K121.021/0010-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. HEISSENBERGER, Dr. KOTSCHY, Mag. PREISS und Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 12. Juli 2005 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Über die Beschwerde des Dieter T*** in E*** (Beschwerdeführer), vertreten durch die Eltern Anna und Franz T***, vom 17. Jänner 2005 gegen den Leiter des Bundesrealgymnasiums E*** (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Löschung wird gemäß den §§ 1 Abs. 5 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
Die Beschwerde wird
Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Löschung dadurch, dass der Beschwerdegegner seinem Löschungsbegehren vom 17. November 2004 nicht nachgekommen sei.
Der Beschwerdegegner beruft sich auf die Bestimmungen des BildDokG.
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer richtete am 17. November 2004 einen Antrag an den Beschwerdegegner, in dem er die Löschung seiner Sozialversicherungsnummer sowie „anderer personenbezogener Daten“, welche im Zusammenhang mit der Bildungsevidenz erhoben worden seien, begehrte. Gleichzeitig wurden sämtliche Zustimmungen zur Verarbeitung von Daten widerrufen. Begründend wurde die Verfassungs- bzw. Europarechtswidrigkeit der im BildDokG bzw. den Bildungsdokumentationsverordnungen vorgesehenen Vorgangsweise behauptet. Neben der Sozialversicherungsnummer an sich waren deren Verknüpfung mit den Daten zur verwendeten Alltagssprache, der Teilnahme am Religionsunterricht, oder am zweisprachigen Unterricht, die Inanspruchnahme von Schülerfreifahrt und Schulbüchern, zur Teilnahme an Förderunterricht, des Schulbesuchsendes aus disziplinären Gründen (Schulverweises), der schulischen Nachmittagsbetreuung und der Art und Dauer von Schulveranstaltungen genannt.
Am 22. Dezember 2004 erhielt der Beschwerdeführer ein Schreiben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, mit dem der Löschungsantrag des Beschwerdeführers unter Hinweis auf die Bestimmungen des BildDokG abgelehnt wurde.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen Beschwerdevorbringen.
Tatsächlich sind beim Beschwerdegegner Familienname, Vorname, Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer, Religionsbekenntnis, Staatsbürgerschaft, Muttersprache, Name des Erziehungsberechtigten, Adresse und Telefonnummern gespeichert.
Beweiswürdigung : Diese Feststellung beruht auf dem Vorbringen des Beschwerdegegners, dem der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm gewährten Parteiengehörs nicht entgegengetreten ist.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 hat jedermann, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, d.h. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.
§ 27 DSG 2000 ist als einfachgesetzliche Ausführungsbestimmung zu § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 („nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen“) Anspruchsgrundlage für das individuelle Recht auf Löschung. Gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 hat der Auftraggeber auf begründeten Antrag des Betroffenen unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen. Gemäß § 27 Abs. 4 leg. cit. ist innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Antrags auf Richtigstellung oder Löschung dem Antrag zu entsprechen und dem Betroffenen davon Mitteilung zu machen oder schriftlich zu begründen, warum die verlangte Löschung oder Richtigstellung nicht vorgenommen wird.
Gemäß § 3 Abs. 1 BildDokG hat der Leiter einer Bildungseinrichtung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 lit. a, b, c, f und h sowie Z 2 für die Vollziehung des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986, des Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige, BGBl. I Nr. 33/1997, des Akademien-Studiengesetzes 1999, BGBl. I Nr. 94/1999, des Universitäts-Studiengesetzes, BGBl. I Nr. 48/1997, sowie der sonstigen schul- und hochschulrechtlichen Vorschriften folgende schülerbezogene und studierendenbezogene Daten nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten automationsunterstützt zu verarbeiten (§ 4 Z 9 Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I Nr. 165/1999):
1. die Namen (Vor- und Familiennamen, einschließlich allfälliger akademischer Grade),
2. das Geburtsdatum,
3. die Sozialversicherungsnummer,
[...]
5. die Staatsangehörigkeit,
6. die Anschrift am Heimatort und, sofern vorhanden, am Bildungseinrichtungsort (Zustelladresse) entsprechend den Angaben der Erziehungsberechtigten bzw. des Schülers bzw. des Studierenden
[...].
Gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 BildDokG hat der Leiter einer Bildungseinrichtung [...]. das von den Erziehungsberechtigten bzw. vom Schüler angegebenen Religionsbekenntnis schülerbezogen zu verarbeiten.
Gemäß § 3 Abs. 2 Z 7 BildDokG hat der Leiter einer Bildungseinrichtung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 lit. a, b, c, f und h über Abs. 1 hinaus auch andere mit dem Schulbesuch zusammenhängende Daten über die Teilnahme an Unterrichts- und Betreuungsangeboten, den Schulerfolg, die Schul- bzw. Unterrichtsorganisation, den Bildungsverlauf sowie die Inanspruchnahme von Transferleistungen aus dem Familienlastenausgleich; der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung zu bestimmen, welche Merkmale im Rahmen der vorstehend genannten Datenkategorien zu verarbeiten sind.
2. Ermittlung der Beschwerdegegner
Die Datenschutzkommission hat bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. zB die Bescheide K120.991/0006-DSK/2005 vom 11. März 2005 und K121.002/0008-DSK/2005 vom 20. Mai 2005, beide abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes-RIS unter www.ris.bka.gv.at), dass Auftraggeber der Schülerevidenzen nach § 3 BildDokG der Schulleiter ist. Dieser ist daher als Beschwerdegegner zu behandeln.
3. Schülerevidenzen
Die Zulässigkeit der Verarbeitung von Vorname, Nachname, Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer, Staatsbürgerschaft und Adresse des Beschwerdeführers und Religionsbekenntnis ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Z 1 – 3, 5 und 6 BildDokG bzw. § 3 Abs. 2 Z 1 BildDokG.
Die Datenarten Muttersprache, Name des Erziehungsberechtigten, Adresse und Telefonnummern sind ebenso unter § 3 Abs. 1 oder 2 BildDokG, iVm der Bildungsdokumentionsverordnung, BGBl. II Nr. 499/2003, zu subsumieren.
Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das BildDokG kann die Datenschutzkommission als Verwaltungsbehörde nicht aufgreifen.
Europarechtliche Bedenken werden vom Beschwerdeführer lediglich pauschal geäußert, er geht nicht auf die einzelnen Tatbestände des von ihm angeführten Art. 6 der Richtlinie 95/46/EG (DS-RL) ein. Der von Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-RL geforderte eindeutige Zweck wäre jedenfalls durch § 3 Abs. 1 BildDokG festgelegt. Der Beschwerdeführer lässt aber vor allem unerwähnt, dass die Vollziehung des Schulwesens auf „lokaler Ebene“ (dh soweit nicht einer der in Art. 149 EGV genannten Bereiche betroffen ist, zB Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, allenfalls auch mit Drittstaaten, zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung, Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen, Mobilitätsförderung) überhaupt nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaften fällt, sondern die Gestaltung des Bildungssystems durch Abs. 1 dieser Bestimmung ausdrücklich der Verantwortung der Mitgliedstaaten unterliegt und damit gemäß Art. 3 Abs. 2 erster Unterabsatz der DS-RL auch vom Anwendungsbereich der DS-RL ausgenommen ist. Eine unmittelbare Anwendung der DS-RL kommt schon deshalb nicht in Betracht.
Der Verpflichtung nach § 27 Abs. 4 DSG 2000 ist der Beschwerdegegner durch das Schreiben des BMBWK vom 22. Dezember 2004 nachgekommen. Wie die Datenschutzkommission in dem bereits zitierten Bescheid vom 11. März 2005 ausgesprochen hat, stellt es keinen Verstoß gegen § 27 Abs. 4 DSG 2000 dar, wenn eine übergeordnete Dienststelle vom Beschwerdegegner zwecks juristischer Ausformulierung mit der Beantwortung befasst wird und für den Beschwerdegegner handelt. Daher war die Beschwerde diesbezüglich abzuweisen.
Da vom Beschwerdegegner zur Person des Beschwerdeführers ausschließlich die festgestellten Datenarten verarbeitet werden, war die Beschwerde auch hinsichtlich der „anderen Daten“ abzuweisen.