JudikaturDSB

K121.001/0009-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
07. Juni 2005

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 7. Juni 2005 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Über die Beschwerde („Klage“) des H in E/Israel (Beschwerdeführer), vertreten durch A, B C, Rechtsanwälte in Wien, vom 28. Oktober 2004 gegen das französische Innenministerium (Ministère de l’ Intérieur) in Paris (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Löschung wird gemäß § 1 Abs. 5 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, sowie Art. 111 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ), Beilage B zum Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich zum Schengener Durchführungsübereinkommen 1990, BGBl III Nr. 90/1997, entschieden:

Der Beschwerdegegner hat gemäß den Art. 96, 109 und 110 SDÜ iVm Art. 41 des französischen Datenschutzgesetzes (loi No. 78- 17 relative à l’ informatique, aux fichiers et aux libertés vom 6. Jänner 1978 idF der loi No. 2004-801 vom 6. August 2004, journal officiel vom 7. August 2004 – F-DSG) innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung die Ausschreibung des Beschwerdeführers zur Einreiseverweigerung im nationalen französischen Schengener Informationssystem (N.SIS) vom 4. Dezember 2000, Schengener-Identifikations-Nr. F/xxx/0000/1, zu löschen.

Begründung:

Der Beschwerdeführer behauptet einen Anspruch auf Löschung nach Art. 110 SDÜ gegen die französische Datenschutzkommission (Commission Nationale de l’ Informatique et des Libertés - CNIL). Diese sei ihm in einer Auskunft des österreichischen SIRENE-Büros vom 27. Juli 2004, wonach gegen ihn ein schengenweites Aufenthaltsverbot nach Art. 96 SDÜ bestehe, als ausschreibende Behörde benannt worden. Sein daraufhin am 3. August 2004 an die CNIL gerichtetes Löschungsersuchen, dem eine Übersetzung der Beschwerde samt Beilagen ins Französische angeschlossen gewesen sei, sei unbeantwortet geblieben.

Die Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) nach Art. 96 SDÜ sei rechtswidrig, da nach Aufhebung der Entscheidung des Chefs der französischen Grenzpolizei am Flughafen Roissy vom 12. September 2000, mit der ihm tatsächlich die Einreise nach Frankreich verweigert worden sei, durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Cergy-Pontoise vom 23. November 2001 keine Entscheidung über die Einreiseverweigerung mehr vorliege.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist israelischer Staatsangehöriger. Am 12. September 2000 hat ihm der Chef der französischen Grenzpolizei am Flughafen Roissy die Einreise nach Frankreich mit der Begründung verweigert, sein Aufenthalt auf französischem Staatsgebiet würde die öffentliche Ordnung gefährden.

Auf Grund dieser Entscheidung wurde der Beschwerdeführer am 4. Dezember 2000 vom Beschwerdegegner im nationalen (französischen) Teil des Schengener Informationssystems (N.SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben. Die Ausschreibung wurde nach dem Verfahren des Art. 92 SDÜ in die nationalen Teile aller anderen Mitgliedstaaten des Schengener Übereinkommens - so auch den österreichischen - übermittelt.

Die Entscheidung des Grenzpolizeichefs (diese wird dem Beschwerdegegner zugerechnet) vom 12. September 2000 wurde jedoch durch die Entscheidung des Verwaltungstribunals von Cergy-Pontoise vom 23. November 2001 aufgehoben. In seiner Begründung führte das Tribunal aus, die Entscheidung habe keinerlei Gründe für eine Störung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers angeführt. Die bloße Nennung des Artikels 5 Abs. 3 der Verordnung vom 2. November 1945, wiederverlautbart durch das Gesetz 86-1025 vom 9. September 1986, sei nicht ausreichend. Auch das Vorbringen des Beschwerdegegners, schwere und begründete Verdachtsmomente, wonach der Beschwerdeführer an einer kriminellen bzw. mafiosen Organisation beteiligt sei, hätten ihn dazu veranlasst, den Beschwerdeführer auf Grundlage des Art. 92 Abs. 2 SDÜ zur Einreiseverweigerung auszuschreiben, könne die zuständige Behörde nicht von der Begründungspflicht, wie sie Art . 5 der Verordnung vom 2. November 1945 vorsieht, entbinden. Dasselbe gelte auch für die Verweigerung der Löschung aus dem N.SIS, welches in Anwendung des Art. 109 SDÜ in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht, im Fall Frankreichs im indirekten Wege durch die CNIL nach den speziellen Voraussetzungen und Bedingungen des Art. 39 des französischen Datenschutzgesetzes (in der damaligen Fassung), auszuüben sei.

Im November 2003 war es dem Beschwerdeführer nicht möglich, bei der österreichischen Botschaft in Tel Aviv einen Sichtvermerk (Visum C) für die Einreise nach Österreich zu erhalten.

Am 27. Juli 2004 wurde ihm – nach zwei unvollständigen Auskünften - vom SIRENE-Büro des österreichischen Bundesministeriums für Inneres mitgeteilt, dass gegen ihn unter der Schengener Identifikations-Nr. F/xxx/0000/1 eine von Frankreich veranlasste bis 4. November 2006 gültige Ausschreibung nach Art. 96 SDÜ („schengenweites Aufenthaltsverbot“) bestehe. Als ausschreibende Stelle, an die sich der Beschwerdeführer im Fall von Rückfragen zu wenden habe, wurde die CNIL bezeichnet.

Am 3. August 2004 beantragte der Beschwerdeführer, vertreten durch eine französische Rechtsanwältin, bei der CNIL die Löschung der Ausschreibung F/xxx/0000/1.

Darin wurde ausdrücklich auf die Entscheidung des Verwaltungstribunals vom 23. November 2001 hingewiesen und eine Kopie derselben angeschlossen. Dieser Antrag hat bis dato nicht zur Löschung der Ausschreibung vom 4. Dezember 2000 geführt. Wie die Erkundung beim österr. Sirenebüro ergeben hat, ist die Ausschreibung nach wie vor aufrecht. Es wurde auch kein Grund bekannt gegeben, warum eine Löschung nicht erfolgen könne.

Mit dem über den Visa-Antrag bei der österr. Botschaft in Tel Aviv (im Devolutionsweg) ergangenen Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 21. Oktober 2004, wurde schließlich der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Visums C abgewiesen, und zwar gestützt auf die von Frankreich vorgenommene Ausschreibung im SIS.

Dem französischen Innenministerium wurde mit Schreiben der DSK vom 10. Mai 2005 nochmals im direkten Wege Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die jedoch nicht genutzt wurde.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen allesamt auf dem unwidersprochenen Beschwerdevorbringen in Verbindung mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden, insbesondere der Entscheidung des Verwaltungstribunals von Cergy-Pontoise vom 23. November 2001, dem Schreiben des Bundesministeriums für Inneres, SIRENE-Büro vom 27. Juli 2004 und dem Antrag an die CNIL vom 3. August 2004. Dass die Ausschreibung nach wie vor aufrecht ist, wurde vom Bundesministerium für Inneres, SIRENE-Büro, am 20. April 2005 bestätigt.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

A. Zur Zuständigkeit der österreichischen Datenschutzkommission und dem Umfang ihrer Entscheidungsbefugnis

Nach der Verfassungsbestimmung des § 3 Abs. 1 DSG 2000 sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes – mit im vorliegenden Fall nicht relevanten Ausnahmen – nur auf die Verwendung von personenbezogenen Daten im Inland anzuwenden. Abs. 4 dieser Bestimmung lässt jedoch abweichende gesetzliche Regelungen zu, allerdings nur in Angelegenheiten, die nicht dem Recht der Europäischen Gemeinschaften unterliegen.

Eine solche abweichende Regelung (im Bereich der sogenannten „Dritten Säule“ der Europäischen Union, also außerhalb des Anwendungsbereichs des Rechts der Europäischen Gemeinschaften) ist Art. 111 Abs. 1 SDÜ: Demnach hat jeder das Recht, im Hoheitsgebiet jeder Vertragspartei eine Klage wegen einer seine Person betreffenden Ausschreibung im SIS, insbesondere auf Berichtigung, Löschung, Auskunftserteilung oder Schadenersatz, vor dem nach nationalem Recht zuständigen Gericht oder der zuständigen Behörde zu erheben. Diese Bestimmung ermöglicht eine Durchsetzung der durch die Art. 109 und 110 SDÜ gewährleisteten Rechte in jedem Schengen-Mitgliedstaat, unabhängig davon, ob dieser auch für die Verwendung der personenbezogenen Daten des Klägers im SIS verantwortlich ist (vgl. Schriever-Steinberg, Das Schengener Informationssystem, Datenschutz und Datensicherheit 24 (2000) 4, S 209 ff).

Gemäß § 1 Abs. 5 DSG 2000 ist gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.

Das Recht auf Löschung ist nach § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 (s. unten C.) ein Teilrecht des Grundrechts auf Datenschutz. Der Beschwerdegegner, d.i. die für die Ausschreibung im französischen N.SIS verantwortliche Stelle, ist als Behörde keinesfalls ein in Formen des Privatrechts eingerichteter Rechtsträger. Somit ist die Datenschutzkommission die nach Art. 111 Abs. 1 SDÜ zur Entscheidung über eine Klage auf Löschung aus dem SIS zuständige österreichische Behörde. Klarzustellen ist allerdings auch der Umfang der Entscheidungsbefugnis der österreichischen Datenschutzkommission. Im innerstaatlichen Bereich kommt ihr auf Grund der Bestimmung des § 40 Abs. 4 DSG 2000 bei Beschwerden betr. den öffentlichen Bereich nach § 31 Abs. 2 DSG 2000 nur die Kompetenz zu, Rechtsverletzungen festzustellen (vgl. dazu den Bescheid vom 22. April 2005, GZ K121.010/0004-DSK/2005), auch wenn es sich beim Recht auf Löschung um einen Leistungsanspruch handelt. Die Formulierung „Klage auf Löschung“ in Art. 111 Abs. 1 SDÜ zeigt jedoch ebenso wie Art. 111 Abs. 2 leg. cit., wonach sich die Vertragsparteien unbeschadet des Art. 116 SDÜ verpflichten, unanfechtbare Entscheidungen der Gerichte oder Behörden nach Art. 111 Abs. 1 SDÜ zu vollziehen (in der österreichischen Diktion „vollstrecken“), dass Art. 111 SDÜ von einer Leistungsentscheidung ausgeht. Die Datenschutzkommission hat sich also bei Entscheidungen nach Art. 111 SDÜ nicht auf die Feststellung einer Rechtsverletzung zu beschränken, sondern vielmehr auch über eine Leistungsverpflichtung zur Durchführung einer Löschung abzusprechen.

B. Ermittlung des Beschwerdegegners

Die Artikel 105, 108, 109 und 110 SDÜ lauten:

„Artikel 105

Die ausschreibende Vertragspartei ist für die Richtigkeit und Aktualität der Daten sowie die Rechtmäßigkeit der Speicherung im Schengener Informationssystem verantwortlich.

[..]

[Anmerkung Bearbeiter: im Original ab hier Gegenüberstellung deutscher-französischer Text von Art 109 SDÜ in Spalten]

Artikel 109 (deutsche Fassung)

(1) Das Recht jeder Person, über die zu ihrer Person im Schengener Informationssystem gespeicherten Daten Auskunft zu erhalten, richtet sich nach dem nationalen Recht der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet das Auskunftsrecht beansprucht wird. Soweit das nationale Recht dies vorsieht, entscheidet die in Artikel 114 Absatz 1 vorgesehene nationale Kontrollinstanz, ob und in welcher Weise Auskunft erteilt wird. Eine Vertragspartei, die selber die Ausschreibung nicht vorgenommen hat, darf Auskunft zu diesen Daten nur erteilen, wenn sie vorher der ausschreibenden Vertragspartei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

(2) Die Auskunftserteilung an den Betroffenen unterbleibt, wenn dies zur Durchführung einer rechtmäßigen Aufgabe im Zusammenhang mit der Ausschreibung oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter unerläßlich ist. Sie unterbleibt immer während der Ausschreibung zur verdeckten Registrierung.

Article 109 (französische Fassung)

1. Le droit de toute personne d'accéder aux données la concernant qui sont intégrées dans le Système d'Information Schengen s'exerce dans le respect du droit de la Partie contractante auprès de laquelle elle le fait valoir. Si le droit national le prévoit, l'autorité nationale de contrôle prévue à l'article 114, paragraphe 1, décide si des informations sont communiquées et selon quelles modalités. Une Partie contractante qui n'a pas effectué le signalement ne peut communiquer des informations concernant ces données que si elle a donné préalablement à la Partie contractante signalante l'occasion de prendre position.

2. La communication de l'information à la personne concernée est refusée si elle peut nuire à l'exécution de la tâche légale consignée dans le signalement, ou pour la protection des droits et libertés d'autrui. Elle est refusée dans tous les cas durant la période de signalement aux fins de surveillance discrète.

Artikel 108

(1) Jede Vertragspartei bestimmt eine Stelle, die als Zentrale für den nationalen Teil des Schengener Informationssystems zuständig ist.

(2) Jede Vertragspartei nimmt ihre Ausschreibungen über diese Stelle vor.

(3) Diese Stelle ist für das reibungslose Funktionieren des nationalen Teil des Schengener Informationssystems verantwortlich und trifft die erforderlichen Maßnahmen für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Übereinkommens.

(4) Die Vertragsparteien teilen einander über den Verwahrer die nach Absatz 1 bestimmte Stelle mit.

Artikel 110

Jeder hat das Recht, auf seine Person bezogene unrichtige Daten berichtigen oder unrechtmäßig gespeicherte Daten löschen zu lassen.“

Artikel 41 des französischen Datenschutzgesetzes in der Fassung der loi n 2004-801 vom 6. August 2004, journal officiel du 7 août 2004 (übersetzt durch die Datenschutzkommission), lautet:

„Art 41. Abweichend von Artikel 39 und 40 wird, wenn eine Verarbeitung die Staatssicherheit, die Landesverteidigung oder die öffentliche Sicherheit betrifft, das Zugangsrecht nach den in diesem Artikel vorgesehenen Bestimmungen ausgeübt [und zwar] für die Gesamtheit der Informationen die die Verarbeitung enthält.

Der Antrag ist an die CNIL zu richten, die eines ihrer Mitglieder bestimmt, das dem Conseil d’État, dem Cour de cassation oder dem Cour de comptes angehört oder angehört hat, um die zweckmäßigen Untersuchungen durchzuführen und die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Dieses [Mitglied] kann sich durch einen Mitarbeiter des Geschäftsapparats der commission unterstützen lassen. Es wird dem Antragsteller mitgeteilt, dass die Nachprüfungen eingeleitet worden sind.

Falls die commission im Einvernehmen mit dem für die Verarbeitung Verantwortlichen feststellt, dass die Mitteilung der in der Verarbeitung enthaltenen Daten nicht ihren Zweck, nämlich die Staatssicherheit, die Landesverteidigung, oder die öffentliche Sicherheit gefährdet, können diese Daten dem Antragsteller mitgeteilt werden.

Falls eine Verarbeitung dazu geeignet ist, Informationen zu enthalten, deren Mitteilung den Zweck der Verarbeitung nicht gefährdet, kann der Rechtsakt, der die Datei einrichtet, vorsehen, dass diese Informationen dem Antragsteller von dem unmittelbar belangten Verarbeiter der Datei mitgeteilt werden dürfen.“

Der Beschwerdeführer hat – offenbar auf Grund der Auskunft des österreichischen Innenministeriums vom 27. Juli 2004 - als Beschwerdegegner die CNIL bezeichnet.

Aus dem Wortlaut von Art. 110 SDÜ (arg. „löschen zu lassen“) ist zunächst zu schließen, dass das SDÜ (ebenso wie das DSG 2000) kein subjektives Recht auf amtswegige Löschung kennt, sondern ein Recht auf Löschung von der Stellung eines entsprechenden Begehrens abhängig macht. Art. 110 SDÜ enthält jedoch weder eine Regelung, wie das Löschungsrecht in den einzelnen Mitgliedstaaten auszuüben ist, insbesondere bei welcher Stelle ein solches Löschungsbegehren einzubringen ist, noch - wie Art. 109 Abs. 1 SDÜ - einen Ausgestaltungsvorbehalt zugunsten nationaler Vorschriften.

Dennoch entspricht es ständiger Praxis, dass in jenen Staaten, welche – wie etwa Frankreich – nur ein sogenanntes „indirektes Zugangsrecht“ („droit d´accès“) kennen, nicht nur (jedenfalls in Teilbereichen) die Geltendmachung des Auskunftsrechts im Wege der Datenschutzbehörde verlangen, sondern auch die Geltendmachung eines das SIS betreffenden Löschungsersuchens, wobei diese Behörde sodann den Löschungsanspruch prüft und den Betroffenen informiert.

Die Datenschutzkommission erachtet diese in Frankreich durch Art. 41 F-DSG festgelegte Vorgangsweise im Hinblick auf die (ebenfalls authentische) französische Fassung des Art. 109 SDÜ für zulässig. Dass diese von einem „droit d’ accéder“ spricht, zeigt nämlich, dass Art. 109 SDÜ nicht nur das Auskunftsrecht nach österreichischem Verständnis (§ 1 Abs. 3 Z 1 iVm § 26 DSG 2000), sondern vielmehr ein „Zugangsrecht“ zum Inhalt hat, das darüber hinaus auch Rechte auf Information im Zusammenhang mit der Ausübung der Rechte nach Art. 110 SDÜ beinhaltet. Die nationale Anforderung des Art. 41 F-DSG, ein Löschungsersuchen bei der CNIL einzubringen, ist somit von Art. 109 SDÜ gedeckt und daher auch im vorliegenden Verfahren zu beachten (dazu unten C.).

Dies bedeutet aber nicht, dass dadurch die CNIL auch Adressat der mit dem Löschungsrecht nach Art. 110 SDÜ korrespondierenden bzw. sich bereits aus Art. 105 SDÜ ergebenden Verpflichtung zur Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten wird. Da es sich eben um eine Löschungsverpflichtung - und nicht etwa eine Verpflichtung bloß zur Weiterleitung, Bearbeitung, Prüfung Information etc., wie sie Art. 41 F-DSG der CNIL auferlegt – handelt, kann diese Verpflichtung nur jene Stelle treffen, welche „Herr der Daten“ (nach der österreichischen Diktion „Auftraggeber“ im Sinn des § 4 Z 4 DSG 2000) des N.SIS ist. Dies ist im Fall Frankreichs das französische Innenministerium, weshalb dieses – von der Bezeichnung in der Beschwerde abweichend - als Beschwerdegegner zu behandeln war. Im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG wurde dem französischen Innenministerium in seiner Eigenschaft als Auftraggeber des französischen N.SIS auch Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens gegeben.

C. Inhaltliche Beurteilung

Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 hat jedermann, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, d.h. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.

Der bereits oben unter B. zitierte Art. 110 SDÜ ist für den Bereich des SIS die - § 27 DSG 2000 vorgehende – besondere Ausführungsbestimmung („nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen“) zu § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000.

Die Artikel 96 Abs. 1 SDÜ lautet:

„Artikel 96

(1) Die Daten bezüglich Drittausländern, die zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sind, werden auf Grund einer nationalen Ausschreibung gespeichert, die auf Entscheidungen der zuständigen Verwaltungsbehörden und Gerichte beruht, wobei die Verfahrensregeln des nationalen Rechts zu beachten sind.

[..]“

Seit Aufhebung der Entscheidung vom 12. September 2000, welche Grundlage für die beschwerdegegenständliche Ausschreibung des Beschwerdeführers nach Art. 96 SDÜ war, durch die Entscheidung des Verwaltungstribunals vom 23. November 2001 liegen die Voraussetzungen für diese Ausschreibung nicht mehr vor. Daher besteht die Ausschreibung des Beschwerdeführers im SIS seither ohne Rechtsgrundlage.

Mit der Einbringung des Löschungsbegehrens bei der CNIL am 3. August 2004 hat der Beschwerdeführer auch einen Rechtsanspruch auf Löschung erworben, den der Beschwerdegegner bisher nicht erfüllt hat.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und dem Beschwerdegegner spruchgemäß die Löschung der Ausschreibung aufzutragen. Von der erfolgten Löschung wird der Beschwerdeführer sodann gemäß Art. 41 F-DSG zu verständigen sein. Unter Berücksichtigung des im Wesentlichen geklärten Sachverhalts einerseits und der besonderen Stellung des Beschwerdegegners als ausländische Verwaltungsbehörde andererseits, wodurch insbesondere die Notwendigkeit einer präzisen Übersetzung dieses Bescheids ins Französische naheliegend ist , scheint die Leistungsfrist von drei Wochen im Sinn des § 59 Abs. 2 AVG angemessen.

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