K120.878/0004-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 7. Juni 2005 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Über die Beschwerde des Cornellius Immanuel T*** in E*** (Beschwerdeführer) gegen das Bundesministerium für Inneres (Beschwerdegegner) vom 21. Juli 2003 auf Löschung bzw. Richtigstellung einer seine Person betreffenden Ausschreibung aus dem Schengener Informationssystem (SIS) wird gemäß Art. 111 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommes (SDÜ), in Kraft gesetzt als Beilage B zum Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich zum SDÜ vom 28. April 1995, BGBl III Nr. 90/1997, in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 5 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:
Die Beschwerde (Klage) wird gemäß Art 110 iVm Art 96, 104, 109 und 112 SDÜ iVm § 7 Abs. 1 DSG 2000, § 3 Abs. 2 Z 1 und § 4 Abs. 1 des Polizeikooperationsgesetzes (PolKG), BGBl I Nr. 104/1997 idF BGBl I Nr. 151/2004, abgewiesen.
Weitere angewendete Rechtsvorschriften: § 38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr. 10/2004. §§ 70, 146 und 148 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl Nr. 60/1974.
Begründung:
Der Beschwerdeführer machte in seiner Beschwerde, auftragsgemäß verbessert durch Schriftsatz vom 29. August 2003, geltend, er sei zu Unrecht im nationalen Teil des SIS (N.SIS) und damit auch im zentralen SIS (C.SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben, weshalb die Daten zu löschen seien. Die Rechtswidrigkeit der Ausschreibung ergebe sich daraus, dass er niemals zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe, wegen eines Drogendeliktes oder eines Verbrechens verurteilt worden sei. Außerdem bestehe gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 18. März 1992. Der Hinweis im SIS auf eine Befristung dieses Aufenthaltsverbots bis 14. Mai 2001 bzw. bis 14. Mai 2004 sei daher unrichtig.
Der Beschwerdegegner verweist auf das unbefristete Aufenthaltsverbot vom 18. März 1992 und hält auf Grund dessen die Ausschreibung des Beschwerdeführers im N.SIS und damit im C.SIS für zulässig.
Folgender Sachverhalt wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der USA.
Beweiswürdigung: Diese Feststellung beruht auf dem unbestrittenen Beschwerdevorbringen.
Gegen ihn wurde am 18. März 1992 von der Bundespolizeidirektion Innsbruck ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, welches sich auf § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 sowie § 4 des Fremdenpolizeigesetzes (FrPolG), BGBl Nr. 75/1954, stützte. In dessen Begründung heißt es:
"Der Genannte wurde am 6.3.1992 im Zuge einer Einreisekontrolle durch Zollbeamte aus der Schweiz nach Österreich festgenommen und in weiterer Folge in das Polizeigefangenenhaus Innsbruck eingeliefert. Bei seiner Überprüfung stellte sich heraus, dass der Genannte in das Bundesgebiet Österreich eingereist ist, obwohl gegen ihn ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot der Bundespolizeidirektion Klagenfurt, befristet bis 27.9.1994, bestand. Die weiteren Erhebungen ergaben, dass gegen T*** in Deutschland ein Gerichtsverfahren wegen Verdachtes des Kreditkartenbetruges anhängig ist, wobei sich die Schadenssumme auf DM 80.000,-- beläuft. Im Besitz des Fremden wurden 80 Kreditkarten vorgefunden, die T*** offensichtlich widerrechtlich erworben hat und mit denen er vermutlich weitere Kreditkartenbetrügereien begehen wollte.
Der Fremde ist außerdem vom Landesgericht Eisenstadt wegen Verdachtes der Vergehen nach §§ 127, 136, 229 Strafgesetzbuch zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben.
[..]"
Das Aufenthaltsverbot wurde dem Beschwerdeführer noch am selben Tag persönlich ausgehändigt und damit zugestellt. Der Beschwerdeführer erhob dagegen kein Rechtsmittel. Die Bundespolizeidirektion veranlasste auf Grund dessen am 26. März 1992 eine Ausschreibung im Fremdeninformationssystem (FIS), das einen Teil des Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystems (EKIS) bildete.
Der Beschwerdegegner erweiterte anlässlich des Inkrafttretens des SDÜ in Österreich die Funktionalitäten des FIS derart, dass unter anderem alle darin gespeicherten durchsetzbaren, unbefristeten Aufenthaltsverbote inklusive Landesverweisungen, so auch das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot vom 18. März 1992, elektronisch - ohne Hinzutreten eines weiteren Willensaktes der Behörde, von der das Aufenthaltsverbot stammt - als Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung in das N.SIS übernommen wurden. Konkret findet sich dort dazu die folgende Eintragung:
„Schengener Idenifikations-Nr: A/FIS******38**/0000/1
Eingabedatum: 18.03.1992
Identitätskategorie: sonstige Identität
letztes Änderungsdatum 02.12.2003
Datum der nächsten Überprüfung: 02.12.2006
Gültig bis: 02.03.2010
Anlaß: Einreise/Aufenthaltsverbot
im Schengener Gebiet;
außer bei Besitz eines
gültigen Einreise- oder
Aufenthaltstitels eines
Schengenstaates;
Kontaktaufnahme mit dem
nationalen SIRENE-Büro
Ausschreibende Vertragspartei: Österreich
Familienname: T***
Vorname Cornelius Immanuel
Geschlecht: männlich
Geburtsort: Rumänien
Geburtsdatum: 23.**.19**“
Der Beschwerdeführer richtete am 11. Juni 2003 ein Ersuchen an den Beschwerdegegner, in welchem er die Löschung der beschwerdegegenständlichen Daten bzw. die Richtigstellung der Gültigkeit (nämlich unbefristet) verlangte. Diesem wurde nicht entsprochen.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen der Bundespolizeidirektion Innsbruck in ihrer Stellungnahme vom 4. Februar 2004 und dem von ihr vorgelegten Aufenthaltsverbot, den vom Beschwerdegegner vorgelegten Auszügen aus dem SIS vom 23. Jänner 2003 und vom 24. August 2004, dem ebenfalls vom Beschwerdegegner vorgelegten Löschungsersuchen vom 11. Juni 2003 sowie auf der Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 4. Oktober 2004. Der Beschwerdeführer ist all dem im Rahmen des ihm gewährten Parteiengehörs nicht entgegengetreten.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
Die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG 2000 lautet auszugsweise:
„Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, d.h. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen
[..]
2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.
(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs. 3 sind nur unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig.
(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“
Nach § 4 Z 4 DSG 2000 sind Auftraggeber natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen die Entscheidung getroffen haben, Daten für einen bestimmten Zweck zu verarbeiten, und zwar unabhängig davon, ob sie die Verarbeitung selbst durchführen oder hiezu einen anderen heranziehen. Als Auftraggeber gelten die genannten Personen, Personengemeinschaften und Einrichtungen auch dann, wenn sie einem anderen Daten zur Herstellung eines von ihnen aufgetragenen Werkes überlassen und der Auftragnehmer die Entscheidung trifft, diese Daten zu verarbeiten. Wurde jedoch dem Auftragnehmer anlässlich der Auftragserteilung die Verarbeitung der überlassenen Daten ausdrücklich untersagt oder hat der Auftragnehmer die Entscheidung über die Art und Weise der Verwendung, insbesondere die Vornahme einer Verarbeitung der überlassenen Daten, auf Grund von Rechtsvorschriften, Standesregeln oder Verhaltensregeln gemäß § 6 Abs. 4 eigenverantwortlich zu treffen, so gilt der mit der Herstellung des Werkes Betraute als datenschutzrechtlicher Auftraggeber;
Gemäß § 7 Abs. 1 DSG 2000 dürfen Daten nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.
Die einschlägigen Bestimmungen des SDÜ sind die folgenden:
„Titel IV
Schengener Informationssystem
Kapitel 1
Einrichtung des Schengener Informationssystems
Artikel 92
(1) Die Vertragsparteien errichten und unterhalten ein gemeinsames Informationssystem, nachstehend das Schengener Informationssystem genannt, das aus einem nationalen Teil bei jeder Vertragspartei und einer technischen Unterstützungseinheit besteht. Durch das Schengener Informationssystem werden Ausschreibungen, die der Suche nach Personen und Sachen dienen, den durch die Vertragsparteien bezeichneten Behörden bei nach Maßgabe des nationalen Rechts durchgeführten Grenzkontrollen, sonstigen polizeilichen und zollrechtlichen Überprüfungen im Inland sowie, beschränkt auf die Ausschreibungskategorie nach Artikel 96 für Zwecke des Sichtvermerksverfahrens sowie der Erteilung der Aufenthaltstitel und der Handhabung des Ausländerrechts im Rahmen der Anwendung dieses Übereinkommens im Bereich des Personenverkehrs zum Abruf im automatisierten Verfahren bereit gehalten.
(2) Jede Vertragspartei errichtet und unterhält in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten ihren nationalen Teil des Schengener Informationssystems, dessen Bestand durch Nutzung der technischen Unterstützungseinheit inhaltlich identisch ist mit dem Bestand des nationalen Teiles jeder anderen Vertragspartei. Im Hinblick auf die schnelle und zweckmäßige Übermittlung der Informationen nach Absatz 3 berücksichtigt jede Vertragspartei bei der Errichtung ihres nationalen Teils die durch die Vertragsparteien gemeinsam festgelegten Protokolle und Verfahren in bezug auf die technische Unterstützungseinheit. Der Bestand jedes nationalen Teils dient innerhalb des Hoheitsgebietes der jeweiligen Vertragsparteien zum Abruf im automatisierten Verfahren. Ein Abruf aus dem Bestand des nationalen Teiles einer anderen Vertragspartei erfolgt nicht.
[..]
Kapitel 2
Betrieb und Nutzung des Schengener
Informationssystems
[..]
Artikel 96
(1) Die Daten bezüglich Drittausländern, die zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sind, werden auf Grund einer nationalen Ausschreibung gespeichert, die auf Entscheidungen der zuständigen Verwaltungsbehörden und Gerichte beruht, wobei die Verfahrensregeln des nationalen Rechts zu beachten sind.
(2) Die Entscheidungen können auf die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die nationale Sicherheit, die die Anwesenheit eines Drittausländers auf dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei bedeutet, gestützt werden. Dies kann insbesondere der Fall sein
a) bei einem Drittausländer, der wegen einer Straftat verurteilt worden ist, die mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist;
b) bei einem Drittausländer, gegen den ein begründeter Verdacht besteht, daß er schwere Straftaten, einschließlich solcher im Sinne von Artikel 71 begangen hat, oder gegen den konkrete Hinweise bestehen, daß er solche Taten in dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei plant.
(3) Die Entscheidungen können ebenso darauf beruhen, daß der Drittausländer ausgewiesen, zurückgewiesen oder abgeschoben worden ist, wobei die Maßnahme nicht aufgeschoben oder aufgehoben worden sein darf, ein Verbot der Einreise oder des Aufenthalts enthalten oder davon begleitet sein muß und auf der Nichtbeachtung des nationalen Rechts über die Einreise oder den Aufenthalt von Ausländern beruhen muß.
[..]
Kapitel 3
Datenschutz und Datensicherung im Schengener
Informationssystem
Artikel 104
(1) Das nationale Recht der ausschreibenden Vertragspartei findet auf die Ausschreibung Anwendung, es sei denn, dieses Übereinkommen enthält engere Voraussetzungen für die Ausschreibung.
(2) Soweit dieses Übereinkommen keine besondere Regelung enthält, findet das nationale Recht der jeweiligen Vertragspartei auf die in ihrem nationalen Teil des Schengener Informationssystems gespeicherten Daten Anwendung.
(3) Soweit dieses Übereinkommen keine besondere Regelung über die Durchführung der mit der Ausschreibung erbetenen Maßnahme enthält, findet das nationale Recht der ersuchten Vertragspartei, die die Maßnahme durchführt, Anwendung. Soweit dieses Übereinkommen besondere Regelungen über die Durchführung der mit der Ausschreibung erbetenen Maßnahme enthält, werden die Befugnisse durch das nationale Recht der ersuchten Vertragspartei begrenzt. Soweit die erbetene Maßnahme nicht durchgeführt werden kann, unterrichtet die ersuchte Vertragspartei die ausschreibende Vertragspartei unverzüglich.
Artikel 105
Die ausschreibende Vertragspartei ist für die Richtigkeit und Aktualität der Daten sowie die Rechtmäßigkeit der Speicherung im Schengener Informationssystem verantwortlich.
[..]
Artikel 108
(1) Jede Vertragspartei bestimmt eine Stelle, die als Zentrale für den nationalen Teil des Schengener Informationssystems zuständig ist.
(2) Jede Vertragspartei nimmt ihre Ausschreibungen über diese Stelle vor.
(3) Diese Stelle ist für das reibungslose Funktionieren des nationalen Teiles des Schengener Informationssystems verantwortlich und trifft die erforderlichen Maßnahmen für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Übereinkommens.
(4) Die Vertragsparteien teilen einander über den Verwahrer die nach Absatz 1 bestimmte Stelle mit.
Artikel 109
(1) Das Recht jeder Person, über die zu ihrer Person im Schengener Informationssystem gespeicherten Daten Auskunft zu erhalten, richtet sich nach dem nationalen Recht der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet das Auskunftsrecht beansprucht wird. Soweit das nationale Recht dies vorsieht, entscheidet die in Art. 114 Abs. 1 vorgesehene nationale Kontrollinstanz, ob und in welcher Weise Auskunft erteilt wird. Eine Vertragspartei, die selber die Ausschreibung nicht vorgenommen hat, darf Auskunft zu diesen Daten nur erteilen, wenn sie vorher der ausschreibenden Vertragspartei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
(2) Die Auskunftserteilung an den Betroffenen unterbleibt, wenn dies zur Durchführung einer rechtmäßigen Aufgabe im Zusammenhang mit der Ausschreibung oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter unerlässlich ist. Sie unterbleibt immer während der Ausschreibung zur verdeckten Registrierung.
Artikel 110
Jeder hat das Recht, auf seine Person bezogene unrichtige Daten berichtigen oder unrechtmäßig gespeicherte Daten löschen zu lassen.
Artikel 111
(1) Jeder hat das Recht, im Hoheitsgebiet jeder Vertragspartei eine Klage wegen einer seine Person betreffenden Ausschreibung insbesondere auf Berichtigung, Löschung, Auskunftserteilung oder Schadenersatz vor dem nach nationalem Recht zuständigen Gericht oder der zuständigen Behörde zu erheben.
[..]
Artikel 112
(1) Die zur Personenfahndung in dem Schengener Informationssystem aufgenommenen personenbezogenen Daten werden nicht länger als für den verfolgten Zweck erforderlich gespeichert. Spätestens drei Jahre nach ihrer Einspeicherung ist die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung von der ausschreibenden Vertragspartei zu prüfen. Für die Ausschreibung gemäß Artikel 99 beträgt diese Frist ein Jahr.
(2) Jede ausschreibende Vertragspartei bestimmt gegebenenfalls kürzere Prüffristen nach Maßgabe ihres nationalen Rechts.
(3) Die technische Unterstützungseinheit des Schengener Informationssystems weist die ausschreibende Vertragspartei mit einem Vorlauf von einem Monat automatisch auf die im System programmierte Löschung hin.
(4) Die ausschreibende Vertragspartei kann innerhalb der Prüffrist beschließen, die Ausschreibung noch beizubehalten, wenn dies für den der Ausschreibung zugrunde liegenden Zweck erforderlich ist. Eine Verlängerung der Ausschreibung ist in die technische Unterstützungseinheit einzugeben. Absatz 1 gilt entsprechend.“
Die §§ 3 und 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl Nr. 75/1954, lauteten auszugsweise:
„Aufenthaltsverbot
§ 3. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht;
[..]
(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
§ 4. Das Aufenthaltsverbot erstreckt sich auf das ganze Bundesgebiet und kann auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit erlassen werden. [..]“
Gemäß § 114 Abs. 3 FrG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können.
Gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 PolKG obliegt es den Sicherheitsbehörden auch ohne Ersuchen durch Verwenden von Daten Amtshilfe zu leisten, wenn für deren Übermittlung auch der Datenart nach eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht.
Gemäß § 4 Abs. 1 PolKG ist zur Leistung von Amtshilfe der Bundesminister für Inneres (alleine) zuständig, wenn die Leistung von Amtshilfe nach Völkerrecht im Wege einer zentralen Stelle zu geschehen hat.
Die §§ 70, 146 und 148 StGB – diese wurden seit Erlassung des StGB nicht novelliert – lauten auszugsweise:
„Gewerbsmäßige Begehung
§ 70. Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
[..]
Betrug
§ 146. Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
[..]
Gewerbsmäßiger Betrug
§ 148. Wer einen Betrug gewerbsmäßig begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren […] zu bestrafen.“
2. Daraus abzuleitende rechtliche Schlussfolgerungen
2.1. Zuständigkeit der Datenschutzkommission, anwendbares Recht und Umfang der Entscheidungsbefugnis
Nach Art. 111 Abs. 1 SDÜ kann in jedem Mitgliedstaat ein Löschungs-/Berichtigungsbegehren über Schengen Vormerkungen eingebracht werden, und zwar bei jenem Gericht oder jener Verwaltungsbehörde, die nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem der Antrag gestellt wird, zur Entscheidung über „Klagen“ auf Löschung und Richtigstellung zuständig ist.
Aufgrund der Einbringung des Löschungs- bzw. Berichtigungsantrags durch den Beschwerdeführer in Österreich gilt für die Regelung der Zuständigkeit zur Durchsetzung § 1 Abs. 5 DSG 2000. Gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 stellen die Rechte auf Richtigstellung und auf Löschung Teilrechte des Grundrechts auf Datenschutz dar. Da es sich beim Beschwerdegegner um eine durch Art. 78a Abs. 1 B-VG errichtete Behörde und somit nicht um einen in Formen des Privatrechts eingerichteten Rechtsträger handelt, ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung über den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Löschungsanspruch grundsätzlich zuständig.
Abgesehen von der Bestimmung der zuständigen Behörde enthält Art. 111 SDÜ keine ausdrückliche Aussage darüber, welches nationale Datenschutzrecht hinsichtlich des Bestehens eines Löschungs-/Berichtigungsanspruchs und hinsichtlich des Verfahrens der Durchsetzung zur Anwendung zu kommen hat. In Anlehnung an Art. 109 SDÜ wird davon ausgegangen, dass grundsätzlich das Recht jener Vertragspartei zur Anwendung zu kommen hat, deren Behörde angerufen wurde. Es ist somit im vorliegenden Fall § 27 DSG 2000 anzuwenden. Da der Beschwerdeführer einen - wenn auch nicht erfolgreichen - Antrag auf Löschung an den Auftraggeber des N.SIS (siehe Pkt. 2.2) gestellt hat, ist die Voraussetzung für die Zuständigkeit der Datenschutzkommission im konkreten Verfahren ebenfalls gegeben.
2.2. Ermittlung des Beschwerdegegners
Adressat der mit dem Löschungs- bzw. Richtigstellungsrecht nach Art. 110 SDÜ korrespondierenden bzw. sich bereits aus Art. 105 SDÜ ergebenden Verpflichtung zur Löschung unrechtmäßig verarbeiteter bzw. Berichtigung unrichtiger Daten kann nur jene Stelle sein, welche „Herr der Daten“ (nach der österreichischen Diktion „Auftraggeber“ im Sinn des § 4 Z 4 DSG 2000) des N.SIS ist.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass das Bundesministerium für Inneres auf eigene Initiative die Aufnahme der Daten des Beschwerdeführers in das N.SIS veranlasst hat. Die Bundespolizeidirektion Innsbruck hat lediglich über die Verarbeitung fremdenpolizeilich relevanter Daten des Beschwerdeführers im FIS entschieden, konnte jedoch auf die Verwendung dieser Daten für Zwecke des SIS durch das Bundesministerium für Inneres keinerlei Einfluss nehmen. Daher ist das Bundesministerium für Inneres jedenfalls hinsichtlich der Daten des Beschwerdeführers, die aus 1992 stammen, Auftraggeber des N.SIS und damit Beschwerdegegner.
2.3. Rechtmäßigkeit der Ausschreibung zur Einreiseverweigerung
Zunächst ist festzuhalten, dass die Datenschutzkommission nicht befugt ist, die Rechtmäßigkeit des seinerzeit von der Beschwerdegegnerin erlassenen Aufenthaltsverbotes zu überprüfen. Sie ist vielmehr als Folge von dessen Rechtskraft daran gebunden, was sich aus § 38 AVG ergibt (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 8. Aufl. (2003), Rz 465 ff). Damit ist die Voraussetzung des Art 96 Abs. 1 SDÜ erfüllt, wonach die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung auf einer Entscheidung eines nationalen Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde beruhen muss, die nach den nationalen Verfahrensvorschriften zustande gekommen sein muss.
Die nach Art. 104 Abs. 1 SDÜ iVm § 7 Abs. 1 DSG 2000 zu prüfende Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres ergibt sich aus den §§ 3 Abs. 2 Z 1 und 4 Abs. 1 PolKG. Bei der Ausschreibung im SIS handelt es sich um einen durch das SDÜ ausdrücklich geregelten Fall der Leistung von internationaler polizeilicher Amtshilfe. Dem steht die innerstaatliche Nutzung des SIS (vgl. Art. 92 Abs. 2 SDÜ) nicht entgegen.
Das Aufenthaltsverbot bringt weiters klar zum Ausdruck, dass es sich unter anderem auf den konkret begründeten Verdacht stützt, der Beschwerdeführer werde in Österreich Kreditkartenbetrügereien in großem Ausmaß begehen. Es ist also auf den Verdacht der Planung einer „schweren Straftat“, nämlich jener des § 146 iVm § 148 StGB (gewerbsmäßiger Betrug; bedroht mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren) gegründet, sodass auch die Voraussetzung des Art. 96 Abs. 2 lit. b SDÜ erfüllt ist.
Damit lagen im Zeitpunkt der Ausschreibung die nach Art. 96 Abs. 1 und 2 SDÜ erforderlichen Voraussetzungen vor. Der vom Beschwerdeführer behauptete Wegfall der Ausschreibungsgrundlage erweist sich als nicht zutreffend. Vielmehr ist das Aufenthaltsverbot vom 18. März 1992 unbefristet und gemäß § 114 Abs. 3 FrG weiterhin gültig, es wurde bisher nicht aufgehoben. Somit mussten auch die nach Art. 112 SDÜ vorgesehenen Prüfungen der Ausschreibung das Ergebnis bringen, dass diese für den Zweck, dem Beschwerdeführer die Einreise zu verweigern, nach wie vor erforderlich ist und eine Löschung daher nicht in Betracht kommt.
Wenn der Beschwerdeführer schließlich einen Berichtigungsanspruch daraus ableiten will, das Aufenthaltsverbot sei unbefristet und die Anmerkung der Gültigkeit bis 2. März 2010 daher unrichtig, verkennt er, dass die Gültigkeit der Ausschreibung nach Art. 96 SDÜ von der Gültigkeit der zu Grunde liegenden Entscheidung zu unterscheiden ist. Wie soeben ausgeführt, rechtfertigt ein den Anforderungen des Art. 96 SDÜ genügendes unbefristetes Aufenthaltsverbot nach Ansicht der Datenschutzkommission stets eine Ausschreibung. Wenn diese dennoch befristet wird, kann von einer „unrichtigen Gültigkeitsdauer“ daher nicht gesprochen werden.
Der vom Beschwerdeführer behauptete Löschungs- bzw. Berichtigungsanspruch besteht daher nicht, weshalb die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen war.