K120.857/0003-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 22. April 2005 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Ing. Otto V*** (Beschwerdeführer) aus J***, vertreten durch Dr. Alois G***, Rechtsanwalt in ***1 U***, ***straße **2*******, vom 9. März 2003 gegen 1. die Bezirkshauptmannschaft A*** (Erstbeschwerdegegnerin) und 2. die Bundespolizeidirektion J*** (Zweitbeschwerdegegnerin) wegen noch offener Punkte a) Verletzung im Recht auf Löschung personenbezogener Daten durch Aufbewahrung des Kopienaktes Zl. P7**/01 auf dem Gendarmerieposten N*** und b) Verletzung im Recht auf Löschung personenbezogener Daten durch Verarbeitung auf das Ermittlungsverfahren P7**/01 bezogener Daten im Protokollbuch des Gendarmeriepostens N*** (Grundzahl 07** aus 2001), wird gemäß §§ 4 Z 6, 27 Abs 1, 31 Abs 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 136/2001 iVm § 10 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr 566/1991, wie folgt entschieden:
[Anmerkung Bearbeiter: Spruch der DSK vom VfGH aufgehoben, soweit er sich auf die Löschung von Daten aus dem Protokollbuch bezieht; Spruchinhalt daher als – wenn auch im Ergebnis nur teilweise – unwirksam gekennzeichnet.]
B e g r ü n d u n g:
A) Verfahrensgang und Vorbringen der Beteiligten
Mit Eingabe (Beschwerde) vom 9. März 2003 brachte der Beschwerdeführer vor, der Gendarmerieposten N*** verarbeite Daten zu seiner Person, die sich auf im Jahr 2001 zu Zl. P 7**/01 durchgeführte Vorerhebung im Dienste der Strafjustiz wegen Verdachts nach dem inzwischen aufgehobenen § 209 StGB (gleichgeschlechtliche Unzucht mit Minderjährigen) bezögen. Es bestünden noch eine Karteikarte in der so genannten Steckzettel- oder Indexkartei, eine Eintragung im Protokollbuch sowie eine auf Grund der Strafanzeige des besagten Gendarmeriepostens verarbeite Vormerkung im Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem (EKIS), Datenanwendung Kriminalpolizeilicher Aktenindex (KPA). Er habe bei den Beschwerdegegnerinnen die Löschung sämtlicher, automationsunterstützt wie 'konventionell' verarbeiteter Daten verlangt, dem Begehren sei allerdings nicht entsprechend Folge geleistet worden bzw. wäre die Löschung zu überprüfen.
Mit Eingabe (Äußerung) vom 19. August 2003 stellte der Beschwerdeführer klar, dass er sich auch durch die Aufbewahrung des so genannten Kopienaktes zur Zl. P 7**/01 in seinen Rechten gemäß DSG 2000 als verletzt erachte. Die weitere Evidenthaltung wäre 'eine unerträgliche Perpetuierung der Stigmatisierung des Bf, der Opfer einer schweren Menschenrechtsverletzung geworden ist'.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2003, GZ: K120.857/015- DSK/2003, hat die Datenschutzkommission die Beschwerde hinsichtlich beider Beschwerdegegnerinnen und der Fakten 'Indexkartei' und 'EKIS-KPA' abgewiesen. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2004, Zl. 2004/06/0018-6, bestätigt. In diesem Bescheid vertrat die Datenschutzkommission die Rechtsansicht, dass hinsichtlich der Indexkarteikarte, die internen Zwecken der Bundesgendarmerie (Kanzleiorganisation, Aktenverwaltung) diene, keine Sicherheitsbehörde sondern nur eine dem Gendarmerieposten vorgesetzte Exekutivdienststelle als Auftraggeber in Frage komme.
Mit Eingabe (Beschwerde) vom 10. Mai 2004 erhob der Beschwerdeführer nach entsprechendem Vorverfahren (Löschungsbegehren) wegen desselben Sachverhalts betreffend den Kopienakt, die Protokollbucheintragung und die Indexkartei Beschwerde gegen das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich. Diese Beschwerde hat die Datenschutzkommission nach einem zur Zl. K120.969 geführten Ermittlungsverfahren mit Bescheid vom 11. März 2005, GZ: K120.969/0002-DSK/2005, als in der Sache unbegründet abgewiesen.
Nunmehr begehrt der Beschwerdeführer mit Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vom 14. Februar 2005, Zl. 2005/06/0073 des Verwaltungsgerichtshofs die Entscheidung über noch offene Punkte seiner ersten Beschwerde (betreffend Kopienakt und Protokollbucheintragung).
C) Sachverhaltsfeststellung samt Beweiswürdigung :
Die Datenschutzkommission stellt folgenden Sachverhalt fest:
Gegen den Beschwerdeführer wurde in der ersten Jahreshälfte 2001 vom Gendarmerieposten N*** zur Grundzahl P 7**/01 Vorerhebungen im Dienste der Strafjustiz wegen Verdachts der 'Gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren' nach dem damals noch in Geltung stehenden § 209 StGB idF vor BGBl I Nr 134/2002 geführt. Die betreffende Grundzahl wurde am 14. Februar 2001 ins Protokollbuch des Gendarmeriepostens eingetragen (Beginn des Verfahrens). Am 23. Mai 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft J*** erstattet. Der so genannte Kopienakt zu den durchgeführten Vorerhebungen (das 'Original' findet im Wege der Staatsanwaltschaft regelmäßig Eingang in den entsprechenden Gerichtsakt) wird weiterhin beim Gendarmerieposten N*** aufbewahrt. Bei diesem Akt handelt es sich um eine Sammlung von Urkunden unter einer bestimmten Grundzahl, er enthält:
Beim Inhalt dieses Kopienakts handelt es sich demnach im Wesentlichen um Fließtext, der keine äußere Ordnung aufweist, nach der die verschiedenen Arten von Daten in einer bestimmten räumlichen Verteilung auf dem oder den manuellen Datenträgern oder in einer bestimmten physikalischen oder logischen Struktur dargestellt sind. Darüber hinaus sind die im Kopienakt enthaltenen Daten nicht nach bestimmten Kriterien zugänglich, das heißt, es bestehen keine vereinfachten Möglichkeiten der inhaltlichen Erschließung, beispielsweise durch alphabetische oder chronologische Sortierung oder durch automatisierte Erschließungssysteme. Die einzelnen Aktenstücke haben keine zwingende chronologische Sortierung; die Angaben, die etwa der Beschwerdeführer als Verdächtiger, der weitere Verdächtige oder die Auskunftsperson zu bestimmten anderen Personen gemacht haben, können im Kopienakt, ohne ihn zu lesen oder zumindest durchzublättern, nicht vereinfacht erschlossen werden.
Im Protokollbuch des Gendarmeriepostens N*** bestehen betreffend dieses Verfahren folgende Eintragungen (im Original Spalten im Querformat):
Grundzahl: 07**
Stelle, Datum und Geschäftszahl: ED [Anmerkung = eigene
Dienststelle]
Gegenstand: V*** Otto
Verg n § 209 StGB
Erledigung: 16.2.01 Stellungsanzeige LG J***
23.5. LG J*** angezeigt, Stat. erstellt
Anmerkung: [nicht ausgefüllte Stampiglie und Paraphen (schwer leserlich)]
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen gründen sich auf den Inhalt der zitierten Urkunden (Protokollbucheintragung und Kopienakt, einliegend im Akt Zl. K120.969 der Datenschutzkommission und dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs dort zur Kenntnis gebracht). Die 'Stellungsanzeige' bezieht sich offenkundig auf eine nicht mehr im Akt einliegende vorläufige Anzeige anlässlich der Einlieferung des in Verwahrungshaft genommenen Beschwerdeführers ins Landesgericht J***, die Erledigung vom 23. Mai 2001 auf die Strafanzeige (auch 'Vollanzeige'), gerichtet laut Akt an die Staatsanwaltschaft J***.
D) rechtliche Beurteilung
1. Kopienakt P 7**/01 des Gendarmeriepostens N*** :
Die Datenschutzkommission geht in ständiger Entscheidungspraxis davon aus, dass kein Recht auf Löschung und Richtigstellung von Daten in Verwaltungsakten, die nicht auf Grund besonderer Gestaltung (Strukturierung) die Qualität einer Datei gemäß § 4 Z 6 DSG 2000 haben, besteht.
Mit Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/06/0086, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsauffassung bestätigt und dazu folgenden Rechtssatz veröffentlicht:
'Zur Bestimmung der Begriffe "strukturierte Datei" und "Datei" tritt der VwGH den Erwägungen des OGH in der Entscheidung vom 28. Juni 2000, 6 Ob 148/00h, bei: Die Struktur einer manuellen Datei als einer strukturierten Sammlung personenbezogener Daten im Sinne des § 1 Abs. 3 DSG 2000 iVm Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG ist dann zu bejahen, wenn sie - im Gegensatz zu einem Fließtext - eine äußere Ordnung aufweist, nach der die verschiedenen Arten von Daten in einer bestimmten räumlichen Verteilung auf dem oder den manuellen Datenträgern oder in einer bestimmten physikalischen oder logischen Struktur dargestellt sind. Darüber hinaus müssen die Daten nach bestimmten Kriterien zugänglich sein, d.h. es bestehen vereinfachte Möglichkeiten der inhaltlichen Erschließung, beispielsweise durch alphabetische oder chronologische Sortierung oder durch automatisierte Erschließungssysteme. Unter Datei sind daher Karteien und Listen, nicht aber Akten und Aktenkonvolute zu verstehen, wie dies auch Erwägungsgrund 27 der genannten Richtlinie zum Ausdruck bringt. Das Vorliegen einer manuellen Datei im Sinne des § 1 Abs. 3 DSG 2000 setzt daher voraus, dass sie sich durch den in der zitierten Entscheidung des OGH erwähnten bestimmten "Organisationsgrad" der "Akten" auszeichnen muss, um von einer Strukturierung im Sinne des DSG 2000 sprechen zu können, der aber beim vorliegenden "Papierakt" nicht gegeben ist.'
Im Sinne der zitierten Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofs wurden Feststellungen zur Struktur des Kopienaktes getroffen. Diese lassen nur den Schluss zu, dass kein Akt vorliegt, der die Eigenschaften einer Datei im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung aufweist.
Unabhängig von der Frage, wem die Aktenführung bei einem Akt einer Exekutivdienststelle, die im Dienste der Strafjustiz Vorerhebungen durchgeführt hat, datenschutzrechtlich zuzurechnen wäre – dies kann dahingestellt bleiben -, liegt somit keine Datei vor, die dem datenschutzrechtlichen Löschungsrecht unterliegen würde. Schon aus diesem Grund allein war die Beschwerde hinsichtlich beider Sicherheitsbehörden als unbegründet abzuweisen.
2. Protokollbucheintragung Grundzahl (0)7** des Gendarmeriepostens N*** :
Hinsichtlich der Protokollbucheintragung liegen zwar, wie schon im Bescheid vom 12. Dezember 2003, GZ: K120.857/015- DSK/2003, hinsichtlich der Indexkartei dargelegt, Daten in einer manuelle Datei vor, diese ist aber gemäß § 10 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr 566/1991, kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung als Datei für Zwecke des inneren Dienstes der Bundesgendarmerie keiner Sicherheitsbehörde zuzurechnen.
Die Beschwerde war daher hinsichtlich beider Beschwerdegegnerinnen, bei denen es sich um Sicherheitsbehörden handelt, als unbegründet abzuweisen, da diese nicht für eventuelle Eingriffe in das datenschutzrechtliche Löschungsrecht des Beschwerdeführers durch diese Datei verantwortlich sind.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß in allen noch offenen Punkten abzuweisen.
Mit Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, Zl. 2005/06/0182-8, hat der VwGH die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen des VwGH:
Nach kurzer Wiedergabe des Verfahrensgangs, des Inhalts des angefochtenen Bescheids, des Beschwerdevorbringens und nach einem Hinweis auf die „Vorgeschichte des Beschwerdefalls“ laut VwGH-Erkenntnis vom 13. Dezember 2004, Zl. 2004/06/0018, führt der VwGH aus:
„Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Soweit die Besehwerdeausführungen dahin zu verstehen sein sollten, dass sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid auch in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als verletzt erachte, fiele dies in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes und nicht des Verwaltungsgerichtshofes; im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist daher hierauf nicht weiter einzugehen.
In dem auch den Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/06/0140, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof in Auseinandersetzung mit dem auch hier erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers dargelegt, dass es sich bei diesem Kopienakt nicht um eine "manuelle Datei" handelt und das Löschungsbegehren somit nicht zu Recht bestehe.
Damit kann im Übrigen auch die schon von der belangten Behörde dahingestellte Frage offen bleiben, wer (welche Stelle) als "Auftraggeber" im Sinne des DSG 2000 anzusehen sei, handelte es sich bei diesem Kopienakt um eine manuelle Datei.
Vielmehr war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.“
[Begründung des Kostenpunkts nicht wiedergegeben]
[Anmerkung Bearbeiter: Das Erkenntnis des VfGH vom 5. Dezember 2007, Zl. B 654/05-8 (siehe oben), mit dem der Bescheid teilweise aufgehoben ist, wurde für die Entscheidungsdokumentation der DSK nicht mehr erfasst, kann aber in der RIS-Entscheidungsdokumentation des VfGH abgerufen werden.]