JudikaturDSB

K120.955/0007-DSK/2004 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2004

Text

BESCHEID

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. MAIER und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. STAUDIGL und Mag. ZIMMER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 8. Oktober 2004 folgenden Beschluss gefasst:

Spruch

Über die Beschwerde des Dr. A. in H. (in der Folge: Beschwerdeführer), vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. E, Mag. C und Dr. R in E, gegen die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in St. Pölten (in der Folge: Beschwerdegegner), vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. D und Dr. M in L wegen Verletzung in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung ihn betreffender personenbezogener schutzwürdiger Daten gemäß § 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz 2000, BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 136/2001 (DSG 2000), durch Verwendung personenbezogener Daten des Beschwerdeführers, die dem Beschwerdegegner aus einer sozialen- und krankenversicherungsrechtlichen Meldung des Beschwerdeführers bekannt waren, in einem Verfahren vor der Bundesschiedskommission am 24. März 2004 wird gemäß §§ 1 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 4 und 8 Abs. 3 Z 5 iVm § 31 Abs. 2 DSG 2000 wie folgt entschieden:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 26. März 2004 Beschwerde gegen die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse vor der Datenschutzkommission und beantragte festzustellen, dass er in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung ihn betreffender schutzwürdiger Daten dadurch verletzt worden sei, dass die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse An- und Abmeldedaten einer Angestellten des Beschwerdeführers für Zwecke der Bestreitung der vom Beschwerdeführer vor der Bundesschiedskommission beeinspruchten Kündigung seines Kassenvertrages verwendet habe.

Die Datenschutzkommission hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und Beweis aufgenommen durch Einholung einer Stellungnahme der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse sowie durch Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden.

Es wird folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin und steht im Sinne des § 343 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in einem kurativen Einzelvertragsverhältnis zur Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, hat mit letzterer also einen Kassenvertrag abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 20. Februar 1998 hat die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse den mit dem Beschwerdeführer seit 1. August 1974 bestehenden Einzelvertrag zum 31. März 1998 aufgekündigt. Begründet wurde die Kündigung damit, dass es sich bei der Honorar- bzw. Medikamentenkostenabrechnung des Beschwerdeführers während mehrerer Quartale zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei.

Gegen diese Kündigung hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27. Februar 1998 Einspruch bei der Landesschiedskommission für Niederösterreich erhoben, wobei der Antrag gestellt wurde, die Kündigung des Vertragsarztverhältnisses des Beschwerdeführers für unwirksam zu erklären.

Auf Grund eines Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom 21. Februar 2002 wurde die Bundesschiedskommission zur Entscheidung über den Einspruch des Beschwerdeführers zuständig.

Im Zusammenhang mit den behaupteten Medikamentenfehlverrechnungen hat die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse auch Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet, sodass gegen den Beschwerdeführer vor dem Landesgericht L ein Strafverfahren eingeleitet wurde.

Mit Urteil des Landesgerichts L vom 3. Juli 2001 wurde der Beschwerdeführer von der wider ihn erhobenen Anklage wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges (Ausstellung inhaltlich unrichtiger Rezepte an Patienten, Inrechnungstellung nicht abgegebener Medikamente) rechtskräftig freigesprochen, seine Gattin G., welche als seine Ordinationsgehilfin tätig war, hingegen verurteilt. In einem Vergleich vor dem LG L verpflichtete sich letztere in einem Vergleich zu einer Schadensgutmachung in der Höhe von mehr als 4 Mio. ATS.

In der Verhandlung vor der Bundesschiedskommission am 24. März 2004 hat die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse vorgebracht, dass es der Beschwerdeführer jedenfalls unterlassen habe, seine damalige Ordinationsgehilfin und Gattin G. ausreichend zu überwachen. Er habe sich einer untauglichen Erfüllungsgehilfin für die Organisation der Hausapotheke bedient.

In diesem Zusammenhang hat die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse zu dem vorgebracht, dass der Beschwerdeführer seine Gattin am Tage nach dem Urteil des Landesgerichts L wiederum als seine Ordinationsgehilfin angestellt habe und bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse eine entsprechende Anmeldung dieser Tätigkeit durchgeführt habe. Eine Kopie der seinerzeitigen Anmeldung der Gattin des Beschwerdeführers durch den Beschwerdeführer sowie eine Kopie einer Abmeldung wurden von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse im Verfahren vorgelegt und von der Bundesschiedskommission zu den Akten genommen.

Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen stützen sich auf die Vorbringen der Verfahrensparteien sowie auf die von diesen der Datenschutzkommission vorgelegten Urkunden.

Daraus folgt in rechtlicher Hinsicht:

Gemäß § 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz 2000, BGBl I Nr. 165/1999 (DSG 2000) hat jedermann, insbesondere im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, so weit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 letzter Satz DSG 2000 ist bei Vornahme zulässiger Eingriffe in das Grundrecht der Eingriff auf die gelindeste zum Ziel führende Art vorzunehmen.

Nach § 4 Z. 12 DSG 2000 liegt ein Übermitteln von Daten unter anderem dann vor, wenn Daten für ein anderes Aufgabengebiet des Auftraggebers verwendet werden.

§ 6 Abs. 1 Z. 1 und 2 DSG 2000 bestimmt, dass Daten nur nach Treu und Glauben, auf rechtmäßige Weise für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke ermittelt und nicht in einer mit diesen Zwecken unvereinbaren Weise weiterverwendet werden dürfen, wobei unter das (Weiter )Verwenden von Daten auch das Übermitteln von Daten zu subsumieren ist (vgl. § 4 Z 8 leg.cit.).

Gemäß § 7 Abs. 2 DSG 2000 dürfen Daten nur übermittelt werden, wenn sie aus einer zulässigen Datenanwendung stammen, der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und durch Zweck und Inhalt der Übermittlung schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden.

§ 7 Abs. 3 DSG 2000 setzt für die Zulässigkeit einer Datenverwendung voraus, dass die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und dass die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 iVm Abs. 3 Z 5 DSG 2000 sind schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen hinsichtlich nichtsensibler Daten aus überwiegendem berechtigten Interesse des Auftraggebers dann nicht verletzt, wenn die Datenverwendung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde notwendig ist und die Daten rechtmäßig ermittelt wurden.

Gemäß § 33 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) haben Dienstgeber jeden von ihnen beschäftigten, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung Pflichtversicherten (…) bei Beginn der Pflichtversicherung unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An- sowie Abmeldung des Dienstgebers wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung (…).

Dem Beschwerdegegner wurde die Tatsache der neuerlichen Beschäftigung der Gattin des Beschwerdeführers in der Praxis des Beschwerdeführers auf Grund der vom Beschwerdeführer als Dienstgeber vorgenommenen Anmeldung seiner Gattin zur Sozialversicherung gemäß § 33 ASVG bekannt.

Da es sich bei der Durchführung der eigentlichen Sozial- und Pensionsversicherung der Gattin des Beschwerdeführers und der Abwicklung des zwischen dem Beschwerdegegner und dem Beschwerdeführer bestehenden Kassenvertrages um zwei verschiedene Aufgabengebiete des Auftraggebers 'Niederösterreichische Gebietskrankenkasse' handelt, liegt eine Übermittlung der Daten durch Änderung des Verwendungszwecks vor, wenn diese für eine rechtliche Auseinandersetzung über die Beendigung eines Kassenvertrages (weiter)verwendet werden. Die Unterschiedlichkeit der Verwendungszwecke ergibt sich im Übrigen auch deutlich daraus, dass in einem Fall sich belangtes Organ und Beschwerdeführer in den Rollen 'Behörde' und 'Partei' gegenüber stehen, im anderen Fall als grundsätzlich gleichberechtigte Vertragspartner (vgl. die Entscheidung der Datenschutzkommission vom 12.2.2002, GZ K120.714/001- DSK/2002).

Auch wenn im vorliegenden Fall somit eine Übermittlung von Daten durch Änderung des Verwendungszweckes stattgefunden hat, so war diese doch im Lichte des § 8 Abs. 1 Z 4 iVm § 8 Abs. 3 Z. 5 DSG 2000 zulässig:

Der Beschwerdegegner verwendete die ihm aus der Sozialversicherungsanmeldung bekannten Daten in einem anhängigen Verfahren, in dem er Parteistellung genießt, vor der Bundesschiedskommission zur Geltendmachung eines Rechtsanspruches, nämlich der Durchsetzung der Kündigung des zu dem Beschwerdeführer bestehenden Kassenvertrages.

Da dem Beschwerdegegner aus diesem Kassenvertrag mit dem Beschwerdeführer bereits gravierende finanzielle Nachteile entstanden sind (vergleiche den zwischen der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und der Gattin des Beschwerdeführers geschlossenen rechtskräftigen Vergleich über eine Schadensgutmachung von mehr als 4 Mio. ATS), ist das Vorhandensein eines überwiegenden berechtigten Interesses des Auftraggebers an der Verwendung der Daten um die Kündigung dieses Kassenvertrages durchzusetzen zu bejahen.

An der Rechtmäßigkeit der Ermittlung der Daten durch den Beschwerdegegner kann aufgrund der Tatsache, dass sie ihm vom Beschwerdeführer selbst gemäß § 33 ASVG gemeldet wurden, kein Zweifel bestehen.

Dass die Daten vom Beschwerdegegner noch in einem anderen Zusammenhang für andere Zwecke verwendet worden wären, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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