habe.
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur verweist im Wesentlichen auf die Ablehnung des Löschungsbegehrens vom 28. Jänner 2005
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Die Beschwerdeführerin richtete am 20. Dezember 2004 einen Antrag an den Beschwerdegegner, in dem sie die Löschung ihrer Sozialversicherungsnummer sowie „anderer personenbezogener Daten“ begehrte. Gleichzeitig wurden sämtliche Zustimmungen zur Verarbeitung von Daten widerrufen. Begründend wurde die Verfassungs- bzw. Europarechtswidrigkeit der im BildDokG bzw. den Bildungsdokumentationsverordnungen vorgesehenen Vorgangsweise behauptet. Neben der Sozialversicherungsnummer an sich war im Löschungsbegehren deren Verknüpfung mit den Daten zur verwendeten Alltagssprache, zur Teilnahme am Religionsunterricht oder zweisprachigen Unterricht, zur Inanspruchnahme von Schülerfreifahrt und Schulbüchern, zur Teilnahme am Förderunterricht, zum Schulbesuchsende aus disziplinären Gründen (Schulverweises), zur schulischen Nachmittagsbetreuung und zu Art und Dauer von Schulveranstaltungen genannt.
Daraufhin erhielt die Beschwerdeführerin ein Schreiben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 28. Jänner 2005, mit dem ihr Löschungsantrag unter Hinweis auf die Bestimmungen des BildDokG abgelehnt wurde.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen Beschwerdevorbringen.
Beim Beschwerdegegner sind zur Person der Beschwerdeführerin ausschließliche jene Daten gespeichert, zu deren Verarbeitung § 3 Abs. 1 und 2 BildDokG den Schulleiter ermächtigt.
Beweiswürdigung: Diese Feststellung beruht auf dem Vorbringen des Beschwerdegegners, dem die Beschwerdeführerin im Rahmen des ihr gewährten Parteiengehörs nicht entgegengetreten ist.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 hat jedermann, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, d.h. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.
§ 27 DSG 2000 ist als einfachgesetzliche Ausführungsbestimmung zu § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 („nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen“) Anspruchsgrundlage für das individuelle Recht auf Löschung. Gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 hat der Auftraggeber auf begründeten Antrag des Betroffenen unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen. Gemäß § 27 Abs. 4 leg. cit. ist innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Antrags auf Richtigstellung oder Löschung dem Antrag zu entsprechen und dem Betroffenen davon Mitteilung zu machen oder schriftlich zu begründen, warum die verlangte Löschung oder Richtigstellung nicht vorgenommen wird.
§ 3 Abs. 1 und 2 BildDokG lauten:
„ § 3. (1) Der Leiter einer Bildungseinrichtung hat gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 lit. a, b, c, f und h sowie Z 2 für die Vollziehung des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986, des Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige, BGBl. I Nr. 33/1997, des Akademien-Studiengesetzes 1999, BGBl. I Nr. 94/1999, des Universitäts-Studiengesetzes, BGBl. I Nr. 48/1997, sowie der sonstigen schul- und hochschulrechtlichen Vorschriften folgende schülerbezogene und studierendenbezogene Daten nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten automationsunterstützt zu verarbeiten (§ 4 Z 9 Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999):
1. die Namen (Vor- und Familiennamen, einschließlich allfälliger akademischer Grade),
(2) Der Leiter einer Bildungseinrichtung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 lit. a, b, c, f und h hat über Abs. 1 hinaus folgende Daten schülerbezogen zu verarbeiten:
1. das von den Erziehungsberechtigten bzw. vom Schüler angegebene Religionsbekenntnis,
[...]“
Gemäß § 3 Abs. 6 erster Satz BildDokG hat der Schüler die Sozialversicherungsnummer im Hinblick auf die bestehende gesetzliche Unfallversicherung dem Leiter der Bildungseinrichtung bekannt zu geben.
2. Ermittlung des Beschwerdegegners
Die Datenschutzkommission hat bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. zB die Bescheide K120.991/0006-DSK/2005 vom 11. März 2005 und K121.022/0010-DSK/2005 vom 12. Juli 2005, beide abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes-RIS unter www.ris.bka.gv.at), dass Auftraggeber der Schülerevidenzen nach § 3 BildDokG der Schulleiter ist. Dieser ist daher auch im vorliegenden Fall als Beschwerdegegner zu behandeln.
3. Schülerevidenzen
Der Beschwerdegegner verarbeitet nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Person der Beschwerdegegnerin ausschließlich die in § 3 Abs. 1 und 2 BildDokG genannten Datenarten.
Damit ist gleichzeitig klar, dass für diese Verarbeitung eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung (§ 8 Abs. 1 Z 1 DSG 2000) besteht.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das BildDokG kann die Datenschutzkommission als Verwaltungsbehörde nicht aufgreifen.
Europarechtliche Bedenken werden von der Beschwerdeführerin lediglich pauschal geäußert, sie geht nicht auf die einzelnen Tatbestände des von ihr angeführten Art. 6 der Richtlinie 95/46/EG (DS-RL) ein. Der von Art. 6 Abs. 1 lit. b DS RL geforderte eindeutige Zweck wäre jedenfalls durch § 3 Abs. 1 und 6 BildDokG festgelegt. Die Beschwerdeführerin lässt aber vor allem unerwähnt, dass die Vollziehung des Schulwesens auf „lokaler Ebene“ (dh soweit nicht einer der in Art. 149 EGV genannten Bereiche betroffen ist, zB Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, allenfalls auch mit Drittstaaten, zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung, Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen, Mobilitätsförderung) überhaupt nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaften fällt, sondern die Gestaltung des Bildungssystems durch Abs. 1 dieser Bestimmung ausdrücklich der Verantwortung der Mitgliedstaaten unterliegt und damit gemäß Art. 3 Abs. 2 erster Unterabsatz der DS-RL auch vom Anwendungsbereich der DS-RL ausgenommen ist. Eine unmittelbare Anwendung der DS-RL kommt schon deshalb nicht in Betracht.
Der Verpflichtung nach § 27 Abs. 4 DSG 2000 ist der Beschwerdegegner durch das Schreiben des BMBWK vom 28. Jänner 2005 nachgekommen. Wie die Datenschutzkommission in dem bereits zitierten Bescheid vom 11. März 2005 ausgesprochen hat, stellt es keinen Verstoß gegen § 27 Abs. 4 DSG 2000 dar, wenn eine übergeordnete Dienststelle vom Beschwerdegegner zwecks juristischer Ausformulierung mit der Beantwortung befasst wird und für den Beschwerdegegner handelt.
Die Beschwerde war somit abzuweisen.