K120.942/0008-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. DUSCHANEK, Dr. HEISSENBERGER, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, und Mag. PREISS sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 21. Juni 2005 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Über die Beschwerde des Richard Ö*** (Beschwerdeführer) aus F***, vertreten durch die B*** H*** Rechtsanwaltskanzlei in **0* E***, ***straße *, vom 6. Februar 2004 gegen die Bezirkshauptmannschaft Bregenz wegen erkennungsdienstlicher Behandlung (Lichtbildherstellung) auf dem Gendarmerieposten S*** am 13. Juni 2003 mit Anträgen, die Rechtswidrigkeit der Lichtbildherstellung festzustellen und die Löschung (Vernichtung) des Lichtbilds anzuordnen, wird gemäß § 1 Abs 1 und 2, § 8 Abs 4, und § 31 Abs 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005 und iVm § 24 Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl Nr 631/1975, wie folgt entschieden:
- Die Beschwerde wird abgewiesen.
A) Vorbringen der Beteiligten
Mit Eingabe vom 6. Februar 2004 erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer Beschwerde an die Datenschutzkommission und brachte vor, am 13. Juni 2003 im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme wegen des Verdachts eines Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG auf dem Gendarmerieposten S*** durch einen der ermittelnden Beamten mehrfach fotografiert worden zu sein. Als Zweck wurde angegeben, die Lichtbilder sollten anderen Verdächtigen gezeigt werden, um den Beschwerdeführer zu identifizieren. Diese Vorgehensweise stelle eine unzulässige, ohne Erlassung eines Bescheids durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung dar. Er beantragte, die Datenermittlung für rechtswidrig zu erklären und die Vernichtung der Lichtbilder anzuordnen.
Die Beschwerdegegnerin, als zuständige Sicherheitsbehörde von der Datenschutzkommission mit Erledigung vom 5. Mai 2004, GZ: K120.942/0002-DSK/2004, zur Stellungnahme aufgefordert, brachte mit Schreiben vom 27. Mai 2004, Zl. BHBR-**I-0**0, unter Vorlage von Beweismitteln (Aktenkopien, Datenausdrucken) vor, der Beschwerdeführer sei bereits zum zweiten Mal wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (Besitz und Konsum von Cannabisprodukten in geringer Menge) bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht worden. Die Fakten des Beschwerdevorbringens würden nicht bestritten, das Delikt, dessen der Beschwerdeführer zweimal verdächtig war, stelle aber einen gefährlichen Angriff iSv § 16 Abs 2 SPG dar, daher sei es notwendig gewesen, erkennungsdienstliche Daten zu ermitteln, um den Beschwerdeführer dadurch gemäß § 65 Abs 1 SPG von weiteren gefährlichen Angriffen abzuhalten. Die Ausnahme gemäß § 16 Abs 2 letzter Halbsatz SPG komme dabei nicht zur Anwendung, da er zugegeben habe, mehrfach (viermal) in einer Partyrunde Cannabisjoints geraucht und dadurch Suchtgift weitergegeben zu haben. Auf eine Weiterverarbeitung (Speicherung) des Lichtbilds sei allerdings 'vorerst verzichtet' worden, Abzüge lägen lediglich im entsprechenden Akt des Gendarmeriepostens S*** ein.
Auf ergänzendes Ersuchen der Datenschutzkommission mit Erledigung vom 14. Februar 2005, GZ K120.942/0001-DSK/2005, brachte die Beschwerdegegnerin durch eine Stellungnahme des Gendarmeriepostens S*** vom 22. Februar 2005, GZ P-***8/03-**, vor, der Beschwerdeführer sei nicht verhaftet oder sonst gegen seinen Willen angehalten worden, er sei freiwillig zur Befragung wegen des gegen ihn bestehenden Verdachts auf der Dienststelle erschienen. Es sei bei dieser Gelegenheit ein Lichtbild des Beschwerdeführers angefertigt worden, um überprüfen zu können, ob er auch mit einer nur unter dem Spitznamen '***gi' bekannten Person identisch sei, die in F*** Cannabis an Jugendliche verkauft haben soll. Dem Beschwerdeführer, der dies entschieden bestritt, sei bei der Aufforderung dazu auch erklärt worden, dass das Lichtbild auch zu seiner Entlastung von diesem Verdacht dienen könnte, was auch geschehen sei, da er durch Zeugen nicht als der Verdächtige '***gi' identifiziert worden sei. Darauf habe er die Fotoaufnahme geduldet. Ein Abzug des auf Film gemachten Lichtbilds liege im Akt ein, das Negativ sei vernichtet worden.
B) Ermittlungsverfahren und verwendete Beweismittel
Die Datenschutzkommission hat eine Ermittlungsverfahren durchgeführt und Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in Kopien aus dem Akt GZ 1***/SG***/01 des Gendarmeriepostens T*** und dem Akt GZ P-***8/SG4**/03-** des Gendarmeriepostens S***. Weiters durch Einholung der bereits erwähnten Stellungnahmen der Beschwerdegegnerin vom 27. Mai 2004 sowie vom 1. März 2005, letztere mit angeschlossener Stellungnahme des Gendarmeriepostens S*** vom 22. Februar 2005, GZ P-**8/03- ** und Ausdrucken aus den zu EDV-Zl. 77,1**.0** über den Beschwerdeführer verarbeiteten personenbezogenen Daten im Informationsverbundsystem EKIS.
Dem Beschwerdeführer wurde zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Parteiengehör eingeräumt.
C) Sachverhaltsfeststellung samt Beweiswürdigung
Die Datenschutzkommission stellt folgenden Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer wurde bisher zweimal von den Sicherheitsbehörden wegen Verdachts nach § 27 Abs 1 SMG bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch zur Anzeige gebracht: Das erste Mal am 11. Oktober 2001 zu GZ: 1***/SG***/01/** des Gendarmeriepostens T*** wegen Besitz von Cannabisprodukten (Haschisch). Er wurde dabei laut Strafanzeige auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durch die deutschen Behörden mit ca. 4 g Haschisch betreten. Eine weitere Strafverfolgung in Österreich erfolgte nicht. Das zweite Mal am 11. September 2003 zu GZ P-***8/SG4**/03-** des Gendarmeriepostens S*** (beschwerdegegenständlicher Vorfall) wegen Besitz und Konsum von Cannabiskraut (mehrfach bei verschiedenen Anlässen Joints (mit-)geraucht). Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme als Verdächtiger zu letzterem Sachverhalt auf dem Gendarmerieposten S*** am 13. Juni 2003 (10:20 bis 11:06 Uhr) wurde der Beschwerdeführer fotografiert und wurden seine Identitätsdaten ermittelt. Ein Abzug eines Lichtbilds liegt im Akt GZ P-***8/SG4**/03-** des GP S*** ein, das Negativ wurde vernichtet. Weitere erkennungsdienstliche Maßnahmen wurden nicht durchgeführt. Der Beschwerdeführer wurde während der Anfertigung des Lichtbilds nicht angehalten. Ein Bescheid gemäß § 77 Abs 2 SPG wurde nicht erlassen. Er wurde darüber informiert, dass das Lichtbild auch seiner Entlastung dienen könnte, da eine nur unter dem Spitznamen '***gi' bekannte Person aus F*** unter Verdacht stehe, Cannabis an Jugendliche verkauft zu haben. Darauf wurde das Fotografieren vom Beschwerdeführer geduldet. Dieser Verdacht des Suchtgiftverkaufs konnte mit Hilfe des Lichtbilds entkräftet werden. Es werden keine auf den Beschwerdeführer bezogenen erkennungsdienstlichen Daten selbst oder Hinweise auf durchgeführte erkennungsdienstliche Maßnahmen durch die Sicherheitsbehörden automationsunterstützt im Informationsverbundsystem EKIS verarbeitet.
Beweiswürdigung: Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus folgenden Beweismitteln: Stellungnahme der BH Bregenz vom 27. Mai 2004, Zl. BHBR-**I-0**0 samt Beilagen, insbesondere die Kopien aus den zitierten Akten der Gendarmerieposten S*** und T*** und ergänzende Stellungnahme der BH Bregenz (GP S***) vom 1. März 2005, Zl. 0**0/2004, samt Beilagen.
D) rechtliche Beurteilung
1. anzuwendende Rechtsvorschriften :
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift 'Grundrecht auf Datenschutz':
'§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.'
§ 8 Abs 4 DSG 2000 lautet unter der Überschrift:
'Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nichtsensibler Daten':
(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn
§ 24 StPO lautet:
'§ 24. Die Sicherheitsbehörden, unter denen auch die Bürgermeister(Gemeindevorsteher) begriffen sind, haben allen Verbrechen und Vergehen, sofern sie nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen und, wenn das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann, die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters verhüten können. Hausdurchsuchungen und die vorläufige Verwahrung von Personen dürfen die Sicherheitsbehörden und deren Organe zum Zwecke der Strafgerichtspflege nur in den in dieser Strafprozeßordnung vorgesehenen Fällen unaufgefordert vornehmen; sie haben von ihrem Einschreiten und dessen Ergebnis dem zuständigen Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter sogleich Mitteilung zu machen.'
2. Anwendung auf den Beschwerdefall :
Im Beschwerdefall - gegen den Beschwerdeführer wurde wegen des Verdachts gerichtlich strafbarer Handlungen ermittelt – liegt gemäß Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 24. März 2004, Zl. 98/12/0515) eine Datenverwendung im Rahmen der Gerichtspolizei vor, zumal die Anfertigung des Lichtbildes nicht im Rahmen sicherheitspolizeilicher Gefahrenabwehr erfolgte. Der Beschwerdeführer war nämlich verdächtig, Suchtmitteldelikte begangen zu haben, wurde auch diesbezüglich als Verdächtiger einvernommen, und waren nur mehr Tatzeugen und Hintergründe gemäß § 24 StPO und Art. 6 EMRK (auch im Hinblick auf entlastende Umstände) zu erheben. Dies begründet nach der Rechtssprechung ein Polizeihandeln im Dienste der Strafjustiz, hat dem Behördenhandeln doch jede Gefahrenabwehr oder Vorbeugung von gefährlichen Angriffen gefehlt (vgl. zu diesen Abgrenzungskriterien den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 2003, Zl. 2002/01/0252, mit Verweis auf Wiederin, a.a.O., Rz 737; Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz 2.Auf. (2001), B 7 zu § 2; zuletzt neuerlich Wiederin, Verfassungsfragen der Errichtung eines Bundeskriminalamtes, JBl 2001, 273 (284 ff), mwN in FN 78). Nach dem Zweck (ergänzender) Erhebungen sollte vielmehr die Verdachtslage gegen einen bereits Verdächtigen geklärt werden, sodass insgesamt keine Angelegenheit der Sicherheitspolizei vorliegt. Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Anfertigung von Lichtbildern – für die kein hinreichend konkretisierter Auftrag eines Strafgerichts vorliegt, so dass die gerichtspolizeiliche Tätigkeit der Sicherheitsbehörden diesen selbst zuzurechnen ist – bestimmt sich daher ausschließlich nach den Bestimmungen des DSG 2000. Nach diesen Bestimmungen (vgl. § 8 Abs. 4 DSG 2000) ist in Zusammenhalt mit § 24 StPO davon auszugehen, dass das Fotografieren für den festgestellten Zweck, nämlich die Überprüfung, ob die gegen den Beschwerdeführer bestehende Verdachtslage, weitere Straftaten (Weitergabe von Suchtgift an Jugendliche) begangen zu haben, erhärtet werden kann, zulässig gewesen ist.
So weit der Beschwerdeführer nun die Löschung ('Vernichtung') des im Akt GZ P-***8/SG4**/03-** des GP S*** einliegenden Lichtbilds begehrt, ist er einerseits auf die ständige Entscheidungspraxis der Datenschutzkommission zur Frage der Führung von (Papier )Akten und des datenschutzrechtlichen Löschungsrechts zu verweisen (vgl. Bescheid der Datenschutzkommission vom 10. November 2000, GZ: 120.707/7- DSK/00; veröffentlicht, http://www.ris.bka.gv.at/dsk/; aus jüngster Zeit: Bescheid vom 14. Jänner 2005, GZ K120.849/0001- DSK/2005; veröffentlicht, http://www.ris.bka.gv.at/dsk/), wonach bei Papierakten ein Löschungsrecht nicht besteht, andererseits auf die ständige Entscheidungspraxis der Datenschutzkommission hinzuweisen, wonach eine Verletzung im Recht auf Löschung erst dann eintreten kann, wenn der Betroffene erfolglos versucht hat, sein Löschungsrecht direkt beim Auftraggeber geltend zu machen (so ausdrücklich für den Bereich des Sicherheitspolizeirechts: Bescheid vom 11. Oktober 2002, GZ K120.814/008-DSK/2002; veröffentlicht, http://www.ris.bka.gv.at/dsk/). Ein solcher Versuch wurde aber weder behauptet noch ist er im Laufe des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen.
Im Sachverhalt, der mittels vorliegender Beschwerde geltend gemacht wurde, kann jedenfalls keine Verletzung im Recht auf Löschung erkannt werden.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.