JudikaturDSB

K120.979/0008-DSK/2004 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
12. November 2004

Text

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 12. November 2004 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Über die datenschutzrechtlichen Beschwerden von 1. Dkfm. DDr. F (Erstbeschwerdeführer) und 2. Dr. U (Zweitbeschwerdeführer), beide aus N, beide vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in N, wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten durch Anbringung von Stempeln im Reisepass am 11. Jänner (Zweitbeschwerdeführer) bzw. 2. Februar 1997 (Erstbeschwerdeführer) gegen die Bezirkshauptmannschaft T, eingebracht am 24. Februar 1997 als Beschwerden gemäß § 88 Abs 1 und 2 SPG beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (UVS), teilweise zuständigkeitshalber gemäß § 6 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 10/2004, weitergeleitet vom UVS am 14. Juli 2004, wird gemäß § 34 Abs 1 iVm § 31 Abs 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 136/2001 und § 90 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr 566/1991 idF BGBl I Nr 104/2002, folgt entschieden:

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung:

Beide Beschwerden waren wegen verspäteter Erhebung abzuweisen.

A) Sachverhalt samt Beweiswürdigung:

Mit Beschwerden an den UVS vom 20. Februar 1997 brachten die Beschwerdeführer, gestützt auf § 88 Abs 1 und 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr 566/1997 in der Fassung BGBl I Nr 12/1997, vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, der damals als Rechtsanwalt praktizierte, vor, durch Maßnahmen der Sicherheitsverwaltung (Anbringen eines Stempels im Reisepass bei der Grenzkontrolle anlässlich des Passierens der österreichisch-slowakischen Staatsgrenze am Grenzübergang Berg am 11. Jänner bzw. 2. Februar 1997) beschwert und in verschiedenen Rechten (unter anderem auch im Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Datenschutzgesetz (DSG), BGBl Nr 565/1978 idF BGBl Nr 632/1994) verletzt zu sein.

Nach bescheidmäßiger Erledigung der Beschwerden durch den UVS auf Grundlage des SPG hat dieser mit Verfügung vom 14. Juli 2004, Kennzeichen Senat-B-97-XX7 und Senat-B-97-XX8, die beiden Beschwerden gemäß § 6 Abs 1 AVG zuständigkeitshalber teilweise an die Datenschutzkommission weiter geleitet. Beide Beschwerden wurden am 16. Juli 2004 (Posteingang) der Datenschutzkommission vorgelegt.

Die Datenschutzkommission hat mit Erledigung vom 2. September 2004, GZ: K120.979/0002-DSK/2004, den Beschwerdeführern unter Fristsetzung die Behebung von Form- und Inhaltsmängeln aufgetragen, unter anderem die Verletzung in spezifisch datenschutzrechtlichen Rechten näher dazulegen und sich zur Frage der Verjährung des Beschwerderechts gemäß § 34 Abs 1 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr 165/1999 idF BGBl I Nr 136/2002, zu äußern.

Mit Schriftsatz (Stellungnahme) vom 10. September 2004 brachten die nunmehr von Rechtsanwalt Dr. I vertretenen Beschwerdeführer vor, dass eigentlich kein Rechtschutzantrag an die Datenschutzkommission beabsichtigt sei ('Nach Ansicht der Beschwerdeführer besteht daher für die gegenständliche Befassung der Datenschutzkommission kein Raum mehr, weil mit den....Beschwerden vom 20.02.1997 ausdrücklich nur die Rechtswidrigerklärung...begehrt...und dieses Beschwerdeziel ...bereits erreicht wurde', Stellungnahme Seite 2; 'Eine Beschwerde gemäß § 90 SPG wurde von den Beschwerdeführern nicht erhoben.' Stellungnahme Seite 3). Sie machten aber ein Eventualvorbringen 'für den Fall, dass die Datenschutzkommission bei Prüfung der gegenständlichen Beschwerdesachen zum Ergebnis gelangten sollte, dass den Beschwerdeführern...auch noch ein gesondertes Recht auf Feststellung von Datenschutzverletzungen zukommen sollte', und führten ihre Beschwerden aus datenschutzrechtlicher Sicht (einschließlich der Frage der Verjährung) näher aus, ohne allerdings präzise Anträge an die Datenschutzkommission zu stellen.

Die Datenschutzkommission beurteilte die Beschwerden auf Grund der vorstehend zitierten Stellungnahme als – nachträglich – inhaltlich mangelhaft, da nun nicht mehr klar sei, ob die Beschwerdeführer überhaupt ein Rechtsschutzbegehren an die Datenschutzkommission richten wollten. Sie trug den Beschwerdeführern erneut unter Setzung einer Frist von zwei Wochen und Hinweis auf die Folgen gemäß § 13 Abs 3 AVG auf, 'jeweils eine Erklärung darüber abzugeben, ob eine Verletzung in spezifisch datenschutzrechtlichen Rechten behauptet und eine Entscheidung der Datenschutzkommission über diese Beschwerde begehrt wird.'

Diese Erledigung wurde den Beschwerdeführer zu Handen ihres ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreters per Telefax am 22. September 2004 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2004, bei der Datenschutzkommission eingegangen am selben Tag, brachten die Beschwerdeführer vor, sich in ihrem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten als verletzt zu erachten und darüber gemäß § 90 SPG und § 31 Abs 2 DSG 2000 die Entscheidung der Datenschutzkommission zu begehren. Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde wiederholten und ergänzten Sie ihr Vorbringen in der Stellungnahme vom 10. September 2004: Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Juni 1997, B 1565/96, sei zu folgern, dass der gemäß § 88 Abs 2 SPG angerufene UVS nur als 'weitere Einbringungsstelle' für datenschutzrechtliche Beschwerden fungiert habe. Damit sei die Sache fristgerecht bei einer jedenfalls nicht unzuständigen Behörde anhängig gemacht worden. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission sei jedenfalls gegeben, unabhängig davon, 'ob der UVS das in § 88 Abs 5 SPG vorgeschriebene Procedere (Befassung der Datenschutzkommission und Aussetzung seines Verfahrens bis zu deren Entscheidung) eingehalten hat'.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen gründen sich auf den Akteninhalt zu Grundzahl K120.979 der Datenschutzkommission, insbesondere die zitierten Urkunden(-kopien) und Erledigungen.

B) rechtliche Beurteilung:

Vorliegen eines antragsbedürftigen Verwaltungsakts

Die Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 31 Abs 2 DSG 2000 bzw. § 90 SPG ist – ebenso wie der Bescheid des UVS nach § 88 SPG - ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt.

Zuständigkeitsabgrenzung UVS - Datenschutzkommission

Die Beschwerdeführer übersehen, dass sich die Rechtslage durch das Inkrafttreten des DSG 2000 grundlegend verändert hat. Seit 1. Jänner 2000 gibt es keine § 14 Abs 3 DSG entsprechende Rechtsvorschrift (vgl. die Verfassungsbestimmung § 61 Abs 7 DSG 2000) mehr. Jede Verweisung auf diese besondere Verfahrensbestimmung bzw. Zuständigkeit der Datenschutzkommission, solche Fragen per 'Vorabentscheidung' zu klären, geht seither ins Leere. Damit gab es für den UVS ab diesem Zeitpunkt auch keine Möglichkeit, sein Verfahren zu unterbrechen und gemäß § 88 Abs 5 SPG vorzugehen, wobei letztere Bestimmung erst durch BGBl I Nr 104/2004 förmlich aufgehoben wurde. Die vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) in VfSlg 14887 entwickelte Theorie von der 'zweiten Einbringungsstelle' ist damit überholt, da es keine 'zweite Einbringungsstelle' im Sinne der vom VfGH vorgenommenen Auslegung mehr gibt.

Es gilt daher seit 1. Jänner 2000 ohne Einschränkungen insbesondere im Verhältnis zwischen den Unabhängigen Verwaltungssenaten und der Datenschutzkommission wieder die in Art 83 Abs 2 und 18 Abs 1 B-VG auf Verfassungsebene vorgezeichnete Regelung von § 6 Abs 1 AVG, nach der jede Behörde ihre Zuständigkeit von Amts wegen zu wahren hat, und jede Partei das Risiko trägt (arg: 'auf Gefahr des Einschreiters'), dadurch einen Rechtsnachteil zu erleiden, dass sie ein Anbringen an eine unzuständige Behörde richtet, und diese Behörde eine Weiterleitung verzögert vornimmt.

Zeitpunkt der Anhängigkeit der Beschwerden bei der Datenschutzkommission

Daher wurden die gegenständlichen Beschwerde erstmalig am 16. Juli 2004 durch Weiterleitung gemäß § 6 Abs 1 AVG bei der jedenfalls a priori nach den Beschwerdebehauptungen nicht unzuständigen Datenschutzkommission anhängig.

Befristung des Beschwerderechts nach § 31 DSG 2000 durch § 34 Abs 1 DSG 2000

Durch § 34 Abs 1 DSG 2000 wurde eine Verjährung des Rechts auf Behandlung von Datenschutzverletzungen eingeführt. War früher die Geltendmachung einer Verletzung in subjektiven Datenschutzrechten zeitlich unbegrenzt möglich, so gilt nun Folgendes:

Nach § 34 Abs. 1 DSG 2000 erlischt der Anspruch auf Behandlung einer Eingabe nach § 30, einer Beschwerde nach § 31 oder einer Klage nach § 32, wenn der Einschreiter sie nicht binnen eines Jahres, nachdem er Kenntnis von dem beschwerenden Ereignis erlangt hat, längstens aber binnen drei Jahren, nachdem das Ereignis behauptetermaßen stattgefunden hat, einbringt. Dies ist dem Einschreiter im Falle einer verspäteten Eingabe gemäß § 30 mitzuteilen; verspätete Beschwerden nach § 31 und Klagen nach § 32 sind abzuweisen.

In beiden, gemeinsam erhobenen und gemäß § 39 Abs 2 AVG zur gemeinsamen Erledigung verbundenen Beschwerdefällen behaupten die Beschwerdeführer einen nach Zeit und Ort klar bestimmbaren Beschwerdesachverhalt. Der Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung (Anbringung eines datierten Stempelvermerks im Reisepass der Beschwerdeführer bei der Grenzkontrolle am Grenzübergang Berg, Niederösterreich) liegt zwar mit 11. Jänner bzw. 2. Februar 1997 jeweils vor dem zeitlichen Geltungsbereich von § 34 Abs 1 DSG 2000. Es ist aber nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber das Beschwerderecht für alle zeitlich bestimmbaren Datenschutzverletzungen vor dem 1. Jänner 2000 perpetuieren wollte (siehe auch zur Möglichkeit der Gesetzesanalogie, Walter/Mayer Verwaltungsverfahren8 (2003), Rz 230). Für solche Rechtsverletzungen begann die Frist gemäß § 34 Abs 1 DSG 2000 vielmehr spätestens mit Inkrafttreten dieser Bestimmung zu laufen. Am 16. Juli 2004 war der Anspruch auf Behandlung der Beschwerden jedenfalls selbst bei Heranziehung der für die Beschwerdeführer günstigsten Gesetzesauslegung verjährt.

Beide Beschwerden waren daher spruchgemäß als verspätet abzuweisen.

Rückverweise