JudikaturDSB

K120.978/0003-DSK/2005 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
05. April 2005

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein.]

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. Spenling, und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. Blaha, Dr. Duschanek, Dr. Heissenberger, Mag. Preiss und Dr. Souhrada-Kirchmayer, sowie der Schriftführer Mag. Flendrovsky und Frau Haas in ihrer Sitzung vom 5. April 2005 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Über die Beschwerde des Harald D*** in P*** (Beschwerdeführer), vertreten durch Dr. Ingolf H***, Rechtsanwalt in Z***, E***straße 92, gegen die Bundespolizeidirektion Wels (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung des Rechts auf Löschung ihn betreffender Daten durch Unterlassung der Vernichtung des Erhebungsaktes und Unterlassung der Löschung der auf die gegen den Beschwerdeführer erstattete Strafanzeige bezogenen Eintragung im Protokollbuch und in der Indexkartei (auch Steckzettelkartei, Steckkartei oder Steckzettelindex) wird gemäß § 1 Abs. 3 Z. 2, § 27 Abs. 1 und Abs. 3 und § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idF.

BGBl. I Nr. 136/2000, wie folgt entschieden:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien:

Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2004 begehrte der im gesamten Verfahren anwaltlich vertretene Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin sämtliche bei ihr zu seiner Person im Zusammenhang mit näher angeführten sicherheitsbehördlichen Ermittlungen zu § 209 StGB (automationsunterstützt oder nicht automationsunterstützt) verarbeitete Daten, insbesondere im Protokoll(buch) (z.B. Schwärzung), in der Indexkartei und in den entsprechenden Erhebungsakten (z.B. Skartierung), zu löschen und ihn hievon zu verständigen.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2004 erteilte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer die Auskunft, dass für die Vernichtung dieser Schriftstücke nach wie vor die Bestimmungen der Skartierungsvorschrift (§ 112ff der Geschäftsordnung der Bundespolizeibehörden außer Wien) gelten. Die dafür vorgesehenen Fristen würden mit dem Datum des Außerkrafttretens des § 209 StGB (13. August 2002) zu laufen beginnen.

Der Beschwerdeführer wandte sich mit Beschwerde vom 4. Juli 2004 an die Datenschutzkommission und brachte insbesondere vor, sowohl nach § 1 DSG 2000 als auch nach § 1 DSG 1978 (iVm. Art. 8 Abs. 2 EMRK) dürften Sicherheitsbehörden personenbezogene Daten nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigungen und nur verarbeiten, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sei (vgl. § 51f SPG). Die gegenständlichen, den Beschwerdeführer betreffenden Daten würden nicht (mehr) für sicherheitspolizeiliche Zwecke oder für Zwecke der Tätigkeit im Dienste der Strafjustiz benötigt, weshalb ihre Verarbeitung unzulässig sei und dem Beschwerdeführer ein Recht auf Löschung zukäme (§ 1 Abs. 3 DSG 2000, § 27 DSG 2000, § 63 Abs. 1 SPG). Die Beschwerdegegnerin sei auch gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SPG zur Löschung verpflichtet, zumal eine besondere Regelung für die Löschung dieser nicht automationsunterstützt verarbeiteten Daten nicht getroffen worden sei.

In der von der Datenschutzkommission aufgetragenen Stellungnahme vom 4. August 2004 brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass bezüglich des Beschwerdeführers folgende Daten vorhanden seien:

„a) Im EKIS-Strafregister- scheint eine Verurteilung vom LG Wels vom ***, nach §§ 15, 209 StGB auf.

Dazu wird mitgeteilt, dass aus Sicht des BM.J Verurteilungen gemäß § 209 StGB daher bis zu dessen Aufhebung (13.08.2002) rechtmäßig erfolgt sind, weshalb auch deren Aufnahme in das Strafregister zulässig war. Anträge gemäß § 8 Strafregistergesetz auf Löschung solcher Verurteilungen wären daher abzuweisen. Eine allfällige Tilgung aus dem Strafregister bzw. eine Beschränkung der Auskunft kann lediglich auf Grund eines individuellen Gnadenaktes (Artikel 65 Abs. 2 lit. c B-VG und §§ 507 bis 513) erfolgen.

b) In einer Steckzettelkartei und dem damit verbundenen Protokollbuch der Bundespolizeidirektion Wels scheinen Daten bezüglich des Beschwerdeführers auf. Daraus sind lediglich zwei Verkehrsunfälle und sechs strafbare Tatbestände – der Beschwerdeführer als Anzeiger – zu entnehmen. Hinweise auf den nicht mehr existenten § 209 StGB gibt es nicht.

c) Erkennungsdienstliche Daten finden sich bei der BPD-Wels überhaupt im Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer überhaupt keine.

d) Bezüglich einer KPA Vormerkung muss hierorts mitgeteilt werden, dass nicht mehr festgestellt werden kann, ob seitens der Bundespolizeidirektion Wels in dieser Datei bezüglich des damaligen § 209 StGB eine Speicherung veranlasst wurde, weil der diesbezügliche Hausakt ebenfalls der Vernichtung zugeführt wurde und daher ein Nachvollziehen hierorts nicht mehr möglich ist.

Faktum ist, dass derzeit auch im KPA keinerlei Daten des Beschwerdeführers gespeichert sind.“

Nach Gewährung von Parteiengehör und entsprechender Aufforderung zur Stellungnahme teilte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 22. September 2004 dem Beschwerdeführer die auftragsgemäße Löschung der Vormerkung wegen § 209 StGB mit.

II. Von der Datenschutzkommission verwendete Beweismittel:

Die Datenschutzkommission hat Einsicht in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkundenkopien genommen. Dem Beschwerdeführer wurde, wie bereits erwähnt, zu den dazu von der Beschwerdegegnerin übermittelten Stellungnahmen Parteiengehör gewährt.

III. Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung

Gegen den Beschwerdeführer wurde im Juli 2000 wegen des Verdachts einer Übertretung des § 209 StGB an die Staatsanwaltschaft Wels Strafanzeige erstattet. Zu dieser Strafanzeige scheint in der Zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (Informationsverbundsystem ‚Elektronisches Kriminalpolizeiliches Informationssystem – EKIS’) eine Verurteilung des Landesgerichtes Wels vom *** wegen §§ 15, 209 StGB auf.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen gründen sich auf die (in diesem Punkt vom Beschwerdeführer nicht bestrittene) Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 4. August 2004.

Hinsichtlich des Beschwerdeführers scheinen seitens der Beschwerdegegnerin ausschließlich folgende Daten auf: in der Steckzetteldatei und dem damit verbundenen Protokollbuch zwei Verkehrsunfälle und weitere sechs Straftatbestände, bezüglich derer der Beschwerdeführer als Anzeiger aufscheint.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf die von den jeweiligen Parteien eingebrachten Schreiben, insbesondere die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 4. August 2004.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2004 begehrte der Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin [Anmerkung Bearbeiter: im Original auf Grund eines offensichtlichen Redaktionsversehens 'Beschwerdeführerin'] die Löschung sämtlicher im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen ihn verarbeiteten Daten, insbesondere „im Protokoll(buch) (z.B. Schwärzung), in der Indexkartei und in den entsprechenden Erhebungsakten (z.B. Skartierung)“, und die Verständigung von der erfolgten Löschung. Mit Schreiben vom 29. Juli 2004, lehnte die Beschwerdegegnerin dies ab und verwies auf die Bestimmungen der Skartierungsvorschrift (§ 112 ff der Geschäftsordnung der Bundespolizeibehörden außer Wien).

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf die zitierten Urkunden, vorgelegt in Kopie vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde vom 4. Juli 2004 (GZ K120.978/0001-DSK/2004).

IV. Rechtliche Schlussfolgerungen

a. Anzuwendende Rechtsvorschriften

Gemäß der Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 hat jedermann, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.

Gemäß § 27 Abs 1 DSG 2000, der einfachgesetzlichen Ausführungsbestimmung, nach deren Maßgabe das verfassungsgesetzlich eingeräumte Recht auf Löschung zu vollziehen ist, hat jeder Auftraggeber unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtig zustellen oder zu löschen, und zwar (Z 1) aus eigenem, sobald ihm die Unrichtigkeit von Daten oder die Unzulässigkeit ihrer Verarbeitung bekannt geworden ist, oder (Z 2) auf begründeten Antrag des Betroffenen.

Der Pflicht zur Richtigstellung nach Z 1 unterliegen nur solche Daten, deren Richtigkeit für den Zweck der Datenanwendung von Bedeutung ist. Die Unvollständigkeit verwendeter Daten bewirkt nur dann einen Berichtigungsanspruch, wenn sich aus der Unvollständigkeit im Hinblick auf den Zweck der Datenanwendung die Unrichtigkeit der Gesamtinformation ergibt. Sobald Daten für den Zweck der Datenanwendung nicht mehr benötigt werden, gelten sie als unzulässig verarbeitete Daten und sind zu löschen, es sei denn, dass ihre Archivierung rechtlich zulässig ist und dass der Zugang zu diesen Daten besonders geschützt ist.

Gemäß § 27 Abs 3 DSG 2000 ist eine Richtigstellung oder Löschung von Daten ausgeschlossen, soweit der Dokumentationszweck einer Datenanwendung nachträgliche Änderungen nicht zulässt. Die erforderlichen Richtigstellungen sind diesfalls durch entsprechende zusätzliche Anmerkungen zu bewirken.

Gemäß § 27 Abs 4 DSG 2000 ist Innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Antrags auf Richtigstellung oder Löschung dem Antrag zu entsprechen und dem Betroffenen davon Mitteilung zu machen oder schriftlich zu begründen, warum die verlangte Löschung oder Richtigstellung nicht vorgenommen wird.

Gemäß § 58 DSG 2000 gelten manuelle Dateien in Angelegenheiten, die durch Bundesgesetz zu regeln sind, als Datenanwendungen (mit Ausnahmen betreffend die Meldepflicht); es sind die Bestimmungen betreffend das Löschungsrecht daher auch auf manuelle Dateien anwendbar.

Gemäß § 10 Abs 2 1. und 3. Satz Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991, werden die Angelegenheiten des inneren Dienstes der Landes- und Bezirksgendarmeriekommanden von diesen selbst besorgt. Soweit sie für den inneren Dienst automationsunterstützt Daten verarbeiten, sind sie Auftraggeber (§ 3 Z 3 des Datenschutzgesetzes).

b. Anwendung auf den Beschwerdefall

1. zur Frage des Erhebungsaktes

Die Datenschutzkommission vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, 'dass ein behördenüblicher Papierakt weder eine automationsunterstützt geführte Datenanwendung noch eine manuelle Datei bildet, es daher keinen Anspruch auf Löschung von Daten aus einem solchen Akt, etwa durch Entfernen und Vernichten von einzelnen Blättern oder durch Unkenntlichmachung von einzelnen Schriftpassagen gibt'. Dies wurde zuletzt in den Bescheiden vom 2. September 2003, GZ K120.828/002-DSK/2003 und GZ K120.846/007-DSK/2003, im Bescheid GZ K120.883/0002-DSK/2004 vom 12. März 2004 und im Bescheid GZ K120.982/0005-DSK/2004 vom 8. Oktober 2004, alle abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at/dsk/ (mit weiteren Nachweisen) ausgesprochen und vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2004/04/0086, mit ausführlicher Begründung bestätigt. Es ergibt sich also weder aus § 1 Abs. 3 Z 2 noch aus § 27 Abs. 1 DSG 2000 ein Recht auf 'Löschung' eines Papieraktes, sodass die Beschwerde hinsichtlich des Erhebungsaktes abzuweisen war.

2. zur Frage der Eintragung im Protokollbuch und der Indexkartei (auch Steckzettelkartei, Steckkartei oder Steckzettelindex)

Die Datenschutzkommission hat zuletzt in ihrem Bescheid vom 4. Mai 2004, GZ K120.841/0001-DSK/2004 (ebenfalls im RIS abrufbar), ausführlich begründet, dass sich aus den §§ 10 und 13 SPG und der darauf beruhenden Kanzleiordnung der Bundesgendarmerie die Zugehörigkeit der Dokumentation im Protokoll und die Führung der Steckzettelkartei zum inneren Dienst der Bundesgendarmerie und damit die - vom Beschwerdegegner hier auch nicht in Abrede gestellten - Auftraggebereigenschaft des Landsgendarmeriekommandos für diese manuellen Dateien ergibt.

Weiters wurde ausgeführt, dass aus § 58 DSG 2000 die Anwendbarkeit des § 27 DSG 2000 auf diese Dateien folgt. In Fortführung dieser Überlegungen hat die Datenschutzkommission in den unter 1. zitierten Bescheiden vom 2. September 2003 weiters ausführlich - hinsichtlich inhaltlich entsprechender Bestimmungen in der Kanzleiordnung der Bundespolizeidirektion Wels - dargelegt, dass sowohl die Eintragung im Protokollbuch als auch die Führung der Indexkartei lediglich einen behördeninternen Dokumentationszweck (die reine aktenmäßige Protokollierung eines unwidersprochen stattgefundenen Verwaltungshandelns, nämlich eines Ermittlungsverfahrens) erfüllen. Sie dienen nicht zur inhaltlichen Verwendung der Daten, sondern lediglich zur Dokumentation bzw. zur Wiederauffindung der entsprechenden Papierakten. Somit steht der Dokumentationszweck dieser Daten gemäß § 27 Abs. 3 DSG 2000 erster Satz einer Löschung entgegen. Dieser Ansicht hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits oben zitierten Erkenntnis vom 21. Oktober 2004 und zuletzt im Erkenntnis vom 13. Dezember 2004, Zl. 2004/06/0018, angeschlossen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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